Die Fähigkeit zur PIA-Synthese und damit zur Biofilmbildung von S. epidermidis-Stämmen wird im
wesentlichen durch das vier Gene umfassende Operon icaADBC vermittelt (Heilmann et al., 1996; Gerke et al., 1998).
Durch Transposonmutagenese des stark biofilm- und mukoid-positiven
Wildtypstamms 1457 wurden Mutanten gefunden, die in ihrer phänotypischen
Ausprägung von Biofilm und der damit assoziierten Mukoidbildung verändert
waren. Die Transposoninsertionsstellen der Mutantenklassen II bis VI liegen nicht
innerhalb des icaADBC-Operons. Es
wurde vermutet, daß bei diesen Mutanten regulative Gene bzw. Gene des
PIA-Synthesestoffwechsels inaktiviert wurden. Ziel der vorliegenden Arbeit war
es, die Transposoninsertionsstellen zu klonieren, um Sonden für weitergehende
genetische Untersuchungen zu erhalten. Gleichzeitig sollte durch Sequenzierung
der klonierten chromosomalen Wildtyp-DNA nach eventuellen Homologien mit
bereits bekannten Genen gesucht werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden chromosomale DNA-Fragmente der biofilm- bzw. mukoidnegativen S. epidermidis Tn917-Mutanten M12, M15, M19, M16 und M20, die das Transposon Tn917 bzw. Anteile davon enthielten, in E. coli MC1061 kloniert. Für die Mutante M17 der Klasse IV konnte trotz intensiver Bemühungen mit unterschiedlichen Klonierungsstrategien kein das Transposon enthaltender Klon gefunden werden. Möglicherweise ist der gesuchte Genomabschnitt bzw. sein Genprodukt von S. epidermidis für E. coli toxisch, so daß keine vermehrungsfähigen Klone entstehen konnten. Die Identität der klonierten chromosomalen DNA mit den Transposoninsertionsstellen der Mutanten M12, M15, M19, M16 und M20 wurden mittels Kartierung durch Restriktionsspaltungen und Hybridisierung nachgewiesen.
Nach dem Nachweis der Identität der klonierten DNA-Fragmente mit den Insertionsstellen von Transposon Tn917 der jeweiligen Mutanten standen diese für weitere Untersuchung bereit. Zunächst wurde das Vorkommen der durch die Transposoninsertionen inaktivierten Genbereiche in verschiedenen Wildtypstämmen untersucht. Es wurden 11 S. epidermidis Stämme, die das icaADBC-Operon enthielten, sowie zwei icaADBC-negative Stämme untersucht. Die ausgewählten icaADBC-positiven Stämme wiesen eine unterschiedliche Ausprägung der Biofilmbildung auf. Diese Stämme variierten von fehlender bis starker Biofilmbildung. In den Untersuchungen mit den gewonnen Sonden konnten in allen Wildtypstämmen die durch Tn917 inaktivierten Genomabschnitte nachgewiesen werden. Mit der Sonde der Mutante M20 zeigte sich ein deutlicher Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus bei der Spaltung der Wildtyp-DNA mit HindIII. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen, daß die inaktivierten Genbereiche unabhängig von dem icaADBC-Operon in S. epidermidis vorhanden sind. Es konnte keine Korrelation der Hybridisierungsmuster mit der unterschiedlichen phänotypischen Ausprägung der Biofilmbildung bei den icaADBC-positiven Wiltypstämmen gefunden werden. Diese Ergebnisse legen die Vermutung nahe, daß die inaktivierten Gene nicht ausschließlich für die Biofilm- bzw. Mukoidbildung nötig sind, sondern auch an anderen Vorgängen innerhalb der Zelle beteiligt sind.
Die klonierte chromosomale DNA der einzelnen Mutanten wurde von Seiten des Transposons kurz ansequenziert. Die klonierten Fragmente der Mutanten M12 und M20 enthielten das gesamte Transposon Tn917. In den das Transposon flankierenden, chromosomalen Abschnitten dieser Mutanten konnte die für dieses Transposon typische Verdoppelung von fünf Basen an der Insertionsstelle nachgewiesen werden (Tabelle 6). Für die Mutanten M15 und M19 der Klasse III konnte die Transposoninsertion an identischer Stelle nachgewiesen werden (Tabelle 6). Die Länge der gefundenen Sequenzen von ca. 50 bis 100 Basen war nicht ausreichend, um Homologien zu bekannten Genen mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu finden. Die chromosomalen Fragmente wurden deshalb über längere Strecken sequenziert. Hierbei wurden Oligonukleotide verwendet, die aus dem Transposon und aus dem Vektor heraus lesen.
Für die Klasse II Mutante M12 konnten die klonierten, chromosomalen DNA-Anteile vollständig sequenziert werden. Die Nukleotidsequenz wies in einer BLASTN-Suche keine ausreichend wahrscheinliche Homologie zu bekannten Genen auf. Es wurden jedoch innerhalb der Sequenz zwei potentielle offene Leserahmen gefunden. Diese waren durch genau ein Stopcodon voneinander getrennt. Die potentiellen Aminosäuresequenzen dieser Leserahmen wurden einzelnd einem Vergleich mit bekannten Proteinen in einer BLASTP-Suche unterzogen. Hierbei zeigte sich für den ersten Leserahmen, der die Transposoninsertion beinhaltet, eine Homologie zu der Aminosäuresequenz am Ende des Repressorproteins PurR von B. subtilis. Die Aminosäuresequenz des zweiten Leserahmens zeigte eine Homologie zu dem Anfang eines Proteins mit unbekannter Funktion in B. subtilis. Das Gen dieses Proteins liegt im B. subtilis-Genom direkt hinter dem purR-Gen und ist von diesem durch genau ein Stopcodon getrennt (Weng et al., 1995).
Der Purin-Repressor PurR in B. subtilis vermittelt eine Adenin-Nucleotid-abhängige Regulation der Transkription des pur-Operons. Dieses Operon umfaßt 12 Gene für die 10 Stoffwechselschritte der de novo Synthese von Inosinmonophosphat (IMP) aus 5-Ribosyl-1-pyrophosphat (PRPP) (Ebbole und Zalkin, 1987). IMP wird durch je zwei weitere Stoffwechselschritte in Adenosinmonophosphat (AMP) bzw. Guanosinmonophosphat (GMP) umgewandelt. Der aktive Repressor in B. subtilis ist ein Homodimer des aus 285 Aminosäuren bestehenden Proteins PurR (Weng et al., 1995). Die Regulation wird durch Transkriptionshemmung des pur-Operons vermittelt. Das Repressorprotein bindet von Base -136 bis -26 vor dem Transkriptionsbeginn und überlappt somit das –35 Promotorelement, welches von –33 bis –28 reicht (Ebbole und Zalkin, 1989b). Die Bindung an die Ziel-DNA kann durch PRPP blockiert werden während die Reinsubstanz von Adenin keine Hemmung der DNA-Bindung bewirkt. Dies läßt die Vermutung zu, daß die adeninabhängige Regulation durch PurR mittels des PRPP-Spiegels gesteuert wird. Ein möglicher Weg ist die Umwandlung von Adenin nach der Aufnahme in die Zelle in Adenin-5´-Nukleotide und die daraus resultierende allosterische Hemmung der PRPP-Synthethase durch ADP (Arnvig et al., 1990). Der dann verminderte PRPP-Spiegel erlaubt es dem Regulator PurR an die Ziel-DNA zu binden und die Transkription des pur-Operons zu hemmen (Saxild und Nygaard, 1991). Für das Protein PurR wurde ein potentielle Bindestelle für PRPP gefunden (Weng et al., 1995). Diese weist eine Homologie zu den PRPP-Bindestellen der Adenin-Phosphoribosyltransferasen des Menschen, von E.coli und Saccharomyes cerevisiae, sowie der PRPP-Bindestellen der Glutamin-PRPP-Amidotransferase, der Orotat-Phosphoribosyltransferase und der Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase auf (Weng et al., 1995).
Innerhalb der potentiellen Aminosäuresequenz des ersten offenen Leserahmens des klonierten Fragments von Mutante M12 konnte ebenfalls eine der Konsensussequenz für PRPP-Bindestellen entsprechende Aminosäurefolge gefunden werden (Bild 19). Bei den im Vergleich mit dem Protein PurR von B. subtilis ausgetauschten Aminosäuren innerhalb dieser Sequenz handelt es sich um konservative Austausche. Es liegt somit hierfür wahrscheinlich eine gleiche oder zumindest sehr ähnliche Sekundärstruktur dieser Aminosäuresequenz innerhalb des gesamten Proteins vor. Diese konservierte Aminosäurefolge der für die Regulation von PurR in B. subtilis nötigen PRPP-Bindestelle stützt die Vermutung, daß die Transposoninsertion in S. epidermidis 1457-M12 ein Gen ähnlicher Funktion inaktiviert hat. Auch die Homologie des zweiten gefundenen Leserahmens zu dem in B. subtilis direkt auf purR folgenden offenen Leserahmen weist hierauf hin.
In B. subtilis ist das Protein PurR, zu dem eine Homologie gefunden wurde, ein DNA-bindendes Protein, das regulativen Einfluß auf die de novo Synthese von Purinen hat. Über die Wirkungsweise des potentiellen Proteins des die Transposoninsertion enthaltenden offenen Leserahmens der Mutante M12 bestehen noch keine Erkenntnisse. Es könnte sich hierbei um ein Protein ähnlicher Wirkung auf die Purinsynthese handeln. Möglich sind jedoch auch regulative Einflüsse auf andere Gene bzw. Operons durch Bindung des Proteins an entsprechende Promotorstellen. Hierdurch könnte auch das icaADBC-Operon bzw. Gene des PIA-Synthesestoffwechsel reguliert werden. Untersuchungen zur möglichen Bindungsfähigkeit an spezifische DNA-Sequenzen können in der Zukunft vielleicht Antworten auf diese noch offenen Fragen bringen. Möglich ist auch die Beeinträchtigung der diesem Gen benachbarten Gene durch polare Effekte. Um diese Möglichkeit zu erforschen müssen größere, das Transposon flankierende, chromosomale DNA-Fragmente kloniert werden. Ziel ist es, die angrenzenden Gene zu isolieren und anschließend zu sequenzieren. Dadurch gewonnene Sonden für die entsprechenden Gene würden dann für Untersuchungen auf Transkriptionsebene zur Verfügung stehen. An diesen interessanten Aufgaben wird im Rahmen unserer Arbeitsgruppe weiter gearbeitet.
Die Möglichkeit der Störung der Regulation der Purinsynthese durch die Transposoninsertion bietet auch Grundlage für weitergehende, phänotypische Untersuchungen der Mutante M12. Von Interesse ist die Art der Störung auf die Purinsynthese. Die potentielle Inaktivierung des negativen Regulators purR würde eine überschießende Produktion von IMP erwarten lassen. In B. subtilis ist die Expression von purR von dem Adeninspiegel im Wachstumsmedium abhängig (Ebbole und Zalkin, 1989). Es besteht jedoch ebenfalls eine guaninabhängige Regulation des pur-Operons in B. subtilis, die nicht PurR-vermittelt ist. Vergleichende Untersuchungen des Verhaltens von S. epidermidis 1457 und seiner Mutante M12 in definierten Medien mit fehlenden bzw. im Überschuß vorhandenen Purinbasen werden ebenfalls Ziel zukünftiger Untersuchungen sein.
Die Sequenz des proximalen Anteils der chromosomalen DNA der Mutante M15 zeigte mit einer Identität von 80,9 % der Basen eine hohe Homologie zu einem von zwei Arbeitsgruppen beschriebenen offenen Leserahmen in S. aureus. Dieser wurde mit orf1 bzw. orf136 bezeichnet (Wu et al., 1996; Kullik und Giachino, 1997). Dieses Gen in S. aureus zeigt eine Homologie von 48-62 % zu den PemK, ChpAK und ChpBK Wachstumsinhibitoren von E. coli. Da die Insertionsstelle des Transposons Tn917 mindestens 300 Basen distal dieses Gens liegt, ist die Inaktivierung des bzw. der dieses Gen benachbarten Gene zu vermuten. 3´abwärts dieses als orf1/136 bezeichneten Leserahmens ist in S. aureus das für den alternativen Sigmafaktor sB und seine Regulatoren RsbU, RsbV und RsbW kodierende sB-Operon lokalisiert (Wu et al., 1996; Kullik und Giachino, 1997). Der nun gezielt durchgeführte Sequenzvergleich zwischen der das Transposon flankierenden DNA und der Sequenz des sB-Operons zeigte mit 67,6 % identischen Basen eine Homologie mit der nicht kodierenden Region zwischen dem orf1/136 und dem ersten Gen des sB-Operons rsbU. Es besteht eine Homologie der unmittelbar an das Transposon grenzenden ersten 19 Basen mit dem Beginn des Leserahmens von rsbU. Es zeigt sich auch das gleiche ungewöhnliche Startcodon GTG. Dies hat den Beginn der Aminosäuresequenz mit der Aminosäure Valin anstatt des weitaus häufiger vorkommenden Methionins zur Folge. Der Beginn dieses möglichen, offenen Leserahmens von M15 ist in den ersten vier (von insgesamt sechs) Aminosäuren identisch zu dem Beginn der Aminosäuresequenz von RsbU. In dem Vergleich der Nukleotidsequenzen zeigten sich einige Sequenzverschiebungen um bis zu 19 Basen. Dies erklärt die Tatsache, daß mit der mit dem Oligonukleotid 5L gewonnenen Sequenz in dem BLASTN-Vergleich keine Homologie gefunden wurde. Die Sequenzverschiebungen widersprechen nicht der Vermutung, daß in M15 die Transposoninsertionstelle das sB-Operon beeinträchtigt, da innerhalb der nicht kodierenden Bereiche ein geringerer Grad an Konservierung der Sequenz zu erwarten ist. Die beiden für S. aureus beschriebenen Sequenzen des sB-Operons sind fast vollkommen identisch bis auf eine relevante in dem rsbU-Gen liegende Sequenzverschiebung um 11 Basen. Dies führt zu einer Verschiebung des Translationsbeginns von rsbU um 201 Basen. Der S. aureus-Stamm 8325 mit dem verkürzten Genprodukt, für welchen die Arbeitsgruppe um Kullik das sB-Operon beschrieben hatte, zeigte sich in späteren Untersuchungen als Defektmutante für sB (Kullik et al., 1998). Im Vergleich der Sequenz von M15 mit der durch die Arbeitsgruppe von Wu beschriebene Sequenz, würde die Transposoninsertionsstelle 19 Basen nach dem Translationsbeginn von rsbU liegen. Es findet sich innerhalb der erhaltenen Sequenz eine mögliche Ribosomenbindungsstelle (Shine-Dalgarno-Sequenz). Ebenso wurden potentielle –10 und –35 Promotorregionen für die Bindung der RNA-Polymerase mit einem sA-Faktor gefunden. Diese Ergebnisse weisen ebenfalls darauf hin, daß durch die Transposoninsertion das den alternativen Sigmafaktor sB regulierende Gen rsbU von Wildtypstamm 1457 inaktiviert wurde. Durch PCR mit spezifischen Oligonukleotiden für sigB von S. aureus konnte aus S. epidermidis ein Amplifikat gewonnen werden. Die teilweise Sequenzierung dieses Amplifikats zeigte eine hohe Homologie zu dem entsprechenden Gen in S. aureus. Der proximale und distale Bereich der gewonnenen Sequenz zeigte einen offenen Leserahmen, dessen potentielle Aminosäurenfolge homolog zu dem Genprodukt von sigB in S. aureus ist. Die Unterbrechung des Leserahmen liegt in den weit von den für die Sequenzierung verwendeten Oligonukleotiden entfernten Sequenzbereichen. In diesen Bereichen nimmt die Fehlerrate bei der Sequenzierung deutlich zu. Die Arbeiten für die endgültige Erstellung der Sequenz laufen, es ist jedoch aufgrund der gezeigten Homologien zu erwarten, daß sich der Leserahmen vervollständigen läßt.
Durch anschließende Hybridisierung mit dem Amplifikat konnte bewiesen werden, daß der amplifizierte chromosomale DNA-Bereich innerhalb des das Transposon flankierenden chromosomalen EcoRI-Fragments liegt. Die Summe der gefundenen Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß durch die Transposoninsertion das regulative Gen rsbU inaktiviert wurde. Dies legt die Vermutung nahe, daß das icaADBC-Operon bzw. ein für die PIA-Synthese notwendiger Stoffwechselschritt durch den alternativen Sigmafaktor sB reguliert wird.
Sigmafaktoren bilden zusammen mit dem aus drei Untereinheiten bestehenden core-Enzym der RNA-Polymerase ein Holoenzym zur Transkription von Genen in die entsprechende mRNA. Die Sigmafaktoren sind dabei für die Bindung an die Ziel-DNA verantwortlich. Alternative Sigmafaktoren wie sB werden nur unter bestimmten Einflüssen auf die Zelle exprimiert. Sie erlauben spezifische Antworten auf diese Einflüsse, durch gezieltes An- und Abschalten der Expression spezifischer, abhängiger Gene. Dies wird durch spezifische Bindung an hochkonservierte Promotorregionen erreicht. Das sB-Operon von S. aureus zeigt in seinem Aufbau und der vorausgesagten Struktur der Proteine eine starke Homologie zu dem sB-Operon von B. subtilis, das in seiner Funktion genauer untersucht ist. In B. subtilis liegt das Gen sigB in dem insgesamt acht Gene umfassenden sB-Operon. Die Gene liegen in der Reihenfolge rsbS, rsbR, rsbT, rsbU, rsbV, rsbW, sigB und rsbX vor. Die Bezeichnung rsb steht dabei jeweils für regulation of sigma B. Das sB-Operon besitzt einen sA-abhängigen Promotor. Den letzten vier Genen innerhalb dieses Operons ist zusätzlich ein sB-abhängiger Promotor vorgeschaltet. Auf diese Weise potenziert sich die Expression dieses Sigmafaktors nach dessen Aktivierung sehr schnell (Kang et al., 1996). In dem sB-Operon von S. aureus wurde vor dem Gen rsbV ebenfalls eine potentielle sB-abhängige Promotorregion gefunden (Kullik und Giachino, 1997).
Die Regulation von sigB in B. subtilis ist sehr komplex, so daß nur die Funktion der auch in S. aureus homolog gefundenen Gene hier beschrieben wird.
In S. aureus umfaßt das sB-Operon vier Gene, die wie in B. subtilis in der Reihenfolge rsbU, rsbV, rsbW und sigB angeordnet sind. Der zentrale Regulator für die Funktion des sB-Faktors in B. subtilis ist das Protein RsbW. Es bindet sB und verhindert auf diese Weise die Anlagerung an das RNA-Polymerase-core-Enzym und somit die Transkription der sB-Promotor abhängigen Gene. Gleichzeitig besitzt RsbW eine spezifische Kinaseaktivität für RsbV und phosphoryliert dieses (Dufour und Haldenwang, 1994). RsbV kann in seinem nicht phosphorylierten Zustand wiederum RsbW binden und damit sB freisetzen. Unter normalen Umständen liegt RsbV jedoch phosphoryliert vor und sB ist durch RsbW gebunden (Voelcker et al., 1996).
Für B. subtilis sind zwei Wege der Aktivierung von sB beschrieben. In dem ersten, energieabhängigen Weg wird durch Mangel an energiereichen Phosphaten das Gleichgewicht zu Gunsten des nicht phosphorylierten RsbV verschoben. Dieses bindet daraufhin RsbW und sB wird freigesetzt. Der zweite, weitaus komplexere Weg mündet in der Aktivierung der für RsbV spezifischen Phosphatase RsbU. Diese dephosphoryliert aktiv RsbV (Voelcker et al., 1995; 1996). In B. subtilis wird RsbU durch die regulativen Proteine RsbR, RsbS, RsbT und RsbX kontrolliert. Dies geschieht über eine der Regulation von RsbW ähnlichen Kaskade. Diese Kaskade wird durch unterschiedliche Streßfaktoren an unterschiedlichen Stellen aktiviert und führt energieunabhängig zur Freisetzung von sB (Akbar et al., 1997). Für S. aureus sind die homologen Gene für die Proteine RsbR, RsbS, RsbT und RsbX bisher nicht nachgewiesen worden. Es werden jedoch regelnde Einflüsse auf die Phosphatase RsbU vermutet.
Für B. subtilis war schon vor der Aufklärung der komplexen Regulationsmechanismen bekannt, daß der Eintritt in die stationäre Phase des Wachstums sowie Streßfaktoren wie Hitze, erhöhte Osmolarität und Ethanol zur Induktion des alternativen Sigmafaktors sB führen (Benson und Haldenwang, 1992, 1993; Boylan et al., 1992, 1993; Völcker et al., 1994). Dabei greifen die verschiedenen Streßfaktoren an unterschiedlicher Stelle in den Regulationsmechanismus der sB-Expression ein. Die regulativen Mechanismen des sB–Operons in S. aureus sind noch sehr wenig erforscht. Es konnte gezeigt werden, daß in der stationären Phase und unter Stress durch Hitze und Ethanol sB transkribiert wird (Kullik und Giachino, 1997). Des weiteren wurden zwei sB-abhängige Genprodukte identifiziert, das alkalische Schockprotein 23 und eine sekretierte Thermonuclease (Kullik et al., 1998). Diskutiert wurde der Einfluß von sB in S. aureus auf dessen globalen Regulator sar (Deora et al., 1997). Es wurden jedoch Hinweise darauf gefunden, daß die Genprodukte von sar die Expression von sB anregen (Chan et al., 1998). Die genauen Regulationsmechanismen sind hier noch nicht klar aufgedeckt und bedürfen der weiteren Untersuchung.
Die Untersuchungen von S. epidermidis-Wildtypstämmen und der Mutante M15 in Nährmedien mit hoher Osmolarität durch NaCl-Zusatz stützen die Vermutung der Beeinflussung des sB–Operons durch das Transposon Tn917. Bei der Mehrzahl der Wildtypstämme wurde durch ansteigende Salzkonzentrationen im Medium die Biofilmproduktion gesteigert. Die Mutante M15 zeigte durch die NaCl-Supplementierung keine Veränderung ihres phänotypischen Verhaltens und blieb biofilmnegativ. Die Arbeitsgruppe um Wu hatte eine rsbU-defekte Transposonmutante des S. aureus-Stamms COL, mit deutlicher Verringerung der Methicillinresistenz gefunden. Die Expression des für die Methicillinresistenz verantwortlichen Gens mecA wird in S. aureus durch Zugabe von NaCl in den Nährmedien gefördert. Die Empfehlungen für die Detektion der Methicillinresistenz bei S. aureus-Stämmen sehen ein Nährmedium mit 2% NaCl-Anteil vor (Thornsberry und McDougal, 1983; Dillon und Howe, 1984).
In Untersuchungen der Wildtypstämme und der Mutante M15 in Medien mit Ethanolsupplementierung konnte neben den Wildtypstämmen auch die Mutante M15 zur Biofilmbildung angeregt werden. Dieses, unter veränderten Bedingungen geänderte Verhalten spricht für die Störung eines regulativen Einflusses auf die Expression von PIA und somit die Biofilmbildung. Durch die Transposoninsertion ist sicherlich das Protein RsbU inaktiviert. Die Transkription von rsbU ist vermutlich gestört. Die Transkription des restlichen Operons muß davon nicht unbedingt betroffen sein. Das Ergebnis der vorliegenden Untersuchungen weist vielmehr darauf hin, daß die Reaktion auf den Streßfaktor Ethanol nicht über das Regulatorprotein RsbU vermittelt wird. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit Untersuchungen auf Transkriptionsebene in S. aureus. Bei Untersuchungen unter Stress durch Ethanol wurde ein zusätzliches Transkript gefunden, welches von der Größe der Summe der Gene rsbV, rsbW und sigB entspricht (Kullik und Giachino, 1997). Diese Untersuchungen wurden nur mit für die mRNA von sigB spezifischen Sonden durchgeführt. Ein definitiver Nachweis der Kotranskription mit rsbV und rsbW unter diesen Bedingungen steht daher noch aus.
Die Homologie der das Transposon flankierenden chromosomalen DNA der Mutante M15 mit dem sB-Operon von S. aureus läßt sich mit dem gefundenen phänotypischen Verhalten dieser Mutante vereinbaren. Dies stützt die Vermutung, daß das icaADBC-Operon bzw. ein für die PIA-Synthese notwendiger Stoffwechselschritt durch den alternativen Sigmafaktor sB reguliert wird. Die gezeigten Ergebnisse weisen darauf hin, daß die Reaktion von S. epidermidis auf osmotischen Stress durch NaCl mit vermehrter Biofilmbildung über das Regulatorprotein RsbU und in der Folge über sB gesteuert werden. Die durchgeführten Untersuchungen in Nährmedien mit Ethanolzusatz lassen aber weitere RsbU-unabhängige Aktivierungswege von sB erwarten. Es wäre jedoch auch denkbar, daß die vermehrte Biofilmbildung der Mutante M15 und der Wildtypstämme nach Stimulation mit Ethanol unabhängig von sB über einen anderen Regulationsmechanismus gesteuert wird. Die Aufklärung der Regulationsmechanismen des alternativen Sigmafaktors sB in S. epidermidis bieten für die Zukunft ein sehr weites und spannendes Betätigungsfeld. Die Beeinflußbarkeit der Fähigkeit zur Biofilmbildung von S. epidermidis kann möglicherweise Ansatzpunkt für Maßnahmen zur Vermeidung bzw. zur Therapie fremdkörperassoziierter Infektionen werden.
Die Biofilmbildung von S. epidermidis kann nach den gewonnenen Erkenntnissen als ein Schutzmechanismus vor Umwelteinflüssen verstanden werden. Die Infektion von Fremdkörpern muß hierbei wahrscheinlich als Nebeneffekt aufgefaßt werden, da sich durch die Infektion kein Vorteil für den Keim ergibt. Mit einer weiteren Verbreitung des Keims durch die Infektion ist nicht zu rechnen, da in der Regel ausschließlich geschlossene Systeme des Organismus infiziert werden. Auch wenn die Keime möglicherweise durch die Streuung von den infizierten Implantaten zunächst bessere Wachstumsbedingungen vorfinden ist die Ausbreitung auf andere Organismen unwahrscheinlich. Die Fähigkeit Fremdkörper zu infizieren stellt somit keinen positiven Selektionsdruck dar. In den bisher untersuchten S. epidermidis-Populationen auf der Haut und den Schleimhäuten des Menschen sind nur ein kleiner Anteil von biofilmpositiven Stämmen gefunden worden (Ziebuhr et al., 1997). Möglicherweise stammen die Fremdkörperinfektionen verursachenden S. epidermidis-Stämme aus Arealen der Hautoberfläche, die schlechtere Bedingungen für die Keime bieten. Für diese Stämme könnte die Fähigkeit zur Biofilmbildung ein Teil der Überlebensstrategie sein. Ebenso könnte die Einhüllung in die Polysaccharidmatrix des Biofilms die Keime in der Umwelt länger überleben lassen, so daß auch hier vermehrt Biofilmbildner zu finden wären.
Gezielte Untersuchungen der Verteilung von biofilmbildenden und biofilmnegativen S. epidermidis-Stämme auf unterschiedlichen Hautarealen und in der Umwelt könnten näheren Aufschluß über diese These bringen.
Die klonierten chromosomalen DNA-Anteile der Mutanten M16 und M20 zeigten Homologien zu Genen des Phosphotransferasesystems von S. carnosus. Die weiterführende Charakterisierung dieser isoliert mukoid-negativen Mutanten wird in unserer Arbeitsgruppe derzeit durch Frau K. Kiel durchgeführt.