Regionale Differenzierung der Primärproduktion in der Nordsee:
Untersuchungen mit einem drei-dimensionalen Modell

Andreas Moll
Institut für Meereskunde
Hamburg
1995







Zusammenfassung

Ziel dieser Arbeit war es, ein drei-dimensionales Primärproduktionsmodell für die Nordsee vorzustellen und mit Hilfe des Modells die jährliche Primärproduktion regional zu quantifizieren.
Dazu wurden ein Primärproduktionsmodell (Radach und Moll 1993) und ein horizontales Transportmodell (Pohlmann 1991) zu einem drei-dimensionalen Primärproduktionsmodell gekoppelt. Im Modell wird die Phytoplanktonproduktion durch das Lichtangebot, den steuernden Nährstoff Phosphat und den vorgegebenen Zooplanktonfraß begrenzt. Für die Simulation wurden aktuelle Antriebe des Jahres 1986 verwendet, um den Einfluß von kurzzeitigen physikalischen Effekten bei der Primärproduktion zu erfassen.
Die Validation des Modells erfolgte durch einen Vergleich der simulierten Jahresgänge für Chlorophyll, Phosphat und tägliche Nettoprimärproduktion mit aggregierten Meßdaten für die 15 ERSEM-Boxen in der Nordsee. Die simulierten Jahresgänge der geschichteten nördlichen und zentralen Nordsee stimmen gut mit den gemessenen Monatsmedianen überein. Die Jahresgänge in den Küstengebieten weichen teilweise von den Messungen ab. Besonders in den Küstenboxen mit geringen Wassertiefen tritt die Phytoplanktonblüte zu früh auf. Dies ist wohl auf zu geringe Lichtattenuation zurückzuführen, da bisher terrigener Schwebstoff im Modell nicht berücksichtigt wird. Die Phosphatjahresgänge in den kontinentalen Küstenboxen erreichen nicht das gemessene Sommerminimum, da die Phosphatremineralisation am Boden sehr einfach parametrisiert ist und so eine zu starke Quelle darstellt. Dadurch werden die Sommerkonzentrationen speziell vor der niederländischen Küste überschätzt.
Insgesamt zeigen die zusammengetragenen Datensätze, daß das Modell die regionalen Strukturen der Phytoplanktondynamik in er Nordsee gut abbildet. Es konnte beispielsweise die räumliche und zeitliche Variabilität aufgelöst werden, die besonders in den geschichteten Teilen der Nordsee die Phytoplanktodynamik bestimmt.
Die regionale Verteilung von Phytoplankton zeigt, daß im Frühjahr die Phase der Phytoplanktonblüte von Südosten nach Nordosten in die Nordsee hineinwandert. Die Migration der Blüte erfolgt entlang des Tiefengradienten. Ausnahmen bilden die Gebiete im Bereich der Doggerbank und der Norwegischen Rinne, in denen die Blüte bereits zu Beginn des Frühjahres einsetzt. Vor der norwegischen Küste kommt es beispielsweise zu einer intensiven Phytoplanktonblüte im März aufgrund einer halinen Schichtung.
Im Modell bestimmt die Verfügbarkeit von Phosphat neben dem Lichtangebot die regionale Phytoplanktondynamik. Die Phosphatzufuhr wird im tiefen Wasser durch die Schichtungsverhältnisse kontrolliert. Nach dem Einsatz der Blüte wandert die Phase der stärksten Phosphatzehrung von Nordosten vor der norwegischen Küste (im April) westlich in die zentrale Nordsee (im Mai) und erreicht im Juni die schottische Küste.
Die Dynamik in den flachen, durchmischten Küstengebieten ist anders. In diesen Gebieten wird Phosphat durch die Remineralisation am Boden und die Flußeinträge permanent in die Wassersäule eingetragen. Die horizontale Advektion und Diffusion sorgen für eine Verteilung der Nährstoffe und damit eine seewärts ausgedehnte Zone verstärkter Produktion.
Die vom Modell berechnete regionale Verteilung der Primärproduktion wurde großflächig in den ERSEM-Boxen zusammengefaßt. Dies stellt derzeit die bestmögliche regionale Differenzierung zum Vergleich mit gemessenen Primärproduktionsdaten dar (Van Beusekom und Diel-Christiansen, 1994).
Die vom Modell berechneten Jahresproduktionen von 98, 106 und 119 gC m-2 y-1 für die geschichtete nördliche (Boxen 1 und 2) und zentrale Nordsee (Box 4) liegen unter den gemessenen 125 gC m-2 y-1 in den Boxen 1 und 2, aber über der Abschätzung von 100 gC m-2 y-1 für Box 4. In den Boxen der schottischen (Box 6) und englischen Küste (Box 7) werden die Jahresproduktionen um den Faktor zwei vom Modell überschätzt. Mit dem Übergang zur südlichen Nordsee zeigt sich, daß das Modell die ansteigenden Produktionsraten von der Doggerbank zum Rheindelta und der Deutschen Bucht reproduzieren kann. Im Gebiet der Doggerbank (Box 5) wurden 161 gC m-2 y-1 simuliert und zwischen 119 und 147 gC m-2 y-1 gemessen. Vor der holländischen Küste (Box 8) erreicht die simulierte Produktion Werte von 231 gC m-2 y-1 bei 199 bis 221 gemessenen gC m-2 y-1 . Die größte Jahresproduktion in der Nordsee wird in der Deutschen Bucht (Box 9) mit 233 gC m-2 y-1 vom Modell errechnet. Dies ist sehr nahe an den Messwerten von 240 bis 261 gC m-2 y-1 .
Im Gegensatz zu Wassersäulenmodellen konnte mit dem drei-dimensionalen Primärproduktionsmodell der Einfluß der horizontalen Transporte auf die Phytoplanktondynamik ermittelt werden. Dies wurde durch eine Szenarienrechnung der lokalen Dynamik (begrenzt auf eine Wassersäule ohne Austausch mit der Umgebung) erreicht, die mit der drei-dimensionalen Dynamik verglichen wurde. Dabei hat sich gezeigt, daß die horizontalen Transporte eine Verlagerung der Produktionszonen von den Küstengebieten mit Flußeinträgen in den gesamten kontinentalen Küstenstreifen bewirken. Die Wirkung der nichtlinearen Transportterme zeigte sich am deutlichsten in einem Vergleich der berechneten Nettoprimärproduktion.
Die Berücksichtigung der Transportterme führte zu einer Steigerung der jährlichen Nettoprimärproduktion in allen Teilen der Nordsee. Nur der zentrale Teil der nördlichen Nordsee, in dem 1976 das FLEX Experiment stattfand, wurde in en Produktionswerten nur wenig verändert. Dies erklärt, warum Untersuchungen mit Wassersäulenmodellen dort so erfolgreich sind.
Mit dieser Arbeit liegt eines der einfachsten denkbaren Modelle zur Untersuchung der Phytoplanktondynamik und des Phosphattransportes in der Nordsee vor. Es verwendet einen sehr vereinfachten Phosphorkreislauf, berücksichtigt lediglich zwei Zustandsvariable im Pelagial und hat die denkbar einfachste Parametrisierung für die pelagische und benthische Remineralisation, sowie für den trophischen Abschluß durch das Zooplankton. Das Modell überzeugt durch die Ergebnisse trotz seiner Einfachheit.

Moll, Andreas (1995) Regional distribution of primary production in the North Sea - simulated by a three-dimensional model (In German), Berichte aus dem Zentrum für Meeres- und Klimaforschung, Reihe B: Ozeanographie, Nr. 19, 151 pp. Address: Institut für Meereskunde, Universität Hamburg, Troplowitzstr. 7, 22529 Hamburg, Germany. Falls Sie eine Exemplar erhalten wollen, können Sie hier eine Email senden.

Abstract

A biological one-dimensional water column model for the simulation of the annual cycles of the phytoplankton dynamics and a physical transport model are coupled into a three-dimensional primary production model to estimate the annual primary production of the North Sea and its regional differences. The simulations are driven with actual forcing: Taking into account monthly river loads from 14 rivers, daily velocities and diffusivities from a baroclinic North Sea model, and solar radiation calculated every 30 minutes. The high variability of the forcing generates a considerable variability in the physical and biological dynamics. The simulated annual cycles of chlorophyll, phosphate and daily net primary production are validated with available data from different years in the sense that the simulated single year can be compared to the measured variability. Such comparisons show that the simulation reproduces the general features of annual phytoplankton cycles in terms of chlorophyll and the triggering nutrient phosphate. This establishes confidence in the calculated annual primary production of the North Sea area. The simulation of 1986 yields an integrated annual water column net production ranging between 92 and 345 gram carbon per square meter and year for the different regions. The annual production agrees quite well with the general quantitative knowledge of the total yearly production, except for the British coast where the production is overestimated due to lacking inorganic suspended matter attenuation.

Moll, Andreas (1995) Regional distribution of primary production in the North Sea - simulated by a three-dimensional model (In German), Berichte aus dem Zentrum für Meeres- und Klimaforschung, Reihe B: Ozeanographie, Nr. 19, 151 pp. Address: Institut für Meereskunde, Universität Hamburg, Troplowitzstr. 7, 22529 Hamburg, Germany. For a reprint send an email request here.