6.3 Mathematik als Beitrag zum sozialen Wandel

Der neunte und letzte Teil (Dimension 9) des Fragenkomplexes, der von den 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert wurde, brachte drei Kategorien hervor (Abb. 35), von denen zwei für beide Länder gelten, während die dritte nur in Nicaragua besprochen wurde. Es handelt sich um: Interesse an und Streben nach kritischem Mathematikunterricht; stärkere Unterstützung für Lehrende bei Veränderungen; Unterstützung dieser Entwicklung durch die Mathematikabteilung der FCCEE in Nicaragua. Die Analyse der drei Kategorien, die der bisher verwendeten Technik folgt, ist trotz der ausreichenden Zahl von Aussagen in beiden Ländern nicht sehr umfangreich, da einer der zentralen Punkte in den Gruppendiskussionen sich den unmittelbaren Initiativen widmete, die verfolgt werden sollten, um kurz- und mittelfristig bedeutende, einem kritischen Bildungskonzept folgende Veränderungen im Mathematikunterricht zu erreichen (vgl. Ergebnisse der Konferenzen im letzten Teil der vorliegenden Arbeit, Kapitel 7).

 

 

(Abbildungsverzeichnis)

 

 

6.3.1 Interesse an Veränderung des Mathematikunterrichts unter einer kritischen Konzeption

These 51:

Es existiert ein Interesse an und Streben nach Verbesserung des Mathematikunterrichts in Nicaragua und Venezuela auf der Grundlage einer neuen didaktischen Konzeption und einer kritschen Bildungsauffassung.

In Leon und Caracas gibt es zwei konkrete Ausdrücke des Interesses und Strebens nach Veränderung des Mathematikunterrichts. Laut Aussagen der Expertinnen und Experten gibt es eine große Gruppe von Lehrenden, die an effektiverem Mathematikunterricht interessiert ist, was relevante didaktische und pädagogische Veränderungen impliziert. Andererseits besteht auch Interesse an der Entwicklung kritischen Mathematikunterrichts, der Universitäten, Grund- und Sekundarstufe einschließt. In Abb. 35 ist zu sehen, daß die Proportion von Teilnehmerinnen und Teilnehmern in beiden Ländern ähnlich ist, die Zahl der Aussagen in Venezuela aber substantiell größer ist als in Nicaragua. Dieser Unterschied ist ähnlich wie bei Kategorie 52 darauf zurückzuführen, daß die nicaraguanischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, von denen viele in der gleichen Einrichtung arbeiten, sich umfassend zur Rolle der FCCEE in León geäußert haben. Im folgenden werden die Ergebnisse detailliert und anhand der Aussagen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dokumentiert.

 

6.3.1.1 Desinteresse des Bildungsministerium an der Entwicklung kritischen Mathematikunterrichts

Übereinstimmung gab es in beiden Ländern in der Aussage, daß die Vertreter des Bildungsministeriums, "die Regierung, die Privatunternehmen an mathematischer Alphabetisierung (269) des Volkes nicht sehr interessiert sind, da sich das gegen sie richten könnte. Die neoliberale Regierung hat kein Interesse an kritischem Mathematikunterricht, sondern an makroökonomischer Politik zur Fortsetzung der Kapitalbildung auf Kosten der Naturressourcen, die Eigentum des Volkes sind, und auf Kosten billiger Arbeitskräfte" (FV). Diese Meinung entspringt nicht der Phantasie, sondern der Wirklichkeit, denn wenn Lehrende sich für Veränderungen einsetzen und Innovationen vorschlagen, legen ihnen andere Forscher oder Institutionen Hindernisse in den Weg oder machen ihnen administrative Schwierigkeiten. "Es gibt offensichtlich ein gewisses Interesse daran, daß die Lehrer wissen, was an mathematischer und akademischer Bildung traditionell akzeptiert ist, aber für die notwendigen Veränderungen nicht unbedingt grundlegend ist. In Venezuela gibt es mehr als 100.000 Lehrer, und dafür braucht man Geld und Bereitschaft und politische Bildung, das wird in den akademischen Fluren nicht einmal erwähnt" (EC).

In den lateinamerikanischen repräsentativen Demokratien wird mit zwei Zungen gesprochen. Auf der einen Seite heißt es, das Volk entscheide und sei Herr seines eigenen Schicksals und daß Fortschritte in der mathematischen Alphabetisierung erreicht werden müßten, aber andererseits muß man mit der Art der Alphabetisierung sehr vorsichtig sein. Die Leute sollen also nach den Kriterien des Bürgertums lernen, zu addieren und zu subtrahieren, aber Vorsicht bei der Frage, was zu berechnen ist, denn das könnte für die Erhaltung des Systems gefährlich werden. Zwei Teilnehmerinnen und Teilnehmer äußern sich dazu wie folgt: 

"Aquí los que están al frente de la Matemática y de la educación en general no se preocupan en absoluto por una buena educación crítica y una mejor preparación de la gente, no están dispuestos y tampoco interesados en una mejor educación para el pueblo, porque tampoco están dispuesto a devolverle el poder a las mayorías" (MM). Y con mayor precisión: "a los gobernantes no les interesa y no les conviene que un periodista por ejemplo vaya bien preparado a hacerle las entrevistas a los ministros, al presidente y a los responsables del gobierno en general, puesto que les conviene un pueblo mediatizado y que no esté lo suficientemente preparado. Muy poca gente lee el periódico y además la población no sabe y no ha aprendido a interpretar cifras y no les dicen nada al verlas en los medios porque no tienen ningún conocimiento matemático. Nadie puede criticar lo que sucede en el país, se ven ofertas en la calle pero eso no significa mucho para la gente porque no saben interpretar el significado de un porcentaje y de una oferta" (AB).

 

6.3.1.2 Großes Interesse bei den Lehrenden an Grund- und Sekundarschulen 

Obwohl die Haltung des Bildungsministeriums auf die Lehrenden zurückwirkt, gibt es doch eine große Zahl von ihnen, die "großes Interesse haben, neue Strömungen im Mathematikunterricht kennenzulernen und anzuwenden. Bei Tagungen, die wir in Zusammenarbeit mit CENAMEC durchgeführt haben, haben wir großes Interesse an Teilnahme und an Information und Weiterbildung registriert" (EC). In Nicaragua ist es nicht anders, "ich sehe großes Interesse bei verschiedenen Institutionen und Mathematikabteilungen, da gibt es Leute, die den direkten Kontakt zu den Lehrern suchen, um den aktuellen Zustand des Unterrichts in diesem Fach zu ändern" (MC). Diese Intentionen gehen in zwei Richtungen, die untereinander eng verbunden sind:

a) Didaktische Innovationen für den Mathematikunterricht

 

b) Didaktische Veränderungen aus politischer Sicht

 

6.3.1.3 Geringe Zahl kollektiver Initiativen, die in dieser Richtung arbeiten

Die dritte Gemeinsamkeit beider Länder zu dieser Kategorie besteht darin, daß es keine Gruppen gibt, die Projekte im Bereich der Mathematikdidaktik oder in Richtung eines kritischen Mathematikunterrichts bearbeiten. Einzelpersonen können nicht viel tun, wie bereits dargestellt, da sich ihnen eine Vielzahl von Hindernissen in den Weg stellt. Das bedeutet aber nicht, daß sich das von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern geäußerte Interesse nicht auch in kollektiven Initiativen niederschlägt, die Anstrengungen und Ressourcen zusammenfassen, um auf der Grundlage eines kritischen Forschungsprozesses Vorschläge zu erarbeiten, wie zwei der Expertinnen und Experten darlegten:

 

6.3.2 Initiativen und gegenseitige Unterstützung bei der Innovation des Mathematikunterrichts

These 52:

Um kritischen und partizipativen Mathematikunterricht zu fördern, sind Initiativen und gegenseitige Unterstützung durch die Erarbeitung neuer Lehrbücher, die Streichung einiger weniger relevanter Themen (Die jeweilige Relevanz wäre zu diskutieren), die Formulierung von Vorschlägen an die Adresse der Lehrenden und Bildungseinrichtungen u.a.m. erforderlich.

Die zweite Kategorie der Dimension 9, die ebenfalls für beide Länder zutrifft, in Venezuela aber deutlich stärker vertreten wurde, umfaßt Aktivitäten, die Lehrende in Kooperation verwirklichen sollten, um menschliche und materielle Ressourcen so weit wie möglich zu maximieren. Nach Meinung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen alle Bereiche, die an der Überwindung der Probleme interessiert sind, in die Bemühungen zur Verbesserung der Bildungssituation einbezogen werden. Die Universitäten, das Bildungsministerium, die Schulen und vor allem Lernende und Lehrende müssen Initiativen ergreifen, um die Gesellschaft unter Druck zu setzen und kurzfristig konkrete Vorschläge zu präsentieren, die auf einen Mathematikunterricht mit größerer sozialer und politischer Verantwortung abzielen. Hier sind einige der vorgestellten Ideen zusammengefaßt:

6.3.2.1 Nicaragua

6.3.2.2 Venezuela

 

6.3.3 Durchführung von curricularen Veränderungen in der FCCEE

These 53:

Die Mathematikabteilung der erziehungswissenschaftlichen Fakultät spielt eine bedeutende Rolle bei der Ausbildung der Mathematiklehrenden für die Grund und Sekundarstufe. Da die Entwicklung der Bildungsmethodik und Didaktik weitergeht, müssen sie tiefgreifende Veränderungen der Curricula auf der Grundlage einer neuen Bildungskonzeption initiieren.

In Abb. 35 wird sichtbar, daß alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Befragung sich direkt und wiederholt zur Ausbildung der Mathematiklehrer an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der UNAN-León geäußert haben. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, daß ein direkter Kontakt zu dieser Fakultät besteht, da einige dort studierten und andere als Professoren dort arbeiten. Ein weiterer Grund liegt darin, daß es die einzige Fakultät ist, an der Lehrende für das Department León, wo die vorliegende Untersuchung durchgeführt wurde, ausgebildet werden. 

Viele der Befragten haben zu Beginn der nicaraguanischen Revolution eine wichtige Rolle bei der Lehrerausbildung an dieser Fakultät gespielt, daher sind einige Äußerungen eng mit diesem wichtigen historischen Ereignis in Mittelamerika und dem Mathematikunterricht verknüpft. 

Trotz aller Schwierigkeiten widmete die Revolution der Bildung von Bauern und Arbeitern große Aufmerksamkeit "und versuchte, vielen Möglichkeiten zu eröffnen, auch an unserer Fakultät, sie kamen aus verschiedenen Regionen des Landes und sollten nach Abschluß des Studiums dorthin zurückkehren, um zur Entwicklung ihrer Region beizutragen" (FV). Häufig trat das so nicht ein, viele verließen das Land oder gingen in die großen Städte, wo sie dann arbeitslos waren oder etwas völlig anderes taten. Das heißt:

"El gobierno sandinista realizó la apertura de muchas instituciones durante su mandato tanto en las ciudades como en la zonas alejadas, esto resolvió en parte el problema de la falta de cupo para los estudiantes que querían ir a la escuela o a la secundaria, pero al mismo tiempo se originó mucha burocracia creándose otras dificultades como el crecimiento de las ciudades y el abandono del campo porque la gente no regresó a sus sitios de origen o el ingreso en masa a la FCCEE" (TG).

Ein aktuelles Problem der Fakultät im Bereich der Mathematikausbildung ist damit zu erklären, daß "viele Absolventen eines Mathematikstudiums an der erziehungswissenschaftlichen Fakultät Mathematik unterrichten, wodurch die fachliche Kompetenz der Studenten recht groß ist, sie aus pädagogischer und didaktischer Sicht aber Mängel aufweisen (AF). Hinzu kommt die bereits erwähnte Tatsache, daß die an dieser Fakultät vermittelte und praktizierte Didaktik nicht als Beispiel für die zukünftigen Lehrenden gelten kann. Das heißt, "wir Dozenten der Fakultät sind nicht ausreichend ausgebildet für den Unterricht, sondern wiederholen exakt die gleiche Methodik, mit der wir früher unterrichtet wurden, ohne über didaktische Fragen nachzudenken und zu fragen, ob die Studenten wirklich verstanden haben, das hat viel mit unserer Didaktik zu tun" (FG).

Die fehlende didaktische Ausbildung hängt mit der Trennung der Universitäten und vor allem der Mathematikabteilungen von der Gesellschaft zusammen. Sie sollten im Sinn des Volkes arbeiten, aber dafür sind Curriculum-Änderungen nötig, an denen ebenfalls die Gesellschaft mitwirken sollte. Dann wäre die Universität nicht mehr eine Einrichtung, deren einziges und ausschließliches Ziel darin besteht, Lehrende für die anderen Bildungseinrichtungen auszubilden. Das heißt: 

"A nivel de nuestra facultad, los objetivos de la enseñanza tienen como meta proporcionar las herramientas básicas para que el docente vaya con una buena preparación matemática a dar clase en la secundaria y en la primaria; sin embargo, hace falta una revisión profunda de los planes de estudio de la matemática en la universidad en relación con la política del país, la economía y los intereses y dificultades de la población, ya que no tenemos un marco definido y eso nos limita en todo el proceso de enseñanza y desarrollo. Esto se está haciendo en la medida en que la inquietud de los compañeros del departamento de matemática van leyendo y actualizando sus conocimientos y se van proyectando hacia afuera" (FV). 

Viele heutige Lehrende waren Studenten der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät, hatten Verbindung zur Mathematikabteilung, und es ist ein strategischer Fehler, die Verbindung zu den Absolventen abreißen zu lassen, denn das erschwert die Entwicklung kleiner Projekte in den Schulen, wo sie als Mathematiklehrende arbeiten. Diese Form der gegenseitigen Unterstützung kann aktive Untersuchungen zusammen mit den Lernenden unter den realen Bildungsbedingungen fördern. Anders gesagt: 

"El departamento de matemática de la FCCEE debería aprovechar su posición única como formadora de los maestros y profesores para todo el departamento de León, buscando contactos y colaborando en actividades concretas con quienes se dedican a la enseñanza en las escuelas y liceos y que tienen básicamente sus raíces en dicho departamento, sería una posibilidad excelente de concientización mutua, docentes y estudiantes universitarios, maestros y profesores y por su puesto los alumnos de primaria y secundaria" (PP). 

 

6.4 Zusammenfassung

Aus der Analyse der Antworten auf die drei Fragen im dritten Teil der Befragung, die den aktuellen Beitrag der Bildung zu sozialem Wandel und das Verhalten der Lehrenden im Hinblick auf eine politische Konzeption des Mathematikunterrichts sowie das Interesse der Lehrenden an der Entwicklung einer Form des Mathematikunterrichts, die zu sozialen Veränderungen in beiden Ländern beiträgt, behandelt, sind 9 Kategorien hervorgegangen, die in Abb. 36 entsprechend dem Gewicht der Aussagen und der Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Kategorien dargestellt. Im folgenden werden die 9 Kategorien im Vergleich zwischen beiden Ländern zusammengefaßt. In Klammern bestimmt die erste Ziffer den Stellenwert der Aussagen für Nicaragua, die zweite für Venezuela.

6.4.1 (K45) 92% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Nicaragua und 85% der venezolanischen Befragten vertreten die Ansicht, daß der Mathematikunterricht gegenwärtig nicht zum Verständnis der sozialen und politischen Probleme der Bevölkerung beiträgt. Das Gewicht der Aussagen zu dieser These ist in beiden Ländern ähnlich (7. und 8.).

 

 

(Abbildungsverzeichnis)

 

6.4.2. (K46) Die Mathematiklehrenden in den drei Bereichen des Bildungssystems tragen mit ihrem Verhalten und ihrer Form des Unterrichts wenig zur Klärung und Lösung von politischen, sozialen, wirtschaftlichen und Umweltproblemen der Länder bei. Diese Meinung wurde von 100% der venezolanischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einem sehr viel größeren Gewicht der Aussagen als in Nicaragua vertreten, wo sich 92% der Befragten dazu äußerten (5. und 1.). 

6.4.3 (K47) In beiden Ländern wurde bei ähnlichem Gewicht der Aussagen gefolgert, daß die Mathematik nicht neutral ist und nicht neutral sein kann, daß sie ihrer Verantwortung für die Erklärung bestehender Widersprüche in der Gesellschaft gerecht werden muß, so wie sie gegenwärtig auf vielfältige Weise zum Erhalt der Macht von Minderheiten beiträgt. Diese Meinung vertraten 83% bzw. 85% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Nicaragua und Venezuela (6. und 6). 

6.4.4 (K48) 75% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Nicaragua und 62% in Venezuela sind der Ansicht, daß der Mathematikunterricht eine politische Frage ist, daß seine soziale, politische und wirtschaftliche Verantwortung vom Bildungssystem und vor allem von den Lehrenden nicht negiert werden darf. Das Gewicht der Aussagen ist wie bei der vorherigen Kategorie in beiden Ländern ähnlich (8. und 7.). 

6.4.5 (K49) Es ist durchaus möglich, kritischen Mathematikunterricht zu entwickeln. Die Schülerinnen und Schüler müssen hier Probleme bearbeiten, die mit ihren konkreten und unmittelbaren Bedürfnissen verbunden sind, mit der Gesellschaft, der Umwelt und der Wirtschaft ihrer Alltagswelt wie des Landes insgesamt. Diese Feststellung wurde von 100% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Nicaragua und von 92% in Venezuela bei gleichem Gewicht der Aussagen in beiden Ländern getroffen. (2. und 2.). 

6.4.6 (K50) In Nicaragua meinen 50% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, daß die Industrieländer nicht kopiert werden sollten, da die Realitäten unterschiedlich sind und außerdem der ständige Einfluß dieser Länder im Bildungsbereich und speziell auf den Mathematikunterricht für das Land nicht günstig ist (9.). 

6.4.7 (K51) Die Vertreter des Bildungsministeriums sind an kritischem Mathematikunterricht nicht interessiert, bei Grund- und Mittelschullehrern gibt es jedoch Interesse, leider wird aber nicht in Gruppen mit Orientierung auf kritischen Mathematikunterricht gearbeitet. Diese Auffassung vertreten in Nicaragua 93% und in Venezuela 100% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wobei das Gewicht der Aussagen in beiden Ländern ähnlich ist (3. und 3.).

6.4.8 (K52) Um kritischen und partizipativen Mathematikunterricht umzusetzen, muß mit den Lehrenden gemeinsam an neuen Lehrbüchern, der Streichung unnützer Themen aus den Lehrplänen, gemeinsamen Untersuchungen, Bildungslabors u.a.m. gearbeitet werden. Diese Meinung teilen 67% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Nicaragua und 77% in Venezuela (4. und 4.). 

6.4.9 (K53) In Nicaragua sind 100% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ansicht, daß die Mathematikabteilung der Erziehungwissenschaftlichen Fakultät eine bedeutende Rolle bei der Ausbildung der Mathematiklehrenden für Grund- und Mittelstufe spielt und daher tiefgreifende curriculare Veränderungen auf der Grundlage emanzipatorischer Bildungsprinzipien erforderlich sind (1.). 

Die siebente Oberkategorie 7 oder D7 (K45-K46), die sich auf die siebente Frage zum aktuellen Beitrag des Mathematikunterrichts und der Lehrenden zum sozialen Wandel bezieht, umfaßte in Nicaragua 17% und in Venezuela 33% aller Aussagen (Abb. 37, 38 und 39). Die Dimension D8 (K47-K50), die Bezug auf Thesen zum kritischen und politischen Aspekt des Mathematikunterrichts nimmt, erreichte in Nicaragua 36% und in Venezuela 39% des Gewichts der Aussagen, während die letzte Dimension (D9) (K51-K53) im Zusammenhang mit den Interessen und Initiativen für curriculare Veränderungen in Nicaragua 47% und in Venezuela 28% der Aussagen umfaßte. Der letztgenannte Unterschied ist darauf zurückzuführen, daß die Nicaraguaner die Situation der Mathematikabteilung der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät ausführlich analysierten (K53). In Abb. 39 ist die Verteilung nach Land und den drei Fragestellungen dargestellt, d.h. hier wurden sämtliche Daten aus den vorherigen Abbildungen noch einmal zusammengefaßt, um eine quantitative Vorstellung aller diskutierten Oberkategorien zu vermitteln. Eine gleichmäßige Verteilung der Aussagen in den Oberkategorien ist vor allem für Nicaragua zu beobachten, während sich in Venezuela diese Homogenität in Richtung auf eindeutigere Schwerpunktsetzungen aufhebt.

 

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(269) Der Begriff "mathematische Alphabetisierung" umfaßt hier nicht einfach das Erlernen einfacher mathematischer Fähigkeiten, sondern impliziert die Entwicklung gesellschaftskritischer Kompetenzen. Vgl. dazu den Begriff "literacy" bei Freire (1973 und 1985) und in Analogie dazu Skovsmoses Begriff der "mathemacy" (1994a).