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1             Einleitung

1.1       Koagulasenegative Staphylokokken

1.1.1     Taxonomie

     Staphylokokken sind 0,5 bis 1,5 µm große, grampositive, haufenförmig wachsende, fakultativ anaerobe, unbe­wegliche Kokken­bakterien mit der Befähigung zur Katalasebildung. Sie gehören zu der Familie der Micrococcaceae, zu der weiterhin die Gattungen Micrococcus, Planococcus und Stomatococcus gehören (Schleifer, 1986). Die Gattungen innerhalb der Familie unter­scheiden sich durch den G/C-Gehalt ihrer chromosomalen DNA. Staphylococcus und Planococcus besitzen einen relativ niedrigen Anteil von 30 bis 39 %, während Micrococcus und Stomatococcus einen G/C-Gehalt von 66 bis 77 % besitzen.

 

Innerhalb der Gattung Staphylococcus können die Spezies anhand unterschiedlicher Metho­den differenziert werden. In der medizinischen Diagnostik werden hauptsächlich Verfahren an­gewandt, welche einfach zu handhaben sind und eine schnelle Diagnose erlauben. Hierzu wer­den vor allem Koloniemorphologie, Antibiotikaresistenz, spezifische Kombinationen von En­zymen und die Säurebildung aus unterschiedlichen Kohlehydraten herangezogen. Als wei­tere und genauere Verfahren zur Spezies­differenzierung dienen chemische Analysen der Amino­säure­zusammensetzung der Interpeptidbrucken des Peptidoglycans, der Teichonsäuren der Zellwand, sowie der zellulären Fettsäurekomponenten und gentechnische Methoden zum Nachweis von speziesspezifischen DNA-Sequenzen. Auf diese Weise werden heute innerhalb der Gattung Staphylococcus 32 Spezies unterschieden, die teilweise noch in Subspezies bzw. Biotypen eingeteilt werden. Staphylokokken können eine Vielzahl an Wirten besiedeln, 13 Spezies wurden bisher als beim Menschen vorkommend beschrieben (Pfaller und Herwaldt, 1988; Kloos und Bannermann, 1994; Rupp und Archer, 1994).

 

Innerhalb der beim Menschen vorkommenden Staphylokokkenspezies wird anhand der Koagulasereaktion zwischen dem koagulasepositiven Staphylococcus aureus und den koagulasenegativen Staphylokokken unterschieden. Die Koagulase ist ein Protein, das an Prothrombin bindet und durch Konformationsänderung als Staphylothrombin die Gerinnungskaskade aktiviert. Im klinischen Alltag wird als Routinetestung der Clumpingfaktor nachgewiesen. Der Clumpingfaktor ist ein zellwandassoziiertes Protein, welches mit hoher Affinität an Fibrinogen bindet und innerhalb weniger Sekunden zur Zellverklumpung in Plasma führt. Dies ermöglicht eine schnellere Differenzierung in der Diagnostik (Yu und Washington, 1985).

 

S. aureus ist seit langem als pathogener Keim in der Medizin bekannt. Er besitzt verschiedenste Virulenzfaktoren und kann eine Vielzahl verschiedener Krankheitsbilder verursachen. Häufig wird er bei Wundinfektionen und Abszessen isoliert. Seltener sind durch Exotoxine von S. aureus verursachte Erkrankungen wie das Toxic-Shock-Syndrom oder das Staphylococcal-Scalded-Skin-Syndrom (Waldvogel, 1994). Im Gegensatz dazu wurden koagulasenegative Staphylokokken lange Zeit als apathogen angesehen. Sie stellen einen wichtigen Bestandteil der menschlichen Haut- und Schleimhautflora dar. In besonders hoher Dichte (103 bis 106 CFU/cm2 Oberfläche) finden sie sich in Regionen mit großer Anzahl seborrhoischer Drüsen und um die Körperöffnungen. In trockeneren Hautarealen sind sie ebenfalls häufig, aber in geringeren Mengen (10 bis 103 CFU/cm2) anzutreffen. Die verschiedenen Spezies der koagulasenegativen Staphylokokken bevorzugen unterschiedliche Hautareale, eine schematische Verteilung ist in Bild 1 dargestellt (Kloos, 1997).

 

Von allen beim Menschen vorkommenden koagulasenegativen Staphylokokken findet sich am häufigsten die in dieser Arbeit näher untersuchte Spezies S. epidermidis. Sie wird in allen Körperregionen angetroffen, hat jedoch eine Prävalenz für feuchte Areale, wie Nasenschleimhaut, Ellenbeuge, Kniekehle und Leistenbeuge.

 

 

Bild 1

 

Bild 1 Verteilung von Staphylococcus species auf der Haut und den Schleimhäuten Erwachsener. Die Verteilung der einzelnen Spezies auf den unterschiedlichen Körperregionen wird durch die Fläche in den Diagrammen dargestellt. Die Spezies S. caprae, S. pasteuri und S. lugdunensis sind wegen ihrer seltenen Nachweisbarkeit nicht dargestellt (Kloos, 1997).

 

 

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1.1.2     Epidemiologie von Erkrankungen durch koagulasenegative Staphylokokken

 

Nachdem koagulasenegative Staphylokokken früher als apathogen angesehen wurden, sind sie als Erreger nosokomialer Infektionen in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund geruckt. In dem Zeitraum von 1990 bis 1995 machten sie in den USA 11 % der nosokomialen Infektionserreger aus und waren damit die Dritthäufigsten. Sie wurden bei 31 % der Bakteriämien, bei 13 % der Wundinfektionen und bei 14 % der Infektionen anderer Lokalisation gefunden (Emori und Gaines, 1993; Boyce, 1997).


S. epidermidis ist der häufigste Infektionserreger bei durch koagulasenegative Staphylokokken verursachten Erkrankungen. Eine Ausnahme bilden Harnwegsinfektionen, bei denen Staphylococcus saprophyticus vorwiegend isoliert wird. Diese Infektionen sind in der Regel ambulant erworben mit einer Erkrankungshäufung bei jungen, sexuell aktiven Frauen. Neben diesen beiden Staphylokokkenspezies wurden in seltenen Fällen noch weitere koagulasenegative Staphylokokken als Krankheitserreger beschrieben (Pfaller und Herwaldt, 1988; Kloos und Bannermann, 1994; Rupp und Archer, 1994). Die meisten durch koagulasenegative Staphylokokken verursachten Infektionen sind endogenen Ursprungs mit Keimen aus der Hautflora der Patienten. Dabei ist es häufig schwierig zu unterscheiden, ob die Infektionserreger aus der Normalflora des Patienten stammen oder der Patient erst im Krankenhaus mit dem Keim besiedelt wurde. In den meisten mikrobiologischen Laboratorien werden die Keime nicht bis zum Identitätsnachweis differenziert, so daß diese Unterscheidung nicht möglich ist. Selbst weitergehende, wissenschaftliche Untersuchungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich des ambulanten Ursprungs der Infektionskeime und einer Kolonisation durch die Erreger nach der Hospitalisierung. Dabei fielen die Ergebnisse mit den verschiedenen, ausgewählten Differenzierungsmethoden unterschiedlich aus (Parisi, 1985; Kernodle et al., 1988; Marples, 1992; Huebner et al., 1994; Kotilainen et al., 1995). Erschwert wird diese Unterscheidung durch die Veränderung der Hautflora nach Antibiotikagabe. Selbst die einmalige Gabe von Antibioka, z. B. im Rahmen einer perioperativen Prophylaxe, führt zu einer Verschiebung innerhalb der Hautflora zu Gunsten resistenter koagulasenegativer Staphylokokken (Archer und Tenebaum, 1980; Levy et al., 1990). Auf diese Weise können Erreger selektioniert werden, die in der unter normalen Umständen zu findenden Flora nur eine sehr kleine Subpopulation darstellen. Die meisten Studien kommen jedoch zu dem Schluß, daß die Kolonisation mit den häufig multiresistenten koagulasenegativen Staphylokokken, von denen die Infektionen ausgehen, im Krankenhaus erfolgt. Hierbei kann die klinische Symptomatik jedoch zum Teil erst Monate nach einem Krankenhausaufenthalt in Erscheinung treten, auch wenn die Infektion nosokomial erworben wurde. Der Krankheitserreger selbst ist dann häufig nicht mehr in der Hautflora nachweisbar.

 

Die häufigsten Infektionen mit koagulasenegativen Staphylokokken betreffen Patienten mit dauerhaft liegenden Kathetern, wie periphere und zentrale Venenverweilkatheter, intraperitoneale Katheter bei chronisch ambulanter Peritonealdialyse, getunnelte zentralvenöse Katheter (z.B. Ports und  Hickmankatheter), ventriculoperitoneale bzw. ventriculoatriale Shunts bei Hydrocephalus und bei  Patienten mit haematologischen Erkrankungen und AIDS (Gardner, 1985; West et al., 1986; Eisenberg et al., 1987; Raad, 1992; Fichtenbaum et al., 1995). Weiterhin finden sich Infektionen durch koagulasenegative Staphylokokken häufig bei Gelenkprothesen, künstlichen Herzklappen, Herzschrittmachern und Arterienersatz (Inman et al., 1984; Powers et al., 1990; Karchmer und Bisno, 1989; Arber, 1994; Edmiston et al., 1989). Infektionen bei penetrierenden Kathetern können sowohl bei Applikation als auch während der Liegezeit entstehen. Bei Infektionen von implantierten Prothesen finden diese meist bereits während des chirurgischen Eingriffs statt. Dabei läßt sich aber meist nicht nachweisen, ob der Keim über das chirurgisches Personal übertragen wurde oder im Rahmen einer endogenen Infektion vom Patienten stammt.

 

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1.1.3     Pathomechanismen

 

Als wichtigster Pathogenitätsfakor der koagulasenegativen Staphylokokken, insbesondere von S. epidermidis, gilt die Fähigkeit bestimmter Stämme auf Polymeroberflächen adhärierende, von einer Glykokalyx ummantelte, mehrlagige Zellschichten zu bilden, die man als Biofilm bezeichnet. Die Einlagerung der Zellen in eine Matrix schützt sie vor Umwelteinflüssen und der Immunabwehr des Wirtes. Insbesondere sind Zellen im Biofilm weitaus resistenter gegen Antibiotika, da eine räumliche Verteilung von Zellen in unterschiedlichem physiologischen Status besteht (Costerton et al., 1995). Verschiedenste klinische Untersuchungen zeigten, daß biofilmpositive S. epidermidis-Stämme signifikant häufiger zu klinisch relevanten Infektionen führen als biofilmnegative Stämme (Christensen et al., 1987, 1990, 1994; Farber et al., 1990).

 

Durch elektronenmikroskopische Untersuchungen konnte gezeigt werden, daß die Biofilmbildung in zwei Phasen abläuft. Zuerst kommt es zur primären Bindung der Zellen an die Polymeroberfläche. Nach der primären Bindung kommt es dann zur Zellakkumulation mit Bildung der die Zellen umgebenden Polysaccharidmatrix (Peters et al., 1981; Christensen et al., 1982; Ludwicka et al., 1983; Mack, 1999a) (Bild 2).

 

 

Bild 2

 

Bild 2 Phasen der Biofilmbildung von S. epidermidis. Die bisher bekannten in den einzelnen Phasen wirksamen Faktoren sind aufgelistet (nach Mack, 1999a).

 

 

Verschiedene Studien haben gezeigt, daß die primäre Bindung der S. epidermidis-Zellen ein omplexer, von verschiedenen Faktoren abhängiger Prozeß ist. Die unterschiedlich hydrophoben Eigenschaften der Polymeroberflächen, als auch Ablagerungen von Wirtsproteinen auf der Oberfläche können die primäre Bindung unterstützen oder auch hemmen. Ebenso wurden verschiedenste Oberflächenproteine von S. epidermidis beschrieben, die an der Bundung beteiligt sind (Timmermann et al., 1991; Heilmann et al., 1997; Nilsson et al., 1998).

 

Die Arbeitsgruppe von Mack konnte zeigen, daß die auf die primäre Bindung folgende Ausbildung des Biofilms durch ein Polysaccharid vermittelt wird, welches als interzelluläres Polysaccharidadhäsin (PIA) bezeichnet wird. PIA besteht aus durchschnittlich 130 b-1,6-glycosidisch gebundenen N-Acetylglucosaminresten (Mack et al., 1994b, 1994c, 1996b). Die genetische Grundlage zur PIA-Bildung liegt in dem vier Gene umfassenden icaADBC-Operon (Heilmann et al., 1996; Gerke et al., 1998). Dabei ist IcaA ein Transmembranprotein mit einer Homologie zu N-Acetyl-glucosaminyltransferasen. IcaB ist ein vermutlich sekretiertes Protein und IcaC ein hydrophobes integrales Membranprotein. Der Genort icaD überlappt teilweise icaA und icaB und kodiert für ein weiteres Transmembranprotein. Weiteren Aufschluß über das Zusammenspiel der Genprodukte des icaADBC-Operons haben Substitutionsversuche mit den einzelnen in S. carnosus exprimierten Proteinen gebracht. Es hat sich gezeigt, daß IcaA allein nur eine geringe N-Acetyl-glucosaminyltransferaseaktivität besitzt, eine Expression zusammen mit IcaD läßt jedoch N-Acetylglucosamin-Oligomere mit einer Kettenlänge von maximal 20 Sacchariden entstehen. Erst die Coexpression der Proteine IcaA, IcaD und IcaC läßt Oligomere mit ausreichender Kettenlänge entstehen, um diese mit einem für PIA spezifischen Antikörper reagieren zu lassen.

 

Als weitere Faktoren für die Aggregation der Zellen im Biofilm wurden ein „Accumulation associated protein“ AAP (Schumacher-Perdreau et al., 1994; Hussain et al., 1997) und die Fähigkeit zur Hämagglutination beschrieben (Rupp und Archer, 1992).


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1.2       Voraussetzungen für diese Arbeit

 

Der Arbeitsgruppe, in deren Rahmen diese Arbeit entstand, war es gelungen, mit Hilfe eines dreifach an biofilmnegativen S. epidermidis-Stämmen absorbierten Antiserums gegen den biofilmbildenden Stamm 1457 ein spezifisches Antigen für biofilmbildende S. epidermidis-Stämme darzustellen. Das Antigen wurde als interzelluläres Polysaccharidadhäsin (PIA) bezeichnet (Mack et al., 1992, 1994b, 1996a). Durch einen Koagglutinationsassay mit an S. aureus Cowan I gebundenen spezifischen Antikörper war eine Quantifizierung der PIA-Expression möglich. Es konnte gezeigt werden, daß die PIA-Expression durch Glucose und andere Monosaccharide induzierbar ist. Die PIA-Bildung war ebenfalls mit der typischen Aggregatbildung von biofilmbildenden S. epidermidis-Stämmen assoziiert, was den Schluß zuließ, daß die PIA-Expression eine funktionelle Beziehung zur Bildung von Biofilmen auf Polymeroberflächen besitzt. Es wurden in der Folge 179 klinische S. epidermidis-Isolate auf Biofilmbildung und PIA-Expression untersucht. Es bildeten 86,8 % der biofilmpositiven Stämme PIA, während 88,6% der biofilmnegativen Stämme kein PIA produzierten (Mack et al., 1996a). Mit Hilfe von Proteinaseverdau und Periodatoxidation konnte gezeigt werden, daß es sich bei dem Antigen um eine Zuckerstruktur handeln mußte, da ein Proteinaseverdau das Antigen unbeeinflußt ließ, während die Periodatoxidation das Antigen zerstörte und sowohl rasch Biofilme auflöste, als auch die typischen Zellaggregate zerstörte (Mack, 1992, 1994a). Die chemische Charakterisierung des Antigens zeigte, daß es sich bei PIA um ein lineares, ß-1,6-glycosidisch verknüpftes Polysaccharid aus N-Acetylglucosaminresten handelt, von denen 15-20% nicht N-acetyliert waren (Mack 1996b). Durch Anzucht von biofilmbildenden S. epidermidis-Stämmen in Medien mit Rinderserumalbumin, welches die primäre Anbindung an Polymeroberflächen hemmt (Pascual et al., 1986), konnte gezeigt werden, daß die PIA-assoziierte Biofilmbildung unabhängig von der primären Anheftung stattfindet.

 

Für weitergehende Untersuchungen wurde ein Transposonmutageneseexperiment mit dem stark biofilmbildenden, mukoid-positiven Wildtypstamm S. epidermidis 9142 durchgeführt.

 

Dazu wurde das auf dem temperatursensitiven Plasmid pTV1ts liegende Enterococcus faecalis-Transposon Tn917 verwendet, welches die genetische Information für eine Erythromycinresistenz besitzt (Shaw und Clewell, 1985; Youngman, 1993). Es wurde zunächst das konjugative S. aureus-Plasmid pWBG636 (Udo und Grubb, 1990a, 1990b) von dem S. aureus-Stamm WBG4883 in den pTV1ts tragenden S. epidermidis-Stamm 23 konjugiert. Anschließend wurde das Plasmid pTV1ts durch Konjugation von S. epidermidis-Stamm 23-pTV1ts-pWBG636 in den Empfängerstamm S. epidermidis 9142 mobilisiert. Unter Selektion mit Erythromycin wurden die S. epidermidis-Stämme bei 45,5 bis 46,5°C kultiviert, um das Plasmid pTV1ts zu eliminieren und die Transposition von Tn917 zu erzwingen. Die isolierten Mutanten wurden auf ihre Fähigkeit zur Biofilmbildung untersucht. Dabei wurden die zwei phänotypisch biofilmnegativen Transposonmutanten M10 und M11 gefunden. Die genetische Kopplung der Insertionen konnte durch Phagentransduktion gezeigt werden, da die phänotypischen Veränderungen reproduzierbar waren (Mack et al., 1994b; Nedelmann et al., 1998). Der Wildtypstamm 9142 zeigte eine relativ hohe Spontanvariation in der Biofilmbildung, so daß nach einem geeigneteren S. epidermidis-Stamm gesucht wurde. Der Wildtypstamm 1457 zeigte eine niedrigere Rate an Spontanvariationen. Das Transposonmutagenesesystem wurde mit diesem Stamm optimiert. Das Plasmid pTV1ts wurde mit dem Phagen 48 auf den Stamm 1457 transduziert. Nach Elimination eines kryptischen Plasmids von 1457 wurde die Transposonmutagenese in der oben beschriebenen Weise durchgeführt (Nedelmann et al., 1998). Die erhaltenen Transposonmutanten wurden phänotypisch charakterisiert. Dabei wurden 9 biofilm- und mukoid-negative, sowie 2 isoliert mukoid-negative Transposonmutanten gefunden. Beim Mukoid handelt es sich um eine Schleimsubstanz, die sich beim Wachstum von S. epidermidis-Stämmen auf mit N-Acetylglucosamin supplementiertem Purple-Agar ausbildet. Die Kolonien sind erhaben und feuchtglänzend, während mukoid-negative S. epidermidis-Stämme in flachen, trockenen Kolonien wachsen (Bild 3). Die Mukoidbildung korreliert dabei mit der Biofilmbildung (A. Krokotsch, nichtveröffentlichte Daten). Durch Phagentransduktion auf ebenfalls biofilmbildende S. epidermidis-Stämme konnte auch hier die genetische Kopplung der Insertionen nachgewiesen werden. Die Tatsache, daß zwei isoliert mukoid-negative Mutanten gefunden wurden, zeigte, daß sich die Phänotypen „biofilmpositiv“ und „mukoid-positiv“ genetisch trennen lassen.


 

 

 

Bild 3 Mukoidbildung auf mit 0,5% N-Acetylglucosamin substituiertem Purple-Agar. Die linke Plattenhälfte zeigt den mukoid-positiven Wildtyp S. epidermidis 1457. Die rechte Plattenhälfte zeigt die mukoid-negative Mutante M20.

 

 

Die Transposoninsertionsstellen aller Mutanten wurden durch Spaltung mit den Restriktionsenzymen EcoRI, HindIII, SalI, XbaI und radioaktiver Hybridisierung mit transposonspezifischen Sonden kartiert. Durch Pulsfeldgelelektrophorese konnten die Transposoninsertionsstellen in sechs unterschiedlichen SmaI-Restriktionsfragmenten nachgewiesen werden. Desweiteren wurde das phänotypische Verhalten der Mutanten in unterschiedlichen TSB-Medien mit und ohne Zugabe von N-Acetylglucosamin untersucht. Es zeigte sich, daß die Transposoninsertion an unterschiedlichen Stellen des Genoms unterschiedlichem phänotypischem Verhalten entsprachen. Dies führte zu einer Einteilung der Transposonmutanten in die Klassen I bis VI.

 

Die Mutanten der Klasse I, zu denen M10, M11, M13, M21, M22 und M24 gehören, zeigten in allen Nährmedien einen biofilmnegativen Phänotyp. Ihre primäre Anheftung war unverändert und sie ließen sich nicht durch N-Acetylglucosamin zur Biofilmbildung induzieren. Bei diesen Mutanten war zu keiner Zeit die Produktion von PIA nachweisbar. Die Fähigkeit zur Mukoidbildung fehlte wie bei allen anderen Mutanten. Parallel zu dieser Arbeit konnte gezeigt werden, daß sich die Transposoninsertionsstellen sämtlicher Klasse I-Mutanten innerhalb des icaADBC-Genorts befinden (Mack et al.1999b; Dobinsky, unveröffentlichte Daten).

 

Die Klasse II-Mutante M12 hatte ein deutlich geringeres Anheftungsvermögen an Polymeroberflächen und zeigte in allen Nährmedien einen biofilmnegativen Phänotyp. Eine Induktion der Biofilmbildung mit N-Acetylglucosamin war bei dieser Mutante ebenfalls nicht möglich. In keinem der Nährmedien konnte die Produktion von PIA durch diese Mutante nachgewiesen werden. Die Mutante M12 zeigte auch eine veränderte Koloniemorphologie, welche besonders nach längerer Bebrütung sichtbar wurde. Die Kolonien zeigten dann eine graue Färbung, im Gegensatz zu den weißen Kolonien des Wildtyps.

 

Die Mutanten der Klasse III, M15 und M19, zeigten ein unterschiedliches Verhalten in Nährmedien verschiedener Hersteller. In TSBOxoid waren beide Mutanten phänotypisch biofilmnegativ. In TSBBBL bildeten die Mutanten Biofilm, jedoch in deutlich geringerem Maße als der Wildtyp 1457. In keinem der Nährmedien konnte die Biofilmbildung durch Zugabe von N-Acetylglucosamin induziert werden. In den Medien, in denen die Mutanten einen biofilmnegativen Phänotyp aufwiesen, war nur in sehr geringem Ausmaß PIA nachweisbar. Diese Mutanten waren in ähnlicher Weise wie die Mutante M12 in ihrer Koloniemorphologie verändert.

 

Die Klasse IV-Mutante M17 war wie die Mutanten der Klasse III in TSBOxoid biofilmnegativ, ließ sich jedoch durch die Zugabe von N-Acetylglucosamin induzieren und bildete in supplementiertem Medium Biofilm. In TSBBBL unterschied sich diese Mutante in der Biofilmbildung nicht von dem Wildtyp 1457. Die PIA-Produktion korreliert mit der Stärke der Biofilmbildung.

 

Bei der Klasse V-Mutante M16 war die Biofilmbildung in TSBOxoid schwächer ausgeprägt, als bei dem Wildtypstamm S. epidermidis 1457. In TSBBBL erreichte sie jedoch die gleichen Meßwerte. In TSBOxoid ließ sich die Biofilmbildung durch Zugabe von N-Acetylglucosamin noch steigern. Auf Purple-Agar zeigte diese Mutante jedoch im Gegensatz zu 1457 einen mukoid-negativen Phänotyp.

 

Die Klasse VI-Mutante M20 unterschied sich phänotypisch nicht von Mutante M16. Die Transposoninsertionsstelle dieser Mutante wurde jedoch auf einem unterschiedlichen SmaI-Restriktionsfragment lokalisiert.

 

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1.3       Ziele der Arbeit

 

Die Charakterisierung des icaADBC-Operons und seiner Genprodukte hat gezeigt, daß dieser Gencluster die enzymatischen Voraussetzungen für die Bildung von PIA liefert. Es wurden in dem Transposonmutageneseexperiment jedoch weitere Transposonmutanten gefunden, welche in ihrer Fähigkeit der Biofilm- bzw. Mukoidbildung verändert waren, deren Transposoninsertionsstelle anhand der Kartierung aber nicht innerhalb dieses Operons lagen.

 

Es sollten deshalb die Insertionsstellen des Transposons in den Mutanten der Klasse II bis VI in einem geeigneten Klonierungssystem kloniert werden, um Sonden für weitere genetische Untersuchungen zu erhalten. Dabei interessierte die Fragestellung, wie die durch das Transposon beeinflußten genetischen Informationen in biofilmpositiven und biofilmnegativen S. epidermidis-Populationen verteilt sind.

 

Gleichzeitig sollte versucht werden, durch Ansequenzierung der das Transposon flankierenden DNA eventuelle Homologien zu bereits bekannten Genorten anderer Organismen zu finden, um den Mechanismus der Biofilmbildung besser zu verstehen.

 

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