4.3 Lehrerbildungs- und Lehrplansituation

 

Die dritte Frage war auf die Meinung der Expertinnen und Experten beider Länder zu zwei für den Mathematikunterricht sehr wichtigen Elementen gerichtet, die Teil des täglichen Diskurses in Bildungskreisen im Hinblick auf die Hauptursachen für den Zustand der mathematischen Bildung sind. Ergebnis sind interessante Überlegungen und Vorschläge für die Lehrerbildung in Lateinamerika und konkret in Venezuela und Nicaragua, die auf persönlichen Meinungen und Begründungen anhand von Dokumenten beruhen, wobei eine weitergehende empirische Untersuchung hier noch aussteht (149) . Obwohl es sich um ein ständiges Diskussionsthema unter Lehrern handelt, liegen keine systematischen schriftlichen Arbeiten zum Lehrprogramm für den Mathematikunterricht vor.

Zur dritten Frage im Rahmen des ersten Teils der Befragung sind 6 Kategorien benannt worden (s. Abb. 23), von denen sich fünf auf die Lehrerbildung und die sechste auf Bildungsprogramme für Grund- und Sekundarschule beziehen. Im einzelnen handelt es sich um folgende Themen: pädagogische Ausbildung und Mathematik, didaktische Mathematikausbildung, Lehrerpraktika, Lehrerberuf, Rolle des Grundschullehrers und Mathematiklehrpläne. Im folgenden werden die Ergebnisse der Befragung in Nicaragua und Venezuela auf der Grundlage der Argumentationen der Expertinnen und Experten im Detail dargestellt. Der Charakter der vorliegenden Arbeit läßt eine Vertiefung und theoretische Auseinandersetzung derart komplexer Themen nicht zu.

 

 

(Abbildungsverzeichnis)

 

 

4.3.1 Ausreichende mathematische, jedoch defizitäre pädagogische Ausbildung der Lehrenden

These 24:

Die Ausbildung der Lehrenden für die drei Stufen des Bildungssystems ist im Hinblick auf mathematische Kenntnisse ausreichend und hat kaum Einfluß auf die Problematik des Mathematikunterrichts. Defizite gibt es in der pädagogischen Ausbildung, und dies hat direkten und bestimmenden Einfluß auf den Lern und Lehrprozeß im Mathematikunterricht beider Länder.

In Abb. 23 wird deutlich, daß sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer in beiden Ländern in ähnlicher Proportionalität bezüglich der Aussagen zur mathematischen und pädagogischen Ausbildung der Lehrenden geäußert haben.

 

4.3.1.1 Zur mathematischen Ausbildung.

Übereinstimmung herrscht in beiden Ländern darüber, daß bei der Ausbildung von Lehrenden für die beiden ersten Etappen der Grundschule keine soliden mathematischen Kenntnisse zu bestimmten mathematischen Inhalten, die für die Klärung von grundlegenden Konzepten erforderlich sind, vermittelt werden. Es gibt einfache Themen wie Geometrie oder die natürlichen und die ganzen Zahlen, deren Grundprinzipien nicht ausreichend erarbeitet werden. Das heißt,

"He trabajado como docente en el instituto pedagógico de Caracas dictándole matemática a maestros que desean adquirir una formación integral y he constatado que ellos no dominan cosas elementales de matemática como el conjunto de los números naturales y sus operaciones, esto hace que al final de la primera unidad se retira la mitad de los alumnos porque no entienden lo que se está haciendo y lo peor es que ellos le dan menos importancia a esta asignatura cuando están en presencia de sus alumnos" (AB).

Ein gemeinsam dafür benannter Grund ist die Tatsache, daß die Abiturienten, die an die Universität gehen oder in der Grundschule unterrichten, selbst eine problematische Bildungsetappe durchlaufen haben, in der dem Fach unzureichende Aufmerksamkeit gewidmet wurde und daher einfache, aber bedeutsame mathematische Begriffe unberücksichtigt blieben. Viele Grundschullehrer verfügen nicht über eine mathematische Ausbildung, sondern unterrichten alle Fächer, wobei sie anderen Fächern als der Mathematik leider häufig den Vorzug geben.

"La formación matemática de los bachilleres anteriormente era mejor que ahora, lo cual les facilitaba un mejor aprendizaje en la universidad" (DG). "Los alumnos de las carreras docentes, esencialmente son estudiantes que vienen con muchas fallas y deficiencias de la enseñanza media, no están motivados, los profesores de los institutos de pedagogía no tratan de reeconvertirlos o de entusiasmarlos" (WB). "Los maestros y las maestras que dan clase en los primeros niveles han sido víctimas de la escasa formación matemática, allí comienza el problema" (EC) 

Hier hat sich eine interessante Differenzierung zwischen beiden Ländern ergeben. In Nicaragua, wo die Lehrenden in der Fakultät Erziehungswissenschaften ausgebildet werden, ist die mathematische Ausbildung sehr gut und umfassend, es gibt sogar eine gewisse Konkurrenz zur Fakultät Wissenschaften, wo die reinen Mathematiker studieren. Die Studienpläne umfassen neben den Grundlagen die wichtigen Bereiche der Mathematik, u.a. Algebra, Analyse und Topologie (150) . Die mathematische Ausbildung wird nicht nur aus diesem Grund als gut eingeschätzt, sondern auch, weil die Absolventen der erziehungswissenschaftlichen Fakultät als Mathematiklehrer gute Leistungen, Freude und Interesse am Fach zeigen. "Hier in der Fakultät arbeiten wir mit Studenten, die ein gewisses Grundwissen mitbringen, und vermitteln ihnen eine gute mathematische Ausbildung für die Sekundarschule. Sie verfügen tatsächlich über die Kenntnisse, die für die Arbeit in diesem Bereich wesentlich sind" (RP).

In Venezuela überwiegt dagegen die Meinung, daß die mathematische Ausbildung der Sekundarschullehrer nicht gut ist, was besonders für die Pädagogischen Universitäten zutrifft. In der Universidad Central de Venezuela gibt es eine Übereinkunft zwischen der Fakultät für reine Wissenschaften und der Pädagogischen Schule, auf deren Grundlage gute Mathematiklehrer für die Sekundarstufe ausgebildet werden. "Ein guter Mathematiklehrer muß die Mathematik beherrschen, und das Modell der Universidad Central ist dafür sehr gut" (SR) (151) . Das kann man leider über die Mehrzahl der Absolventen Pädagogischer Universitäten in Venezuela nicht sagen, obwohl die Studienpläne dort ebenfalls umfassend und anspruchsvoll sind. "Die Lehrer sind mathematisch wirklich schlecht gebildet. In der mathematischen Fakultät werden Mathematiker ausgebildet, und in der pädagogischen die Lehrer, und das Bildungsniveau ist unterschiedlich, vor allem in der letzteren ist es in den vergangenen Jahren gefallen" (EC). Eine weitere, häufig geäußerte Meinung der venezolanischen Expertinnen und Experten, die ich nicht teile, geht dahin, daß die Studenten pädagogischer Einrichtungen die Mathematik aus der Abiturstufe beherrschen müssen. Das löst das Problem des Mathematikunterrichts nicht, sondern versucht es zu verkleinern und gerät in Widerspruch mit der Notwendigkeit, der Bevölkerung gute mathematische Bildung zu vermitteln, was natürlich nicht bedeutet, daß alle Mathematiker werden sollen (152) .

 

4.3.1.2 Zur pädagogischen Ausbildung der Lehrenden

Nach Auffassung der Expertinnen und Experten sind folgende pädagogische Komponenten der Lehrerausbildung ausreichend: "Einführung in die Pädagogik", "Allgemeine Didaktik", "Schulverwaltung und Recht", "Psychopädagogik", "Sozialentwicklung", "Spezielle Didaktik der Mathematik", "Philosophie und Erziehung" und "Probleme des venezolanischen oder nicaraguanischen Mathematikunterrichts" (153) . Änderungsvorschläge unter organisatorischen, philosophischen, psychologischen, pädagogischen und didaktischen Aspekten werden erst ausgehend von Erfahrungen und Tests mit Blick auf curriculare Änderungen in der Lehrerbildung möglich. Diskussionen gibt es bereits zur Konzeption von Bildung, Gesellschaft, Demokratie und Schulmathematik (154) .

Übereinstimmung herrscht dahingehend, daß mathematische Bildung nötig ist, ebenso muß sich die pädagogische Ausbildung zukünftiger Lehrender auf eine kritische Betrachtung aktueller pädagogischer und psychopädagogischer Strömungen, die Probleme des Mathematikunterrichts im jeweiligen Land und vor allem eine pädagogische Philosophie konzentrieren, die Grundlagen für eine mathematische Bildung für alle legt (155) . Das heißt, "ein Mathematiklehrer muß nicht nur eine akzeptable mathematische Bildung, sondern auch eine umfassende kritische pädagogische Bildung haben" (MG). Es ist nicht einfach, an den Universitäten einen Ausgleich zwischen beiden Zielstellungen zu erreichen; in einigen Fällen gibt es eine stärkere Hinwendung zu pädagogischen Fragen als zur Mathematik und umgekehrt, erforderlich ist also die Entwicklung eines Curriculums für die mathematische Ausbildung an den Universitäten, das beide Aspekte kombiniert, ohne die Studenten zu überlasten, wie es bisher geschehen ist (156) . Das schließt für die Expertinnen und Experten die Notwendigkeit ein, über eine ausreichende Zahl von Dozenten und Professoren zu verfügen, die für beide Bereiche ausgebildet sind und Forschungsarbeit leisten, da es eine zu starke Spezialisierung auf eines der Gebiete gibt, wo Mathematiker ihren Bereich bearbeiten, während die pädagogische Seite von Psychologen, Philosophen oder Pädagogen betreut wird. "In Venezuela fehlen Lehrkräfte, die eine gute mathematische und pädagogische Ausbildung haben, davon gibt es sehr wenige" (SR), "zu wenige Universitätsdozenten in Nicaragua sind gleichzeitig pädagogisch und mathematisch gebildet, das müssen wir ändern" (FV).

 

4.3.2Fehlende Entwicklung einer geeigneten Mathematikdidaktik in der Lehrerbildung

These 25:

Eine der Hauptursachen für die Probleme des Mathematikunterrichts in Nicaragua und Venezuela ist die fehlende Entwicklung einer geeigneten Mathematikdidaktik in der Lehrerbildung.

Die zweite Kategorie (Dimension 3), die eng mit der mathematischen und pädagogischen Ausbildung verbunden ist (vgl. auch Abschnitt 5.1), wies in der Anzahl der Aussagen ebenfalls Übereinstimmung zwischen beiden Ländern auf. Nach Auffassung der 16 Expertinnen und Experten, die sich zum didaktischen Aspekt der Lehrerbildung geäußert haben, handelt es sich hier um das Kernproblem des Mathematikunterrichts, da Grund- und Sekundarschullehrerinnen und -lehrer große Defizite in der Mathematikdidaktik aufweisen.

"La formación de los docentes en la facultad de ciencias de la educación en cuanto a didáctica es muy deficiente, ellos enseñan matemática sin tomar en cuenta los aspectos metodológicos necesarios para sus enseñanzas y la formación de los futuros docentes, lo cual trae como consecuencia que se genere una cadena de malos hábitos y mala formación que se repetirá posteriormente en la secundaria" (ME), "pero la formación didáctica y sobre la enseñanza de la matemática en Nicaragua es muy deficiente, la única didáctica que existe está mal orientada, solamente se aprende como formular objetivos conductuales" (MG)

Es reicht nicht, unabhängig voneinander mathematisch und pädagogisch ausgebildet zu werden, innerhalb der universitären Ausbildung muß eine Kombination beider Bereiche stattfinden, was nicht automatisch geschieht, wie die Ergebnisse zeigen. "In den Programmen für Lehrerbildung in Venezuela schlägt sich der Gedanke nieder, daß man einerseits Mathematik und andererseits Pädagogik studieren muß, und daß sich dann schon die Kombination zwischen pädagogischen und mathematischen Aspekten herstellt" (JM).

Lehrende sind Fachleute, die auf Grund der Besonderheiten der Bildung gezwungen sind, Mathematik, Pädagogik und Didaktik zu beherrschen (157) , was sehr viel von ihnen fordert, zumal wenn Fächer wie "Allgemeine Didaktik" und "Mathematikdidaktik" nicht so aufbereitet sind, daß den zukünftigen Lehrern umfassende Kenntnisse vermittelt werden. Die allgemeine und spezielle Didaktikausbildung in Nicaragua und Venezuela ist offensichtlich unzureichend und wird ihren Zielen nicht gerecht, denn die Befragten richteten starke Kritik auf eben diesen Bereich.

"En cuanto a la formación en didáctica de los docentes que se forman en la facultad no es suficiente, ya que es una sola asignatura de didáctica y allí se hacen solamente cosas elementales aunque si es muy bonita" (ML). "Las dos didácticas que se dan no son suficientes para una buena formación en didáctica de la matemática, ellas ayudan tal vez un poco a la preparación de planes de clase" (MA). "Insisto en que la formación didáctica y sobre la enseñanza de la matemática en Venezuela es muy deficiente, la única didáctica que existe está mal orientada, solamente se aprende como formular objetivos conductuales" (MG).

Lange Zeit wurden Mathematiklehrer ausgebildet, ohne Mathematikdidaktik zu thematisieren, in Nicaragua gab es in den letzten fünf Jahren einige Aktivitäten in diesem Bereich im Kontext des Lehreraustauschs mit der Universität Barcelona (158) . "Dadurch haben wir Lehrmethoden kennengelernt und Möglichkeiten, unsere Schüler differenziert zu sehen und ihnen bei ihren größten Schwierigkeiten zur Seite zu stehen, das hat uns geholfen, von Mathematikinstrukteuren zu Fachlehrern zu werden, mit Techniken, die wir bis dahin nicht kannten" (FV). Häufig wird gesagt, daß Lehrmethoden, die unter anderen Bedingungen und Kriterien entwickelt wurden, vor allem in europäischen Ländern und den USA, einfach übernommen werden, ohne die lateinamerikanische Realität zu berücksichtigen. In Venezuela ist die Mathematikdidaktik eine sehr junge Disziplin, erst in letzter Zeit gibt es regelmäßiger Veranstaltungen, die für das gesamte Land von Bedeutung sind. "Bei allen Problemen in der Bildung müssen wir eine eigenständige lateinamerikanische Didaktik entwickeln und nicht darauf warten, was von außen kommt" (WB).

Diese Hinweise müssen ernstgenommen werden, denn in Nicaragua war zum Zeitpunkt dieser Untersuchung unter dem Einfluß der Spanier eine Didaktik in Mode, die auf dem Lernen mittels Sequenzen von allgemeinen Schritten, sogenannten Stationen, beruht (159) , während es in Venezuela die Didaktik von Prozessen ist (160) , die auf eine auf Vergleichen basierende Bildung orientiert, was für die Mathematik schwer nachzuvollziehen ist, denn "sie machen die gleichen konzeptionellen Fehler zu denken, daß in der Mathematik die Dinge verglichen werden können wie in Biologie oder anderen Wissenschaften, aber in der Mathematik werden Funktionen verglichen, und in Biologie Arten, und das sind völlig verschiedene Vergleiche" (JM). Starken Einfluß hat in beiden Ländern auch die Mathematikausbildung auf der Grundlage konstruktivistischer Theorien (161) , diese Tendenz wird aber zunehmend in Frage gestellt, da sie der emanzipatorischen Bildungsauffassung entgegensteht (162) . Komplexe und für andere Realitäten zutreffende didaktische Vorstellungen können nicht einfach übertragen werden, Ausgangspunkt für unsere Mathematikausbildung müssen Erfahrungen, Probleme, Erfolge und Bedingungen der lateinamerikanischen Länder sein. Nachgedacht werden muß über eine emanzipatorische Mathematikdidaktik, die individuelle Unterschiede berücksichtigt und zugleich auf die Interessen und Bedürfnisse der Schüler orientiert ist (163) .

Ausgehend von der Forschung und von der Entwicklung konkreter Projekte in den Einrichtungen der Lehrerbildung muß an einer Mathematikdidaktik gearbeitet werden, die aktuelle Forschungsrichtungen und progressive pädagogische Strömungen einbezieht, um der bisherigen Praxis ein Ende zu bereiten. "Ein wichtiger Aspekt ist, daß Mathematikkurse an der Universität ohne didaktische Einbindung abgehalten werden, z.B. Algebra unter dem Gesichtspunkt der Lösung von Problemen oder von Anwendungen oder Projekten; in einem Kurs können mehrere Tendenzen eine Rolle spielen" (WB) (164) .  

Zum Abschluß ist festzustellen, daß sich in Lateinamerika die Meinung etabliert hat, daß bei Existenz ausreichender mathematischer Kenntnisse automatisch guter Mathematikunterricht möglich wird, während im Gegensatz dazu andere der irrigen Meinung sind, daß bei Kenntnis zahlreicher pädagogischer Theorien guter Unterricht erteilt werden kann. Die Aufmerksamkeit der Schüler für die Mathematik zu gewinnen, zwischen ihnen zu differenzieren, ihr Verhalten und ihre Reaktionen zu kennen, "das kann man durch Mathematikdidaktik, Pädagogik und Psychologie erreichen, und hier müssen wir noch viel forschen" (TG). Eine große Rolle spielt also die Forschung im Bereich der Didaktik auf der Grundlage von emanzipatorischen Bildungsprinzipien (165) .

 

4.3.3 Vernachlässigung von Schulpraktika

These 26:

Die Schulpraktika (166) nehmen in Venezuela und Nicaragua nicht den notwendigen Stellenwert in der Lehrerbildung an den Universitäten ein.

In Abb. 23 zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen Venezuela und Nicaragua in bezug auf die Anzahl der Aussagen, der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Thema der Schulpraktika. Das könnte u.a. auf die jüngsten Diskussionen in der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der UNAN in León über Schulpraktika zurückzuführen sein. Bis 1995 gab es keine Mathematikschulpraktika, aber auf Grund der Anregung durch Bereiche wie Biologie und Sozialwissenschaften begann die Fakultät Erziehungswissenschaften mit der Durchführung von Praktika, die von den Studenten zunächst ablehnend aufgenommen wurden, da sie trotz der Tatsache, daß viele bereits im Bildungssektor arbeiten, Befürchtungen und Zeitmangel als Hindernisse betrachten für die systematische Durchführung der Praktika, die in Nicaragua ein Semester umfassen (167) .

In Venezuela dagegen gibt es seit langem Schulpraktika, die ein Semester dauern und 20 Stunden an einer Bildungseinrichtung unter Anleitung eines erfahrenen Lehrers der jeweiligen Schule und ständiger Betreuung durch einen Universitätsprofessor umfassen, der in der Regel im Bereich Didaktik arbeitet.

Die 9 Teilnehmer, die sich zu diesem Thema äußerten, messen den Schulpraktika große Bedeutung bei, da sie eine Brücke für die Eingliederung der Absolventen in ihr tägliches Arbeitsgebiet darstellen und hier die Gegenüberstellung von theoretischem Wissen mit dem direkten Kontakt zu den Schülern unter Anleitung erfahrener Lehrender stattfindet. "Wenn die Lehrer unerfahren sind oder keine Praktika absolvieren, haben sie größere Schwierigkeiten, sich in die Arbeit einzugliedern und den Schülern ohne methodische Probleme Wissen zu vermitteln" (DG).

Auf Grund der Verschlechterungen in der venezolanischen und nicaraguanischen Bildung gibt es zur Zeit keinen systematischen Prozeß der Lehrerbildung, der in Schulpraktika seinen Abschluß findet. Für die Durchführung solcher Praktika stellen sich eine Reihe von Problemen. Einerseits gibt es eine große Zahl von Lehrenden, die Universität nicht oder nicht bis zum Abschluß besucht haben, was besonders in Nicaragua ausgeprägt ist (vgl. Empirismus in K28). Die Schulen und Stammlehrkräfte sind häufig nicht bereit, Praktikanten aufzunehmen und zu betreuen, da dies organisatorische Schwierigkeiten und Störungen des "normalen" Schulalltags mit sich bringe. Eine weitere Einschränkung "für die Durchführung guter Praktika besteht darin, daß viele unserer Studenten arbeiten und ihnen darum wenig Zeit bleibt für Praktika". In Venezuela werden die Praktikanten in manchen Fällen während dieses Semesters in der Schule und von der Universität allein gelassen und nicht mit der Unterstützung versehen, die eine erfolgreiche Beendigung des Praktikums ermöglichen würde. Die Praktika sollten länger sein und mit einer Abschlußarbeit beendet werden. "Das hat sich auf Grund der Interessen einiger Dozenten geändert, in einigen Bereichen, z.B. Mathematik, beginnt das bereits" (BM). Nach den venezolanischen und nicaraguanischen Bedingungen erscheint das sechsmonatige Referendariat der Universidad Central de Venezuela als geeignet für eine Berufseinführung für die Lehrenden.

 

4.3.4 Ablehnung des Lehrerberufs wegen mangelndem sozialem Prestige

These 27:

Der Lehrerberuf wird mit einer verstärkten Ablehnung betrachtet, da er wenig soziales Prestige hat und daher nicht attraktiv ist.

Ein viertes Merkmal im Kontext der Ausbildung der Mathematiklehrer zeigt das geringe Interesse in der Gesellschaft am Lehrerberuf allgemein und am Beruf des Mathematiklehrers speziell. Die Anzahl der Aussagen ist zwar nicht groß, aber für 42% in Nicaragua und 62% in Venezuela gilt diese Haltung gegenüber dem Beruf des Mathematiklehrers, was meiner Ansicht nach und nach Ansicht der Expertinnen und Experten vor allem auf die geringe soziale Anerkennung und die Unmöglichkeit zurückzuführen ist, wie in anderen traditionellen technischen Berufen einen besseren sozioökonomischen Status zu erreichen (vgl. mit K16), was bei Mathematiklehrern besonders deutlich ist (168) .

"A la mayoría de la gente no le gesta estudiar una carrera tipo social como la docencia, sino que se dedica al estudio de careras técnicas o tradicionales porque ellas son las que les proporcionan un mayor beneficio a mediano o a corto plazo, esto trae como consecuencia que las áreas de tipo social tengan una menor importancia en la sociedad, en el caso de la profesión de docente en matemática se complica por ser una materia más exigente que las demás disciplinas" (FV).

Ein weiteres Phänomen, das diese Kategorie beeinflußt, ist wegen der Massenbildung (vgl. Abschnitt 4.1) die Anstellung von Lehrern (vgl. K28) an Grund- und Sekundarschulen, die zum Teil ihr Studium noch nicht einmal begonnen haben bzw. gleichzeitig studieren und arbeiten. Das führt häufig dazu, daß sie das Studium aufgeben und dennoch weiter als Lehrende arbeiten, und "wegen des Mangels an Mathematiklehrern Leute Mathematikunterricht geben, die nicht das, sondern Chemie, Biologie, Physik oder ähnliches studiert haben" (IG). Es besteht das Risiko, daß die mathematische Bildung sich in den Händen von Menschen befindet, die bei allem guten Willen über Grundinformationen in Pädagogik und Didaktik nicht verfügen (vgl. K24 und K25). Ebenso wie in Venezuela "geben in Nicaragua wegen des Mangels an Sekundarschullehrern viele Leute Mathematikunterricht, die fachlich und didaktisch nicht ausreichend ausgebildet sind" (BM).

Ein dritter für beide Länder zutreffender Faktor ist die mangelnde Auswahl der Abiturienten, so daß offene Studienplätze für Lehrende und speziell Mathematik häufig von Menschen besetzt werden, die eigentlich Ingenieure oder Mediziner werden wollen. Bei ihnen steht die mathematische Ausbildung und vor allem das Interesse an dem Fach nicht an erster Stelle, vielmehr hoffen sie auf eine Gelegenheit zum Wechsel oder beenden das Studium frustriert. Außerdem stammen diejenigen, die Mathematiklehrer werden, meist aus einfachen Kreisen und haben einen schlechteren Notendurchschnitt als Studenten traditioneller Richtungen wie Medizin, Ingenieurwesen, Jura, Computertechnik, Architektur, Zahnmedizin usw.

"Los estudiantes que ingresan a las escuelas de educación en Venezuela son quienes han tenido los mas bajos requisitos exigidos por el CNU. La docencia sí se ha convertido cada vez mas en una carrera marginal y se ha tenido que bajar los niveles de exigencia. Se necesitan profesores y la docencia no ha sido una carrera atractiva" (SR). "La facultad de ciencias de la educación ha servido de trampolín porque muchos alumnos no logran clasificar en el primer intento entonces ellos buscan la manera de ingresar a ella para tener un cupo asegurado en la universidad y así pasar a otra carrera universitaria, con la intención de ganar dinero solamente aunque los sueldos son miserables. Existe poco reconocimiento de la profesión docente y tampoco se lucha por un bienestar social" (PP).

 

4.3.5 Mangelnde Betreuung der Lehrenden in der Primarstufe seitens staatlicher Stellen These 28:

Die Betreuung der Mathematiklehrer in der Grundschule durch Staat und pädagogische Einrichtungen ist unzureichend, obwohl diese Lehrenden große Verantwortung im Hinblick auf den ersten Kontakt der Kinder zur Mathematik tragen (s. K8).

Die Aussagen der Expertinnen und Experten beziehen sich auf Bedeutung, Defizite und Schwierigkeiten der Mathematiklehrenden an öffentlichen und privaten Schulen. Mit Sorge wird beobachtet, daß gute Grundschullehrende wegen der schlechten Bezahlung durch das Bildungsministerium bzw. die private Einrichtung die Schulen verlassen. Diejenigen, die bleiben, sind häufig wenig motiviert und stimuliert, sich angemessen vorzubereiten, ihre mathematischen und didaktischen Kenntnisse zu erweitern und einen attraktiven Unterricht zu gestalten. Sie werden zu einem gewichtigen Faktor, da sie durch ihre zum Teil autoritäre und pädagogisch unzureichende Art des Unterrichtens bei den Schülern Ablehnung gegen die Mathematik und gegen sich erzeugen. Diese Erscheinung steht natürlich nicht allein und ist mit anderen Variablen verknüpft, aber dennoch muß bei den Grundschullehrenden eine Veränderung eingeleitet werden. Die Auswirkungen der fehlenden Betreuung sind laut Aussage der Expertinnen und Experten folgende:

"Los maestros no están bien capacitados y hacen un gran esfuerzo, pero las circunstancias adversas y el ambiente en general no es el más apropiado para un buen desarrollo del proceso de enseñanza y aprendizaje de la matemática, existiendo poca ayuda para una posterior formación" (AF).

 

4.3.6 Die Lehrpläne als Zwangsjacke

These 29:

Der Mathematikunterricht in Nicaragua und Venezuela ist den Lehrplänen unterworfen, die vom Bildungsministerium für die Grund und Sekundarstufe bzw. von den Universitäten für die Lehrerbildung erarbeitet werden. Die Lehrkräfte sind an die Orientierungen in diesen Programmen gebunden, was negative Auswirkungen auf den Lern und Lehrprozeß hat, da sie zur Zwangsjacke werden, die auf Grund der explizit oder implizit geforderten Einhaltung der pädagogischen, didaktischen und inhaltlichen Richtlinien wenig Entscheidungs und Aktionsspielraum läßt.

Die Lehrpläne für Grund- und Sekundarschule sind für alle Teilnehmer aus Nicaragua und Venezuela Anlaß zu großer Sorge (s. Abb. 23). Die sechste Kategorie (Dimension 3) hatte in beiden Ländern in bezug auf das Gewicht der Aussagen zur pädagogischen und mathematischen Ausbildung eine ähnliche Gewichtung. Die Lehrpläne müssen gründlich analysiert werden, um curriculare Veränderung im Sinne einer globalen und dialektischen Konzeption vorzunehmen, die die Gesamtheit der interagierenden Variablen in Rechnung stellt. Die Programmänderungen müssen kontinuierlich vorgenommen werden, da die Gesellschaften nicht statisch sind, sondern sich auch kontinuierlich verändern. Wenn die Programme der Wirklichkeit des Landes entsprechen sollen, müssen sie dieser Wirklichkeit ständig neu angepaßt werden, und die Wirklichkeit muß durch die Bildung ebenfalls verändert werden (170) . Zwischen der gesellschaftlichen und politischen Realität unserer Länder und dem aktuellen Mathematik-Curriculum gibt es meiner Ansicht nach wenig Kohärenz (171) . Viele dieser Lehrpläne sind ausländischen Einflüssen (172) oder Änderungsvorschlägen der jeweiligen Regierung unterworfen, ohne daß zunächst die Elemente untersucht wurden, die für die Erarbeitung von guten Mathematiklehrplänen von Bedeutung sind. Im folgenden werden die wichtigsten Aspekte aus der Analyse der 25 Befragungen zu dieser Kategorie aufgeführt.

 

4.3.6.1 Lehrpläne auf der Grundlage des traditionellen linearen Schemas des Mathematikunterrichts

Die gültigen Lehrpläne in Venezuela und Nicaragua basieren auf einem linearen Bildungsschema (s. K30), das durch einen Vektor von 6 Komponenten konstituiert wird: allgemeine Ziele, spezifische Ziele, Inhalte, methodische Strategien und Evaluierung (173) . Im Ergebnis dieser festgelegten und unbeweglichen Linearität "sind die Lehrpläne zur Zwangsjacke für Lehrer und Schüler geworden" (MM), so daß sie auf die Freiheit verzichten müssen, die für den Mathematikunterricht charakteristisch sein sollte. Diese Einschränkung äußert sich darin, daß einige Themen obligatorisch für alle Schüler sind und die Lehrenden und Schüler keine Entscheidungsmöglichkeiten gemäß ihrer Interessen haben (174) .

"Lamentablemente uno no puede desarrollar libremente este tipo de enseñanza matemática porque en los programas hay temas como racionalización que son obligatorios, son convenientes para el sistema y no lo perjudican" (AB). "La enseñanza de la matemática basada en estos programas cerrados está orientada de tal manera que se piensa que todos los alumnos que entran al primer grado deberían continuar en la universidad y los programas están diseñados en esa dirección, mientras que la realidad es otra y esto es grave en la secundaria" (MC).

 

4.3.6.2 Lernzielorientierung des Mathematikunterrichts als pädagogisches Kriterium

Das pädagogische Kriterium, das dem beschriebenen Schema zugrundeliegt, ist die Lernzielorientierung der Bildung, die seit einiger Zeit in vielen Ländern Lateinamerikas fixiert ist (175) . Die ursprüngliche Intention der lernzielorientierten Bildung bestand darin, eine gewisse Uniformität und Abfolge der zu behandelnden Themen zu erreichen, um die Zersplitterung der Inhalte zu verringern und altersgerechten Unterricht zu ermöglichen. Dieser Gedanke, der angemessen und logisch war und in der Erarbeitung von Mathematikcurricula noch präsent ist, hat jedoch zu einem Exzeß der Lernzielorientierung geführt, in dessen Folge Listen von spezifischen Kenntnissen das mathematische Wissen in Kisten verpacken, die untereinander keinerlei Verbindung haben. Flexibilität und Kreativität der Lehrenden und auch der Schüler werden behindert, weil die Lehrenden den Zielsetzungen unterworfen sind und eine ebenso gefährliche wie schädliche Abhängigkeit und Gewohnheit entsteht, da mit einem schwarzen Kasten gearbeitet werden muß, aus dem die Objekte, genannt mathematische Inhalte, auftauchen, ohne Verbindung untereinander und ohne Bedeutung.

"Los programas están constituidos por conocimientos parcializados, no hay relación entre los contenidos, es suficiente con definir los contenidos, no se enseña a usar lo aprendido, se insiste en la memorización, quien rinde en matemática es aquél que repite de memoria lo que le dictó la maestra, no hay conceptos instalados, se dan muchas recetas, se enfatiza en la evaluación y no se entienden lo estudiado. Los objetivos específicos conlleva a dos cosas, por un lado los alumnos aprenden los conceptos parcialmente y por el otro se genera una competencia entre los docentes para lograr cumplir con el programa completo, de lo contrario habrá problemas con el Ministerio de Educación" (MF).

Die Lehrpläne basieren auf einem Zuordnungsprinzip, das der Korrespondenz von Zielen und Inhalten nicht gerecht wird und die Taxonomie von Bloom übertreibt (176) . Lernziele sollten eine breitgefächerte Orientierung im Mathematikunterricht ermöglichen, um Kreativität zu fördern und nicht zu hemmen, wie es bisher geschieht. Zentraler Punkt des Mathematikunterrichts sollte nicht die Korrespondenz von Zielen und Inhalten sein. "Die Lehrer werden durch die Lernzielorientierung eingeschränkt, und die Schüler sehen die Inhalte als separate Kästchen ohne Verbindung untereinander, das ist das, was du linear-horizontales Curriculum nennst; die Ziele sollen nicht völlig ausgeblendet werden, aber es hat da viel Dogmatismus gegeben" (WB).

In beiden Ländern ist nach Aussage der Expertinnen und Experten die Idee aufgetaucht, daß die Ziele in den Mathematik-Lehrplänen eine Säule bilden sollten, gefolgt von den Inhalten in einer zweiten Säule. Diese Struktur ist rigide und abstrakt und blockiert Entwicklungsmöglichkeiten für andere Tendenzen der Gestaltung des Lern- und Lehrprozesses. Die Zentrierung der Bildung auf spezifische Lernziele gibt weder Raum noch Freiheit, damit Lehrende und Lernende sich auf einen Prozeß konzentrieren, in dem Bildung partizipativer und aktiver als heute stattfindet.

"Este esquema por objetivos sigue vigente en todos los niveles de nuestro sistema educativo, el mismo está centrado en los objetivos y muy poco en el proceso de enseñanza y aprendizaje de la matemática" (AF). "Este esquema para la enseña de la matemática profundiza la memorización y la parcelación del aprendizaje convirtiendo al estudiante en un individuo que hace muy poco esfuerzo para el aprendizaje de los conocimientos matemáticos" (BM).

 

4.3.6.3 In den Lehrplänen gibt es keine konzeptionelle Einheit der mathematischen Inhalte

Das dritte Element bezieht sich auf die fehlende konzeptionelle Einheit der mathematischen Inhalte. Die Schülerinnen und Schüler behandeln z.B. Gleichungen ersten Grades, Gleichungen zweiten Grades und Nullstellen nicht nur in verschiedenen Schuljahren, sondern auch, als gäbe es keinen Zusammenhang dazwischen. Kein roter Faden verbindet die Themen, so daß sie den Lernenden als verschiedene Bereiche erscheinen, da sie nach Lehrplan in unterschiedlichen Kontexten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten präsentiert werden. Häufig werden Lehrende kritisiert, wenn ein bestimmter Inhalt nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt behandelt wird, es gibt sogar Kontrollen durch die Eltern, die Schüler und die zuständigen Abteilungen des Bildungsministeriums zur Abfolge der behandelten Themen. Eine Kontrolle der Lernerfolge der Schüler, der Familien, der Gesellschaft und des Landes ist das aber nicht. Entsprechend der Termin- und Zeitvorgaben müssen die Lehrenden z.B. zuerst das Konzept Summe behandeln, um dann Multiplikation unterrichten zu können oder Potenzierung als Schritt zu binomischen Formeln usw., aber wenn die Themen nicht miteinander verknüpft werden, beginnen hier auch die didaktischen Probleme (s. K25). "Zu den Schwächen der Lehrpläne gehört die Unordnung, in der Inhalte und Ziele strukturiert sind, das sieht man z.B. beim Thema Polynome, das als eindimensionaler Tunnel erscheint, in dem man sich nicht frei bewegen kann" (IG).

 

4.3.6.4 Veraltete Kriterien des Bildungsministeriums für die Einschätzung von Leistung und Effizienz des Mathematikunterrichts

Problematisch sind die Kriterien des Bildungsministeriums für die Messung von Leistung und Effizienz des Unterrichts. Von Interesse ist ausschließlich die Quantität der vermittelten Inhalte und nicht die Qualität der Bildung. Daher sorgen sich viele Lehrende vor allem um das Abarbeiten großer Mengen von Zielen, die meist diktiert werden, ohne daß die Lernenden die Chance bekommen, sie zu durchdenken und zu verstehen. Auf die Lehrenden wird implizit Druck ausgeübt, da Lernende und andere Lehrende die Frage stellen könnten, warum bestimmte Inhalte in vorangegangenen Klassen nicht behandelt wurden, obwohl sie doch im Lehrplan stehen.

"Con el programa de 7º grado uno se limita a trabajar solamente lo que ellos van a necesitar para operar con las fracciones, porque el programa es muy largo, hay que explicar racionales y geometría, estadística descriptiva e informática. La asignatura del 9º grado tiene solamente 3 horas semanales con 56 objetivos, cuando uno llega a la ecuación de segundo grado el alumno ha visto muchas cosas juntas que no ha madurado o asimilado bien, hay que ordenar los objetivos y quitar aquellos que no sirven. Están llenos de cosas sin importancia que le quitan a uno mucho tiempo y no son muy útiles, tiempo que se debería dedicar a para la elaboración de proyectos y actividades con materiales concretos y sobre todo para la resolución de problemas" (AB).

Die Lehrpläne sind in Venezuela und Nicaragua obligatorisch. Obwohl die Lehrenden die Freiheit bei der Umsetzung der Lehrpläne haben, sind die Expertinnen und Experten der Ansicht, daß sich sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrende durch die vom Bildungsministerium vorgelegten Lehrpläne eingeschränkt und unter Druck gesetzt fühlen. Lernende und Lehrende werden vom Bildungsministierum in gewisser Weise genötigt, da sie den Richtlinien des Ministeriums folgen müssen, ohne Möglichkeiten der Konsultation zu haben. Der Lehrplan ist das Regelwerk und beinhaltet, was zu unterrichten ist. Der Lehrer und die Lehrerin können auf dieser Grundlage viel tun. "Mit Glück findet man Lehrer, die den Lehrplan als Richtschnur für ihre Bildungsaktivitäten interpretieren und nicht als Bibel, die wortgetreu wiederholt werden muß" (ID).

"Los programas son impuestos ya diseñados sin que exista la posibilidad de hacer modificaciones profundas; por el contrario, los docentes se cansan de oír las implementaciones interminables" (NN). "El ME nos entrega unos programas y nos exige cumplirlos, aparte de que nos pone el tiempo en que deberíamos cumplirlos independientemente del alumno que uno reciba" (MM). "La formación y las directrices que aparecen en los programas para impartir los conocimientos son impuestas y hasta ofensivas, es una elaboración del ME quienes no saben lo que significa investigar, elaborar ideas y construir metodologías razonables" (IG). "Los programas están distribuidos de tal manera que el docente no puede hacer las dosificaciones y los cambios de contenidos apropiados, sino que él tiene que seguir la secuencia establecida por el ME en ellos" (PP).

 

4.3.6.5 Häufige Reformen der Lehrpläne

Die Mathematiklehrpläne sind auf Grund sich ändernder Meinungen der jeweiligen Regierung häufig Modifizierungen unterworfen, wobei keine Untersuchungen vorgenommen werden, um wissenschaftlich und systematisch die Notwendigkeit von Anpassungen in Teilaspekten oder völligen Änderungen zu begründen. Die Lehrer verlieren dann den Anschluß an das bereits Behandelte und können die Eigenarten und die Umsetzung der Änderungen nicht erproben. Diese Variable wurde im venezolanischen wie nicaraguanischen Bildungsbereich am stärksten diskutiert, wie die Beiträge zweier Teilnehmer belegen.:

"En Nicaragua se cambian los programas constantemente sin hacer una revisión profunda, se reducen a mover contenidos y a ajustarlos a los libros que están en el mercado, los cuales escasamente pueden comprar los alumnos y los profesores, esto trae como consecuencia que los docentes no tengan tiempo para prepararse mejor" (ML). "Los cambios de los programas en Venezuela no han sido profundos, sino que se han hecho solamente reformas superficiales. Los cambios que se han hecho en los programas se reducen simplemente a una declaración de principios, los contenidos siguen siendo los mismos y sin la innovación de otro enfoque" (JM).

Außerdem kennen an einigen Schulen die Lehrenden die Lehrpläne und das umfangreiche Lehrerhandbuch gar nicht, weil sie nicht verteilt wurden. Bei Lehrplanänderungen sollten die Lehrenden Einführungsmaterialien an ihren Schulen erhalten, ihre Meinung sollte erfragt und Hilfestellung bei der Durchführung ihrer Arbeit gegeben werden.

"Hay que replantear los programas bajo otra filosofía, de acuerdo a los cambios pedagógicos emancipadores que se producen actualmente" (WB). "No existe la preparación suficiente del docente de primaria y de secundaria para dosificar los contenidos del programa, en muchos casos se dan cosas juntas, en otros no se cumple el programa y a veces no queda tiempo para dar todos los contenidos, quedando lagunas en los alumnos" (PP).

 

4.3.6.6 Die Lehrpläne für Grund- und Sekundarstufe ermöglichen keine sozialen Veränderungen oder gemeinsame Arbeit in Mathematik und anderen Fächern

"Según los objetivos que tenemos en los programas no existe el desarrollo de una enseñanza matemática que permita el cambio social" (MG). "Los programas nuestros no permiten matematizar la realidad, ya que ellos están profundamente cerrados" (JM). "El problema es que los programas están sumamente llenos de conocimientos que los alumnos no usarán nunca, jamás serán aplicados, y carecen de un sentido crítico" (AB).

"Los programas de 9 grado de física se combinan muy bien, hasta el punto de que uno puede trabajar en conjunto, pero antes hay que hacer una investigación y ver si realmente funciona" (IG). "En la técnica donde yo trabajo teníamos un programa de matemática adecuado a los talleres, los alumnos no veían por ejemplo logaritmos y creo que así debería ser, tener los propios programas de acuerdo a las necesidades de cada región, plantel u curriculum" (AB) .

 

4.3.6.7 Die Erarbeitung von Lehrplänen sollte nicht jenen überlassen bleiben, die keine didaktischen und mathematischen Kenntnisse haben

Eine Empfehlung der Expertinnen und Experten lautet, daß die Erarbeitung der Mathematik-Lehrpläne nicht allein den Curriculum-Spezialisten überlassen bleiben sollte, die häufig auf das Fach selbst nicht spezialisiert sind und daher auf der Grundlage mehr oder weniger theoretischer Konzepte eine Reihe von Normen zur Objektivierung der Ausbildung etabliert haben. "Im Mathematikunterricht muß in erster Linie Mathematik gelehrt werden, aber das wird in Venezuela nicht getan, viele Leute haben ihre Hände in den Lehrplänen, die weder Kenntnisse noch Erfahrungen als Mathematiklehrer haben" (MM).

Es geht um eine "tiefgreifende Transformation der Curricula, nicht um mehr Lehrpläne vom Schreibtisch, sondern von der Praxis ausgehend, d.h. von den Erlebnissen der Schüler" (MC). Untersuchungen in der Praxis gibt es nicht, vielmehr werden Personen konsultiert, die vor allem mit der Erarbeitung von Lehrplänen zu tun haben. Daraus entstehen dann Enzyklopädien von Vorschriften für die Lehrenden, die davon ausgehen, daß diese schlecht ausgebildet und unfähig sind, ihre eigenen Vorstellungen für die Bildung umzusetzen. Die nationalen und regionalen Lehrpläne sollten aber nicht bindend sein, sondern die auch dafür ausgebildeten Lehrenden selbst müssen ihre eigenen Lehrpläne entsprechend ihrer Bildungsauffassung entwerfen. "Die Lehrpläne sollten nur ein paar Seiten umfassen und vor allem methodische Hinweise geben, wobei denen, die in der Bildungsrealität stehen, freie Hand gelassen werden sollte" (EC).

Forschungen zur Erarbeitung von Lehrplänen auf der Grundlage der Wirklichkeit, die Lehrende und Lernende erleben, gibt es ebenfalls nicht. Die Lehrpläne werden am Schreibtisch erarbeitet und berücksichtigen die Interessen der Bevölkerung, vor allem der Lernenden, nicht. Ein Curriculum sollte aber mehr sein als seine Inhalte, vor allem allgemeine und spezifische Zielsetzungen des Bildungssystems (179) . Daher sollten Lehrpläne unter Berücksichtigung der Lernenden und der Regionen des Landes entwickelt werden, und das ist nur möglich, wenn die Betroffenen auch beteiligt werden.

"Para mí el programa de bachillerato lo hizo alguien quien jamas en su vida ha dado clase, sobre todo en el nivel de 4º y 5º año no tiene ni pies ni cabeza. En los primeros grados de primaria tienen errores de diseño. Desde hace bastante tiempo nos vienen hablando de que el programa actual es de transición y que vendrá otro, pero no se investiga sobre las fallas que caracterizan al programa con la finalidad de innovar nuevas líneas para mejores planes de estudio" (FG).

In den Mathematikabteilungen der Schulen finden kaum Diskussionen statt, es gibt keine Didaktik-Kurse zur Umsetzung der Lehrpläne für die Lehrenden. "Sie sind weder gut strukturiert noch sinnvoll ausgearbeitet, wie die Vertreter des Bildungsministeriums behaupten. Ich denke, es gibt zuviel Informationen und zuwenig Zeit, sie zu vermitteln" (AF). Das Schlimmste ist, daß in der Grundschule eine konjunktivistische Mathematik unterrichtet wird, die in anderen Ländern seit langem überwunden ist.

"Temas de segundo año por ejemplo fueron ampliamente afectados por la teoría de conjuntos y esto generó grandes problemas a los muchachos. Esto se mantiene aún en nuestros programas. La expresión adecuada aquí de este problema es que los programas como que van discontinuados, cada año se enseñanza algo que en muchos casos no tiene nada que ver con lo anterior y que están basados en una concepción muy formal de la matemática" (ME).

 

4.3.6.8 Geringes Interesse des Bildungsministeriums an Transformationen der Lehrpläne

Leider gibt es im Bildungsministerium kein Interesse an der Revision und Transformation der Mathematik-Lehrpläne für Grund- und Sekundarschule. Lediglich oberflächliche Veränderungen ohne vorhergehende Bewertung werden vorgenommen. Das Hauptproblem sehen die Diskussionsteilnehmer in der Tatsache, daß in jedem Schuljahr einige Inhalte unbehandelt bleiben, da sie zu umfangreich sind und die Zeit nicht reicht. Hinzu kommt, daß andererseits Informationen vermittelt werden, die die Schüler auf lange Sicht nicht brauchen. Miguel Caldera stellt in diesem Zusammenhang folgende Frage: "Warum vermitteln wir ihnen nicht, was ihnen in Gegenwart und Zukunft nützlich sein kann?" (MC). Die Schlußfolgerung, die wir aus dieser Diskussion ziehen können, besteht darin, daß es offensichtlich dringend erforderlich ist, aus den Lehrplänen alle jene Themen herauszunehmen, die weder der Klassenstufe, in der sie unterrichtet werden, noch den Interessen der Lernenden und der Gesellschaft insgesamt entsprechen. Solche konkreten Veränderungen sind in der Schule, auf der Grundlage der Aktionsforschung und unter Beteiligung der Lernenden an den Planungen, durchaus möglich (180) .

"Hay que empezar por cambios en nuestros programas y cambios pequeños como educadores y sobre todo como investigadores activos de nuestra enseñanza" (IG). "La misma escuela con sus necesidades y problemáticas podría de alguna forma buscar el camino adecuado para una mejor enseñanza. Es necesario definir un programa en función de las necesidades de la escuela de tal manera que se convierta en una salida para el cambio de acuerdo a las necesidades de la comunidad y no estar sujetos a la rigidez de los programas" (ID) "A partir de los errores que podamos encontrar en los programas podríamos generar una transformación curricular importante" (PP) "Los programas tanto para la formación de docentes en nuestra facultad como los de matemática en otras carreras necesitan urgentemente una revisión y un cambio profundo, ajustándolos a los cambios en cuanto a didácticas, pedagogía y cambios de la misma matemática."(TG)

 

4.4 Zusammenfassung

Auf der Grundlage der vorangegangenen Analyse der diskutierten Themen im Hinblick auf die aktuelle Situation des Mathematikunterrichts in Nicaragua und Venezuela sowie die in Abb. 24 dargestellten Ergebnisse werden in Form einer Zusammenfassung die 29 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Ländern kommentiert. Berücksichtigt werden dabei das Gewicht der Aussagen und der Anzahl der Teilnehmer, die sich zur jeweiligen Kategorie geäußert haben. Die Schlußfolgerungen beziehen sich auf beide Länder und folgen der Analyse aller in Abb. 24 dargestellten übereinstimmenden und sich unterscheidenden Kategorien. In Klammern wird mit der ersten Zahl die Einordnung der Aussagen in Nicaragua, mit der zweiten in Venezuela angegeben.

 

 

(Abbildungsverzeichnis)

 

4.4.1 Der Mathematikunterricht ist zu einem schwerwiegenden Problem für Lernende aller drei Stufen des Bildungssystems sowie für die Gesellschaft geworden. Das Gewicht der Aussagen ist in beiden Ländern hoch, 75% in Nicaragua, 92% in Venezuela (12. und 14.).

4.4.2 Die Lernenden haben Probleme von den ersten Schuljahren an unter dem Mathematikunterricht. Es gibt Übereinstimmung im Hinblick auf das Gewicht der Aussagen, bei 83% in Nicaragua und 92% in Venezuela (14. und 12.).

4.4.3 Bei den Lernenden und bei denen, die mit Mathematik zu tun hatten, gibt es eine gewisse Ablehnung gegenüber der Mathematik. Diese Meinung wurde in Nicaragua mit stärkerem Gewicht, 75%, als in Venezuela mit 69% vertreten (9. und 22.).

4.4.4 Ausschließlich in Nicaragua vertraten 58% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Auffassung, daß die Lernenden vor jeglichem Kontakt mit der Mathematik bereits eine ablehnende Haltung gegen sie entwickeln. Diese Meinung nimmt Platz 18 unter allen behandelten Themen ein.

4.4.5 Die Lernenden müssen Prüfungen im Fach Mathematik sehr häufig wiederholen. Diese Meinung hatte in Venezuela mit 100% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein deutlich größeres Gewicht als in Nicaragua mit 50% (23. und 8.).

4.4.6 Die Mehrheit der Mathematiklehrenden nehmen ihren Lernenden gegenüber eine überhebliche Haltung ein, die sich negativ auf deren Interesse an der Mathematik auswirkt. In Nicaragua maßen 75% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Kategorie große Bedeutung bei, während in Venezuela trotz der 92,3%, die sich dazu äußerten, das Gewicht der Aussagen unter der Hälfte des nicaraguanischen lag (5. und 15.).

4.4.7 Die Leistungen der Lernenden im Fach Mathematik korrespondieren nicht mit den Erwartungen der Lehrenden. Diese Meinung wurde in Nicaragua mit 92% Beteiligung stärker vertreten als in Venezuela bei einer Beteiligung von 54% (7. und 21.).

4.4.8 Die Probleme im Mathematikunterricht verstärken sich von der 4. bis zur 9. Klasse kontinuierlich. Im Hinblick auf die Aussagen wird diese Meinung in Nicaragua und Venezuela gleich stark vertreten, bei 58 bzw. 92% Beteiligung (11. und 11.).

4.4.9 Die Mathematik wird bei Lernenden und Bevölkerung nicht ausreichend kultiviert, im Ergebnis der Gesamtheit aller Faktoren, die den Mathematikunterricht beeinflussen, ist sie wenig beliebt. Diese Meinung wird, wenn auch mit geringer Stärke, in beiden Ländern ähnlich vertreten, in Nicaragua mit 41 und in Venezuela mit 46% (22. und 21).

4.4.10 Die Schwierigkeiten der Kinder und Jugendlichen mit der Mathematik gehen auch auf die geringe Unterstützung durch die Familie zurück. Diese Schlußfolgerung hatte in Venezuela bei 23% Beteiligung ein geringes Gewicht, verglichen mit Nicaragua mit 50% (19. und 27).

4.4.11 Die Medien beeinflussen den Mathematikunterricht indirekt, allerdings nur geringfügig, wie das Gewicht der Aussagen und die Beteiligung von 17% bzw. 31% in Nicaragua und Venezuela belegen (21. und 25.).

4.4.12 In Venezuela ist die soziale Konfliktsituation ein Faktor, der nach Ansicht von 92% der Expertinnen und Experten mit einem relativ großen Gewicht der Aussagen Einfluß auf den Mathematikunterricht ausübt. Diese Kategorie nimmt Rang 18 ein.

4.4.13 Der Sprachgebrauch in Lehrbüchern und bei den Lehrenden vor allem in der Grundschule wird in Venezuela von 54% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer als wichtiges Element des Mathematikunterrichts betrachtet. Diese Kategorie steht an Position 25.

4.4.14 Das Thema der Motivation wurde in Nicaragua nicht behandelt, in Venezuela äußerten sich dazu nur 38,5% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es ist zu vermerken, daß die Motivation als didaktische Strategie zur Erlangung von Aufmerksamkeit und Interesse bei den Lernenden für die teilnehmenden Expertinnen und Experten keine große Bedeutung mehr hat. Sie belegt Rang 24.

4.4.15 Der Mathematikunterricht als sozialer Mythos im Hinblick auf seine Kompliziertheit wurde in Venezuela von 31% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei geringem Gewicht der Aussagen benannt. Er nimmt Rang 26 unter allen Kategorien ein.

4.4.16 Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer vertreten die Auffassung, daß die schlechte sozioökonomische Situation der Lehrenden bestimmenden Einfluß auf die Probleme des Mathematikunterrichts ausübt (1. und 3.).

4.4.17 Die sozioökonomische Lage der Lernenden stellt für 92% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Nicaragua und für 100% der Befragten in Venezuela einen erstrangigen Faktor für den Mathematikunterricht dar. Die nicaraguanischen Expertinnen und Experten gaben diesem Aspekt in ihren Aussagen ein sehr viel größeres Gewicht als die venezolanischen, was die sozioökonomischen Unterschiede zwischen beiden Ländern widerspiegelt (3. und 7.).

4.4.18 Das Fehlen geeigneter Lehrbücher ist aus didaktischer Sicht ein grundlegender Faktor für die Probleme des Mathematikunterrichts in beiden Ländern, in Venezuela für 92%, in Nicaragua für 58% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (8. und 4.).

4.4.19 In beiden Ländern sind Lehrmittel für den Mathematikunterricht knapp, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verweisen jedoch auch darauf, daß mit geringen Mitteln und unter aktiver Einbeziehung der Lernenden viele Materialien für den Unterricht selbst hergestellt werden können. Diese Auffassung wurde in Nicaragua von 91,66%, in Venezuela von 84,61% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterstützt (6. und 9.).

4.4.20 Die Zahl der Lernenden pro Klasse ist sehr hoch, was die Entwicklung eines auf die Lernenden und nicht auf die Lehrkraft zentrierten Lehr- und Lernprozesses verhindert. Diese Meinung äußerten 75% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Nicaragua und 69% in Venezuela (13. und 16.).

4.4.21 In beiden Ländern ist ein Prozeß der Privatisierung der Bildung im Gange, der den Mathematikunterricht für weniger Wohlhabende beeinträchtigt, wobei auch in den Privatschulen weiterhin ähnliche Probleme mit dem Mathematikunterricht auftreten. Diese Meinung hatte in Nicaragua bei 50% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein größeres Gewicht als in Venezuela mit 54% (10. und 19.).

4.4.22 Für 77% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Venezuela hat auch die Zahl der Wochenstunden Einfluß auf den Lern- und Lehrprozeß, da dies viele Lernende, viel Arbeit und in der Konsequenz wenig Aufmerksamkeit für eine humanere und partizipative Bildungsarbeit impliziert (20.).

4.4.23 Ein bedeutender Faktor für Venezuela, der indirekt den Mathematikunterricht beeinflußt, ist das bürokratische Element des Bildungsministeriums im Hinblick auf die nach dem Bildungsgesetz erforderliche Supervision der Bildungsarbeit an den Schulen. 69% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer analysierten dieses Thema, das sich nach der Bedeutung der Aussagen auf Rang fünf einordnet.

4.4.24 100% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus beiden Ländern beschäftigten sich mit der mathematischen Ausbildung der Lehrenden und kamen zu dem Schluß, daß ihr in den Fakultäten für Lehrerbildung größere Bedeutung beigemessen werden muß. Im Kontext dieser Kategorie wurde auch bemerkt, daß es nicht erforderlich ist, die Quantität der Pädagogikseminare zu erhöhen, wohl aber die Qualität (4. und 2.).

4.4.25 Der Mehrheit der in der Praxis stehenden Lehrenden mangelt es infolge der unzureichenden Ausbildung an den erziehungswissenschaftlichen Fakultäten an didaktischen Kenntnissen. Diese Variable wurde in Nicaragua von 58%, in Venezuela, wo das Gewicht der Aussagen dazu größer war, von 69% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer analysiert (17. und 6.).

4.4.26 In Nicaragua stellen die Schulpraktika für 50% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein gravierendes Problem dar, das den Mathematikunterricht beeinträchtigt, während das in Venezuela nur für 23% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und mit einem geringeren Gewicht der Aussagen eine Rolle spielte (16. und 28.).

4.4.27 Der Beruf des Mathematiklehrenden verliert immer mehr an gesellschaftlichem Ansehen. Diese Meinung äußerten in Nicaragua 42% und in Venezuela 62% der Teilnehmer (20. und 13.).

4.4.28 In beiden Ländern wird den Grundschullehrenden zuwenig Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl diese eine große Verantwortung bei der Einführung der Kinder in die Mathematik tragen. Diese Meinung vertraten 75% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Nicaragua und 62% in Venezuela (15. und 10.).

4.4.29 Die Gesamtheit der Merkmale der Lehrpläne für die Grund- und Sekundarstufe bildet in beiden Ländern einen Hauptgrund für die Probleme des Mathematikunterrichts. Dies meinten 100% der Teilnehmer (2. und 1.).

Abschließend kann auf der Grundlage der Ergebnisse in Abb. 25 und Abb. 26 gefolgert werden, daß die Oberkategorie 1 (A1) oder Dimension 1 (K1-K15) für Venezuela 27% des Gewichts der Aussagen auf sich vereint, in Nicaragua 31%. Zur Frage A2 (D2) oder Oberkategorie 2 (K16-K23) in bezug auf die finanziellen Aspekte sind es in Nicaragua 39% und in Venezuela 32%. Die Frage A3 (D3), Oberkategorie 3, (K24-K29) zu den Mathematiklehrenden und Lehrplänen für die Grund- und Sekundarstufe erreichte in Venezuela 41% und in Nicaragua 30%. In den gleichen Abbildungen ist auch die Verteilung der Meinungen nach den 25 Teilnehmern dargestellt, wobei es in Nicaragua drei und in Venezuela zwei besonders aktive gab. Generell wurde zu den drei Fragenkomplexen eine ausreichende Homogenität der analytischen Äußerung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Befragung erreicht.

 

(Abbildungsverzeichnis)

 

 

(Abbildungsverzeichnis)

 

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Endnote:

(149) Vgl. Caldera (1994); Flores (1994); Guido (1994); González (1993); Medina (1992); Salcedo (1992); Santaló (1992) und Planchart (1990).

(150) Vgl. Studienplan Mathematik der FCCEE und Preparatoria (1995).

(151) Das Modell beinhaltet im Fachbereich Mathematik 5 Semester Reine Mathematik und im Fachbereich Erziehungswissenschaften 5 Semester mit 9 obligatorischen Seminaren. Die Seminare der beiden Fachbereiche können parallel oder nacheinander besucht werden. Dazu kommen zwei Seminare in Mathematikdidaktik. Den Abschluß bildet eine Examensarbeit, die im allgemeinen von beiden Fakultäten betreut wird. Danach folgt ein Lehrpraktikum von einem halben Jahr. Dieses Modell der Mathematiklehrerausbildung scheint ausgereift zu sein.

(152) Vgl. Heymann (1996), der mit seiner Arbeit "Allgemeinbildung und Mathematik" eine Kontroverse initiiert hat. Dort wird angedeutet, daß die Bevölkerung nur eine Vermittlung von Mathematikkenntnissen bis zur 7. Klasse bräuchte, um sich in der heutigen Gesellschaft zurechtzufinden.

(153) Das könnten die Seminare sein, die eine Basis für eine Curriculumstransformation in Venezuela und Nicaragua darstellen könnten.

(154) Der Begriff der Schulmathematik bezieht sich auf die Mathematik der Primar- und Sekundarstufe und auch auf bestimmte Fächer in der Lehrerausbildung.

(155) In bezug auf das Thema "Mathematik für alle" sind die Arbeiten von Damerow (1986); Keitel (1985) und Volk (1996b) von besonderem Interesse.

(156) Santaló (1992) in Argentinien und González (1993) in Venezuela kommen zu derselben Schlußfolgerung. Sie machen einen Vorschlag für die Mathematiklehrerausbildung in der Primar- und Sekundarstufe, der eine Ausgewogenheit zwischen den Fächern Mathematik und Pädagogik vorsieht. Beyer und Mosquera arbeiten in einer ähnlichen Richtung. In Nicaragua arbeiten daran u.a. die Professoren Guido, Flores und Caldera.

(157) Siehe Krauthausen (1997). Wittmann (1992, 56) schreibt: "Das Aufgabenfeld der Mathematikdidaktik ist die Erforschung und Entwicklung des Lernens und Lehrens von Mathematik in allen Altersstufen einschließlich seiner Voraussetzungen, Zielsetzungen und Rahmenbedingungen. Wie jede andere Fachdidaktik kann auch die Mathematikdidaktik nur in interdisziplinärer Grenzüberschreitung betrieben werden und muß auf Ergebnisse und Methoden der Mathematik, der Allgemeinen Didaktik, der Pädagogik, der Soziologie, der Psychologie, der Wissenschaftsgeschichte, etc. zurückgreifen".

(158) Siehe Imbernón (1994).

(159) Siehe Graf (1997, 80ff.). In dem Kooperationsprojekt der Universität Barcelona mit der FCCEE der UNAN-León wurde folgendes Forschungsprojekt initiiert: "Lernen mittels des didaktischen Gartens in verschiedenen biologischen Fächern" (TENAL-Gruppe de León, 1996).

(160) In dem Bericht von Howson / Bryan (1986, 37) wird gezeigt, daß der Mathematikunterricht als Gesamtheit von Prozessen "den Lernenden helfen soll, das "Mathematisieren" zu lernen. D.h., anstatt zu entscheiden, welche mathematischen Fachgebiete unverzichtbar für einen Schulabschluß sind, besteht die Aufgabe darin zu entscheiden, welche Prozesse für die Staatsbürger am nützlichsten sind und welche schulischen Erfahrungen den Lernenden helfen können, diese Prozesse zu lernen. Man sagt, daß diese Prozesse das Vergleichen, Klassifizieren, Ordnen, Abstrahieren, Symbolisieren und Generalisieren beinhalten. (...) All diese Begriffe können unter dem Terminus "Mathematisieren" subsumiert werden."

(161) Vgl. Sanchez (1995, 21ff.).

(162) Vgl. Zevenbergen (1996).

(163) Vgl. Bischop (1988).

(164) Vgl. González (1993) in Venezuela und Caldera (1994) in Nicaragua.

(165) Vgl. Medina (1992); Santaló (1992) und González (1993).

(166) Unter dem hier verwendeten Begriff des Schulpraktikums ist nicht eine kurze Praxiseinheit während des Studiums zu verstehen, sondern es handelt sich um eine mehrmonatige angeleitete Unterrichtspraxis an einer Schule, die mit dem deutschen Referendariat vergleichbar ist.

(167) Gómez (1994) entwickelt in seiner Magisterarbeit an der FCCEE-Preparatoria in León eine Studie über die Lehrerpraktika in der Fakultät, basierend auf der Methodologie der Aktionsforschung. Das hatte die Implementierung und Übertragung der Praktika auf andere Disziplinen zur Folge.

(168) Es ist interessant zu sehen, daß dieses Vorurteil und sogar eine Ablehnung der Pädagogik durch die Mathematiker auch in anderen Ländern, wie z.B. Deutschland nach Meinung von Heymann (1996b, 328f) existent ist.

(169) "Empirismus" bedeutet in Nicaragua und Venezuela Unterrichtstätigkeit ohne abgeschlossene Ausbildung.

(170) Siehe 2.2.3 des zweiten Kapitels.

(171) Man kann anhand der Lehrpläne in Venezuela und Nicaragua Ähnlichkeiten in Bezug auf Inhalte und Ziele feststellen (siehe Programa de Estudio y Manual del Docente de la Escuela Básica, Caracas 1987 und Programas de primaria y secundaria de Nicaragua).Es ist auch interessant zu sehen, daß sich diese Charakteristika auf identische Weise in anderen Ländern wiederholen, wie z.B. in der Arbeit: "Hacia un pensamiento en educación matemática. Aportes de investigaciones chilenas de los niveles básicos y medios" von Montero und González (1988), beides Professoren der Universität Santiago de Chile.

(172) Siehe Howson / Bryan (1986, 31f.) und TIMSS (1997).

(173) Diese Strukturierung des Mathematikunterrichts ist "linear-horizontales Schema" genannt worden "als Ergebnis einer Objektivierung des Unterrichts".

(174) Vgl. "Theorie und Praxis des Kooperativen Unterrichts" von Ulshöfer (Band I, 1971, 12f.).

(175) Vgl. Gimeno (1985).

(176) Siehe Bloom (1971).

(177) Siehe z. B. Volk (1995).

(178) Siehe Morris (1985b). Vgl. (Zech 1996, 51ff.).

(179) In dieser Arbeit wird die Meinung von Gimeno (1985, 159) geteilt: "Das Modell der Zielorientierung im Unterricht nimmt einen Charakter als ein bloßes Instrument an. Es stellt sich nicht die Frage, welchem Erziehungsmodell es dient, von welchen Voraussetzungen es ausgeht, welche Optionen es hat und was für eine Erziehungsform es selbst gestaltet. Es versteckt seine Asepsis hinter einer technischen Sprache, die dem Experten, der sie verwendet, eine Neutralität vorspiegelt".

(180) Ulshöfer (1971, 12) führt aus: "Ein kooperativer Unterricht läßt sich nur durchführen, wenn sich Lehrer und Schüler über Gegenstand und Ziel des Unterrichts verständigt haben, d. h., wenn der Unterricht in irgendeiner Form gemeinsam geplant wird".

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