4          Diskussion

 

 

Ferrozene sind eisenhaltige organische Verbindungen, die eine sehr hohe Bioverfügbarkeit aufweisen. Aufgrund dieser Eigenschaft wurde der Einsatz der Ferrozene in der oralen Therapie von Eisenmangelzuständen bis zum klinischen Stadium untersucht. Sie wurden jedoch wieder aufgegeben, da sich als Nebeneffekt bei einigen Versuchstieren eine Hämosiderose der Leber entwickelte (Kief et al. 1977; Yeary 1969).

Dieser unerwünschte Nebeneffekt in der Therapie von Eisenmangelzuständen wurde wiederum für die experimentelle Erzeugung einer Eisenüberladung zum ersten Mal von Longueville und Crichton ausgenutzt. Sie wollten die hohe Bioverfügbarkeit der Ferrozene nutzen, um Versuchstiere in kurzer Zeit mit Eisen zu überladen, damit sie die Wirksamkeit neuer Chelatoren untersuchen konnten (1986).

Die schnelle und effiziente Überladung des Organismus mit Eisen auf der Grundlage der hohen Bioverfügbarkeit der Ferrozene, insbesondere des TMH-Ferrozens, führte zu der Hoffnung, ein neues experimentelles Tiermodell entwickeln zu können, mit dem man die hereditäre Hämochromatose imitieren konnte (Longueville und Crichton 1986; Ward et al. 1991a). Jedoch ist es bis heute auch durch langzeitige Applikation der Ferrozene im Tierversuch nicht gelungen, schwere Organschäden an z.B. Leber, Herz oder Pankreas, entsprechend dem Endzustand bei der hereditären Hämochromatose, zu erzeugen (Nielsen 1993a, 1993b; Düllmann et al. 1992; Braumann et al. 1994). Trotzdem gilt die experimentelle Eisenüberladung von Versuchstieren mit TMH-Ferrozen im Vergleich zu dem Eisenüberladungsmodell mit Carbonyleisen als die effektivere Methode (Nielsen 1993c).

 

Die hohe Bioverfügbarkeit der Ferrozene sowie ihre hohe Potenz zur Eisenüberladung sind schon länger bekannt und beschrieben. Die Grundlage dieser hohen Verfügbarkeit für den Organismus scheint in dem lipohilen Charakter  der Ferrozene und der dadurch bedingten Aufnahme über den Lipidabsorptionsmechanismus begründet zu sein (Nielsen 1993a). Lipide werden aus dem Gastrointestinaltrakt in die Zellen der Darmmukosa über einfache Diffusion aufgenommen (Carey et al. 1983; Tso 1985). Diese Form der Aufnahme ist passiv, energieunabhängig, schnell und hat eine sehr hohe Transportkapazität.

 

Nach der Aufnahme aus dem Gastrointestinaltrakt läßt sich das aus TMH-Ferrozen stammende Eisen zu ca. 80%  in der Leber wiederfinden (Nielsen 1993a). Innerhalb der Leber findet primär eine Aufnahme des Eisens in die Hepatozyten statt (Longueville und Crichton 1986; Düllmann 1992). Im weiteren Verlauf der experimentellen Eisenüberladung wird jedoch im Unterschied zur primären Hämochromatose das Eisen aus den Hepatozyten in die Kupfferzellen umverteilt (Düllmann 1992). Es ist jedoch weitgehend nicht bekannt, wie das aus den Ferrozenen stammende Eisen in die Hepatozyten aufgenommen wird.

Bisherigen Untersuchungen zufolge gelangen die Ferrozene nach Aufnahme in den Körper unverändert zu den Hepatozyten und werden von diesen aufgenommen. Erst während oder nach der Aufnahme in die Hepatozyten wird das Eisen aus dem Kohlenwassertoffgerüst der Ferrozene freigesetzt  und für die Zelle frei verfügbar (Longueville und Crichton 1986; Nielsen 1993a). Der  genaue Aufnahmemechanismus der Ferrozene in die Hepatozyten wurde allerdings bislang nicht untersucht.

 

Ziel  dieser Arbeit war es, die Aufnahmekinetik für Ferrozen/ TMH-Ferrozen in der primären Zellkultur an Rattenhepatozyten zu beschreiben und  durch den Vergleich mit der Aufnahme von NTB-Eisen (Fe-Citrat, Fe-Ascorbat, Fe-DTPA) den Aufnahmemechanismus näher zu charakterisieren.

 

 

 

4.1 Methodik

 

Die Durchführung der Versuche zur Kinetik sowie zum Mechanismus der Aufnahme von Ferrozen/ TMH-Ferrozen orientierte sich an einer etablierten Methode von Scheiber und Goldenberg (1996). Die Versuchsbedingungen  zur Aufnahme der hydrophilen Eisenchelate Fe-Citrat, Fe-Ascorbat und Fe-DTPA entsprachen den Literaturangaben.

Da die Ferrozene nicht wasserlöslich sind, mußte für die Versuche mit Ferrozen und TMH-Ferrozen ein Lösungsvermittler verwendet werden, um eine ausreichende Verfügbarkeit der Ferrozene für die Zellen zu erreichen. Hierfür besonders geeignet waren Ethanol und DMSO.

 

Die Verwendung von DMSO als Detergens für TMH-Ferrozen ist von Lambrecht et al. an Leberzellen von Hühnerembryonen beschrieben worden (1994). Auch stellte sich in eigenen Versuchen heraus, daß sich Ferrozen sehr gut in DMSO löste. Im Vergleich zum alternativen Lösungsmittel Ethanol verteilte sich Ferrozen in DMSO gleichmäßiger. Deshalb wurde für weitere Versuche DMSO verwendet.

 

Für die Wirkung des DMSO, die Ferrozene im wässrigen Inkubationsmedium für die Zellen verfügbar zu machen, ist die amphiphile Eigenschaft dieser Substanz verantwortlich. DMSO ermöglicht bzw. beschleunigt in lipophoben Medien den Kontakt von lipophilen Stoffen zu anderen lipophilen Strukturen wie z.B. der Zellmembran (Kumar et al. 1992; See und Xia 1992) oder Lipoproteinen (Kongshaug et al. 1995). Im Vergleich zu anderen Lösungsmitteln hat sich DMSO in hohem Maße als absorbtions-  bzw. permeationssteigernd herausgestellt (Kumar et al. 1992; See und Xia 1992).

 

Die bekannte und in eigenen Versuchen ebenfalls gezeigte Zytotoxizität des DMSO wurde durch die niedrige Konzentration von 1 Vol.% DMSO im Inkubationsmedium so gering wie möglich gehalten. Der Viabilitätsverlust nach 60 min Inkubationsdauer betrug im Vergleich zur Kontrollgruppe 8% (n=3) und wurde im Rahmen der Gesamtviabilität der Hepatozyten als tolerabel bewertet.

 

 

 

4.2 Eisenaufnahme aus [55Fe]-Askorbat, -Citrat und -DTPA

 

Als NTB-Eisen wurden Fe-Ascorbat, Fe-Citrat und Fe-DTPA verwendet. Die Aufnahme von Eisen aus niedermolekularen Chelatoren ist bekannt und gut beschrieben (Randell et al. 1994; Scheiber und Goldenberg 1996; Kaplan et al. 1991). Versuche mit den genannten Chelatoren wurden durchgeführt, um einen Direktvergleich mit der Aufnahme von Ferrozen/ TMH-Ferrozen zu ermöglichen. Gleichzeitig sollten die Versuche zeigen, daß diese etablierte Methode korrekt durchgeführt wurde.

 

Die Aufnahme von Fe-Askorbat und Fe-Citrat zeigte eine Sättigungscharakteristik mit logarithmischem Verlauf. Der experimentelle Halbmaximalwert wurde nach ca.10 min erreicht. Die Aufnahme von Fe-DTPA verlief im Inkubationszeitraum bis 40 min linear und zeigte einen experimentellen Halbmaximalwert nach ca. 15 min. Die Kinetik der Aufnahme aller drei Eisenkomplexe ist mit den Ergebnissen von Goldenberg und Scheiber, nach deren Methode die Versuche durchgeführt worden sind, identisch (Goldenberg et al. 1996).

 

Die Aufnahmeraten für die einzelnen Eisenkomplexe unterscheiden sich in ihrer Größenordnung nicht wesentlich im Vergleich zu den Angaben in der Literatur (Goldenberg und Scheiber 1996).  Die höchste Aufnahmerate mit ca. 50 fmol/ min x 1 Mio. Zellen ist für Fe-Ascorbat, gefolgt von Fe-Citrat mit ca. 40 fmol/ min x 1 Mio. Zellen und Fe-DTPA mit ca. 20 fmol/ min x 1 Mio. Zellen beschrieben. Im Unterschied zur Literatur wurde in unseren Versuchen für Fe-Ascorbat eine verminderte Aufnahmerate gemessen. Der Grund hierfür liegt wahrscheinlich im relativ schnellen Wirkungsverlust von Ascorbat bei zu früher Vorbereitung des Fe-Ascorbats vor dem Einsatz im Versuch. Durch die Oxidation des Ascorbats wird der aufnahmesteigernde reduzierende Effekt des Ascorbats auf das dreiwertige Eisen aufgehoben.

 

Im Vergleich zur Kontrollgruppe verminderte 100-facher Substratüberschuß mit [56Fe]Citrat die Aufnahme des [55Fe]Citrats auf nur noch 28%, und die Proteolyse der Membranproteine mit Trypsin senkte die Aufnahme auf 37%. Scheiber und Goldenberg beschreiben sowohl bei Substratüberschuß als auch durch Trypsinandauung der Zellen ein völliges Sistieren der Eisenaufnahme aus Fe-DTPA (1996). Daß Substratüberschuß sowie Trypsinandauung der Zellen die Aufnahme von niedermolekular komplexiertem Eisen senken und die Aufnahme sowohl zeit-, als auch konzentrationsabhängig verläuft, beschreiben auch Randell et al. (1994).

Die hier beschriebenen Ergebnisse zur Aufnahme von Fe-Ascorbat, Fe-Citrat und Fe-DTPA stimmen im wesentlichen mit den Literaturangaben überein (Randell et al. 1994; Scheiber und Goldenberg 1996; Kaplan et al. 1991; Wright 1986). Sie charakterisieren die spezifische, sättigbare, carriervermittelte Aufnahme von NTB-Eisen.

 

 

 

4.3 Eisenaufnahme aus [59Fe]Ferrozen und [55Fe]TMH-Ferrozen

 

Aufnahmekinetik der Ferrozene

Die Aufnahmekinetik von Ferrozen und TMH-Ferrozen ist identisch. Beide unterliegen einer sehr schnellen und effektiven Elimination aus dem Inkubationsmedium, bedingt durch eine sehr hohe Transportkapazität der Hepatozyten für diese Substanzen. Der experimentelle Halbmaximalwert der Aufnahme für TMH-Ferrozen betrug konzentrationsunabhängig weniger als 1 min (Ferrozen: 5 min). Das Aufnahmemaximum für TMH-Ferrozen  wurde etwa nach 10 min erreicht (Ferrozen:15 min  SD  ±  5 ). Bis zu einer Konzentration von 200 µM (TMH-Ferrozen) bzw. 357 µM (Ferrozen) verlief die Aufnahme proportional zur Konzentration, also ohne erkennbare Sättigungscharakteristik. Der Vergleich der Aufnahmequoten beider Substanzen (Abb. 37) zeigt eine höhere Aufnahmequote für Ferrozen ( 81% der angebotenen Menge) als für TMH-Ferrozen (74% der angebotenen Menge). Dieses Ergebnis korreliert gut mit der Tatsache, daß Ferrozen lipohiler als TMH-Ferrozen ist. Die Parallelität von Lipophilie und initialer gastrointestinaler Resorption dieser Substanzen wurde auch von Nielsen et al. beschrieben (Nielsen 1993a). Die Korrelation sowohl der gastrointestinalen als auch der hepatischen Aufnahme mit der Lipophilie der Ferrozene spricht für einen unspezifischen, passiven  Absorbtionsmechanismus durch Diffusion, wie er auch für die Lipidaufnahme in die Mukosazellen angenommen wird (Nielsen 1993a).

 

 

Aufnahmemechanismus des TMH-Ferrozens

Um den Aufnahmemechanismus für TMH-Ferrozen genauer in seinen Eigenschaften zu charakterisieren, wurden eine Reihe von Versuchen durchgeführt, in denen jeweils

 

Abbildung 37:         Vergleich der Aufnahmequote von Ferrozen und TMH-Ferrozen; MW ± SD;

 

 

selektiv einzelne Versuchsparameter verändert wurden. Dadurch war ein Direktvergleich der Aufnahmemechanismen für TMH-Ferrozen und NTB-Eisen möglich. 

 

 

Substratüberschuß

Der 100-fache Substratüberschuß an nicht radioaktiv markiertem TMH-Ferrozen führte zu einer Verminderung der Aufnahme um 27%. Im Vergleich zur Verminderung der Aufnahme von Fe-Citrat durch Substratüberschuß um 72% ist die Verminderung der  TMH-Ferrozenaufnahme als gering zu bewerten. Für die Aufnahme von Eisen aus niedermolekularen Eisenkomplexen wie Fe-Ascorbat, Fe-Citrat und Fe-DTPA ist eine limitierte Aufnahmekapazität charakteristisch (Scheiber und Goldenberg 1996). Der Kinetik von Enzymen entsprechend ist dabei eine Steigerung der Aufnahmerate nach Substratsättigung nicht möglich. Substratüberschuß führt durch kompetitive Hemmung zu einer deutlich verminderten Aufnahme der Ausgangssubstanz. Scheiber und Goldenberg beschreiben bei 100-fachem Substratüberschuß das völlige Sistieren der Eisenaufnahme aus Fe-DTPA (1996). Die Verminderung der Aufnahme des TMH-Ferrozens um etwa ein Viertel ist nicht eindeutig einem sättigbaren Mechanismus zuzuordnen.

 

 

Temperatur

Die Aufnahme von TMH-Ferrozen war nur in geringem Maße durch die Veränderung der Inkubationstemperatur zwischen 12° und 36°C zu beeinflussen. Die Aufnahme wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe maximal um 21%  vermindert. Ein für die Aufnahme von NTB-Eisen (Wright et al. 1990) sowie Transferrineisen (Nilsen 1991) charakteristischer starker Abfall der Aufnahmerate im logarithmischen Maßstab mit einem charakteristischen Knick der Kurve bei ca. 20°C im Arrhenius-Plot war für die Aufnahme von TMH-Ferrozen nicht zu beobachten.

Die Temperaturabhängigkeit eines Prozesses ist ein Indikator für die Beteiligung von Proteinen an der Aufnahme. In physiologischen Temperaturbereichen führt eine Temperaturverminderung um 10°C zur Halbierung der Umsatzgeschwindigkeit eines Enzyms. Die nur minimale Verminderung der TMH-Ferrozenaufnahme ohne charakteristischen Verlauf spricht gegen die Beteiligung von Membranproteinen an der Aufnahme.

 

 

pH-Wert

Im untersuchten Bereich von pH 5,0 bis 8,0 existiert für die Aufnahme des TMH-Ferrozens kein pH-Optimum. Im Gegensatz  hierzu ist die Aufnahme von NTB-Eisen  sowie Transferrineisen pH- abhängig (Scheiber und Goldenberg 1996).

Die Präferenz einer genau definierten Protonenkonzentration zur Entwicklung der maximalen Umsatzgeschwindigkeit gehört zu den besonderen Eigenschaften von Enzymen. Dabei spielen die durch den pH-Wert mitbestimmten Ladungsverhältnisse eine wesentliche Rolle in der Interaktion zwischen Substrat und Bindungsstelle, wie z.B. des Apo-Transferrins mit seinem Rezeptor oder den sterischen Verhältnissen eines Enzyms. Dies kann sich unmittelbar auf das aktive Zentrum und somit auf den Funktionszustand des Enzyms auswirken. Die Unabhängigkeit der Aufnahme vom pH-Wert über einen weiten Bereich spricht daher ebenfalls gegen die Beteiligung von Proteinen an der Aufnahme des TMH-Ferrozens.

 

 

Transferrinrezeptor

Der Zusatz von Holo-Transferrin in einer hohen Konzentration mit dem Ziel einer kompetitiven Hemmung der TMH-Ferrozenaufnahme am Transferrinrezeptor führte zu keiner Veränderung. Die Aufnahme von NTB-Eisen wird durch Holo-Transferrin stark gehemmt. Es wird vermutet, daß für die Aufnahme von Transferrineisen und NTB-Eisen  ein gemeinsamer Mechanismus existiert, oder zumindest die für die Aufnahme verantwortlichen Strukturen in sterischer Nähe zueinander liegen (Scheiber und Goldenberg 1996). Für die Aufnahme von TMH-Ferrozen spielt der Transferrinrezeptor offensichtlich keine Rolle.

Auch der Zusatz von Apo-Transferrin in einer hohen Konzentration hatte keinen Einfluß auf die Aufnahme des TMH-Ferrozen. Apo-Transferrin besitzt eine physiologisch geringe Affinität zum Transferrinrezeptor. Es wurde hier mit dem Ziel verwendet, eventuell an der Membranoberfläche aus dem TMH-Ferrozen freigesetztes Eisen als Chelator zu binden. Bei der Aufnahme von NTB-Eisen vermag Apo-Transferrin an der Zelloberfläche aus den Eisenchelaten freigesetztes Eisen zu binden (Scheiber und Goldenberg 1996). Dies weist auf den Zusammenhang der Aufnahmewege für NTB-Eisen und Transferrin via Endozytose hin.

Der fehlende Einfluß von Apo-Transferrin auf die Aufnahme des TMH-Ferrozens spricht gegen eine Freisetzung des Eisens aus dem TMH-Cyclopentadienyl-Gerüst vor dem Eintreten in die Zelle.

 

 

Niedermolekulare Chelatoren

Der Zusatz der Chelatoren Ascorbat, Citrat, DTPA, DFO, EDTA, Tiron und L1 blieb ohne signifikante Wirkung auf die Aufnahme von TMH-Ferrozen. Bei der Aufnahme von NTB-Eisen wirken Chelatoren in unterschiedlicher Weise: Die Aufnahme von Fe-DTPA wird durch Ascorbat sowie Tiron stark stimuliert und durch Citrat, DTPA und DFO ganz blockiert (Scheiber und Goldenberg 1996). Die Wirkung von Chelatoren auf die Aufnahme von Eisen zeigt, ob Eisen vor der Aufnahme in die Zelle aus der Eisenverbindung freigesetzt wird oder nicht. Voraussetzung dafür ist, daß der Ort der Eisenfreisetzung für die Chelatoren zugänglich ist. Chelatoren können aber auch über die eigene Affinität zu Eisen eine Labilisierung des  Eisens aus einer Verbindung bewirken. Für den Einfluß der Chelatoren auf die Aufnahme ist ihre Bindungskonstante für Eisen von Bedeutung. Eine hohe Bindungskonstante vermindert und eine niedrige Bindungskonstante steigert die Aufnahme des Eisens. Der fehlende Einfluß der Chelatoren auf die Aufnahme des TMH-Ferrozens spricht für die Freisetzung des Eisens erst nach der Aufnahme in die Hepatozyten. Dieses Ergebnis unterstützt die von Longueville und Crichton (1986) sowie  Nielsen  (1993a) geäußerte Vermutung, daß das Eisen aus dem TMH-Ferrozen erst in den Hepatozyten freigesetzt wird.

 

 

Redoxreaktionen

Die Aufnahme von TMH-Ferrozen wird durch Ascorbat und Ferricyanid  nicht signifikant beeinflußt. Im Gegensatz hierzu stimuliert Ascorbat die Aufnahme von NTB-Eisen, Ferricyanid unterdrückt sie vollständig (Scheiber und Goldenberg 1996). Ascorbat und Ferricyanid können Hinweise darauf geben, ob die Reduktion des Eisens vor oder während der Aufnahme  eine Rolle im Aufnahmemechanismus spielen. Ascorbat hat eine stimulierende Wirkung auf reduktionsabhängige Reaktionen (Thorstensen 1988; Randell et al. 1994; Inman et al. 1994). Ferricyanid, ein membranimpermeabler Hemmstoff der Ferrireduktase (bewirkt die Reduktion des Eisens), blockiert  wiederum die Aufnahme, wenn diese reduktionsabhängig ist (Randell et al. 1994; Thorstensen und Romslo 1988). Der fehlende Einfluß dieser Substanzen zeigt, daß reduzierende Prozesse für die Aufnahme des TMH-Ferrozen offenbar keine Rolle spielen.

 

 

Zweiwertige Metallionen

Die Änderung der Aufnahme durch den Zusatz der zweiwertigen Metallionen war nicht signifikant. Durch die Blockierung der Eisenaufnahme durch Co2+, Cu2+, Mn2+ und Zn2+  konnte die Beteiligung von spezifischen Ionenkanälen an der Aufnahme von NTB-Eisen nachgewiesen werden (Wright et al. 1986; Scheiber und Goldenberg 1996). In Abhängigkeit vom Radius der zweiwertigen Ionen läßt sich die Aufnahme des reduzierten zweiwertigen Eisens in unterschiedlichem Maße blockieren. Für die Aufnahme des TMH-Ferrozens haben für zweiwertige Ionen spezifische Membrankanäle offensichtlich keine Bedeutung.

 

 

Na-Cyanid

Die TMH-Ferrozenaufnahme erfordert keine metabolische Energie. Dies zeigt sich an der Unempfindlichkeit der Aufnahme Na-Cyanid gegenüber. Auch die Aufnahme von NTB-Eisen ist durch Na-Cyanid nicht zu beeinflussen (Scheiber und Goldenberg 1996). NTB-Eisen wird carriervermittelt aufgenommen. Dies stellt eine Form der passiven Aufnahme dar, die energieunabhängig ist. Transferringebundenes Eisen wird hingegen rezeptorvermittelt-endozytotisch aufgenommen (Morgan and Baker 1988), welches bekanntlich eine aktive und energieabhängige Aufnahme darstellt.

Na-Cyanid (NaCN) wirkt als Zellgift über die Komplexierung des Fe3+ der Cytochromoxidase der Atmungskette. Dadurch wird der oxidative Prozeß der Energiegewinnung von ATP blockiert. Dies hat eine sehr schnelle ATP-Verarmung der Zelle und somit die Erschöpfung der metabolischen Energie zur Folge. Der fehlende Einfluß von Na-Cyanid schließt die Energieabhängigkeit der Aufnahme des TMH-Ferrozens  aus.

 

 

Trypsin

Auf die Aufnahme des TMH-Ferrozens in die Hepatozyten hatte die Lyse der membrangebundenen Enzyme im Vergleich zur Aufnahme von NTB-Eisen einen relativ geringen Effekt. Trypsin senkte die Aufnahme des TMH-Ferrozens um 23% und die des Fe-Citrat um 63%. Für die Aufnahme von NTB-Eisen aus Fe-DTPA konnten Scheiber und Goldenberg ein völliges Sistieren der Eisenaufnahme zeigen ( 1996).

Trypsin ist eine membranimpermeable Protease, die Polypeptide nach den Aminosäuren Lysin und Arginin spezifisch spaltet, wodurch Oberflächenproteine wie der Transferrinrezeptor ihre Funktion verlieren (Turkewitz et al. 1988). Auch die Aufnahme von NTB-Eisen, die ferrireduktaseabhängig ist (Thorstensen 1988; Thorstensen und Aisen 1990), wird durch die Trypsinandaung völlig gehemmt (Scheiber und Goldenberg 1996).

Abbildung 38:         Der Einfluß von Chelatoren und anderen Zusätzen auf die Aufnahme von TMH-Ferrozen im Vergleich zu parallel duchgeführten Kontrollversuchen

 

 

Der relativ geringe Einfluß von Trypsin auf die Aufnahme von TMH-Ferrozen im Vergleich zu Literaturangaben für enzymabhängige Aufnahmemechanismen sowie eigene Ergebnisse zur Aufnahme von Fe-Citrat sprechen gegen eine enzymabhängige Aufnahme des TMH-Ferrozens. Der fehlende Einfluß von Temperatur- sowie pH-Wert-Änderungen unterstützen diese Annahme. Abbildung 38 gibt einen Überblick über die Wirkung der unterschiedlichen Zusätze.

 

 

Aufnahmemechanismen  physiologischer Eisenverbindungen und des TMH-Ferrozens

Transferrin, Ferritin, Haptoglobin, Hämopexin und Laktoferrin werden alle durch den aktiven Transportmechanismus der rezeptorvermittelten Endozytose über jeweils  spezifische Rezeptoren aufgenommen (Unger und Hershko 1974; Osterloh und Aisen 1989; Mack et al. 1983; Kino et al. 1980; Higa et al. 1981; Morgan und Baker 1988). Dieser Aufnahmemechanismus ist spezifisch, energieabhängig und in seiner Kapazität limitiert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Abbildung 39:         Die von den physiologischen Wegen unabhängige Aufnahme der Ferrozene in die Hepatozyten

 

 

 

Die Aufnahme von NTB-Eisen ist ein passiver, carriervermittelter Transportprozeß, der an spezifische nachgewiesene Proteine der Membran, nämlich Oxidoreduktasen, gebunden ist. Die Aufnahmekapazität dieses Systems ist ebenfalls limitiert und spezifisch (Scheiber und Goldenberg 1996; Randell et al. 1994;Jordan and Kaplan 1994; Kaplan et al. 1991).

 

Es gibt keine Hinweise für Gemeinsamkeiten im Aufnahmemechanismus von TMH-Ferrozen und physiologischen Eisenverbindungen. Die Aufnahmemechanismen unterscheiden sich deutlich voneinander (Abb. 39). Die Aufnahmekinetik, die Unabhängikeit von pH-Wert und Temperaturänderungen sowie  der fehlende Einfluß einer Reihe von Chelatoren und Zusätzen spricht für eine passive Aufnahme, die  unabhängig von speziellen Transportsystemen abläuft.

 

Mit Hilfe der Ferrozene läßt sich unabhängig von allen bekannten physiologischen Aufnahmemechanismen Eisen in "getarnter" Form in die Zelle einschleusen. Dies eröffnet neue Perspektiven in der Erforschung des Eisenstoffwechsels. Es wird möglich, die physiologischen Aufnahmemechanismen für Eisen zu umgehen, wie es z.B. bei der Untersuchung der Ausschleusung von Eisen aus der Zelle notwendig ist.