7.4 Auswertung der dritten Curriculumkonferenz in Nicaragua

Im folgenden werden die wichtigsten Schlußfolgerungen auf der Grundlage der Diskussionen in den Arbeitsgruppen und im Plenum zusammengefaßt, wobei mit der Nennung der bedeutendsten Aspekte aus der Diskussion der pädagogische und didaktische Wert der Wortmeldungen unterstrichen werden soll. Die erste Gruppe konzentrierte sich auf das Thema Lineare Gleichungen mit einer, zwei und drei Unbekannten sowie Systeme linearer Gleichungen. Die zweite Gruppe bearbeitete zwei Themen, einmal die Vermittlung von Dezimalzahlen und Brüchen und auf der anderen Seite die Kritik des Strukturalismus in der Behandlung des Mathematikunterrichts in der Mittelstufe. In den Diskussionen gab es sehr wichtige Beiträge, leider reichte die Zeit nicht für die systematische Erarbeitung von Unterrichtsaktivitäten anhand konkreter Beispiele und die Planung für deren Umsetzung. Die Ausarbeitung von Vorschlägen ist nicht in kurzer Zeit möglich, gebraucht werden hier Beiträge und Untersuchungen mehrerer Fachleute und ein längerer Prozeß von Forschung und Aktion. Im folgenden sind die Ergebnisse dieser letzten Konferenz zusammengefaßt:

 

7.4.1 Zum Thema lineare Gleichungen mit einer und zwei Unbekannten und lineare Gleichungssysteme mit zwei Unbekannten

Die Diskussion (Gruppe 1) kreiste mehr oder weniger um die Frage: Wie können solche Inhalte in der Ausbildung von Mathematiklehrenden auf der Grundlage der in den Befragungen und den ersten beiden Seminaren diskutierten Prinzipien derart vermittelt werden, daß bei den Lernenden der 9. Klasse der Grundschule Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt werden, die sowohl auf den Prozeß als auch auf das Ziel orientiert sind?

 

7.4.1.1Notwendigkeit der Überprüfung der spezifischen Inhalte und Ziele der Unterrichtseinheit über Gleichungen und Gleichungssysteme

Zunächst erläutert Tomas Guido die Ziele und Inhalte der Lehrpläne zu diesem Thema, zählt sie auf und verweist darauf, daß zwei Elemente zu berücksichtigen sind, einerseits ist die Kohärenz im Rahmen des Mathematikunterrichts für die entsprechenden Klassenstufen zu analysieren, was eine breitere Diskussion und Änderung des Curriculums erforderlich macht, und in zweiter Linie muß die Fakultät einen didaktischen Ansatz für diese Themen entwickeln, der für die Änderung des Curriculums als Beispiel dienen könnte. Das heißt:  

"Este tema de ecuaciones algebraicas está ubicado en la unidad 4 de los programas de educación media que también se imparten en la Preparatoria y en la formación de profesores. Referente al tema se plantean tres objetivos: 1) identificar los tipos de ecuaciones algebraicas, 2) aplicar los contenidos correspondientes a la resolución de ejercicios de ecuaciones de primer grado, sistemas de ecuaciones y ecuaciones de segundo grado, y 3) aplicar los conocimientos de ecuaciones lineales para resolver los problemas de álgebra. Los contenidos necesarios para alcanzar estos objetivos son los siguientes: 1) concepto de ecuaciones de primer grado, 2) clasificación de las ecuaciones, aquí se considera lineal o entera de primer grado, fracciónales y literales, 3) resolución de ecuaciones de primer grado con una incógnita, enteras, racionales y literales, 4) resolución de ecuaciones de primer grado con una incógnita" (TG). 

Die Gruppe ist der Ansicht, daß sowohl die Ziele als auch die spezifischen Inhalte der Einheit sehr weitgefaßt, anspruchsvoll, abstrakt und strukturalistisch sind und emanzipatorischem Mathematikunterricht nicht Rechnung tragen, da sie von der Lebenswelt und der Wirklichkeit der Jugendlichen isoliert betrachtet werden. In den von den Lehrenden täglich benutzten Lehrbüchern und Lehrplänen findet sich kein Beispiel oder sinnvolle Orientierung zu dieser Einheit. Mit der Auswahl dieses Themas bestimmt die Gruppe exakt die Charakteristika der Art von Mathematik, die im Unterricht vermittelt wird und in der vorliegenden Arbeit bereits mehrfach kritisiert wurde.

 

7.4.1.2 Ein didaktischer Ansatz für die Behandlung dieser Einheit

Die Mitglieder der Gruppe 1 stimmten darin überein, daß folgende Vorkenntnisse für die Lernenden zur Behandlung dieser Einheit nützlich sein könnten: Grundrechenarten mit natürlichen und ganzen Zahlen, einfache Gleichungen ersten Grades und Bruchrechnung. Dies sind allerdings keine notwendige Bedingungen, denn der didaktische Prozeß soll nicht auf der progressiven Akkumulation von Kenntnissen beruhen, die für den gegenwärtigen Mathematikunterricht charakteristisch ist, sondern dazu beitragen, daß die Kenntnisse aufgenommen und genutzt werden ohne vorherige mathematische Komplikationen, die Zeit, Kraft, Mut und Hingabe an das konkrete Ziel eliminieren.

Dann wurden die Ziele formuliert, die die Lernenden am Ende dieser Einheit erreichen sollten: 1) In natürlicher und algebraischer Sprache konkrete Lebenssituationen interpretieren, die mathematischer Behandlung bedürfen; 2) Probleme des realen Lebens unter Nutzung von Gleichungen ersten Grades und von linearen Gleichungssystemen mit zwei und drei Unbekannten ausdrücken und lösen; 3) die Kenntnisse dazu nutzen, einfache reale Probleme der linearen Optimierung zu lösen, indem die graphische und die algebraische Methode angewandt werden. "Das sind die drei Aspekte, die als Ziel bei der Behandlung dieses Themas in der Abiturstufe stehen sollten, und die auch bei der Lehrerausbildung so behandelt werden müssen" (FV). Dieser Ansatz impliziert eine curriculare Änderung, er eliminiert nicht nur die Hälfte der mathematischen Kenntnisse, die im Kontext der ersten beiden Ziele vermittelt werden, ohne die Orientierung der Einheit aus dem Auge zu verlieren, sondern bringt einen außerordentlich nützlichen Aspekt, die lineare Optimierung, hinein, der ganz offensichtlich zum Thema der Lösung von Gleichungssystemen gehört und nicht nur von Nutzen, sondern auch hochinteressant ist (270)

"Necesitamos una reflexión crítica sobre lo extenso de los contenidos específicos que aparecen en los programas y en los libros de texto relacionados con el tema de ecuaciones y sistema de ecuaciones lineales, porque muchos de ellos son insignificantes y su tratamiento no aporta ventajas a los alumnos, sino por el contrario les crea cierto resentimiento hacia la asignatura" (TG) 

An dritter Stelle wurde die aktuelle Art und Weise der Vermittlung dieses Themas aus methodischer Sicht kritisiert. Normalerweise wird begonnen mit der Wiederholung des Polynoms ersten Grades und der Bedeutung der Gleichung ersten Grades. Eine Definition wird aufgeschrieben und erklärt, ihre Teile, ihre Merkmale und Symbole werden gezeigt. Dann folgen einige Beispiele dieser Art von Gleichungen und dann wird die Regel definiert, nach der solche Gleichungen gelöst werden. Nach Abschluß dieses mechanischen Teils zur Lösung von Gleichungen, Beispielen und Übungen wird schließlich versucht, einige sogenannte Anwendungsprobleme zu lösen. Das kommt aber selten vor und meist reicht dafür die Zeit nicht aus. In diesem Prozeß gibt es viele Definitionen, Regeln, Verfahren etc., die die Lernenden fast obligatorisch auswendig lernen müssen, um die endlosen Listen ebenfalls mechanischer Beispiele abarbeiten zu können. "Das Bildungsmodell, das wir nutzen, verläuft nur in eine Richtung, wir diktieren nur oder schreiben an der Tafel vor" (VH). 

Wenn eine Gleichung in der Form präsentiert wird, daß ax + b = c bzw. ax˛ + bx + c = d und eine Gleichung mit x Q zu lösen ist, wo a, b und c (natürliche, ganze oder rationale bzw. sogar realle) Zahlen sind und der Wert "x" bestimmt werden soll, entsteht bei den Lernenden von Anfang an eine Barriere. Mit dieser Terminologie oder dieser Art, ein Problem zu präsentieren, wird der Jugendliche blockiert. Er fragt sich: "Was bedeutet das mit den natürlichen (ganzen, gebrochenen oder realen) Zahlen in dieser Gleichung? Was bedeutet es, die Gleichung zu lösen oder den Wert von x zu finden? Die einhellige Meinung der Gruppe ist, daß so nicht weiter Mathematik unterrichtet werden sollte" (MC). 

Fünf Meinungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer führen zu dem Schluß, daß die von der Mehrzahl der Mathematiklehrenden angewandte Methode der Transposition von Begriffen zur Feststellung einer Unbekannten in einer linearen Gleichung ersten Grades ungeeignet ist, da sie zum Erlernen mnemotechnischer Regeln führt. "So wie das mathematische Wissen präsentiert wird, konfrontieren wir die Schüler mit vielen unbekannten Dingen, die große Bedeutung haben können, aber bei ihnen zu einem frontalen Schock und zu unnützem Auswendiglernen führen" (RP). Das heißt, in einem formalen Prozeß wird ein abgeschlossenes mathematisches Konzept vorgegeben und am Ende gesagt, "wir haben das Thema der Gleichungen geklärt, und das hilft uns bei der Lösung von Problemen wie zum Beispiel das folgende: Pedros Alter plus Juans Alter ist..., welches Alter hat Pedro; oder stellen wir uns einen Stern vor..." (FV). Wenn man zu diesem Prozeßstadium kommt, ist der Lernende völlig verwirrt und ermattet und hat wenig Lust, dem Lehrenden weiter zuzuhören und zur Schule zu gehen, vor allem wenn ihm als Ziel die Lösung solcher trivialen und unwichtigen Probleme präsentiert wird. Nach Auffassung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dem Treffen ist dies zur Zeit die Realität im Mathematikunterricht in Nicaragua.  

Die Gruppe meint, daß das Thema innovativ oder völlig verändert gelehrt werden sollte. "In der Gruppe und auch mit David haben wir über die Möglichkeit gesprochen, das Thema Gleichung und Gleichungssysteme auf andere Weise zu unterrichten" (FV). Wiederholt war dazu folgende Frage zu hören: Was wollen wir mit einer Gleichung ersten Grades oder einem Gleichungssystem machen? Wollen wir, daß die Lernenden verstehen, was eine Gleichung ist und mit ihr spielen, indem sie ihre Merkmale und ihr Verhalten analysieren, oder wollen wir erreichen, daß sie deren realen Nutzen erkennen? Die Gruppe entschied sich für letzteres. Wir wollen, daß die Lernenden in der Lage sind, ein interessantes Problem aus verbaler Sicht in symbolische Form zu bringen und durch kritische Interpretation der Ergebnisse die entsprechende Lösung, den Wert X, Y oder Z finden. "Das wollen wir erreichen, darauf arbeiten wir hin. Wir wollen, daß sie das mathematische Konzept so beherrschen, daß Problemlösungen möglich sind, also muß mit dieser Zielrichtung unterrichtet werden" (RP). Am Beginn sollte eine Problemsituation aus dem wirklichen Leben stehen, damit das Interesse der Lernenden geweckt wird, ohne künstliche Erwartungen oder Motivationen zu fördern, ein Problem, das mit und ohne Konstruktion von algebraischen Gleichungen auch verbal gelöst werden kann. 

Ein weiterer Vorschlag der Gruppe zielt nicht auf die Optimierung der vorangegangenen durch bessere didaktische Elemente oder Unterrichtsmaterialien ab, sondern auf die Modifikation eines wichtigen Aspekts der Bildungsproblematik, und zwar die soziale Funktion des Mathematikunterrichts und die zumeist passive Rolle der Lernenden im Rahmen des gesamten Lern- und Lehrprozesses. Diese Methodik läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Wir stellen den Lernenden eine Aufgabe oder ein Problem, das mit ihrer konkreten Situation als soziale Wesen zu tun hat, oder wählen in der Diskussion mit ihnen von ihnen selbst benannte Probleme aus. Im methodischen Prozeß muß zunächst das Warum und Wieso dieser mathematischen Themen geklärt werden, indem ein Problem als Modellbeispiel behandelt wird, das von der ganzen Gruppe gemeinsam mit dem Lehrenden diskutiert und - nach Möglichkeit auf der Grundlage von Vorkenntnissen der Lernenden - nach der Methode von Versuch und Irrtum gelöst wird. Manchmal tauchen auch Lösungen auf, für die nicht viele mathematische Kenntnisse erforderlich sind, die zwar nicht optimal sind, aber eine Grundlage für die Vermittlung mathematischer Mittel für die optimale Lösung bilden. Dann kann die Bildung von 2 oder 4 Gruppen vorgeschlagen werden, in denen nach dem gleichen didaktischen Prinzip und mit Hilfe des Lehrenden, der Schlüsselfragen formuliert, ähnliche Probleme diskutiert werden, damit die Lernenden die Notwendigkeit eines Modells für die Problemlösung erkennen. Das ist die wichtigste Phase des Lern- und Lehrprozesses, daher muß ihr ausreichend Zeit gewidmet werden, denn das Gewicht liegt auf dem Prozeß und dem Ziel (beide sind bedeutsam) und nicht auf der Quantität mathematischer Kenntnisse. Beim langweiligen Formalismus muß Zeit gewonnen werden, die für den anderen Teil des Lernen, die Reflexion, das Nachdenken über den bearbeiteten Gegenstand genutzt werden sollte. 

Erst im zweiten Stadium werden dann mathematische Fragen behandelt, die mathematischen Grundlagen, die natürlich nicht vernachlässigt werden dürfen, formal entwickelt. Aber zunächst müssen die Lernenden für die Mathematik gewonnen, ihr Interesse geweckt werden, ohne sie unter Druck zu setzen und schon von Anfang an zu frustrieren. Für diese, der allgemein üblichen Methodik entgegengesetzte Form ist der in 4.3.6.1 behandelte Lernvektor von großer Bedeutung.

 

7.4.2 Zur Vermittlung der Themen Brüche und Dezimalzahlen und Ansätze zur Verringerung des Strukturalismus im Mathematikunterricht

Aus der Diskussion der zweiten Gruppe während des dritten Treffens erwuchsen Schlußfolgerungen, die mit den Spezifika der Diskussion in Gruppe 1 übereinstimmen und stärker auf die Zusammenfassung aller drei Treffen als auf die von ihnen ausgewählten speziellen Themen orientiert sind. Das ist positiv, da auf diese Weise die kritischen Fortschritte der drei Treffen und vor allem der Kern des Problems reflektiert wurden, was der Kontinuität von zukünftigen Forschungslinien in dieser Richtung dienlich ist. Hier folgen die Schlußfolgerungen der Gruppe 2:

 

7.4.2.1 Dezimalzahlen oder Brüche?

Brüche sind ein interessantes Thema für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die bereits mehrfach darauf verwiesen haben, daß selbst Studentinnen und Studenten nicht in der Lage sind, mit Brüchen zu arbeiten. Offensichtlich wurde der Erweiterung und Vereinfachung von Brüchen mehr Aufmerksamkeit gewidmet als dem Verständnis des Konzepts Bruch. Man dachte an die Möglichkeit, bis zur 8. Klasse das Thema Brüche aus dem Mathematikunterricht teilweise herauszunehmen und dafür den Dezimalzahlen größeres Gewicht zu geben. Von der 9. Klasse an könnte das Thema Brüche mit anderer didaktischer Ausrichtung behandelt werden. Angela Flores unterstützt diesen Vorschlag: 

"Yo creo que el procedimiento es tal vez lo más importante; el entender como dice Tomás lo que se está haciendo y en el tema de las fracciones no lo logramos. Lo que ocurre es que nosotros no estamos en contacto con esa información y tampoco hemos investigado sobre las ventajas y desventajas de la enseñanza de las fracciones. Los niños de cuarto grado por ejemplo no saben trabajar bien con los decimales, pero ven fracciones de una manera muy complicada, esto nos indica que deberíamos pensar en su eliminación progresiva en los primeros grados" (AF)

 

7.4.2.2 Formalistische Auffassung der Schulmathematik?

Dringend erforderlich sind Veränderungen im Hinblick auf die formalistische Auffassung zu vielen Themen der Schulmathematik, wie z.B. die Behandlung der Begriffe natürliche, ganze Zahlen, Brüche und Dezimalzahlen, rationale, irrationale und reale Zahlen. Bei der Diskussion über Veränderung der Lehrpläne ist eine Konzeption von Schulmathematik nötig, die sich durch geringen Formalismus auszeichnet. Das heißt: 

"Hay que ser muy cuidadosos a la hora de explicarle a los alumnos muchas propiedades de los conjuntos de números, por ejemplo, ya que hay mucho formalismo en ellos que los alumnos no entienden. Hemos visto que lo más importante para los alumnos es manejar los conceptos matemáticos y poder trabajar fácilmente en cualquier conjunto de números, sin cometer los errores graves propios de un aprendizaje centrado solamente en el dominio de las estructuras de la matemática" (ME). 

Unterdessen wird davon abgeraten, die vom Bildungsministerium vorgeschlagenen Probleme zur Behandlung solcher Themen zu stark zu verwenden, da nach Beobachtungen der Expertinnen und Experten die Lehrpläne, so wie sie von den Lehrenden in der Schule umgesetzt werden, wenig zu gutem Mathematikunterricht und aktiver und partizipativer Methodik beitragen. 

 

7.4.2.3 Nutzung der Tageszeitungen für die Vermittlung von Dezimalzahlen, Brüchen und Prozentrechnung

Die Themen Brüche, Proportionalität und Prozentrechnung müssen in attraktiver Form präsentiert werden, wobei die Nutzung von Tageszeitungen und realen Alltagsprobleme sinnvoll ist, da so diese wichtigen Konzepte in Verbindung mit der Realität leichter eingeführt und entwickelt werden können. Dabei sollten das Leben der Lernenden, ihre Konflikte und Interessen so einbezogen werden, daß die mathematischen Themen zur Lösung oder zumindest zur Erklärung mit herangezogen werden können. Das heißt, im Lern- und Lehrprozeß muß diesem Aspekt mehr Bedeutung beigemessen werden als der mechanischen Erklärung eines bestimmten Algorithmus, der im Lehrbuch oder an der Tafel steht und vom Lehrenden frontal erklärt wird, was für die Arbeit mit Konzepten wie Brüchen, Dezimalzahlen, Prozentrechnung und Proportionalität im Moment typisch ist.

 

7.4.2.4 Einführung der Lernenden in die Erarbeitung mathematischer Modelle

Bei diesen Themen ist es von grundsätzlicher Bedeutung, den Lernenden die Wichtigkeit des Austausches zwischen natürlichem und mathematischem Sprachgebrauch (auch für andere mathematische Konzepte) deutlich zu machen. Gemeinsam mit den Lehrenden können die Lernenden ein mathematisches Modell entwerfen, das der Interpretation eines meist verbal vorgegebenen Problems dient. Die Lernenden sollten zur Erarbeitung mathematischer Modelle geführt werden, die dem Problem adäquat sind und die den Informationen, ihren Vorkenntnissen und den für die Lösung des Problems erforderlichen Kenntnissen entsprechen. Dafür könnte der projektorientierte Unterricht eingesetzt werden, in dem wirtschaftliche Fragen der Familie oder die Wasserknappheit behandelt werden, da sich hier gute Verbindungen zu den genannten mathematischen Themen herstellen lassen.

 

7.4.2.5 Eignung der Themen der Schulmathematik für Gruppenarbeit und Partizipation der Lernenden

Hervorzuheben sind Gruppenarbeit und Kooperation im Mathematikunterricht, vom ersten Augenblick an, wenn die Lernenden außerhalb des Klassenraums Messungen vornehmen und erste Berechnungen anstellen, bis zur Beendigung der Arbeit unter Beteiligung der Lehrenden.

"En cuanto a la metodología, consideramos que lo más apropiado es crear grupos de trabajo y proponerle problemas o situaciones parecidas para determinar el éxito de los mismos. Así podemos, mediante la observación directa y las conversaciones con los mismos muchachos, ir midiendo el grado de desarrollo y avance en el proceso de enseñanza y aprendizaje. Insistimos en que la enseñanza de la matemática debería realisarse en grupos pequeños de 4 ó 5 alumnos por grupo" (VH).

Der Lern- und Lehrprozeß sollte bei diesen Themen der Schulmathematik auf die Partizipation der Lernenden und nicht auf den Lehrenden konzentriert sein. "Wir haben darüber diskutiert, daß diese Form traditionellen Unterrichtens, bei der die Schüler alle Informationen passiv entgegennehmen, nicht weitergeführt werden sollte. Wichtig ist die Arbeit der Schüler" (ML).

 

7.4.2.6 Handlungsorientierter Mathematikunterricht

Der Lern- und Lehrprozeß im Mathematikunterricht sollte dem Prinzip der Lösung von signifikanten Problemen und grundsätzlichen Ideen folgen, damit die Lernenden mathematische Konzepte wirklich verstehen und anwenden, ohne mit überflüssigen Informationen überlastet zu sein. Auf diese Weise kann viel Zeit gespart werden, die man nutzen kann, um die bei der Lösung neuer Probleme gewonnenen Erkenntnisse zu festigen und immer wieder kritisch das Was, Wie und Warum des Unterrichts zu reflektieren. Das leistet handlungsorientierter Mathematikunterricht, der nach Ansicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gute Möglichkeiten für einen auf die Lösung von für Lernende, Lehrende und Gemeinschaft interessanten und signifikanten Problemen orientierten Mathematikunterricht bietet. 

"Encontramos que este tema dentro de los contenidos matemáticos que se estudian en el bachillerato es uno de los más importantes, se presta mucho para el desarrollo de la matemática basado en temas de la vida real. Es decir, que los alumnos interactuen entre sí con situaciones complejas que se pueden traducir en problemas de gran significado para los alumnos y que además podrían ser interpretados mediante las herramientas matemáticas" (AF).

 

7.4.2.7 Anregung kleinerer Forschungsvorhaben im Unterricht, die zu konkreten Änderungsvorschlägen hinführen

Da curriculare Veränderungen noch nicht in den Händen der Lehrenden liegen, muß ein Prozeß von Forschung und Aktion (271) angeregt werden, damit generelle Linien für die Erarbeitung neuer Lehrbücher und -materialien nach den beschriebenen didaktischen Prinzipien erarbeitet werden können, da die zur Zeit genutzten Lehrbücher die Frontalmethode favorisieren und der Aktivität der Lernenden und der Entstehung komplexerer Projekte wenig Raum geben, wie im Verlaufe der vorliegenden Untersuchung deutlich wurde.

 

7.5 Zusammenfassung

Die ersten Curriculumkonferenzen in Nicaragua und Venezuela waren im Diskussionsverlauf sowie in den Ergebnissen sehr ähnlich. Thematisiert wurden folgende Dimensionen, die von 7.1.2 bis 7.1.4 beschrieben worden sind: Die im Mathematikunterricht angewandten Methoden sind ungeeignet; Mathematikunterricht ist ein politisches Problem und muß auch so betrachtet werden; Entwicklung des Mathematikunterrichts auf der Grundlage einer kritischen Bildungskonzeption; im Mathematikunterricht müssen Alltagsprobleme behandelt werden (Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Umwelt); Mangel an guten Lehrbüchern für den Mathematikunterricht. Die Themen der Diskussion auf den Curriculumkonferenzen überschneiden sich zum großen Teil mit denen, die in den Einzelinterviews angesprochen wurden (Kapitel 4 bis Kapitel 6).

Auf der zweiten Curriculumkonferenz in Nicaragua ging es um den Demokratisierungsprozeß, um Projektunterricht und um Partizipation, Kooperation, Gruppenarbeit, Aktion und Dialog im Mathematikunterricht. Auch hier ergeben sich thematische Überschneidungen mit den in Kapitel 4 bis 6 behandelten Kategorien.

In Venezuela hatte die zweite Curriculumkonferenz einen zur Zeit in der öffentlichen Meinung behandelten Schwerpunkt: Thematisiert wurde allgemein das Erziehungssystem in Venezuela, die soziale, politische und ökologische Verantwortung der Erziehung und die Rückwirkungen auf den Mathematikunterricht. In Abschnitt 7.3.2 befindet sich eine zusammenfassende Darstellung aller diskutierten Themen.

Auf der dritten und letzten Curriculumkonferenz in Nicaragua versuchten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach den Lehrplaninhalten einige unterrichtliche Aspekte des Mathematikunterrichts zu diskutieren und konkrete Vorschläge zu entwickeln. Der Ansatz, in die konkrete Erarbeitung von Unterrichtsmaterialien einzusteigen, stellt für die Lehrenden selbst eine Handlungsorientierung dar, die begrüßenswert ist. Allerdings zeigte sich schnell, daß eine entsprechende Arbeit ohne fundierten Forschungsansatz und ohne die entsprechende Logistik nicht zu leisten ist. Die Zeit reichte nicht einmal dafür, eine Unterrichtseinheit - gewissermaßen als Abschluß und Resultat der Diskussionen - zu konzipieren, die die gewonnenen pädagogischen Prinzipien didaktisch-methodisch hätte umsetzen können.

 

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Endnote:

(270) Vgl. Mora (1992).

(271) Siehe Abschnitt 3.1.2, der sich mit dem Konzept der Partizipation -Aktionsforschung befaßt.