3.3.2 Eingliederung und einige Charakteristika der Teilnehmerinnen und Teilnehmer |
Nach Abschluß der beschriebenen Etappen bildete sich die endgültige Expertinnen- und Expertengruppe, die nur aus dem Bereich der Mathematik kam und aus jenen bestand, die systematisch und längerfristig zu gemeinsam ausgewählten Aspekten diskutieren wollten.
3.3.2.1 Grundlegende Kriterien für die Mitarbeit der Expertinne und Experten |
Ähnlich wie bei anderen Untersuchungen, in denen mit dem Modell der Partizipations-Aktionsforschung (77) in Verbindung mit der Educación Popular gearbeitet wurde, haben methodische Strategien eine große Rolle gespielt, die einen wirklichen Dialog mit denen ermöglichen, die direkt mit dem Problem zu tun haben und bereit sind, Veränderungen in ihrer praktischen Tätigkeit einzuleiten. Der Prozeß von Aktionen und Transformationen beginnt mit der Diskussion der Problemsituation (Bartolomé / Acosta 1992), an der alle beteiligt sein sollten, die die Schulpraxis nicht nur verstehen, sondern auch verändern wollen (Altrichter / Posch 1990). Diese Charakterisierung bewirkt ein Nachdenken über die Bewußtseinsbildung (Freire 1992) bei den Gruppen (z.B. Mathematiklehrende in Nicaragua und Venezuela, die sich organisieren wollen, um Initiativen zu stärken, die zu strukturellen Veränderungen führen), die direkte Verbindung zu den Lernenden an Schule und Hochschule haben und ebenso wie diese unter den Bedingungen des Mathematikunterrichts "leiden". Esclarín (1994, 5) formuliert eindeutig, was nötig ist:
"Es wird eine Art der Forschung gebraucht, die das Bewußtsein weckt, das Gefühl wiederbelebt, daß es Alternativen gibt, die Debatten provoziert, die wichtige Themen anpackt und aufhört, die immer gleichen Begründungen und Ausreden zu wiederholen. Darum muß der Forscher weniger "Experte" als vielmehr Autor und Akteur des Wandels in der Bildung sein. In unserem Vorschlag besteht die Rolle der "Experten" (die wir nicht negieren) vor allem darin, die Lehrer zu begleiten, ihnen die Werkzeuge und Formen in die Hand zu geben, die sie brauchen, um effiziente Forscher und Veränderer ihrer eigenen Erziehungspraxis zu werden."
Veränderungen einer so problematischen Bildungssituation wie in diesen beiden Ländern können nicht erwartet werden, wenn die Lehrenden isoliert aktive Untersuchungen mit ihren Lernenden entwickeln, die manchmal durch einen "kritischen Freund" unterstützt werden, wie Elliott vorschlägt (1990). Natürlich können überall da Überlegungen angeregt werden, wo Bildung stattfindet. Das schließt jedoch das Risiko ein, daß immer kleinere und im Sinne des Ziels, institutionelle Veränderungen zu erreichen, schwache Inseln entstehen und gefördert werden. Ziel der PAF ist die Einbeziehung und die Partizipation von Gruppen kritischer Individuen, die die Realität kennen und sich ihr verpflichtet fühlen und bereit sind, kooperativ auf ihrem jeweiligen Fachgebiet innerhalb und außerhalb ihrer Institution mit anderen zu arbeiten. Daher ist im folgenden von Expertinnen und Experten die Rede, die freiwillig im Forschungsprozeß mitarbeiten und nicht zufällig oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Institution (78) oder einer Partei ausgewählt wurden.
3.3.2.2 Grundlegende Charakteristika der interessierten Expertinnen und Experten |
Gemeinsam sind den Beteiligten folgende Kriterien: erste Kontakte und Gespräche bei anderen Gelegenheiten (1993); aktive Mathematiklehrer und/oder -dozenten mit ausreichender Praxiserfahrung, nach Möglichkeit auf unterschiedlichen Ebenen des Bildungssystems; Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Situation des Mathematikunterrichts; kritische Überlegungen und Untersuchungen zu Problemen des Mathematikunterrichts; Interesse an der Teilnahme an den Expertinnen- und Experteninterviews und/oder der Curriculumkonferenz; in ihrer Umgebung für akademisches und politisches Engagement bekannt und geachtet. In Tab. 1 sind die wichtigsten Charakteristika der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (79) am Forschungsprozeß zusammenfassend dargestellt:
Nicht alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Curriculumkonferenzen in beiden Ländern waren auch an der Expertinnen- und Expertenbefragung beteiligt und umgekehrt. In Nicaragua beteiligten sich 9 Frauen und 11 Männer, in Venezuela 15 Frauen und 13 Männer, insgesamt also 48 Personen, davon 50% Frauen. Alle sind älter als 30 Jahre und mehr als 75% von ihnen waren an Bildungseinrichtungen in Forschungsarbeiten im Bereich Mathematikdidaktik und -unterricht involviert. Sowohl in Nicaragua als auch in Venezuela gab es Interesse weiterer Expertinnen und Experten an den Expertinnen- und Expertenbefragungen und den Curriculumkonferenzen, die logistischen Bedingungen ließen jedoch ihre Einbeziehung nicht zu.
Die 28 venezolanischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Absolventen der anerkanntesten Einrichtungen der Lehrerbildung, der Universidad Central de Venezuela (UCV) und der Universidad Pedagógica Experimental Libertados (UPEL). Sechzehn von ihnen haben den Master-Grad, vier waren zum Zeitpunkt der empirischen Studie dabei, ihn zu erwerben. Fünfundzwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfügen über eine mehr als zehnjährige Berufserfahrung als Lehrer oder Dozenten mindestens einer Ebene des Bildungssystems. Alle sind aktive Mitarbeiter an Einrichtungen der Grundschul-, Sekundarschul- oder Hochschulbildung oder Koordinatoren der "Mathematikabteilungen" von Sekundarschulen oder Universitäten.
Die 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Nicaragua sind Absolventen der Universidad Nacional Autónoma de Nicaragua mit Sitz in León und Managua, 8 haben den Master-Titel, vier sind in der "Erziehung der Erzieher" (Lehrerfortbildung) aktiv, einem von der Universität Barcelona-Spanien koordinierten Forschungsprojekt auf der Grundlage der Konzeption der Aktionsforschung, wobei drei zum Thema Mathematikunterricht und einer zu Lehrpraktiken im Fach Geschichte arbeiten. Vier Teilnehmerinnen und Teilnehmer standen kurz vor dem Erhalt des Master-Titels, zwei üben Leitungsfunktionen in wichtigen Bildungseinrichtungen Leóns aus, einer ist Koordinator des Bildungsministeriums für Mathematikunterricht in León. Ebenso wie in Venezuela verfügen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Erfahrungen als Mathematiklehrende an der Sekundarschule, neun von ihnen sind Mitglieder der Mathematikabteilung an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der UNAN, während zwei weitere an der Wissenschaftsfakultät der UNAN-León im Bereich Mathematik (Algebra, Scholastik, Analyse) arbeiten. Eine Teilnehmerin war zum Zeitpunkt der Untersuchung Vizerektorin der Universiät, eine andere Vizedekanin der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät.
Für die Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer trifft die wichtige Tatsache zu, daß sie neben Leitungsfunktionen auch in der Ausbildung von Grund- und Sekundarschullehrenden in beiden Ländern aktiv sind oder waren.
Die beteiligten 48 Expertinnen und Experten sind gemeinsam mit anderen Schlüsselfiguren für die Einleitung oder Fortsetzung von Initiativen zur Verbesserung des Mathematikunterrichts verantwortlich. Jedes Gespräch mit den Lehrenden an Schule und Hochschule, die über Erfahrungen und umfangreiche Kenntnisse des Mathematikunterrichts verfügen und bereits während des Studiums und später in der praktischen Arbeit Möglichkeiten zur Verbesserung des Unterrichts durchdacht und umgesetzt haben, zeigte darüber hinaus, daß sie besorgt sind über die sozialen, politischen und ökonomischen Entwicklungen ihrer Länder. Diese Form des Austausches ist vielleicht nicht der einzige Weg zur Überwindung des besorgniserregenden Zustands des Mathematikunterrichts, aber er bietet unmittelbare Lösungen, da sie alle mit dem Alltag der Lernenden an Schule und Hochschule verbunden sind. Viele von ihnen sogar mit zu vielen Schülerinnen und Schülern, wie ab Kapitel 4 in den entsprechenden Kategorien näher erläutert wird.
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Endnote:
(77) In 2.3.3 werden drei lateinamerikanische Beispiele der Verbindung von Educacón Popular und PAF beschrieben.
(78) In Nicaragua stellte jedoch die Erziehungswissenschaftliche Fakulutät den größten Teil der Mitwirkenden.
(79) Aus Gründen der Einfachheit wird in dieser Tabelle nur die maskuline Form verwendet. In Mora (1996a, 11f. und 1996b, 3f.) finden sich auch detailliertere Tabellen zu den Charakteristika der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die auch im Anhang 10.2 dieser Arbeit beigefügt sind. Die Tabelle enthält die Abkürzungen der 48 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ihre wichtigsten Aktivitäten in den jeweiligen Einrichtungen, die Dauer der Expertinnen-und Expertenbefragung und den Ort der Durchführung. Aus dieser Tabelle wird auch ersichtlich, wer an Expertinnen- und Expertenbefragung und/oder Curriculumkonferenzen teilgenommen hat.