Im folgenden Dialog geht es um zwei Aspekte, die offensichtlich miteinander in Verbindung stehen. Einerseits halte ich die globale politische, ökonomische und soziale Situation Lateinamerikas für sehr wichtig. Andererseits beschäftige ich mich im besonderen mit den Mißständen des Mathematikunterrichts, die sich aus meiner Sicht immer mehr verschlimmern, ohne daß es auch nur kleine und konkrete Lösungen für diese Probleme gäbe.
Ich möchte zu Lehrenden auf verschiedenen Ebenen des Bildungssystems Kontakte zu suchen, mit dem Ziel, in gemeinsamer Arbeit Ursachen und mögliche Lösungen für diese Problematik zu finden. Es ist notwendig, Wege und Mechanismen zu entwickeln, die sowohl eigene lateinamerikanische Ideen als auch andere didaktische und pädagogische Richtungen aufgreifen, welche heutzutage auch in anderen Ländern diskutiert werden.
Unter dem Aspekt, daß Sie Erfahrung im Mathematikunterricht haben, sich Sorgen um die obengenannten Probleme machen, und daß Sie in ständiger Beziehung zu anderen Dozenten, Schülern und StudentInnen stehen, würde ich gern mit Ihnen ein konstruktives offenes Interview unter folgender Gliederung durchführen.
Fragenkomplexe (1) über die möglichen Ursachen der Probleme des Mathematikunterrichts:
Führt der Mathematikunterricht zu Schulabbruch? Welche Ursachen haben schlechte Leistungen und Einstellungen wie Ablehnung, Apathie, geringes Interesse für das Fach und wenig Spaß an dem Fach Mathematik?
Auf welche Weise wirken die Faktoren: niedriges Gehalt, Mangel an Unterrichtsmaterialien, Zahl der Schüler pro Klasse, die hohe Zahl der Arbeitsstunden pro Woche sowie die ökonomische und soziale Lage der Lernenden und Studierenden auf die Motivation im Lern- und Lehrprozeß in der Mathematik?
Sind die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer (in Mathematik und ihrer Didaktik) und die Lehrpläne (der Sekundarstufe I und II) die fundamentalen Ursachen für schlechte Leistungen und geringes Interesse der Schülerinnen und Schüler an der Mathematik?
Fragenkomplexe (2) zum methodischen Prozeß des Mathematikunterrichts:
- Welche grundlegenden Merkmale charakterisieren das gegenwärtige Curriculummodell (allgemeine Ziele, spezifische Ziele, Inhalte, Methoden und Evaluation von isolierten Inhalten)?
- Erfahren kritische Situationen, die für die Bevölkerung existentiell sind, eine methodische Transformation im Mathematikunterricht, indem in verschiedenen Lern- und Lehrtätigkeiten Kooperation, Handlung, Partizipation, Dialog, Bewußtseinsentwicklung und Lösungen von sozialen Problemen der Betroffenen stattfinden können? Sind Demokratisierung und Handlungsorientierung des Mathematikunterrichts möglich und notwendig?
- Wie stehen die Lehrenden zum projektorientierten Mathematikunterricht, der eine reale Verbindung zu relevanten sozialen Situationen beinhaltet und unter Anwendung einer Methode mit den oben genannten Merkmalen durchgeführt werden könnte.
Fragenkomplexe (3) zur sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verantwortung des Mathematikunterrichts:
- Tragen die allgemeinen und spezifischen Lehrplanziele des Mathematikunterrichts zur kritischen Interpretation der sozialen, ökonomischen und politischen Probleme der Bevölkerung bei, und hilft das, was im Fach Mathematik unterrichtet und die Art, wie es unterrichtet wird, den Lernenden, ihre täglichen Probleme zu lösen?
- Hat der Mathematikunterricht einen Beitrag zu leisten bei der Lösung der wichtigen gesellschaftlichen Probleme der Lernenden und Lehrenden oder soll er sich von diesen abgrenzen?
- Gibt es Bemühungen, eine andere Form des Mathematikunterrichts zu finden, deren Ausgangspunkt die zu unterrichtende Gruppe und die Gesellschaft sind und deren Ziel es ist, Veränderungen zur ermöglichen?
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