Der Einfluß von Retinsäure
auf Struktur und CD44-Expression
bei Zellinien neurogener Tumoren
des Menschen




Falko Rhody


Aus der Abteilung für Neuropathologie
Institut für Pathologie
Universität Hamburg

Direktor Prof. Dr. Mult. D. Stavrou




Der Einfluß von Retinsäure
auf Struktur und CD44-Expression
bei Zellinien neurogener Tumoren
des Menschen



D i s s e r t a t i o n
zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin
dem Fachbereich Medizin der Universität Hamburg vorgelegt



von Falko Rhody

aus Aarau / Schweiz


Hamburg 2000







A. EINLEITUNG

Maligne Tumoren des Zentralnervensystems zählen zu den prognostisch ungünstigsten Krebserkrankungen und gehören zu den häufigsten Tumoren des Kindesalters (EVANS, 1980a; COHEN & DUFFNER, 1994; SHAW et al., 1997).
Exakte Zuordnung und Behandlung dieser Tumoren sind zur Zeit noch unbefriedigend, zumal gerade bei der Therapie mit Rücksicht auf die zu erwartenden Nebenwirkungen Grenzen gesetzt sind (TOMLINSON et al., 1992).
Der Einsatz spezifischer Antikörper gegen tumorassoziierte Antigene in Diagnostik und Therapie ist in Hinblick auf die Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten vielversprechend (BERGH et al., 1990a, STAVROU,1990).
So sind die Suche nach tumorspezifischen Antigenen und die Steigerung der Expression von spezifischen Zelloberflächenantigenen von großer Bedeutung.
Die Erhöhung der Dichte spezifischer Antigene an der Zelloberfläche könnte sowohl die Diagnostik als auch die chemo- oder radiotherapeutischen Therapiemodalitäten verbessern.

Das Antigen CD44 wird von etlichen Tumoren exprimiert, unter anderem auch von Gliomzellen (STAVROU et al., 1986, 1989, 1990). Die Tatsache, daß Retinsäure, ein Vitamin A Derivat, an Migrations- und Differenzierungsvorgängen beteiligt ist, wurde in letzter Zeit bei vielen Untersuchungen belegt (BOLLAG, 1996). Auch die Beteiligung des Zelladhäsionsrezeptors CD44 an Migrationsvorgängen und Differenzierung wird angenommen (LESLEY et al., 1993).
GROSS et al. (1995) gelang es, die Antigendichte des Zelloberflächenrezeptors CD44 bei Neuroblastomzellinien durch den Einfluß von Retinsäure zu steigern. Dies Ergebnis konnte mit einer höheren Differenzierung und günstigeren Prognose in Zusammenhang gebracht werden.
Es ist also von Interesse, weitere Erkenntnisse über den Einfluß von Retinsäure auf Hirntumoren, vor allem auf die CD44 Expression, zu gewinnen. Dies könnte auch für die künftigen Therapiekonzepte von Bedeutung sein, zumal Retinsäure bereits in der Therapie der akuten promyelozytischen Anämie (APL) beim Menschen eingesetzt wurde (CHOMIENNE et al., 1990).
 
 
 

B. LITERATURÜBERSICHT

I. Charakterisierung der untersuchten Tumoren

Gliome

Gliome leiten sich von Gliazellen und ihren Vorstufen her.
Sie gehören zu den neuroepithelialen Tumoren. Zu ihnen zählen Astrozytome, Glioblastome, Oligodendrogliome, Ependymome und Retinoblastome. Nach WHO kann man sie in Grad I-IV einteilen (KLEIHUES et al., 1993). Astrozytome gehören zu den häufigsten ZNS Tumoren und treten in der Regel in der 4.-5. Lebensdekade aber auch im Kindesalter auf. Glioblastome treten gehäuft zwischen dem 45. Und 55. Lebensjahr in Erscheinung (SHAW et al., 1997; NICHOLAS et al.,1997).
Es gilt als gesichert, daß Tumorzellen gegenüber normalen Zellen veränderte Antigenstrukturen exprimieren (LLOYD, 1987). Von der Expression gliomassoziierter Antigene (GAA) wurde in vivo (WAHLSTRÖM et al., 1973) und in vitro berichtet (DE MURALT et al., 1985). Des weiteren ist eine Einordnung der Gliome über gliaassoziierte Antigene möglich (STAVROU, 1990).
Zur Erkennung zellassoziierter Antigene macht man sich die Bindungseigenschaften monoklonaler Antikörper zunutze (BERGH et al., 1990A; BILZER et al., 1988; STAVROU et al., 1986, 1987, 1991). Auf diese Weise erhobene Befunde sprechen für die antigene Heterogenität der Gliome (STAVROU et al., 1986, 1989), welche auch von Untersuchungen in vivo mit Hilfe der Magnet-Resonanz-Spektroskopie (NEGENDANK et al., 1996) gezeigt wurde. Die tumorszintigraphische in vivo Darstellung von Hirntumoren, sowie deren Abgrenzung gegenüber dem Normalgewebe sind nicht zuletzt wegen der immunologischen Heterogenität von Gliomzellpopulationen (BILZER et al., 1991a) und der Migration entdifferenzierter Gliomzellen problematisch.
An Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Zeit chirurgische Exzision (BRICOLO et al., 1991; CONSTANTINI et al., 1996; SCHLEGEL & WESTPHAL, 1998), Chemotherapie und Bestrahlung zur Verfügung (MALKIN, 1992; KIRBY et al., 1996). Die Resultate sind aber enttäuschend, da die derzeitigen Therapiekonzepte - von chirurgischer Exzision abgesehen - relativ unspezifisch sind (SELA & HURWITZ, 1987) und somit auch gesundes Gewebe schädigen.
Eine vielversprechende Möglichkeit wäre, sich an tumorassoziierte Antigene bindende Antikörper zunutze zu machen, und als Träger für Chemotherapeutika, Radiochemikalien, etc. anzuwenden (WEIL-HILLMANN et al., 1987; BERGH et al., 1990B; STAVROU, 1990).
 
 

Das Neuroblastom

Das Neuroblastom, ein von embryonalen sympathischen Nervenzellen ausgehender Tumor des Nebennierenmarkes oder Sympathikusgrenzstranges, ist der zweit häufigste Tumor des Kindesalters (Evans, 1980a). Der Tumor zeigt klinisch und biologisch sehr unterschiedliche Reaktionsweisen, anhand derer er zusammen mit biologischen und genetischen Markern bestimmten Subtypen zugeordnet werden kann, die auch für die Prognose wichtig sind (Bordeur, 1990; Bordeur et al., 1992).
Das Neuroblastom wird nach Evans (1971) in Stadien (I-IV) eingeteilt, die therapeutische Bedeutung haben und Aussagen über die Heilungschancen ermöglichen. So hat das Stadium IV eine Heilungschance von nur 30% und ist zum Zeitpunkt der Diagnosenstellung schon bei 2/3 der Patienten erreicht (Stokes et al., 1984; Evans et al., 1987).
Für die Prognose sind weiterhin von Bedeutung: das Alter des Patienten (Stephenson et al., 1986), der Mitose- und Karyorhexis-Quotient (Shimada et al., 1985), Serumwerte für neuronspezifische Enolase, Ferritin und das Verhältnis von Vanillinmandelsäure zu Homovanillinmandelsäure im Urin (Evans et al., 1987), sowie die Ausprägung der N-myc Onkogen Amplifikation (Kohl et al., 1984; Schwab et al., 1984).
Für die Prognose wichtig werden ferner 1p Deletionen (Fong et al., 1992), die Expression von TRKA (Nakagawara et al., 1993), der DNA-Gehalt der Zellen, sowie Hyperploidität und die Phase des Zellzyklus (Look, 1984; Gansler et al., 1986) erkannt. In letzter Zeit wurde die Expression des Zelladhäsionsmoleküles CD44 mit einer guten Prognose in Zusammenhang gebracht; seine Abwesenheit korrelierte hoch signifikant mit N-myc Amplifikation (Favrot et al., 1993; Gross et al., 1994).
Von der Tatsache abgesehen, daß bei niedrigen Tumorstadien und bei Stadium IVs spontane Regression (Evans, 1980b) und die Differenzierung in benigne Ganglioneurome ohne Therapie beschrieben wurden (Cushing & Wolbach, 1927; Garvin et al., 1984; Haas et al., 1988), verbessern die derzeitigen Therapiemöglichkeiten die Prognose von Neuroblastom-Patienten nur unwesentlich (HUMPL, 1995; Hochberg und Pruitt, 1987).
Die Therapie besteht in der chirurgischen Entfernung des Tumors mit nachfolgender Bestrahlung und Chemotherapie bei autologer Knochenmarkstransplantation.
 
 

Das Medulloblastom

Das Medulloblastom ist der häufigste Tumor des Kindesalters (COHEN & DUFFNER, 1994).
Der Tumor entsteht häufig im Velum medullare des Kleinhirns und breitet sich bis in den 4. Ventrikel aus oder invadiert sogar den dorsalen Hirnstamm (PARK et al., 1983).
Ein einheitlich gültiges Staging-System für Medulloblastome existiert noch nicht; z.Zt. wird zumeist das Chang-System mit Modifikationen angewendet (CHANG et al., 1969; HARISIADIS & CHANG, 1977).
Wichtige Faktoren für die Prognose der Patienten sind Alter (ALLEN & EPSTEIN, 1982), gliale oder neuronale Differenzierungen (CAPUTY et al., 1987), Ploidität (YASUE et al., 1989) und C-myc Amplifikation (BIGNER et al., 1990).
An Therapiemöglichkeiten stehen chirurgische Entfernung, Radiotherapie und Chemotherapie zur Verfügung (Lit. bei FUCHS et al., 1997).
Anforderungen an die künftigen Behandlungsmöglichkeiten werden sein, die Tumoren präziser nach phänotypischen und genotypischen Faktoren einzuordnen, und weniger toxische Behandlungsmöglichkeiten zu finden, da die größte Patientengruppe, nämlich Kinder, besonders empfindlich auf Bestrahlung und chemotherapeutische Noxen reagiert (TOMLINSON et al., 1992; FUCHS et al., 1997).
 
 

Hirnmetastasen

Hirnmetastasen sind die häufigsten intrakraniellen Tumoren bei Erwachsenen und kommen zehn mal so oft vor wie Primärtumoren (POSNER, 1992). Aufgrund verlängerter Überlebenszeiten von Krebspatienten durch verbesserte Therapiemöglichkeiten nimmt der Anteil der Metastasen an dem Pool der "Hirntumoren" zu (PATCHELL,.1997). Als Ursprungstumoren von Hirnmetastasen sind vor allem Bronchial-, Mamma-, Prostata- und Nierenkarzinome, sowie das maligne Melanom (PATCHELL, 1997) zu nennen. Die Metastasierung erfolgt auf dem Blutweg (z.B. PATCHELL, 1997).
 
 
 

II. Das Oberflächenantigen CD44


CD44 ist ein weit verbreitetes Glykoprotein der Zellmembran. Es wurde unter einer Vielzahl von Namen bekannt und konnte schließlich mit der Bezeichnung CD44 funktionell zusammengefaßt werden (Gallatin et al., 1991; Haynes et al., 1989). Einige Untersuchungen belegen, daß CD44 mit der Klasse der Hermes "Lymphozyte Homing" Rezeptoren (Picker et al., 1989), Pgp-1 Antigen (Omary et al., 1988) und dem Rezeptor für extrazelluläre Matrix, ECMR III (Gallatin et al., 1989) identisch ist.
CD44 kommt in verschiedenen Isoformen vor, wovon die am weitesten verbreitete, die hämatopoetische oder Standardform (CD44H) mit einem Molekulargewicht von 85-95 kDa (PICKER et al., 1989) ist. Im menschlichen Gehirn erscheint neben CD44H auch die epitheliale Form (CD44E) mit einem Molekulargewicht von 150 kDa (SY et al., 1991; Stamenkovic et al., 1989, 1991; Brown et al., 1991).
Die große Vielfalt der Isoformen kann durch alternatives Splicing von mindestens 10 unterschiedlichen Exons und posttranslationale Modifikation erklärt werden (Brown et al., 1991; Jackson et al., 1992; Screaton et al., 1992; Tolg et al., 1993).

Das CD44 Glykoprotein konnte schon auf vielen Zellen und in vielen Geweben nachgewiesen werden. Ursprünglich wurde es vorwiegend im lymphatischen Gewebe und im Gehirn beschrieben, sowie in seiner löslichen Form im menschlichen Plasma und Serum (Dalchau et al., 1980; Stoll et al., 1989).
CD44 wird von B und T Lymphozyten, von Granulozyten, Monozyten und Makrophagen sowie Erythrozyten exprimiert (HALE et al., 1989; Übersicht in Haynes et al., 1989; Stamenkovic et al., 1991). Im ZNS ist CD44 an die weiße Substanz, aber vor allem an Astrozyten und andere Gliazellen gebunden (McKenzie et al., 1982; Flanagan et al., 1989; Girgrah et al., 1991a,b; Vogel et al., 1992). CD44H ist die auf Blutzellen am weitesten verbreitete Form, wurde aber auch auf Fibroblasten und Melanomzellen nachgewiesen (Stamenkovic et al., 1989; Aruffo et al., 1990; He et al., 1992).
Beschreibt man die Funktion von CD44 als Zelladhäsionsrezeptor, der bei vielen Migrationsvorgängen eine Rolle spielt (Lit. bei Lesley et al., 1993), ist an erster Stelle die Bindung an seinen Hauptliganden, Hyaluronsäure zu nennen (UNDERHILL et al., 1987, 1992; ARUFFO et al., 1990; CULTY et al., 1990; LESLEY et al., 1990a; MIYAKE et al., 1990b; Stamenkovic et al., 1991). Hyaluronsäure, ein Proteoglykan der extrazellulären Matrix, ist in der Umgebung der meisten Basalmembranen anwesend (UNDERHILL, 1989). Neben anderen Komponenten der extrazellulären Matrix ist Hyaluronsäure an vielen der Funktionen von CD44, die sich bisher herauskristallisiert haben, beteiligt (HIRO et al., 1986; Lesley et al., 1990a; Knudson & Knudson, 1991).

Funktionen an denen das Oberflächenglykoprotein CD44 beteiligt ist, können wie folgt zusammengefasst werden:
Zellmigration (WILLERFORD et al., 1989; FAASSEN et al., 1992; CAMP et al., 1993b), Lymphozytenentwicklung (Trowbridge et al., 1982; LYNCH & CEREDIG, 1989; HORST et al., 1990a; KANSAS et al., 1990; Miyake et al., 1990a) und Lymphozytenaktivierung bei der Immunantwort (BUDD et al., 1987a, b; HAYNES et al., 1989, 1991; RODRIGUES et al., 1992; KOOPMAN et al., 1993), Lymphocyte Homing (LESLEY et al., 1985a; JALKANEN et al., 1986; BERGH et al., 1989)und Adhäsion an Komponenten der extrazellulären Matrix (CARTER & WAYNER, 1988; KANSAS et al., 1990; JALKANEN & JALKANEN, 1992).
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß CD44 eine Rolle spielt, sobald Zellen entweder migrieren oder sich an Komponenten der extrazellulären Matrix anheften. Das wird bei der Betrachtung der Hämatopoese besonders deutlich: Die vorwiegend CD44 positiven pluripotenten Stammzellen oder Progenitorzellen (TROWBRIDGE et al., 1982; HORST et al., 1990b; KANSAS et al., 1990) werden im Laufe der Differenzierung CD44 negativ (LESLEY et al., 1990b; HORST et al., 1990b) und sie erlangen bei der Ausreifung wieder das Oberflächenantigen (LYNCH & CEREDIG, 1989; LESLEY et al., 1988; HORST et al., 1990b).
In Zusammenhang mit der Bedeutung des CD44-Moleküls bei der Zelladhäsion und Migration ist seine Rolle bei der Tumormetastasierung zu sehen.
Die Wichtigkeit von CD44 bei Kontakten zwischen Zellen und der extrazellulären Matrix lenkt das Augenmerk auf eine zu fordernde Regulation dieser Vorgänge; schließlich kommen die Liganden von CD44 ubiquitär vor. Daß die Expression und Funktion von CD44 geregelt wird, kann angenommen werden, da beispielsweise nicht alle CD44 exprimierenden Zellen an Hyaluronsäure binden (LESLEY et al., 1990a). So wurde eine Reihe von Regulationsmechanismen der CD44 Expression beschrieben, zu denen auch die posttranslationale Modifikation zählt.
Bei CD44H positiven Zellen sind drei Aktivierungszustände bekannt, die in einem langsamen Differenzierungsprozeß ineinander übergehen können (LESLEY & HYMAN, 1992; HE et al., 1992). 1. Nicht aktivierbar, d.h. CD44H kann nicht an Hyaluronate (HA) binden. 2. Aktivierbar, d.h. die Bindungsfähigkeit an HA kann hergestellt werden (Lesley et al., 1992). 3. Aktiv, d.h. CD44H kann an HA binden (MURAKAMI et al., 1990).
Während der Differenzierung von Plasmazellen zu Immunglobulin sezernierenden Zellen werden diese drei Aktivierungszustände durchlaufen (COFFMANN, 1982).
Ein weiterer Angriffspunkt für Regulationsvorgänge ist die Modifikation der extrazellulären Domäne, von der unterschiedliche Glykosilierungsmuster beschrieben wurden (OMARY et al., 1988; BROWN et al., 1991). So ist zum Beispiel CD44E eine modifizierte Form von CD44, die von menschlichen Keratinozyten und Plattenepithel-Karzinomzellen der Lunge exprimiert wird. Die Unterschiede im Molekulargewicht einzelner CD44 Isoformen ist in erster Linie auf Karbohydratgruppen und Sulfatgruppen, wie asparaginverbundene Glykopeptide, Chrondroitinsulfate und Heparansulfate zurückzuführen (BROWN et al., 1991). FAASSEN et al. (1992) fanden heraus, daß die Migration einer Melanomzellinie (K1735 M4) in kollagener Matrix von der Anwesenheit eines durch Chondroitin modifizierten Zelloberflächenglykoproteins abhängig war. Das nach Chondroitinaseverdauung übrigbleibende 110 kDa Coreprotein wurde von CD44-spezifischen Mikroantikörpern erkannt, so daß das untersuchte Zelloberflächenglykoprotein, als eine hochmolekulare Form von CD44, eine wichtige Rolle für Zellmotilität und Zellinvasion spielen könnte. Auch andere extrazelluläre Komponenten könnten durch Bindung an die extrazelluläre Domäne die Funktion von CD44 beeinflussen (KINCADE, 1992). Zelloberflächenmoleküle wie CD2 und humane T-Zellrezeptoren (ROSENMAN, 1993), lösliche Faktoren wie Interleukine oder andere Entzündungsmediatoren.
Als weiterer wichtiger Regulationsmechanismus wurde das sogenannte "Shedding" bei humanen Neutrophilen und Lymphozyten beschrieben. Dies ist ein schneller Regulationsmechanismus bei dem die externe Domäne des Oberflächenproteins proteolytisch abgespalten wird (CAMPANERO et al., 1991). Für diesen Regulationsmechanismus spricht weiterhin das Vorkommen von löslichem CD44 im Serum in vivo (LUCAS et al. 1989; HAYNES et al., 1991; CAMP et al., 1993b).

Die Rolle von CD44 bei Differenzierungs- und Reifungsvorgängen, sowie bei der Zellmigration unterstreicht die mögliche Beteiligung an der Tumordifferenzierung bzw. Entdifferenzierung und Metastasierung.
In der Tat sprechen viele Ergebnisse dafür, daß CD44 mit Metastasierung bzw. Invasivität und Tumorzellwachstum korreliert.
Migration in extrazellulärer Matrix und Durchdringung von Basalmembranen sind wichtige Voraussetzungen für Tumormetastasierung (FIEDLER, 1990; BLOOD & ZETTER, 1990; LIOTTA et al., 1991). Für die Annahme, daß CD44 daran beteiligt ist, spricht die Tatsache, daß wie oben erwähnt, sein Hauptligand, nämlich Hyaluronsäure, fester Bestandteil der Basalmembranen ist (UNDERHILL. 1989).
Bei Mammakarzinomen konnte gezeigt werden, daß invasive Areale der Tumoren mit gesteigertem Hyaluronsärevorkommen korrelieren (BERTRAND et al., 1992). Ebenso konnte bei Brustkrebszellen der Maus (CL-S1) ein Zusammenhang zwischen Hyaluronsäuresekretion und -synthese und gesteigertem Wachstum bzw. Tumorprogression dargestellt werden (HITZEMAN et al., 1992).
Geringere Überlebensraten bei Patienten mit Lymphomen, die CD44 auf hohem Level exprimieren und die Tatsache, daß B-Zell Lymphome im Stadium III/IV mehr CD44 exprimieren, als solche im Stadium I/II, spricht dafür, daß CD44 bei diesen Tumoren eine wichtige Rolle bei der Tumorausbreitung und Prognose spielt (PALS et al., 1989; HORST et al., 1990c; JALKANEN et al., 1991).
Die prognostische Bedeutung von CD44 positiven Zellen wird bei der Lymphoblastischen und der akuten Myeloblastischen Leukämie (LEGRAS et al., 1998) deutlich. Bei hochgradig dedifferenzierten Hirntumoren (KUPPNER et al., 1992; NAGASAKA et al., 1995) und bei non-Hodgkin Lymphomen (PALS et al., 1989; HORST et al., 1990c) wird starke CD44-Expression beschrieben.
Die selektive Expression von CD44 Isoformen scheint bei Metastasierung und Regulation des Tumorzellwachstums eine Rolle zu spielen (BOURRGUIGNON et al., 1995). Die Bedeutung verschiedener CD44 Isoformen für Metastasierung, Invasivität und Tumorzellwachstum wird in verschiedenen Arbeiten beschrieben (SY et al., 1991, 1992; GÜNTHERT et al., 1991).
SEITER et al. (1993) konnten zeigen, daß eine Variante von CD44 aus Pankreaskarzinomzellen der Ratte (BSp73ASML) durch Transfektion Metastasierungsfähigkeit auf nicht metastasierende Tumorzellen übertragen kann. Die Bedeutung einzelner CD44 Varianten für die Metastasierungs- und Migrationsfähigkeit von Tumorzellen belegen Untersuchungen von GÜNTHERT et al. (1995), MOLL et al. (1994) und PALS et al. (1993).
SALMI et al. (1993) berichten von einer regulierten Expression des Exon V6 bei maligner Transformation. So besteht z.B. ein Zusammenhang zwischen Expression der Variante CD44v6 mit Metastasierungsfähigkeit von Pankreaskarzinomzellen der Ratte (PALS et al., 1993).
Im Gegensatz zu den eben genannten Ergebnissen ist darauf hinzuweisen, daß auch Tumoren von Brust und Kolon beschrieben wurden, bei denen die Expression von CD44 nicht mit Metastasierungsfähigkeit korreliert (MATSUMURA & TARIN, 1992; HEIDER et al., 1993).
Außerdem konnte CD44 bei Neuroblastomen mit hoher Differenzierung und verbesserter Prognose für die Patienten in Verbindung gebracht werden (Favrot et al., 1993; Gross et al.,1994, 1995).
Aufgrund dieser Ergebnisse kann sicherlich noch keine endgültige Aussage über die Rolle von CD44 bei Tumorwachstum, Invasivität und Metastasierung von Tumoren gemacht werden.
Nicht zuletzt könnte das Antigen CD44 aber bei der Diagnostik und Verlaufsbeurteilung von Tumoren mit immunologischen Methoden (MATSUMURA & TARIN, 1992; KOOPMAN et al., 1993; SALMI et al., 1993), wie beispielsweise von Hirntumoren (BERGH et al., 1990A; STAVROU et al., 1991) eine wichtige Rolle spielen. Bei der Suche nach geeigneten Molekülen zum Studium der immunologischen Wechselbeziehungen zwischen Gliom und Gliomträger wurde ein monoklonaler Antikörper (MUC 2-63) produziert und charakterisiert (STAVROU, 1990), welcher aufgrund von Antigenbindungsstudien das CD44-Antigen erkennt (ROMEIJN et al., 1994).
 
 

III. Retinsäure und ihre biologischen Eigenschaften

Vitamin A und seine biologisch aktiven Derivate (Retinoide), besonders Retinsäure (RA) haben große Bedeutung bei Wachstum, Sehen, Fortpflanzung, Zelldifferenzierung und für die Integrität des Immunsystems (OLSON, 1994; SPORN et al., 1994). Die Behandlung von Mangelerkrankungen mit diesem Vitamin wurde schon vor 3500 Jahren beschrieben (EBELL, 1937). In seiner langen Geschichte (WOLF, 1996) wurde bis heute über seine Funktionen immer mehr Klarheit erlangt. Die Erkenntnis über die Rolle von Vitamin A beim Sehvorgang war bahnbrechend (WALD, 1968) und die Feststellung , daß Vitamin A an Differenzierungsvorgängen beteiligt sein könnte (WOLBACH & HOWE, 1925), zog intensive Forschung nach sich. So läßt sich heute die Beteiligung von Retinoiden an weiteren Abläufen und Funktionen, die alle unter Migrations- und Differenzierungsvorgängen zusammengefaßt werden können, darstellen.
Eine Übersicht über die Rolle von RA bei der embryologischen Entwicklung geben MORRISS-KAY und SOKOLOVA (1996). Die Bedeutung für die Entwicklung der Augen, des Urogenitaltraktes, des Kardiovaskulären Systems, des Zwerchfells und der Lungen (WILSON et al., 1953), der Neuralleiste (KESSEL, 1992; WOOD et al., 1994) und des Neuralrohres (HOGAN et al., 1992), sowie der Zusammenhang des Vitamins mit der Migration von Neuralzellen (MORRISS, 1972; RUBERTE et al., 1991; CHEN et al., 1995) und der Extremitätenentwicklung (TICKLE & EICHLE, 1994), ist dokumentiert. Besondere Bedeutung kommt RA bei der Lungenentwicklung zu (CHYTIL, 1996).
Bei embryologischer Entwicklung und Musterbildung spielt die Regulation von Homöobox Genen (Hox Gene) durch Retinoide eine wichtige Rolle (MARSHALL et al., 1996).
Eine Beteiligung von RA an Reaktionen des Immunsystems wurde ebenfalls beschrieben.
In klinischen Studien und in Zellkultur konnte gezeigt werden, daß RA die Lymphozytenentwicklung und die Lymphozytenreifung beeinflußt (GÖTTGENS & GREEN, 1995). Des weiteren konnte die Beteiligung von Retinoiden an Antikörperproduktion, T-Zell Aktivierung und Zytokinproduktion belegt werden (ROSS & HÄMMERLING, 1994). Epidemiologische Studien haben eine signifikant höhere Morbidität bei Vitamin A Mangel (SOMMER, 1992) insbesondere durch Diarrhoe, Masern und Infekte des Respirationstraktes aufgedeckt (GLASZIU & MACKERRAS, 1993; BEATON et al., 1994).
Wenn man das Augenmerk auf die Beteiligung von Vitamin A an epithelialen Reparaturvorgängen (AHMED et al., 1990) und Differenzierung lenkt, darf die Betrachtung eines Organes mit wichtigen immunologischen Funktionen und hoher Plastizität, nämlich der Haut, nicht fehlen. Hier ist Vitamin A für Reparaturfunktionen, Wachstum und Differenzierung wichtig (z.B. WEISS et al., 1988; FISHER et al., 1991).
Auf der Basis neuer Erkenntnisse über Vitamin A in den letzten 10 Jahren ist das Verständnis über seine Funktionsweise größer geworden. All-trans Retinsäure, ein Vitamin A Derivat mit einem Molekulargewicht von 300,4 Da , wurde als wichtigste biologisch aktive Form von Vitamin A erkannt (FISHER & VOORHEES, 1996).

Es existieren inzwischen detaillierte Modelle für die rezeptorvermittelte Signaltransduktion von RA (Abb. 1).
Die komplexen Aufnahmemechanismen, die diskutiert werden, können hier vereinfacht beschrieben werden: Im wesentlichen kann gesagt werden, daß für RA ein Signaltransduktionsweg, ähnlich dem der Schilddrüsen- oder Steroidhormone, diskutiert wird, wobei RA über einen nukleären Rezeptor (RAR, RXR), der zur Gruppe der STRS (Steroid-Thyroid Receptor Superfamily) gehört (GIGUÈRE, et al., 1987; PETKOVICH, et al., 1987; EVANS, 1988), mit der DNA interagiert und über einen Hormon-Rezeptor-Komplex (RBP, TTR) als Retinol in die Zelle aufgenommen werden könnte (BAVIK et al., 1993; VIEIRA et al., 1995). Für die Aufnahme von RA in die Zelle werden verschiedene Mechanismen diskutiert:
 
 

  1. Aufnahme über einen RA-spezifischen hydrophoben Kanal (ZHUKOVSKY et al., 1988;KHORANA, 1992; PETROU, et al., 1993)
  2. Aufnahme über Endozytose von RBP, TTR oder RBP-TTR-Rezeptoren (BAVIK et al., 1993; VIEIRA et al., 1995)
  3. Aufnahme über Diffusions- oder Endzytosevorgänge (WILSON & CHAN, 1983; HO et al.,1989; BLOMHOFF et al., 1992).

Es wurden intrazelluläre RA und Retinol bindende Proteine (CRABP und CRBP) als Transportmoleküle untersucht (FIORELLA & NAPOLI, 1994; FISHER et al., 1995).
Die Signaltransduktion in der Zelle könnte folgendermaßen vor sich gehen: In der Zelle setzt möglicherweise CRBPI Retinsäure aus Retinol des Rezeptorkomplexes frei (NAPOLI, 1993). RA wird möglicherweise durch CRABP II in den Zellkern transportiert (FIORELLA & NAPOLI, 1994; GIGUÈRE, 1994; DONOVAN et al., 1995) und beeinflußt über spezifische Antwortelemente (RARE) der DNA (FISHER et al., 1994; XIAO, et al., 1995) die Transkription und schließlich Translation, die zur Zellantwort (CD44-Expression?) führt. Von enzymatischen Faktoren, die am Retinol-RA Stoffwechsel beteiligt sind, wie Lecitin-Retinol Acyl Transferase (LRAT), Retinol Dehydrogenase (RoDH) oder Acyl CoA-Retinol Transferase (ARAT) wurde über Zusammenhänge mit RA-Transport und Metabolismus berichtet (Napoli, 1996).
 
 

Abb. 1: Modell zur Signaltransduktion von Retinsäure (RA) nach verschiedenen Autoren (siehe Text): Es werden hier drei prinzipielle Möglichkeiten der RA-Aufnahme in die Zelle, sowie ein möglicher Signaltransduktionsweg in den Zellkern gezeigt. RA-Aufnahme in die Zelle:
  1. über einen RA-spezifischen hydrophoben Kanal
  2. über Endozytose von RBP, TTR oder RBP-TTR-Rezeptoren
  3. über Diffusions- oder Endozytosevorgänge


Die Identifikation der RA Rezeptoren als Zugehörige zu der STRS Familie (EVANS, 1988) und die vielfältigen Regulationsmechanismen der Signaltransduktion lassen die Bezeichnung von Vitamin A in der Form seines Metaboliten Retinsäure als "exogenes Hormon" sinnvoll erscheinen (SPORN & ROBERTS, 1983).

In Kenntnis der vielfältigen Funktionen der Retinoide bezüglich Entwicklung und Differenzierung, können Ansätze, RA in der Tumortherapie einzusetzen, verstanden werden.
Gut dokumentiert ist der Einsatz von all-trans Retinsäure (ATRA) bei der akuten promyelozytischen Leukämie (APL). Hier konnten Zelldifferenzierung in vitro (CHOMIENNE et al., 1990) und hohe Remissionsraten in der Therapie dokumentiert werden (z.B. HUANG et al., 1988; CASTAIGNE, et al., 1990; WARRELL et al., 1993; Lit. Rev. bei CHOMIENNE et al., 1996).
Ein weiteres wichtiges Gebiet ist der Einsatz von Retinoiden in der Chemoprävention. So wurden klinische Versuche zur Prävention von Haut-, Brust- und Ovarialkrebs, sowie von Tumoren des aerodigestiven Traktes unternommen (HONG & ITRI, 1994; DE PALO et al., 1995; LIPPMAN et al., 1995). Über die Wirkung von RA auf Hirntumoren in vivo liegen bisher wenige Berichte vor.
WESTARP et al. (1993) berichteten von der Anwendung der Retinoide bei Neubildungen des ZNS.
Zu beachten sind eine Reihe von Untersuchungen über die Wirkung von RA auf Hirntumoren in Zellkultur: Es gibt viele Beispiele, die darauf hindeuten, daß RA die Zellproliferation hemmt (GRUBER JR et al., 1992; MELINO et al., 1992; HOULE et al., 1993; MUKHERJEE & DAS, 1994; RODTS & BLACK, 1994).
Viele Autoren berichten von Tumorzelldifferenzierung nach RA Einwirkung, von denen einige kurz referiert werden sollen: So berichten MELINO et al. (1993) von Apoptose und Differenzierung, sowie vermehrter IGF-II Expression bei Neuroblastomen. Das Neuroblastom BE(2)-M17 exprimiert Corticotropin Releasing Factor (CRF) mRNA (KASCKOW, et al., 1994). Bei Glioblastom- und Neuroblastomzellen ließ sich die Expression von Interleukinen unter Einfluß von RA modulieren (STEPHANOU et al., 1992).
Das Prostaglandin-Synthetase-Gen wurde an einem Glioblastom-Neuroblastom Hybrid durch RA aktiviert (BAZAN et al., 1994). Bei verschiedenen neuroektodermalen Zellinien wurde eine Metallo-Endopeptidase im Zusammenhang mit RA induzierter Differenzierung vermindert exprimiert (CARVALHO et al., 1993), genauso wie die Expression von Proopiomelanocortin (POMC) mRNA-Transkripten schon nach wenigen Stunden der RA-Behandlung reduziert war (DE LAURENZI et al., 1993). Veränderte Muster der Glykolipidverteilung wurden bei Xenopus Embryos gezeigt (RIZZO et al., 1995) und bei der Glioblastomzellinie SNB-19 bezüglich bestimmter Glykoproteine, deren Expression stark gesteigert werden konnte (VAN DER MEULEN et al., 1994). Morpholgisch objektivierbare neuronale Differenzierung und Wachstumshemmung bei Hirntumorzellen als Reaktion auf RA-Einwirkung kann aber nicht bei allen Zellinien in gleicher Weise beobachtet werden (MELINO et al., 1993; KELES et al., 1993; ASADA et al., 1994; HOI SANG et al., 1995). Einen Hinweis für das heterogene Verhalten der Hirntumoren gibt auch die unterschiedliche Expression der Gene für STRS-Rezeptoren (MAGRASSI et al., 1993).

Der Einfluß von RA auf die CD44 Expression von Tumoren ist wenig dokumentiert. Hinweise darauf lassen sich der Arbeit von GROSS et al. (1995) entnehmen. Die CD44 Expression bei Ovarialkarzinom-Zellinien ließ sich durch RA nicht modulieren (UHL-STEIDL et al., 1995).
 
 
 
 

C. PROBLEMSTELLUNG

Aus der Literatur der letzten Jahre geht hervor, daß CD44 und Retinsäure große Bedeutung für Differenzierung und Migration von Tumorzellen haben. Dennoch gibt es aber nur wenige Arbeiten, die den Einfluß von Retinsäure auf die Expression von CD44 bei Hirntumoren dokumentieren.

Die Steigerung von Bindungsstellen eines bekannten Rezeptors ist für Diagnose und Therapie von Tumoren bedeutungsvoll. So ist die Untersuchung von Methoden, welche die Rezeptorendichte von CD44 bei Hirntumoren steigern, ein wichtiges Anliegen.

Auf eine Steigerung der CD44 Expression durch die Wirkung von Retinsäure bei Neuroblastomzellinien haben GROSS et al. (1995) hingewiesen.

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Einfluß von Retinsäure auf die CD44 Expression und die Struktur von humanen Gliomzellinien und anderen Hirntumorzellinien systematisch zu untersuchen.
 
 
 
 

D. EIGENE UNTERSUCHUNGEN

Material und Methoden

Zellkultur

Gliomzellinien
Für die Untersuchungen wurden sechs verschiedene, permanente Tumorzellinien humanen Ursprungs verwendet. Die Zellkulturen 85 HG-63, 86 HG-39, 87 HG-31, 87 HG-28 und 88 HG-14 sind Langzeitkulturen aus Operationsmaterial (Abteilung für Neurochirurgie des Klinikums München-Bogenhausen). Sie werden in der Abteilung für Neuropathologie des Universitätsklinikums Eppendorf kultiviert.
 

Tabelle 1: Die untersuchten Gliomzellen wurden aus Explantaten von Gliombiopsien isoliert und als permanente Gliomzellinien in vitro propagiert.
 
Tumor-

Nr.

Diagnose
Bezeichnung

der Zellkultur

Gliamarker

S-100 GFAP

Referenz
E 14-88
 

E 28-87
 

E 31-87
 

E 39-86
 

E 63-85
 
 

E 66-85

Glioblastom 
 

Glioblastom 
 

Astrozytom III 
 

Glioblastom 
 

Astrozytom II 
 
 

Astrozytom III als Transplantationstumor der Nacktmaus

88 HG-14
 

87 HG-28
 

87 HG-31
 

86 HG-39
 

85 HG-63
 
 

85 HG-66T6

+            +
 

+            +
 

+             +
 

+             +
 

+             +
 
 

+             +

BILZER et al., 1991
 

STAVROU et al., 1987
 

BILZER et al., 1991
 

BILZER et al., 1991a

Von den Gliomzellinien 87 HG-31, 86 HG-39, 85 HG-63 und 85 HG-66/T6 wurden Karyotypisierungen vorgenommen (Wöhler, 1988).
 
 

Das Neuroblastom SK-N-SH
Die Neuroblastomzellinie SK-N-SH (Sadee et al., 1987) wurde 1970 aus den Knochenmetastasen eines Neuroblastoms im Stadium IV nach Evans einer 4jährigen, weiblichen Patientin etabliert (Biedler et al., 1973, 1978).
Die Karyotypisierung ist bei Seeger et al. (1977) beschrieben. Die Zellinie ist GFAP negativ (Ciccarone et al., 1989). Sie wurde vom ATCC erworben.
 
 
Das Melanom Mel/JuSo
Die Zellinie Mel/JuSo ist humanen Ursprungs und wurde 1993 aus einer Metastase des Melanoms einer 58 Jahre alten Patientin etabliert (Ziegler-Heitbrock et al., 1985).Die Zellinie Mel/JuSo ist GFAP positiv.
 
 
Das Medulloblastom TE671
Die Zellinie TE671 ist humanen Ursprungs und wurde 1986 aus dem Hirntumor einer 6jährigen Patientin mit der Diagnose Medulloblastom etabliert. Der Karyotyp ist bei MORK et al. (1986) beschrieben. Die Zellinie ist NSE positiv. TE671 wurde wie Mel/JuSo vom ATCC erworben.
 
 
Kulturflaschen und Kulturplatten
Die Stammkulturen wurden in 50 cm³ Gewebekulturflaschen (Nunc, Roskilde, Dänemark, Nr. 163371) aus Plastik gehalten.
Für die Versuche wurden 96er- Mikrotiterplatten (Greiner, Nr. 655180) aus Plastik verwendet.
 
 
Zellzüchtung
Die vom ATCC erworbenen Zellen waren in sterilen 1 ml Kryotubes bei -80°C eingefroren und wurden bei Bedarf aufgetaut und unter sterilen Bedingungen in Kulturflaschen mit Nährmedium überführt.
In diesen wurden sie in einem Brutschrank (Heraeus) bei 37°C, 5% CO2 und 95% Luftfeuchtigkeit im offenen System gezüchtet.
Alle zwei bis drei Tage wurde das Medium gewechselt, oder die Zellen gesplittet und im Verhältnis 1:2 bis 1:40, je nach Bedarf, in neue Kulturflaschen überführt.
Das Splitten der Zellen von den Kulturflaschen erfolgte mit Trypsin-EDTA (GIBCOBRL; Nr. 45300-027). Das Enzym wurde mit serumhaltigem Medium inaktiviert.

Für das Aussäen der Zellen auf den 96er Mikrotiterplatten wurde eine Zellsuspension definierter Zellzahl hergestellt. Die Zellzahl wurde mit einer Neubauer Zählkammer ermittelt. Die Suspension wurde dann mit Medium soweit verdünnt, daß je nach Zellinie 2.000 bis 10.000 Zellen pro Vertiefung in 200 µl Medium ausgesät werden konnten.
 
 

Darstellung der Zellstruktur
Zum Studium der Zellstruktur wurden Zellen auf Glaslamellen in Petrischalen ausgesät. Neben Zellen in Zellkulturmedium ohne weitere Zusätze als Kontrolle wurden Zellen in 10 µM/l RA im Medium nach 3 bis 6 Tagen Inkubationszeit mit Haematoxilin-Eosin gefärbt und lichtmikroskopisch ausgewertet. Die Glaslamellen wurden 3 mal mit PBS-A gewaschen und anschließend die Zellen in Bouin`scher Lösung fixiert. Nach einer absteigenden Alkoholreihe (3 mal 96 % und 2 mal 70 %) wurden die Zellen 30 Minuten mit Haemalaun gefärbt und danach 30 Minuten in lauwarmem Wasser gespült. Nach Gegenfärbung mit 0,5%igem Eosin wurden die Zellen mit aufsteigender Alkoholreihe dehydriert und mit Eukitt® eingedeckt.
 
 

Material


Substanzen für die Zellkultur:
 
DMEM (DULBECCOs modified Eagels Medium) DMEM, GIBCOBRL, Nr.41965-039
FCS (hitzeinaktiviertes fetales Kälberserum) Boehringer Mannheim Nr.658175
NCTC 135   Gibco,Karlsruhe, Nr.041-01350
Natriumpyruvat   Gibco,Karlsruhe, Nr.061-5075

 

Substanzen für die Retinsäurelösungen:
 
 
RA (RETINOIC ACID ALL TRANS) Sigma; LOT.:84H0658
DMSO (Zellkultur getestetes DMSO hybri-max) Sigma; D-2650

 

Substanzen für den Mikro-ELISA:
 
 
anti-CD44std (anti-CD44standart Antikörper) Bender; Nr.:BMS113
Peroxidase-Conjugated   DAKO; Nr.:P260
Rabbit Anti_mouse IgG    
ortho-Phenylenediamine   SIGMA; Nr.:P- 1526
BCA Protein Assay Reagent   PIERCE; Nr. 23225

 

Herstellung der Lösungen

Kulturmedium: Dulbecco´s Modified Eagle Medium wurde ergänzt mit:
-FCS, 10%,
-NCTC 135, 10% und
-Natriumpyruvat, 1%.

Das Kulturmedium wurde ohne Antibiotika angesetzt.

Lösungen für den CD44 Mikro-ELISA:
 
 
 
 
 
PBS-A Puffer: In 5 l Aqua dest. wurden gelöst
-40,0 g NaCl (Merck; Nr.6004),
- 1,0 g KCl (Merck; Nr.4936),
- 1,0 g KH2PO4 (Merck; Nr.4873) und
-14,5 g Na2HPO4 (Merck; Nr.6579).
PBS-A, 1% FKS: Dieser Puffer wurde wie der PBS-A Puffer 
hergestellt, mit Zusatz von 1% Kälberserum.
Citratpuffer: In 1 l Aqua dest. wurden 21 g Citronensäure-
Monohydrat (Merck; Nr.K11010344) gelöst und mit 1 N NaOH auf pH 4,5 eingestellt.
1.Antikörper:  Der Anti-CD44standart-Antikörper wurde gemäß Herstellerangaben 1:100 bis 1:50 mit PBS-A verdünnt.
2.Antikörper:  Zu 10 ml PBS-A wurden hinzugefügt
100 µl Peroxidase-konjugated anti-mouse-IgG und 500 µl FCS.
Substratlösung: In 20ml Citratpuffer wurden gelöst
-20 mg ortho-Pehnylenediamin und
-10 µl 30%iges H2O2 (Merck, Nr.822287).
Das H2O2 wird unmittelbar vor Gebrauch der Lösung hinzu gegeben.
 

Herstellung der unterschiedlichen RA- Stammlösungen:
 

Herstellung der Lösung ohne Alkohol:
50 mg RA-Trockensubstanz werden in 1,7 ml DMSO gelöst und mit 164,7 ml Aqua dest. ad 166,4 ml verdünnt, um eine RA Stammlösung von 10-3 mol/l zu erhalten.
 

Ansatz der RA-Stammlösung in Alkohol:
50 mg RA-Trockensubstanz werden in 1,7 ml DMSO gelöst und mit 164,7 ml Ethanol absolut, unvergällt ad 166,4 ml verdünnt, um eine RA-Stammlösung von 10-3mol/l zu erhalten.
 
 
 
 

Methoden zur Bestimmung der CD44 Antigendichte

Mikro-ELISA


Zur Bestimmung der CD44-Antigendichte und zur Beurteilung der Wirkung von Retinsäure auf die CD44-Expression wurde auf den 96er Mikrotiterplatten ein "enzyme-linked-immunosorbent-assay" durchgeführt (Posner et al., 1982; Douillard et al., 1980). Die Kulturdauer der untersuchten Zellen betrug 8 Tage. Jede Zellinie wurde mit definierter Ausgangszellzahl ausgesät.
Die Zellen wurden vor Durchführung des Mikro-ELISA 5 min mit 4°C kaltem Methanol / Aceton 1:1 fixiert (Suter et al., 1980) und nach einer Trockenzeit von mindestens 30 min zweimal mit PBS-A Puffer gewaschen.
Pro Vertiefung wurde dann mit einer 8 Kanal-Finnpipette (Labsystems, Nr.1056120) 50 µl des 1. Antikörpers hinzugegeben. Die 8. Vertiefung jeder Spalte enthielt 50 µl PBS-A Puffer statt des 1. Antikörpers als Negativkontrolle. Die Einwirkzeit des 1. Antikörpers betrug 30 min bei 4°C.
Nach dreimaligem Waschen mit PBS-A/FKS 1% zur Absättigung der unspezifischen Bindungen wurde pro Vertiefung 50 µl des
2. Antikörpers hinzugegeben. Diesen ließ man bei 4°C ebenfalls 30 min einwirken.
Danach erfolgten wieder drei Waschungen mit PBS-A/FKS 1% und schließlich drei mit PBS-A.
Als letztes wurde die Substratlösung hinzugegeben (200 µl / Vertiefung) und nach 30 min bei Raumtemperatur die Extinktion des Farbumschlags im Photometer (Titertek, Multiskan ® MC, Flow Lab., Meckenheim) im dualen Modus bei 450 nm (Filter 1) und 492 nm (Filter 2) gemessen.
 
 

BCA Protein-Assay


Die Bestimmung des Proteingehaltes der Zellen wurde auf 96er Mikrotiterplatten mit BCA (Bicinchoninic acid), einem für Kupferionen hochspezifischen Reagenz, durchgeführt (Smith et al., 1985; Wiechelman et al. 1988). Diese Reaktion ist der Biuret Reaktion ähnlich (Lowry, 1951).
In den Vertiefungen, in denen der Proteingehalt der Zellen bestimmt werden sollte, wurden die Zellen in 30 µl 0,6 N NaOH aufgelöst.
Damit sich die Zellen vollständig in Lösung befanden, wurde die Proteinbestimmung nach frühestens 12 Stunden, in denen die NaOH bei Raumtemperatur auf die Zellen einwirkte, durchgeführt.
Von 30 µl Proteinlösung jeder Probe wurden 10 µl auf eine neue 96er Mikrotiterplatte bei gleicher Plattenbelegung mit einer Mehrkanalpipette überführt. Im gleichen Arbeitsgang wurde der Inhalt jeder Probe gemischt. Die letzte Vertiefung jeder Spalte wurde mit 10 µl Aqua dest. belegt und ging als Leerwert in die Messung ein.
Zu 10 µl Probe wurden 200 µl BCA-Arbeitsreagenz in jede Vertiefung hinzugegeben. Die Inkubationszeit betrug 30 min bei 37°C.
Die Zellzahlbestimmung erfolgte über die Messung der optischen Dichte (OD) bei 540 nm jeder einzelnen Vertiefung und dem Vergleich einer für die Zellzahl erstellten Eichgeraden (1.4.5.).
Der Proteingehalt der Proben konnte durch Vergleich mit einer Eichgeraden, die anhand eines Albumin Standards erstellt wurde, ermittelt werden. Bei jedem Versuch wurde eine Eichgerade anhand des Albumin Standards dargestellt. Der Proteingehalt jeder Vertiefung errechnet sich aus der Steigung der Eichgeraden
y = mx + b wie folgt:
 


m = Steigung der Geradengleichung
b = y-Achsenabschnitt

(Gleichung 1)

Die Leerwerte mußten vor dieser Berechnung von der OD der Proben subtrahiert werden.
Der Arbeitsplan und die verwendeten Mengen entsprechen den Herstellerangaben (Pierce, Nr. 23225).
 
 

Korrelation von Zellzahl und optischer Dichte (OD) im CD44-Mikro-ELISA
Für die Untersuchung der Korrelation zwischen Zellzahl und optischer Dichte wurden Verdünnungsreihen einer Zellsuspension definierter Zellzahl auf 96er Mikrotiterplatten hergestellt, so daß die Zellsuspension der ersten Spalte 400.000 Zellen pro Vertiefung in 200 µl Medium enthielt und die der zwölften Spalte 195 Zellen pro Vertiefung in 200 µl Medium.
Dazu wurden aus 200 µl Zellsuspension der ersten Vertiefungen mit 800.000 Zellen die Hälfte in 100 µl Medium der Vertiefungen der zweiten Spalte pipettiert. (Die Vertiefungen der ersten Spalte wurden mit 100 µl Medium aufgefüllt.) Dann wieder die Hälfte der Zellsuspension aus der zweiten in die dritte Spalte überführt. So entstanden Verdünnungsreihen der Zellsuspensionen von der ersten bis zur letzten Spalte mit Verdünnungsschritten im Verhältnis 1:1 in jeweils 200 µl Medium.
Die Verdünnungsreihen wurden direkt auf den 96er Mikrotiter­platten mit einer 8 Kanal-Finnpipette durchgeführt.
Nach 12 Stunden Bebrütung wurden die Zellen auf den Platten fixiert und in Bezug auf ihre optische Dichte im CD44 Mikro-ELISA beschrieben.
Die zugehörigen Graphiken und Tabellen sind als Beispiele für die Zellinien SK-N-SH und 87 HG-31 unter 1.4.5. beschrieben.
 
 
Korrelation von Zellzahl und optischer Dichte (OD) im BCA Proliferations-Assay
Die Zellen des unter 1.4.3. beschriebenen Experimentes wurden in 0,6 N NaOH gelöst und bei gleicher Plattenbelegung auf neuen Mikrotiterplatten im BCA Protein-Assay bezüglich ihrer optischen Dichte beschrieben (1.4.5.).
 
 
Validität des CD44-Mikro-ELISA und des BCA Protein-Assay
Die Korrelation von Zellzahl und der OD für die CD44-Expression wird für die Neuroblastomzellinie SK-N-SH und die Gliomzellinie 87 HG-31 als Beispiel dargestellt. Für die anderen Zellinien ließen sich sehr ähnliche Kurvenverläufe ermitteln, die hier nicht gezeigt werden. Für genannte Zellinien zeigt sich eine hohe Korrelation zwischen Zellzahl und im Protein-Assay ermittelter OD (Abb. 2 und 3).
Die Kulturdauer betrug 12 Stunden und die Zellen wurden in zweier Verdünnungsschritten von 195 bis 400.000 Zellen pro Vertiefung ausgesät. Der Protein-Assay wurde vom Probenmaterial der gleichen Vertiefungen wie das CD44-ELISA auf neuen Platten erstellt.
Die Qualität der Korrelation drückt sich im Korrelationskoeffizienten ( r ) und dessen Signifikanz ( P ) aus. Die Parameter der Regressionsanalyse sind der Tabelle 2 mit den Korrelationsgleichungen (r > 0,97; P < 0,0000001) und der OD-Entwicklung bei unterschiedlicher Zellzahl für beide Assay-Systeme zu entnehmen.
 
 

Zellinie
 
Korrelationsgleichung ( y= b + mx ) im 
a) BCA-Proliferations-Assay
b) CD44 Mikro-ELISA

OD-Entwicklung von 
195 bis 400000 ZZ/Vertiefung
87 HG - 31 a) y = 0,1077(+/-0,0037) + 0,00201(+/-2,81E-05) x 0,098 - 0,905 
b) y = 0,0812 + 0,0741 Ln(x) 0,013 - 0,484 
SK-N-SH a) y = 0,0737(+/-0,0043) + 0,00172(+/-3,20E-05) x 0,076 - 0,766 
b) y = 0,0802 + 0,087 Ln(x) 0,033 - 0,596 

Tab. 2: Regressionsanalyse der Entwicklung von Zellzahl und OD für BCA-Proliferations-Assay und CD44 Mikro-ELISA bei 87 HG-31- und SK-N-SH- Zellen.
 

Aus den Gleichungen in Tabelle 2 a) ( y = b + mx) läßt sich bei bekannter optischer Dichte die Zellzahl errechnen:
 


 
 

(Gleichung 2)

Aus den Gleichungen in Tabelle 1 b) (y = b + m Ln(x)) läßt sich analog die theoretische optische Dichte der CD44-Expression aus der Zellzahl errechnen, wenn man die Zellzahl für x einsetzt.
 

Theoretische OD = b + m Ln ( Zellzahl aus Gl. 2 )
 
 

(Gleichung 3)

Abb. 2: Regressionsanalyse der Entwicklung von Zellzahl und OD an 87 HG-31- Zellen
A) BCA-Proliferations-Assay
B) CD44 Mikro-ELISA

Abb. 3: Regressionsanalyse der Entwicklung von Zellzahl und OD an SK-N-SH- Zellen
A) BCA-Proliferations-Assay
B) CD44 Mikro-ELISA

 
 
Vorexperimente zur Ermittlung der optimalen Kulturbedingungen
Die Zellzahl pro Vertiefung auf den 96er Mikrotiterplatten wurde für die Versuche so gewählt, daß nach 6 bis 8 Tagen Bebrütung ein subkonfluenter Zellrasen entstand. Vorexperimente zur Ermittlung der optimalen Zellzahl wurden lichtmikroskopisch ausgewertet. Der Boden der Vertiefungen sollte dabei nach 8 Tagen so bewachsen sein, daß weder Lücken im Zellrasen, noch zu viele vom Boden gelöste oder übereinander wachsende Zellen zu beobachten waren.
 
 
Behandlung der Zellen mit Hyaluronidase
Um eine möglicherweise bestehende Maskierung des Oberflächenantigenes CD44 durch die im Zellstoffechsel entstehende Hyaluronsäuren aufzudecken (Knudson und Knudson, 1991), wurden in einigen Versuchen die Zellen vor dem CD44 Mikro-ELISA mit Hyaluronidase (Sigma; H-3884) (Asher und Bignami, 1992) angedaut. Dazu wurde die Hyalunronidase-Stammlösung (50 mg Hyaluronidase in 1 ml PBS-A) 1:100 mit serumfreiem Medium verdünnt und nachdem das Medium aller zum Versuch gehörenden Vertiefungen abgesaugt war, am 8. Versuchstag zu den Zellen hinzugegeben (100 µl/Vertiefung). Nach einer Inkubationszeit von 3 Sunden bei 37°C, 5% CO2 und 95% Luftfeuchtigkeit wurde das hyaluronidasehaltige Medium abgesaugt und die Vertiefungen 3 mal mit Medium, welches 2% Serum enthielt, gewaschen. Danach wurden die Zellen mit Methanol/Aceton fixiert und im CD44 Mikro-ELISA ausgewertet. Die Plattenbelegung entsprach derjenigen der anderen Versuche (Vgl. 1.5.1.), wobei die untere Hälfte der Platten (Reihe D - H) mit Hyaluronidase behandelt wurde.
 
 
 
 

Versuchsaufbau

Plattenbelegung und Titration der Retinsäure


Zu jedem Versuch gehörten zwei 96er Mikrotiterplatten (Greiner), auf denen die zu untersuchenden Zellen 8 Tage im Brutschrank im offenen System bei 37°C, 5% CO2 und 95% Luftfeuchtigkeit gezüchtet wurden. Die Zellen jeder Vertiefung befanden sich in 200 µl Medium. Die Ausgangszellzahl betrug je nach Zellinie 2.000 bis 10.000 pro Vertiefung. Auf einer Platte befanden sich jeweils Zellen, die nur in Nährmedium wuchsen, als Kontrolle und Zellen in Medium mit RA-Zusatz.

Die Platten wurden wie folgt belegt:

Auf einer Platte befanden sich in zwei Spalten mit je 8 Vertiefungen die Kontrollen ohne RA. Die 16 Vertiefungen weiterer zwei Spalten enthielten Medium mit einer Konzentration von 10-5 M/l RA. Und weitere zwei Spalten enthielten pro Vertiefung 10-6 M/l RA im Medium. Zwischen den belegten Spalten konnte eine Spalte frei gelassen werden.
Die Zellen jeder Vertiefung wuchsen in 200 µl Nährmedium.
Von den beiden Kontrollspalten der anderen Platte enthielt bei Experimenten mit in Alkohol gelöster RA-Stammlösung die eine Spalte einen Zusatz von 1% Alkohol.
Die Belegung war die gleiche wie bei der zuerst beschriebenen Platte mit 10-7 statt 10-5 und 10-8 statt 10-6 M/l RA in je 200 µl Medium.
Die RA-Verdünnungsreihe wurde in Petri-Schalen titriert: 100 µl der RA-Stammlösung(10-3 M/l RA) wurden zu Nährmedium ad 10ml gegeben, so daß eine Lösung mit 10-5 M/l RA entstand. Für Medium mit einer RA-Konzentration von 10-6 M/l wurden 10 µl der RA-Stammlösung ad 10ml Nährmedium gegeben. Aus der 10-6 molaren RA-Lösung wurde 1 ml zu 9 ml Medium für die Lösung mit 10-7 M/l RA gegeben. Entsprechend wurde die Lösung mit 10-8 M/l RA titriert. Es wurde darauf geachtet, daß die Nährlösungen mit RA nur kurze Zeit dem Licht ausgesetzt waren, da RA lichtempfindlich ist. Direkte Tageslichtbestrahlung wurde vermieden.
Die Einwirkzeit der RA betrug in allen Versuchen 8 Tage im Inkubator bei 37°C, 5% CO2 und 95% Luftfeuchtigkeit im offenen System.

Das BCA Protein-Assay wurde bei gleicher Plattenbelegung auf zwei neuen 96er Mikrotiterplatten durchgeführt. Die letzte Vertiefung enthielt 10 µl Aqua dest. statt der 10 µl Probenmaterial und ging als Leerwert in die Messung ein.
 
 

Vergleich von in Wasser mit in Alkohol gelöster Retinsäure
Hierzu wurden in einem Experiment mit vier 96er Mikrotiterplatten unterschiedliche Retinsäurelösungen getestet, deren Stammlösung zum einen in Wasser und zum anderen in Alkohol gelöst waren. Jeweils die obere Hälfte einer zum Versuch gehörenden Platte wurde mit alkoholfreier RA-Stammlösung bestückt. Es wurden RA-Verdünnungsreihen titriert (10-5 bis 10-8 M/l RA) und bei gleicher Plattenbelegung wie bei den übrigen Versuchen (1.5.1.) photometrisch ausgewertet.
 
 
Ermittlung der optimalen Antikörper-Verdünnung
Vor Verwendung einer neuen Charge des Antikörpers anti-CD44std (Bender, BMS113), wurde die optimale Antikörperverdünnung an der Zellinie 85 HG-63 getestet.
Dazu wurden auf einer 96er Mikrotiterplatte 5.000 Zellen pro Vertiefung in 200 µl Nährmedium 72 Stunden im Brutschrank bebrütet. Bei der Durchführung des CD44 Mikro-ELISA wurden Antikörperverdünnungen von 1:50 bis 1:500 auf die optische Dichte hin mit den Leerwerten ohne ersten Antikörper verglichen. Bei den Experimenten wurde dann mit der höchsten Verdünnung gearbeitet, bei der sich Probe und Leerwert um mindestens das dreifache unterschieden.
 
Plattenbelegung zur Untersuchung der Wirkung von Hyaluronidase
Die unter 1.5.1. beschriebene Plattenbelegung und Titration der Retinsäure wurde übernommen, wobei die untere Hälfte der zum Versuch gehörenden Platten (Reihe E-H) mit Hyaluronidase vorbehandelt wurde.
 
Ermittlung der Zellzahlen
Die Ausgangszellzahlen in den Experimenten wurden mit einer Neubauer Zählkammer lichtoptisch ermittelt. Die Zellzahlen am 8. Versuchstag wurden aus den zugehörigen Regressionsgeraden des BCA-Protein-Assays über die dort gemessenen OD ermittelt (1.4.5.).
 
 
Berechnung der optischen Dichte von CD44 aus der Ausgangszellzahl
Um in den Versuchen die OD CD44 nach 8 Tagen mit der OD CD44 der Zellen am 1. Versuchstag vergleichen zu können, mußte die OD CD44 an Tag 1 aus der Regressionsgeraden einer unter 1.4.5. beschriebenen Versuchsreihe über die mit der Neubauer Zählkammer ermittelte Ausgangszellzahl errechnet werden (Gleichung 3). Die OD der Kontrolle am 8. Versuchstag wurde auf die gleiche Regressionsgerade bezogen. Die OD unter RA-Einfluß am 8. Versuchstag wurde zu dem Kontrollwert in Verhältnis gesetzt (Vgl. Abb. 5, 11 und 18).
 
CD44-Expression und Zellzahl
Um die CD44-Expression unabhängig von der Zellzahl zu ermitteln, wurde in jeder untersuchten Vertiefung die optische Dichte im BCA Protein-Assay ermittelt. Außerdem wurde die CD44-Expression auf die Zellzahl bezogen beschrieben. Die Korrelation von Zellzahl und optischer Dichte des CD44-ELISA und für das BCA Protein-Assay ist unter 1.4.5. beschrieben.
 
 

Statistik

Um die Korrelation von Zellzahl und optischer Dichte in den Assays zu überprüfen, wurde der Korrelationskoeffizient der linearen Regressionsgeraden ermittelt (Analysefunktion von Microsoft, EXCEL).
Die statistische Signifikanz der unterschiedlich starken CD44-Expression zwischen Kontrollen ohne RA und Zellen, auf die10-5 M/l RA für 8 Tage einwirkte, wurde mit dem Zweistichproben t-Test gleicher Varianzen geprüft. Die auf Normalverteilung geprüften Werte wurden zuvor mit dem F-Test auf gleiche Varianzen überprüft (Analysefunktionen von Microsoft, EXCEL).
Um einen Zusammenhang von CD44-Expression und der Konzen­tration der RA zu überprüfen, wurde die Korrelation von RA-Konzentration und optischer Dichte im CD44 Mikro-ELISA durch Ermittlung des Korrelationskoeffizienten der linearen Regressionsgeraden ermittelt. Auf gleiche Weise wurde der Einfluß der Retinsäure auf den Proteingehalt getestet. Es wurden Dosis-Wirkungskurven dargestellt (Analysefunktionen und Trendlinie von Microsoft, EXCEL).

Systematische Unterschiede zwischen den Ergebnissen auf verschiedenen Platten eines Versuches wurden gegebenenfalls bei den Dosis- Wirkungskurven über die Differenz der Kontrollen angeglichen.
 

Ergebnisse

 

Charakterisierung der Zellen

Morphologie der Zellen ohne RA
(a) Die Neurobalstomzellen (SK-N-SH) stellten sich lichtmikroskopisch als undifferenzierte, kleine runde Zellen mit kurzen, sehr feinen, neuritenähnlichen Fortsätzen dar (Abb. 8). In den ersten 3 - 6 Passagen nach dem Auftauen waren außerdem noch größere zytoplasmareiche und eher dendritische Zellen erkennbar, die nach weiteren Passagen verschwanden.

(b) Die Zellen der in Kultur wachsenden Gliome boten ein sehr heterogenes Bild: Das Spektrum reichte von kleinen runden Zellen mit wenig Zytoplasmaausläufern (85 HG-66/T6) über bipolare, lang ausgestreckte, schlanke Zellen (87 HG-31 [Abb. 15 A], 88 HG-14) bis zu Zellen mit vielen Zytoplasmaausläufern (85 HG-63, 86 HG-39 und 87 HG-28).

(c) Die Medulloblastomzellen (TE671) erschienen zytoplasmareich und hatten zwei bis drei polar gelegene Fortsätze.

(d) Das Melanom (Mel/JuSo) wirkte mit großen Zellkernen und kurzen Fortsätzen undifferenziert. Die einzelnen Zellen wiesen beträchtliche Größenunterschiede auf. Melanin war lichtoptisch nicht nachweisbar.
 
 

Die CD44-Expression der untersuchten Zellen
Um abzuschätzen, ob die untersuchten Zellen das Oberflächenantigen CD44 exprimieren, wurden im CD44 Mikro-ELISA die OD der Kontrollen mit den Leerwerten ohne ersten Antikörper verglichen. Dabei zeigte sich, daß bei Neuroblastomzellen und bei Gliomzellen der Wert der optischen Dichte bei den Proben um 3 bis 5fach höher war als bei den Leerwerten ohne 1. Antikörper. Die Werte der Proben der Medulloblastom- und der Gliomzellen waren nur etwa doppelt so hoch wie die der Leerwerte (Anhang, Tab. I u. II).
 
 
Die Wirkung von Alkohol auf die Zellen
Bei Experimenten, für die in Alkohol gelöste Retinsäure verwendet wurde, mußte der Einfluß von Alkohol auf das Wachstum und die CD44-Expression abgeschätzt werden. Hierzu wurden zwei Kontrollreihen angelegt: Kontrollen ohne RA einer 96er Mikrotiterplatte (n = 8) und Kontrollen, die 1 % Alkohol im RA-freien Medium enthielten (n = 8). Diese wurden miteinander verglichen.
Bei den Gliomzellinien, dem Medulloblastom und dem Melanom gab es zwischen den optischen Dichten beider Kontrollreihen für das CD44 Mikro-ELISA und das BCA Protein-Assay keine signifikanten Unterschiede. (Kontrollen ohne Alkohol gegenüber Kontrollen mit 1% Alkohol +/- 5 %; P > 0,213 in drei Versuchen).
Bei der Neuroblastomzellinie war eine gering signifikante Abnahme der optischen Dichten um 11 % in den Kontrollreihen mit 1% Alkohol gegenüber den Kontrollen ohne Alkohol darstellbar. Die Abnahme der OD um 11% war sowohl im CD44 Mikro-ELISA als auch im BCA Protein-Assay darstellbar (Im CD44 Mikro-ELISA: P = 0,009; Im BCA Protein-Assay: P = 0,046) (Anhang, Tab. III u. IV).
 
 
Vergleich von Retinsäure-Stammlösungen in Wasser oder Alkohol
Um den Einfluß von Alkohol auf die Experimente auszuschließen, wurden bei allen Tumorzellen Versuche mit in Wasser gelöster Retinsäure durchgeführt.
An der Neuroblasomzellinie SK-N-SH wurde untersucht, ob in Wasser gelöste Retinsäure zu anderen Ergebnissen führt, als in Alkohol gelöste. Im dargestellten Experiment führen beide RA-Ansätze nach 8 Tagen Inkubationszeit zu etwa gleichen Ergebnissen: Die OD im CD44-ELISA steigt um etwa 37% und der Proteingehalt nimmt um ca. 20% zu. Bei beiden Ansätzen führt die Erhöhung der RA-Konzentration gleichermaßen proportional zur Zunahme der OD im CD44 Mikro-ELISA und des Proteingehaltes (Abb. 4).
 
 
Abb. 4: Bei SK-N-SH Zellen führen steigende RA-Konzentrationen zur Zunahme der CD44-Expression (OD) und des Proteingehaltes. Dies ist sowohl mit in Alkohol gelöster (Alkohol) als auch mit in destilliertem Wasser gelöster (Aqua dest.) RA-Stammlösung reproduzierbar.

 

Einfluß der Retinsäure auf die CD44-Expression und die Proliferation von Neuroblastomzellen (Zellinie SK-N-SH)

Der Einfluß nach 8 Tagen
Bei der Neuroblastomzellinie läßt sich unter Einfluß von 10 µM/l RA nach 8 Tagen ein Anstieg der OD im CD44 Mikro-ELISA von 38%, 59% und 73% gegenüber der OD der RA-freien Kontrolle in drei voneinander unabhängigen Experimenten darstellen (p < 0,000001) (Abb. 5 B). Je höher die RA-Konzentration war, desto höher war der OD Wert. Der OD Anstieg verlief logarrithmisch. Der Effekt war titrierbar (Abb. 6). Es wurde in DMSO/Aqua dest. gelöste RA verwendet.
Die Zellproliferation ist unter RA-Einfluß gegenüber der Kontrolle geringfügig gesteigert (12-15%; p = 0,0035 bis 0,1, oder nicht signifikant: p = 0,204) (Abb. 5 A). Der Effekt war nicht titrierbar ( p > 0,3 ).
Abb. 5: Der Einfluß von 10 µM/l RA auf Zellzahl (ZZ) und CD44-Expression bei der Neuroblastomzellinie SK-N-SH.
A) Aus dem BCA-Protein-Assay ermittelte Zellzahl
B) Im CD44 Mikro-ELISA ermittelte optische Dichte (OD)

 
 
Titrierbarkeit des Effektes der RA


Die Retinsäure wurde in Konzentrationen von 0,01 bis 10 µM/l eingesetzt und daraufhin untersucht, ob sich auf die CD44-Expression bezogen eine Dosis-Wirkungskurve darstellen läßt.
Aus den Ergebnissen von drei Versuchen läßt sich eine konzentrationsabhängige Zunahme der OD im CD44 Mikro-ELISA ableiten (Abb. 6, Tab. V).
Der Korrelationskoeffizient ( r ) der Regressionsgeraden beträgt im dargestellten Versuch r = 0,81 bei 64 Beobachtungen und ist hoch signifikant (p < 1E-15).
Auch die hier nicht dargestellten Ergebnisse der anderen Versuche waren hoch signifikant (p < 1E-12). Die Entwicklung der Zellzahl blieb in der Darstellung unberücksichtigt.

Kein Versuch zeigte eine signifikante Abhängigkeit der Zellproliferation von der RA-Konzentration. Im dargestellten Versuch betrug der Korrelationskoeffizient der Dosis-Wirkungskurve r = 0,28 bei 64 Beobachtungen und p = 0,025 .
Dargestellt ist der Versuch mit der höchsten beobachtbaren Singnifikanz der drei durchgeführten Versuche (Abb. 7).
Abb. 6: Die CD44-Expression der Neuroblastomzellinie SK-N-SH steigt mit Zunahme der RA-Konzentration, gemessen am 8. Versuchstag (CD44 Mikro-ELISA).

Abb. 7: Steigende Konzentrationen von RA hatten keinen signifikanten Einfluß auf die Proliferation von Neuroblastomzellen (OD) (BCA Protein-Assay; Tag 8).

 

Der Einfluß auf die Zellstruktur
Auf den 96er Mikrotiterplatten ließ sich lichtmikroskopisch nach 3 bis 6 Tagen gegenüber der RA-freien Kontrolle schon bei geringen RA-Konzentrationen (0,1 µM/l ) eine Zunahme der Zellgröße beobachten.
Die Zellen wuchsen in ihren Vertiefungen dichter als die in Vertiefungen ohne RA . Während die Zellen in der RA-freien Kontrolle ungeordnet und teilweise übereinander wuchsen, erschien der Zellbewuchs unter RA-Einfluß wie ein Monolayer.
Die Zellen unter RA-Einfluß wiesen mit ihren längeren Zellausläufern eine eher dendritische Struktur auf, als die der Kontrolle. Die Kern-Plasma-Relation schien zugunsten des Palasmas verschoben. Mitosen waren weniger zu beobachten (Abb. 8 und 9.).
 

Abb. 8: Die Neuroblastomzellen (SK-N-SH) wuchsen nach 5 Tagen in RA-freiem Medium als kleine runde Zellen ohne Zellausläufer mit großen Zellkernen und schmalem Zytoplasmasaum (Fbg. X40)

 

Abb. 9: Neuroblastomzellen (SK-N-SH) nach 5tägiger Bebrütung in Medium mit 10 µM/l RA. Gegenüber den Kontrollzellen sind hier neuritenähnliche Fortsätze und eine zugunsten des Plasmas verschobene Kern-Plasma-Relation zu erkennen. (Fbg. X40).

 
 

Einfluß der Retinsäure auf die CD44-Expression und die Proliferation von Gliomzellen

 
CD44-Expression 8 Tage nach Beginn der RA-Behandlung
Bei keiner der Gliomzellinien ließ sich unter Einfluß von 10 µM/l RA nach 8 Tagen ein signifikanter Anstieg der OD im CD44 Mikro-ELISA nachweisen. Es war kein titrierbarer Effekt der RA darstellbar (Abb. 10).
Die Zellinie 88 HG-14 ließ zwar in einem Experiment einen Anstieg der OD um 21 % erkennen (p = 0,001), doch ließ sich dieses Ergebnis nicht reproduzieren.
Die Zellinien 86 HG-39 und 85 HG-63 blieben von RA unbeeinflußt (OD-Veränderungen < 5 %; p > 0,3).
Bei den Zellinien 87 HG-28 und 85 HG-66T6 war sogar eine geringe Abnahme der OD CD44 meßbar (ca.15 %; p = 0,001 - 0,25).
Die Zellinie 87 HG-31 wies in allen Versuchen eine signifikante Abnahme der OD CD44 um 20 - 28 % auf. P < 0,00001
Die Mittelwerte der OD des CD44 Mikro-ELISA aus drei Versuchen pro Gliomzellinie sind in der Tabelle VI dargestellt.
Es wurden auch Experimente nach 6 und 10 Tagen ausgewertet, die zu keinen anderen Ergebnissen führten. Die Ergebnisse der Proteinbestimmung blieben hierbei noch unberücksichtigt.
Abb. 10: Bei keiner Gliomzellinie konnte die CD44-Expression durch Erhöhung der RA-Konzentration gesteigert werden (CD44 Mikro-ELISA; 8 Tage Inkubationszeit)

 
 
Zellproliferation nach 8 Tagen RA-Behandlung
Bezüglich der Zellproliferation reagiert die Gruppe der Gliome unterschiedlich auf 8-tägige RA-Exposition: Die 87 HG-31-Zellen wuchsen unter RA-Einfluß deutlich langsamer, so daß sich nach 8 Tagen in Vertiefungen mit 10 µM/l RA 62 % weniger Zellen befanden als in den Vertiefungen der Kontrolle. P < 0,0000001.
Das Wachstum der Zellinien 85 HG-63, 85 HG-66/T6 und 86 HG-39 blieb bis Tag 8 um 37, 33 und 31 % zurück. Signifikanz: 0,0008 < p > 2,0 E-09.
Alle Ergebnisse entstammen drei voneinander unabhängigen Versuchen je Zellinie. Die Zellzahl wurde nach der unter 1.4.5. beschriebenen Formel berechnet. Bei den Zellinien 87 HG-28 und 88 HG-14 sind die Veränderungen insgesamt gering um +/- 5 % bei geringer oder gar keiner Signifikanz (P = 0,0022 - 0,44) (Abb. 11 und Tab. VIII).
Abb. 11: Einfluß von RA auf die Zellzahl bei Gliomzellinien. Bei vier Zellinien ist ein deutlicher Proliferationsrückgang unter Einfluß von RA erkennbar (BCA Protein-Assay).

 
 
 
Der Einfluß der RA-Behandlung auf den Proteingehalt
Der Proteingehalt der Zellen in ihren Vertiefungen 8 Tage nach Behandlungsbeginn verhielt sich entsprechend der optischen Dichte aus dem BCA Protein-Assay genauso wie die errechnete Zellzahl. Es läßt sich bei den Gliomzellinien 85 HG-63, 87 HG-31, 86 HG-39 und 85 HG-66/T6 eine Abnahme des Proteingehaltes in den Vertiefungen darstellen, die zur Retinsäurekonzentration umgekehrt proportional verläuft. Auf die Zellinien 88 HG-14 und 87 HG-28 hatte die RA keinen Effekt (Abb. 12). Die Signifikanz dieser Ergebnisse entspricht der Signifikanz der Zellzahlentwicklung (Tab. VII).
 

Abb. 12: Der Einfluß von steigenden RA-Konzentrationen auf den Proteingehalt von Gliomzellen nach 8 Tagen (BCA Protein-Assay). Bei den Gliomzellinien 85 HG-63, 87 HG-31, 86 HG-39 und 85 HG-66/T6 ist eine deutliche Abnahme des Proteingehaltes bei höheren RA-Konzentrationen zu erkennen.

 

Titrierbarkeit des Effektes der RA
Die Wirkung der RA auf die Zellproliferation von Gliomzellen ist bei den Zellinien 85 HG-63, 87 HG-31, 86 HG-39 und 85 HG-66/T6 titrierbar. Das heißt, daß mit steigender RA-Konzentration der Proteingehalt (oder die Zellzahl) abnimmt. So lassen sich die im Protein-Assay ermittelten OD als Dosis-Wirkungskurve für 87 HG-31-Zellen darstellen (Abb. 13).
Tabelle 3 gibt die zugehörenden Korrelationskoeffizienten und die Signifikanz der Regressionsgeraden der anderen Gliomzellinien wieder. Nicht dargestellt wurden die Ergebnisse der Zellinien 88 HG-14 und 87 HG-28, die keine Korrelation zwischen RA-Konzentration und der OD im BCA Protein-Assay aufwiesen.
 

Abb. 13: Einfluß der RA (0,01 - 10 µM/l)auf die Proliferation von 87 HG-31-Zellen (BCA Protein-Assay; Tag 8). Mit steigenden RA-Konzentrationen ist eine deutliche Abnahme der Proliferation erkennbar.

 
Zellinie Regresssionsgerade Beobachtungen Korrelationskoeffizient P
87 HG - 31 y= -0,0173 Ln(x) + 0,2003  40 - 56  0,8104 - 0,9216  < 1,5E-13 
85 HG-63  y= -0,0132 Ln(x) + 0,4178  52 - 56  0,5508 - 0,7899  < 1,8E-05 
86 HG-39  y= -0,0085 Ln(x) + 0,2687  48 - 56  0,6015 - 0,6499  < 1,8E-06 
85 HG-66/T6  y= -0,01    Ln(x) + 0,2705  56  0,7060 - 0,8962  < 1,0E-09 
Tab. 3: Regressionsanalyse der Entwicklung der OD im BCA Protein-Assay bei steigender RA-Konzentration (0,01 - 10 µM/l) für Gliomzellinien (Regressionsgraden je eines Versuches, Korrelationskoeffizienten und P aus 3 Versuchen). 

 

Die CD44-Expression und der Proteingehalt von Gliomzellen nach Hyaluronidase-Behandlung
Da Gliomzellen Hyaluronsäuren sezernieren können, und diese möglicherweise das Oberflächenantigen CD44 maskieren, wurde bei einigen Gliomzellen vor der Durchführung des CD44 Mikro-ELISA und des BCA Protein-Assay eine Vorbehandlung der Zellen mit dem Enzym Hyaluronidase durchgeführt. Dabei konnte zwischen Zellen, die mit Hyaluronidase vorbehandelt wurden und unbehandelten Zellen bezüglich der CD44-Expression kein signifikanter Unterschied festgestellt werden (Abb. 14 A und B).
Ein geringfügig höherer Proteingehalt in Vertiefungen nach Enzymbehandlung ist durch den Proteingehalt des Enzymes (0,5 mg/ml) zu erklären, der auch nach den Waschungen mit PBS-A noch in Resten vorhanden gewesen sein müßte, da das Waschen unfixierter Zellen sehr vorsichtig durchgeführt wurde, damit sie sich nicht vom Boden der Vertiefungen lösten.
 
 

A)

B)
Abb. 14: Gliomzellen, die vor der Auswertung mit Hyaluronidase behandelt wurden, erbrachten die gleichen Ergebnisse wie ohne Vorbehandlung (nach 8tägige Bebrütung).
A) OD im CD44 Mikro-ELISA
B) Proteingehalt im BCA Protein-Assay ermittelt.

 
 

Retinsäure und Zellstruktur
Bei den Zellinien 87 HG-31, 85 HG-63, 86 HG-39 und 85 HG-66/T6 war lichtmikroskopisch in den Vertiefungen der Mikrotiterplatten ab dem 5. Bis 6. Versuchstag der Wachstumsrückstand unter RA-Einfluß gegenüber den Kontrollen zu beobachten. Ein solcher Effekt war bei 88 HG-14-Zellen in geringerem Maße und bei 87 HG-28-Zellen gar nicht zu beobachten. Eine differenzierte lichtmikroskopische Auswertung der Gliomzellen auf Glaslamellen nach HE-Färbung ließ nur in geringem Maße Schlüsse auf strukturelle Veränderungen zu. Auf die Anzahl der lichtmikroskopisch beobachtbaren Mitosen schien die RA keinen Einfluß zu haben.
 

A B
Abb. 15: Astrozytom 87 HG-31 nach 5tägiger Kultivation in Medium ohne RA (A) und mit RA (B). Wesentliche strukturelle Unterschiede sind nicht zu beobachten. 

 
 

Einfluß der Retinsäure auf die CD44-Expression und die Proliferation von Medulloblastom- und Melanomzellen

 
CD44-Expression und Proteingehalt 8 Tage nach RA-Behandlungsbeginn


TE671
Bei der Medulloblastomzellinie TE671 läßt sich unter Einfluß von 10 µM/l RA nach 8 Tagen eine Abnahme der OD im CD44 Mikro-ELISA von ca. 21% gegenüber der OD der RA-freien Kontrollen in drei voneinander unabhängigen Experimenten darstellen.
Vergleicht man die Ergebnisse von 10 µM/l RA mit denen der Kontrollen, ergeben sich Signifikanzwerte für p < 0,00001.
Der Proteingehalt verhält sich bei dieser Zellinie ähnlich und ist in den einzelnen Vertiefungen bei 10 µM/l RA gegenüber den Kontrollen im Mittel um 22 % geringer. P = 0,01 - 2,5E-10 (Abb. 16 und 17).
Alle Effekte auf die CD44-Expression und den Proteingehalt sind titrierbar. Es lassen sich Dosis-Wirkungskurven errechnen, deren Korrelationkoeffizienten alle größer als die kritischen Werte sind (n > 40; r > 0,52; p = 0,00026 - 6,5E-7). Die Ergebnisse sind hier nicht dargestellt.

Mel/JuSo
Die Melanomzellinie Mel/JuSo läßt nach 8 Tagen unter RA-Einfluß eine geringe Abnahme der OD im CD44 Mikro-ELISA von im Mittel 10 % gegenüber den RA-freien Kontrollen erkennen (p = 0,045 - 0,216).
Auf den Proteingehalt hat Retinsäure keinen signifikanten Einfluß: P > 0,396
Der Effekt auf die CD44-Expression war nicht titrierbar. Es ließen sich keine signifikanten Ergebnisse erzielen. Die Regressionsanalyse der Dosis-Wirkungskurven aus drei Versuchen hatte folgende Parameter: n = 56; r < 0,2; p > 0,168 (Abb. 16 und 17).


 
Abb. 16: Nach 8tägiger Kultivation nahm die CD44-Expression von Medulloblastomzellen (TE671) und Melanomzellen (Mel/JuSo) unter RA-Einfluß ab (CD44 Mikro-ELISA). 


 
Abb. 17: Bei höheren RA-Konzentrationen nimmt der Proteingehalt bei Medulloblastomzellen (TE671) nach 8tägiger Bebrütung ab, bei Melanomzellen (Mel/JuSo) bleibt er annähernd gleich (BCA Protein-Assay). 

 
 

Die Zellproliferation am 8. RA-Behandlungstag
Am 8. Versuchstag wurde die im BCA Protein-Assay ermittelte Zellzahl mit der Ausgangszellzahl mit und ohne RA-Exposition (10 µM/l) verglichen. Dabei ist bei dem Medulloblastom (TE671) gegenüber der Kontrolle eine um 21 % geringere Zellzahl ermittelt worden (P = 0,01 - 5E-11) (Abb. 18).
Ein signifikanter Einfluß auf die Zellzahl ist bei der Melanomzellinie Mel/JuSo nicht erkennbar (p > 0,396) (Abb. 18). Bei einem Versuch nahm die Zellzahl bei 10 µM/l RA um ca. 10% ab (p = 0,001), dieses Ergebnis ließ sich allerdings nicht reproduzieren.
 

Abb. 18: Einfluß von RA auf die Zellzahl am 8. Behandlungstag bei Medulloblastomzellen (TE671) und Melanomzellen (Mel/JuSo). Im Vergleich zu den Kontrollen ist ein signifikanter Proliferationsrückgang unter RA-Einfluß nur bei den Medulloblastomzellen, hingegen nicht bei den Malanomzellen objektivierbar. 

 
 
 
Zellstruktur von Medulloblastom- und Melanomzellen unter RA-Behandlung


Die TE671-Zellen ließen unter RA-Einfluß keine strukturellen Veränderungen erkennen. Lichtmikroskopisch ließ sich eine höhere Wuchsdichte des Zellrasens in Abwesenheit von RA beobachten. Auch an der Farbe des Zellkulturmediums, welche durch den Stoffwechsel der Tumorzellen heller wird, als die von unverbrauchtem Medium, kann bei den Zellen unter RA-Einfluß auf ein im Vergleich zu den Kontrollen langsameres Wachstum geschlossen werden.
Bei den Mel/JuSo-Zellen waren lichtmikroskopisch weder strukturelle Veränderungen noch eine Zu- oder Abnahme der Wuchsdichte zu beobachten.
 
 

CD44-Expression und Zellproliferation

 
Die korrigierte CD44-Expression


Die bisher dargestellten Ergebnisse machen deutlich, daß die meisten Zellinien mit und ohne RA unterschiedliche Proliferationsaktivität aufweisen. So ist z.B. die im BCA Protein-Assay meßbare optische Dichte als Maß für Proteingehalt und Zellzahl bei der Gliomzellinie 85 HG-63 unter Einfluß von 10 µM/l RA um im Mittel 26,5 % geringer als die der Kontrolle. Die optische Dichte des CD44 Mikro-ELISA verändert sich dahingegen unter RA-Einfluß kaum (Vgl. 2.3.1.).
Das hieße in diesem Beispiel, daß in Vertiefungen mit wenigen Zellen im Verhältnis mehr CD44 exprimiert würde, als in Vertiefungen mit vielen Zellen.
Da auch zwischen einzelnen Vertiefungen auf den 96er Mikrotiterplatten lichtmikroskopisch feststellbare Unterschiede in der Wuchsdichte der Zellen bestanden, erhebt sich die Forderung, die OD im CD44 Mikro-ELISA als Maß für die CD44-Expression auf die in den Vertiefungen tatsächlich vorhandene Zellmenge zu beziehen.
Um dieser Forderung gerecht zu werden, wurde von allen zu den Versuchen gehörenden Vertiefungen eine Proteinbestimmung (BCA Protein-Assay) durchgeführt, die zum einen den Proteingehalt der Zellen wiedergibt und zum anderen ein zuverlässiges Maß für die Zellzahl ist (Vgl. 1.4.5.).
Es gibt folgende Möglichkeiten, die OD aus dem CD44 Mikro-ELISA auf die Ergebnisse der Proteinbestimmung zu beziehen:
 

  1. Man dividiert die OD aus dem CD44 Mikro-ELISA (OD CD44) direkt durch die im BCA Proliferations-Assay ermittelte OD derselben Vertiefung (Vgl. Abb.20: "OD/OD".), wobei allerdings die Leerwerte und die Eichgerade des Albumin Standards (Vgl. 1.4.2.) der Proteinbestimmung nicht berücksichtigt werden.
  2. Man dividiert die OD CD44 durch den Proteingehalt derselben Vertiefung und erhält die CD44-Expression pro µg/l Zellmasse (Vgl. Abb.20: "OD/µg").
  3. Man bezieht die CD44-Expression auf die Zellzahlen der entsprechenden Vertiefungen, die aus den Eichgeraden von 1.4.5. mit dem Protein-Assay ermittelt wurden (Vgl. Abb. 20: "OD/Zelle").

  4. Diese Berechnungen wurden für alle Zellinien durchgeführt. Dabei wurden jeweils alle Kontrollen aus drei Versuchen mit den Werten unter Einfluß von 10 µM/l RA am 8. Versuchstag verglichen und die jeweiligen Veränderungen in Prozent angegeben (Vgl. Tab. IX u. Abb. 20).

Die genannten Möglichkeiten berücksichtigen allerdings nicht, daß sich Zellzahl und optische Dichte in den beiden Assays unterschiedlich entwickeln: Bei zunehmender Zellzahl steigt die OD im BCA Protein-Assay linear an (Vgl. 1.4.5. Abb. 3 und 4A). im CD44 Mikro-ELISA hingegen logarithmisch (Vgl. 1.4.5. Abb. 3 und 4B ).
Die OD CD44 durch die OD, die Zellzahl oder den Proteingehalt aus dem BCA Protein-Assay zu dividieren, ist also nicht hinreichend, es müssen noch von den beiden Assay-Systemen die unterschiedlichen Kurvenverläufe der auf die Zellzahl bezogenen OD berücksichtigt werden. Um das zu erreichen, bedarf es eines Korrekturfaktors (Vgl. 2.5.2. u. Abb. 21: "+%Korr").
 
 

Der Korrekturfaktor
Vergleicht man, wie schon unter 2.5.1. beschrieben, die Entwicklung der OD im CD44 Mikro-ELISA auf die Zellzahl bezogen mit der Entwicklung der OD im BCA Protein-Assay, zeigen sich unterschiedliche Kurvenverläufe. Die Geradengleichungen dieser Kurven lauten:
 

y = mx + b:
Die Geradengleichung der OD auf die ausgesäte Zellzahl nach 12 Stunden bezogen, beschreibt im BCA Proliferations-Assay einen linearen Verlauf (Vgl. 1.4.5.).
 

y = m Ln(x) + b:
Der Verlauf dieser Geradengleichung im CD44 Mikro-ELISA ist logarithmisch (Vgl. 1.4.5.).
Das bedeutet (unabhängig von der RA-Wirkung), daß z.B. im Bereich zwischen 12.000 und 50.000 Zellen Veränderungen der Zellzahl große Veränderungen der meßbaren OD im CD44 Mikro-ELISA ausmachen, ab 50.000 oder gar 150.000 Zellen hingegen eine Veränderung der Zellzahl wesentlich geringe Auswirkungen auf die genannte OD hat. So ist die meßbare OD CD44 von 150.000 Zellen auch nur geringfügig höher als die von 100.000 Zellen (Abb. 19).
Abb. 19 Die Entwicklung der optischen Dichte in Abhängigkeit der Zellzahl bei 87 HG-31-Zellen nach 12 Stunden Inkubation ohne RA. Es wurde hervorgehoben, in welcher Größen­ordnung sich die OD bezogen auf die Zellzahl ändert. 

Dieser Sachverhalt stellt Ergebnisse, bei denen die CD44-Expression direkt auf die Zellzahl oder den Proteingehalt bezogen wurde, in Frage, zumal die Unterschiede in den Experimenten zwischen 100.000 (Kontrolle) und 50.000 Zellen (10 µM/l RA) lagen.
Um der Forderung, die unterschiedlichen Steigungen der Regressionsgeraden in die Auswertung mit einzubeziehen, gerecht zu werden, wird die OD des CD44 Mikro-ELISA durch folgende Formel korrigiert:
Die aus den OD des BCA Protein-Assay errechnete Zellzahl (Gleichung 2) wird in die Geradengleichung zur Ermittlung der theoretischen OD CD44 aus der Zellzahl eingesetzt (Gleichung 3) und ergibt den Korrekturfaktor.>


Übertragung unterbrochen

D44 Mikro-ELISA wird durch diesen Korrekturfaktor dividiert.
Am Beispiel der Zellinie 87 HG-31 wird der Korrekturfaktor hergeleitet.
 

Aus der Regressionsgeraden des BCA Protein-Assay (Gl. 2) ergibt sich:
 


(Vgl. 1.4.5., Tab. 2 A).)
 

Aus der Regressionsgeraden des CD44 Mikro-ELISA (Gl. 3) ergibt sich:

Korrekturfaktor = 0,0741 Ln(Zellzahl/1000) + 0,0812
(Vgl. 1.4.5., Tab. 2 B).)
 

Dividiert man die in den Experimenten ermittelten OD im CD44 Mikro-ELISA durch diesen Korrekturfaktor, erhält man die auf die Zellzahl bezogene CD44-Expression unter Berücksichtigung aller unter 1.4.5. dargestellten Ergebnisse (Abb. 21 und Tab. X).
Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse mittels eines Korrekturfaktors, ergibt sich für die CD44 Expression der Zellen aus je drei voneinander unabhängigen Versuchen folgende Bewertung:
Die CD44 Expression nimmt bei dem Neuroblastom SK-N-SH um 49,4% (p<1E-10), bei dem Astrozytom(II) 85 HG-63 um 10,4% und bei den Glioblastomen 86 HG-39 und 88 HG-14 um je 5,9% zu.
Eine Abnahme der CD44 Expression läßt sich bei dem Medulloblastom TE671 (17,4%), dem Melanom Mel/JuSo (9,5%), dem Glioblastom 87 HG-28 (8,5%), dem Astrozytom(III) 87 HG-31 (8,1%; p<0,0001) und dem Glioblastom 85 HG-66/T6 (7,7%) feststellen.
Hoch signifikant waren die Ergebnisse von Neuroblastom (p<1E-10) und Astrozytom (III) 87 HG-31 (p<0,00001) (Abb. 20 u. 21).
Alle anderen Ergebnisse waren weniger signifikant (p>0,1).
Die Ergebnisse von Neuroblastom, Melanom und den Gliomen 87 HG-28 und 88 HG-14 sind von der Zellzahl unabhängig, da die RA bei genannten Zellinien keinen signifikanten Einfluß auf die Proliferation hatte.
 

Abb. 20 Zunahme oder Abnahme der im CD44 Mikro-ELISA ermittelten Extinktionswerte unter Einfluß von 10 µM/l RA nach 8 Tagen in % der Kontrolle auf die Ergebnisse des BCA Protein-Assay bezogen. Alle Ergebnisse sind Mittelwerte aus drei Experimenten.
OD/OD: Die optische Dichte des CD44 Mikro-ELISA wurde direkt durch die OD im BCA Protein-Assay derselben Vertiefung dividiert. 
OD/µg: Wie "OD/OD", wobei die OD der Proteinbestimmung in den Proteingehalt umgerechnet wurde. 
OD/Zelle: Wie "OD/OD". Die OD des BCA Protein-Assay wurde in die Zellzahl umgerechnet wie unter 1.4.5. beschrieben. 

Abb. 21 Zunahme oder Abnahme der im CD44 Mikro-ELISA ermittelten Extinktionswerte unter Einfluß von 10 µM/l RA nach 8 Tagen in % der Kontrolle. Alle Ergebnisse sind Mittelwerte aus drei Experimenten.
OD: Die im CD44 Mikro-ELISA ermittelte Zu- oder Abnahme der optischen Dichte in % der Kontrolle 
+/-%Korr: Genannte OD durch den unter 2.5.2. beschriebenen Korrekturfaktor korrigiert, der die Zellzahl und die Kurvenverläufe der unterschiedlichen Regressionsgeraden berücksichtigt. 

 

E. DISKUSSION


Die hier beschriebenen Ergebnisse konnten in zweierlei Hinsicht den Einfluß von Retinsäure auf Hirntumoren zeigen.
Zum einen ließ sich die CD44 Expression des Neuroblastoms SK-N-SH nach 8 Tagen Inkubation in Nährmedium mit einer Konzentration von 10 µM/l Retinsäure signifikant steigern; dieses Ergebnis bestätigt die Ergebnisse von GROSS et al. 1995 und spricht somit auch für die Validität der hier angewendeten Methodik.
Zum anderen ließ sich bei 4 der 6 Gliomzellinien und bei dem Medulloblastom das Wachstum hemmen. Diese Beobachtung steht mit den von MELINO et al. 1992 und von MUKHERJEE et al. 1993 erhobenen Befunden, die von Wachstumsrückgängen unter RA-Einfluß von bis zu 65% berichten, in Einklang.
Die Beobachtung, daß die Gliomzellinien 88 HG-14 und 87 HG-28 ebenso wie die Melanomzellinie unter RA Einwirkung keine meßbaren und beobachtbaren Veränderungen zeigten, spricht für die Heterogenität der untersuchten Tumorzellen. Das unterschiedliche biologische Verhalten von Gliomen in vivo und in vitro ist wiederholt beschrieben worden (NEGENDANK et al., 1996). Auch bezüglich der Antigenität setzen sich Gliome aus einer heterogenen Zellpopulation (WIKSTRAND et al., 1983; STAVROU, 1986, 1989;) zusammen.
Um die CD44 Expression der Zellinien abschließend zu bewerten, muß zunächst der Einfluß des Zellwachstums auf die Messungen diskutiert werden.
Lediglich bei der Neuroblastomzellinie SK-N-SH, der Melanomzellinie Mel/JuSo und den Gliomzellinien 87 HG-28 und 88 HG-14 ist ein direkter Rückschluß von den Messungen auf die CD44 Expression pro Zelle zulässig, da bei diesen Zellinien die Retinsäure keinen signifikanten Einfluß auf das Zellwachstum hatte.
Bei der Medulloblastomzellinie TE 671 und den Gliomzellinien 87 HG-31, 85 HG-63, 86 HG-39 und 85 HG-66T6 muß allerdings das Zellwachstum in die Messung der CD44 Expression mit einbezogen werden, da bei hohen RA Konzentrationen die CD44 Expression von signifikant weniger Zellen pro Vertiefung gemessen wurde (Abnahme der Zellzahl nach 8 Tagen bei 10 µM/l RA um 21-68%).
So ergibt sich die Notwendigkeit, im gleichen Versuchsansatz die Zellzahl in den ausgewerteten Vertiefungen zu ermitteln und die für die CD44 Expression gemessene optische Dichte darauf zu beziehen.
Um dies zu realisieren, wurde in jeder Vertiefung mit einem BCA Protein-Assay (SMITH et al., 1985) der Proteingehalt bestimmt. Die Methode wurde bezüglich der Zellzahlentwicklung auf ihre Validität hin überprüft.
Um die Aussagekraft dieser Methode bezüglich der Zellzahl zu untermauern, sollen die vorliegenden Ergebnisse mit der Literatur verglichen werden.
MELINO et al., 1992 ermittelten beispielsweise Wachstumskurven für Gliobalstomzellinien mittels Hämozytometer-Zählkammer über 12 Tage mit und ohne 5 µM/l RA in 25 cm² Kulturflaschen. Die Ausgangszellzahl an Tag 0 betrug hier 4.000/cm². Nach 8 Tagen konnten bei der Kontrolle ohne RA 120.000/cm² Zellen und mit RA 40.000/cm² ermittelt werden. Das entspricht einer Abnahme der Zellzahl gegenüber der Kontrolle von ca. 65%. Berechnet man für die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit die Zellzahl pro Vertiefung (Fläche: 0,32 cm²) aus dem BCA Protein-Assay, ergibt sich für die Gliomzellinie 87 HG-31, eine Ausgangszellzahl an Tag 0 von 12.500/cm². Am 8. Versuchstag betrugen die Zellzahlen der Kontrollen zwischen 340.000/cm² und 420.000/cm² und unter RA-Einfluß 130.000/cm² bis 170.000/cm², was einer Abnahme von bis zu 70% entspricht.
Beim Vergleich dieser Ergebnisse muß berücksichtigt werden, daß MELINO et al. 1992 mittels Trypan-Blau Färbung bei der Zählung die abgestorbenen Zellen ausschließen konnten.
Kritisch bewertet werden müssen auf diese Weise die hohen Ausgangszellzahlen, die bei den untersuchten Zellinien aber unumgänglich waren, um nach 6 bis 8 Tagen eine Zelldichte zu erreichen, die im CD44 Mikro ELISA auswertbar war. Versuche, die mit geringeren Ausgangszellzahlen durchgeführt wurden, waren vielfach nicht verwertbar.
Der reproduzierbare Wachstumsrückgang bei Gliomzellen unter RA-Einfluß nach 8 Tagen spricht für die Aussagekraft der berechneten Zellzahlen.

Das BCA Protein-Assay ermöglicht also sowohl die Bestimmung des Proteingehaltes jeder Vertiefung als auch Rückschlüsse auf die tatsächliche Zellzahl ohne Berücksichtigung der Vitalität. Korrigiert man nun die optischen Dichten der im CD44 Mikro-ELISA gemessenen Werte, indem man sie durch den Proteingehalt oder die errechnete Zellzahl dividiert, läßt man folgendes wichtige Ergebnis außer Acht:
Der Proteingehalt, bzw. die errechnete Zellzahl steigen proportional zur ausgesäten Zellzahl linear an, wohingegen die CD44 Expression logarhithmisch ansteigt (Abb. 2, 3. und Abb. 19). Zur endgültigen Bewertung der CD44-Expression der Zellen muß also ein Korrekturfaktor in die Messung mit einbezogen werden, der dies berücksichtigt.

Bei der Analyse dieser Ergebnisse wäre interessant zu klären, warum die CD44 Expression mit zunehmender Zellzahl nicht linear ansteigt, sondern einer Sättigungskinetik entspricht (Abb. 19). Es lassen sich folgende Hypothesen aufstellen:
 

  1. Durch zunehmende Dichte des Zellrasens werden Antigene von den Zellen selbst durch Zell-zu-Zell-Kontakte maskiert und sind der Antikörper-Reaktion nicht mehr zugänglich oder werden dadurch weniger exprimiert (AZOCAR et al., 1982).
  2. Die Zellen sind bei hoher Wuchsdichte weniger vital.
  3. Das Zellvolumen vergrößert sich, so daß sich die Antigendichte auf der Zellmembran verkleinert (KILLANDER et al., 1980).
  4. Die CD44-Expression ist zellzyklusabhängig, d.h. bei nicht in Proliferation befindlichen Zellen wird weniger Antigen exprimiert.


Ein weiterer Punkt, der zur Beurteilung der Ergebnisse in Betracht gezogen wurde, ist die mögliche Maskierung des Oberflächenantigenes CD44 durch von den Tumorzellen sezernierte Hyaluronsäuren (ARUFFO et al. 1990; KNUDSON & KNUDSON 1991).
CD44 sowie andere Oberflächenantigene können nämlich von Hyaluronaten maskiert werden. Einige Zellinien sezernieren endogen produzierte Hyaluronate. So wurden einige Versuche nach Vorbehandlung mit Hyaluronidase ausgewertet, um diesen Effekt auszuschließen, und eventuell das Oberflächenantigen maskierende Hyaluronate enzymatisch aufzulösen (LESLEY et al., 1990a; ASHER & BIGNAMI, 1992) (Vgl. 2.3.5.). Da auf diese Weise ausgewertete Experimente aber zu den gleichen Ergebnissen wie Versuche ohne Hyaluronidasebehandlung führten, kann davon ausgegangen werden, daß die untersuchten Zellinien keine endogenen Hyaluronate sezernieren, die das Oberflächenantigen maskieren.

Zu diskutieren ist auch der Einfluß von proteolytischen Enzymen, wie z.B. Trypsin auf die Darstellung des Oberflächenantigenes CD44. Von CD44 wird durch Trypsin nämlich ein 65kDa-Fragment abgespalten (TROWBRIDGE et al., 1982).
In vorliegenden Experimenten kann ausgeschlossen werden, daß CD44 durch Trypsinierung zerstört wird, da die Zellen auf den 96er Mikrotiterplatten nicht passagiert wurden und somit nicht mit dem Enzym in Berührung kamen.

Schließlich mußte bei den Versuchen der proliferationshemmende Effekt von Alkohol ausgeschlossen werden, da die höchste angewendete RA Konzentration immerhin einen Alkoholanteil von 1 Vol.% mit sich brachte. So wurden Kontrollreihen mit und ohne Alkohol ausgewertet und zusätzliche Versuche mit einer
RA-Lösung ohne Alkohol durchgeführt, die den Einfluß von Alkohol auf die Versuche ausschließen konnten. Bei der Zellinie SK-N-SH kamen nur Versuche zur Auswertung, die in alkoholfreien RA-Ansätzen durchgeführt wurden, da diese Zellinie auf Alkoholzusatz reagiert (LUO & MILLER, 1997). Die untersuchte Neuroblastomzellinie Sk-N-SH zeigte eine gering signifikante Abnahme der Zellproliferation unter Einfluß von Alkohol um maximal 11%.

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, daß es sich um mehrfach passagierte Zellinien handelt, welche in Zellkultur dedifferenzieren und sich verändern, verglichen mit Zellen in vivo. So ist z.B. bei Langzeitkulturen gar nicht sicher, ob die CD44 Expression die gleiche wie die der Anfangskulturen ist (HEIDER et al., 1993). Bei Zellen in Kultur werden außerdem die vielfältigen Reaktionen von CD44 mit der extrazellulären Matrix nicht berücksichtigt (FIDLER, 1990; SCHUBERT, 1992; LESLEY et al., 1992; ASLAKSON & MILLER, 1992), die sich ebenfalls auf die CD44 Expression im Rahmen der Differenzierung auswirken könnten. Um die CD44 Expression von Tumorzellen zu bewerten, kommt der Auswahl der experimentellen Modelle eine bedeutende Rolle zu (FIDLER, 1990; RETTIG, 1992).

Retinsäure ist bekanntlich ein Differenzierungsagens (SPORN & ROBERTS, 1983). In dieser Arbeit sollte vor allem ihr Einfluß auf die CD44-Moleküldichte an der Zelloberfläche untersucht werden, so daß zu erörtern ist, in welcher Weise CD44-Expression mit Differenzierung zusammenhängt.

CD44 ist ein Zelloberflächenmolekül, das an Adhäsions- (CARTER & WAYNER, 1988) und Migrationsvorgängen (FAASSEN et al., 1992) beteiligt ist. Betrachtet man die drei Aktivierungszustände von CD44 bei der Lymphopoese, erhebt sich die Frage, ob ein Verlust des Oberflächenmoleküles oder die Expression desselben ein Schritt in Richtung höherer Differenzierung bedeutet. Nach den Angaben von TROWBRIDGE et al. (1982), HORST et al. (1990a,b) und LYNCH & CEREDIG (1989) könnte ein Modell für die Differenzierung von der Progenitorzelle zu aktiven T Lymphozyten folgendermaßen aussehen:



Abb. 23 Modell der Lymphozytendifferenzierung und Ausreifung zur CD44 Expression. 

Aus diesem Modell ist nicht ableitbar, ob CD44-Expression mit höherer oder niedrigerer Differenzierung korreliert.
Mit Bezugnahme auf die heutigen Modelle zur Metastasierung als mehrschrittigem Prozeß (SCHIRRMACHER, 1985; FIDLER, 1990; BLOOD & ZETTER, 1990), könnten des weiteren sowohl verstärkte, als auch verminderte CD44 Expression als Differenzierung gewertet werden. So beschreiben GROSS et al. (1995) eine Verbindung von Zunahme der CD44 Expression und Differenzierung bei Neuroblastomzellen. Zu beachten ist auch, daß ein Zusammenhang zwischen Tumordifferenzierungsgrad und CD44-Expression kontrovers diskutiert wird. RADOTRA et al. (1994) konnten keine Korrelation zwischen CD44-Expression und Dignitätsgrad von Gliomen feststellen. Dies steht im Gegensatz zu den Ergebnissen von KUPPNER et al. (1992), wonach bei malignen Gliomen eine stärkere CD44 Expression als bei den benignen Tumoren beschrieben wird.
Viele Autoren bringen CD44 Expression mit niedriger Differenzierung und Invasivität in Verbindung (z.B. KUPPNER et al., 1992; NAGASAKA et al., 1995). Ein Zusammenhang zwischen invasivem Wachstum und CD44 Expression läßt sich auch deshalb annehmen, weil für die Metastasierung und Invadierung Migrationsvorgänge im extrazellulären Raum und durch Basalmembranen nötig sind (BLOOD & ZETTER, 1990). Da Hyaluronate in der Umgebung von Basalmembranen anwesend sind (UNDERHILL, 1989), sind Interaktionen mit dem Reaktionspartner CD44 zu erwarten. Es wird diskutiert, daß Kontakt zwischen Zelloberflächenrezeptoren und Komponenten der extrazellulären Matrix mit deren nachfolgender Degradierung ein essentieller Faktor für die Migration und Invasion sei (LIOTTA, 1986, 1991; BLOOD & ZETTER, 1990; VAN ROY & MARCEL, 1992).
CD44-Expression allgemein als Anzeichen hoher Differenzierung zu bewerten, erscheint nach heutigem Kenntnisstand und insbesondere aufgrund der vorliegenden Daten nicht wahrscheinlich.
Neuroblastome und Gliome reagieren unterschiedlich auf den Einfluß von Retinsäure. Dies wurde auch durch die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen deutlich.
Die Neuroblastomzellen reagierten auf den Differenzierungsreiz mit verstärkter CD44 Expression, etwa gleichbleibender Proliferation und lichtmikroskopisch beobachtbarer neuronaler Differenzierung, wie Dendritenwachstum und Verschiebung der Kern-Plasma-Relation zugunsten des Zytoplasma.
Bei den Gliomen blieb die CD44 Expression etwa gleich, unabhängig von der RA Konzentration; die Proliferation nahm bei 4 von 6 Gliomzellinien unter RA Einfluß ab. Morphologisch war kaum eine Differenzierung zu erkennen.
Unter Zugrundelegung dieser Ergebnisse und unter Berücksichtigung der Literaturangaben sollen Unterschiede von Neuroblastomen und Gliomen herausgearbeitet werden, die unabhängig vom RA-Einfluß bestehen.
Beide sind neuroepithelialer Herkunft, wobei Neuroblastome Tumoren des sympathischen Nervengewebes und Gliome Tumoren der Neuroglia sind. So entstehen Neuroblastome extrakraniell (35% in der Nebenniere, 20% in abdominalen Ganglien und 15% in thorakalem Nervengewebe) und Gliome intrakraniell im ZNS.
Ein Unterschied im biologischen Verhalten ist die Fähigkeit zu metastasieren, die bei Neuroblastomen vorhanden ist. Sie metastasieren in Leber (z.B. KUWASHIMA, 1997), Haut, Knochen und auch generalisiert. Bei Gliomen spielen Migration und lokal infiltratives Wachstum eine wesentliche, wenn auch nicht die entscheidende Rolle und nicht die Metastasierung.

Im Zusammenhang mit Differenzierung, aber auch mit der phänotypischen Einordnung von Zellinien, wurden neben CD44 auch andere Zellmembran-Antigene und Rezeptoren beschrieben. Bei Neuroblastomen wurden HLA Klasse I Antigene und CD56 beschrieben (GROSS et al., 1995). An Oberflächenantigenen wurden auch Neuroblastom-Tumorganglioside (NBTG) beschrieben (NAGAI, 1995; FANG et al., 1997), sowie das neuritogene Gangliosid GQ1B (NAGAI, 1995). SADEE et al., 1987 untersuchten die Expression von Neurotransmitterrezeptoren wie den d-opioid und den muskarinisch-cholinergen Rezeptoren bei Subklonen des humanen Neuroblastoms SK-N-SH.
Auch bei Gliomen wurden neben CD44 viele andere unterschiedliche Oberflächenantigene beschrieben (WIKSTRAND et al., 1983).
BILZER et al. (1991) untersuchten GFAP, S1oo Protein, Leu 7, GAA, Rezeptoren für epidermalen Wachstumsfaktor (EGFr), nerve growth factor (NGFr)und Transferrin Rezeptoren bei verschiedenen Gliomzellinien. Verschiedene Arbeiten beschreiben Tumorganglioside bei Gliomen, z.B. die Ganglioside Tenascin, GP240, 3´,6´-iso-LD1, EGFr VIII (KURPAD et al., 1995) und ferner die Gliomaassoziierten Antigene (GAA) GM2, GD2, GD3 und EGFr V (WIKSTRAND et al., 1992).
Die kleine Auswahl an hier aufgezählten Oberflächenantigenen und Zelloberflächenrezeptoren von Neuroblastomen und Gliomen soll einen Einblick in die Verschiedenartigkeit der untersuchten Tumoren geben. Dies macht verständlich, daß ein Zusammenhang mit vielen anderen Faktoren gesehen werden muß, um unterschiedliches Verhalten neurogener Tumoren auf Differenzierungsreize erklären zu können.

Eine weitere Frage ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, nämlich, ob sich für Neuroblastome und Gliome in der extrazellulären Matrix unterschiedliche Reaktionspartner finden und von diesen beeinflußt werden.
Von Neuroblastomen wurde Adhäsion an Fibronektin, Vitronektin, Laminin, Kollagene (FANG et al., 1997; KUWASHIMA et al., 1997), Chondroitinsulfat-6, -4 und Hyaluronsäure (REICHARD-BROWN & AKESON, 1983) beschrieben. Bei Gliomen sind die extrazellulären Substanzen Hyaluronsäure, Chondroitinsulfat, Fibronektin, Laminin und Kollagen IV wichtige Reaktionspartner (RADATORA et al., 1994). So lassen sich diesbezüglich keine bedeutenden Unterschiede zwischen den beiden Tumorgruppen darstellen.
Da die meisten der genannten Extrazellularsubstanzen auch typische Bestandteile von Basalmembranen sind, kommen sie in fast allen Geweben zusammen vor. Die Extrazellularsubstanzen Laminin und Fibronektin werden nämlich sowohl in der Nebenniere (FEIGE et al., 1998), einem möglichen Ursprungsgewebe von Neuroblastomen, als auch im Gehirn (RADATORA et al., 1994), dem Ursprungsgewebe von Gliomen, beschrieben. Der Einfluß von Laminin auf die Invasivität von Gliomen wird kontrovers diskutiert (RADATORA et al., 1994 ggü. CHINTALA et al., 1996). Ein weiterer Hinweis dafür, daß die Bindungspartner von Zelladhäsionsmolekülen ubiquitär vorkommen und in ihrer qualitativen Zusammensetzung keine Rückschlüsse auf unterschiedliches Migrationsverhalten von Neuroblastomen und Gliomen zulassen, ist die Tatsache, daß Laminin, Fibronektin und die meisten Kollagene sowohl in der Leber (AMENTA & HARRISON, 1997) als auch, wie zuvor erwähnt, im Gehirn vorkommen. Eventuell könnte die quantitative Zusammensetzung der einzelnen Substanzen im jeweils betrachteten Organgewebe für Unterschiede in biologischem Verhalten von Neuroblastomen und Gliomen eine Rolle spielen.

Das biologische Verhalten von Gliomen und Neuroblastomen unter Einfluß von Retinsäure wurde wiederholt untersucht (Tab. 4). Zahlreiche Studien befassen sich mit dem Einfluß von Retinsäure auf Neuroblastome und verschiedene Neuroblastomzellinien. Bei der Untersuchung der Wirkung von RA auf Gliome und Gliomzellinien konnten ähnliche Befunde wie bei den Neuroblastomen erhoben werden (Tab. 4). Die Ergebnisse dieser Studien können wie folgt zusammengefasst werden:
 
 

  1. Proliferationshemmung und Rückgang des Tumorwachstums
  2. Neuronale Differenzierung
  3. Einfluß auf Zelladhäsionsmoleküle und Oberflächenrezeptoren
  4. Beeinflussung von intrazellulären, zytosolischen Vorgängen
  5. Veränderungen auf molekulargenetischer Ebene
  6. Veränderte Expression von Wachsumsfaktoren

Insgesamt sprechen die Ergebnisse für RA induzierte Differenzierung.
 
 
 
 
 
 
Tab. 4 Übersichtliche Darstellung der RA-Wirkung auf Neuroblastome und Gliome unter Berücksichtigung verschiedener Parameter. 

 
Retinsäure-Einfluß Neuroblastome Gliome
Proliferationshemmung und Rückgang des Tumorwachstums SEEGER et al., 1982
GROSS et al., 1995
RUTKA et al., 1988
MELINO et al., 1992
MAGRASSI et al., 1995
neuronale Differenzierung SEEGER et al., 1982
ROBSON & SIDELL, 1985
STELLER et al., 1996
DIRKS et al., 1997
Einfluß auf Zelladhäsionsmoleküle und Oberflächenrezeptoren CD44,  CD56,
HLA Klasse I:
GROSS et al.,1995; 
Adhäsionsmolekül I (ICAM I): BOUILLON & AUDETTE, 1994

Beeinflussung der Aktivität von Tyrosinkinasen (Trk A,B,C) z.B. LUCARELLI et al., 1995

Zelladhäsion: REBOUL et al., 1990
ICAM I: BOUILLON & AUDETTE, 1993

CD59: SEDLAK et al., 1993

Beeinflussung von intrazellulären, zytoslischen Vorgängen VIP (vasoaktives intestinales Peptid):
PENCE & SHORTER, 1992
ICR Ca2+: FUKUHARA et al., 1997

Transglutaminase: ZHANG et al., 1998

GFAP: RUTKA et al., 1988

cAMP: SWANSON et al., 1988

Veränderungen auf molekulargenetischer Ebene
 
N-myc-Expression: SEEGER et al., 1982
p53mRNA: DAVIDOFF et al., 1992
POMCmRNA: (Proopiomelanocortin)
DE LAURENZI et al., 1993

HOX C6, D1, D8: MANOHAR et al., 1996

HOX2 Gene, je nach Zellinie: SAFAEI et al., 1992
Modulation von RNA bindenden Proteinen (HuDmRNA): STELLER et al., 1996

Apolipoprotein E Promotor: GARCIA et al., 1996

Veränderte Expression von Wachsumsfaktoren NGF: HASKELL et al., 1987
IGF-2: MELINO et al., 1993
IL-6: STEPHANOU et al., 1992

IL-8: YANG et al., 1993

EGF: YUNG et al., 1989
IGF-1: LOWE et al., 1992
IGF-2: MELINO et al., 1992
IL-6: CANDI et al., 1997

IL-15: SATOH et al., 1998

Die morphologischen Veränderungen von Neuroblastomzellen konnten im Sinne neuronaler Differenzierung lichtmikroskopisch bestätigt werden (Abb. 8 und 9). Auch die Ergebnisse hinsichtlich der vermehrten Expression des Zelloberflächen-Adhäsionsrezeptors CD44 stehen mit den in der Literatur angegebenen Daten in Einklang. Lediglich eine Proliferationshemmung bzw. ein Wachstumsrückgang konnte bei der Neuroblastomellinie SK-N-SH im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht gezeigt werden.
Von Interesse ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß bei 4 der 6 untersuchten Gliomzellinien ein Proliferationsrückgang festgestellt wurde. Morphologische Veränderungen unter RA Einfluß wurden nicht beobachtet. Ferner wurde die Expression von CD44 unter RA-Einfluß bei keiner der untersuchten Gliomzellinien signifikant beeinflußt.
Zwei der Gliomzellinien (88 HG-14 und 87 HG-28) blieben von RA sowohl bezüglich Proliferation und Struktur, als auch bezüglich der CD44 Expression unbeeinflußt. Auch die Melanomzellinie Mel/JuSo, von einer wenig signifikant verminderten CD44 Expression abgesehen, reagierte nicht auf die RA-Behandlung.

Zur Klärung der unterschiedlichen Reaktion der Zellen auf RA-Exposition wäre in diesen Zellkulturen eine Untersuchung der Rezeptoren des Zytosols und des Zellkernes für RA (RAR, RXR, CRABP) hilfreich. Das Fehlen von RA-Rezeptoren könnte eine Erklärung dafür sein, daß RA-Behandlung bei einigen Zellinien zu keinen meßbaren Reaktionen führte. Bei der Zellinie TE671 wird als mögliche Begründung für die geringe Reaktion auf RA, das Fehlen von RA-Rezeptoren diskutiert (MORK et al., 1986). Überträgt man die Untersuchungen der Zellen von in vitro auf in vivo Verhältnisse, wäre die Abwesenheit von für die RA-Aufnahme und Metabolisierung notwendigen Membran- und Kernrezeptoren, beziehungsweise zytosolischer RA-bindender Proteine (CAMBON, 1996), eine mögliche Erklärung für das unterschiedliche Verhalten. Wie MAGRASSI et al. (1993) zeigten, werden die Kernrezeptoren für RA (RAR, RXR) von Hirntumoren in verschiedenem Maße exprimiert.
Von SPORN & ROBERTS (1983) wurde RA als "exogenes Hormon" bezeichnet. Im Zusammenhang mit dieser Bezeichnung ist von Interesse, daß bei der Therapie von Mammakarzinomen einige Tumoren rezeptorvermittelt auf Östrogene reagieren und andere nicht (CHUA et al., 1985; LIPPMANN & DICKSON, 1989). Da die Kernrezeptoren für RA der Familie der Schilddrüsen- und Steroidhormone (STRS) zugeordnet werden können (EVANS, 1988), könnte man möglicherweise sogar Hirntumoren in RA-Rezeptor positive bzw. RA-negative einteilen, was nicht zuletzt sogar therapeutische Konsequenzen haben könnte. Dies insbesondere deshalb, weil die bisher beschriebenen Behandlungsversuche von Gliomen mit all-trans- und 13-cis- Retinsäure unterschiedlich erfolgreich waren (YUNG et al., 1996; KABA et al., 1997; DEFER et al., 1997; PHUPHANICH et al., 1997).

Betrachtet man die zur Zeit angewendeten Therapiemöglichkeiten insbesondere der hier untersuchten Tumoren in vivo, erscheinen als Hauptproblem die Nebenwirkungen, die aufgrund der unspezifischen Wirkungsweise von Bestrahlung und Chemotherapie das gesunde Gewebe schädigen. Da Medulloblastome, Neuroblastome und auch einige Gliome häufige Tumoren im Kindesalter sind, und der kindliche Organismus besonders empfindlich auf toxische Substanzen und Bestrahlung reagiert (TOMLINSON et al., 1992), erscheint die Forderung nach tumorspezifischer Therapie besonders dringlich (STAVROU, 1990; HALL & FODSTAD, 1992).
Eine vielversprechende Möglichkeit wäre die Koppelung von Immunotoxinen an Antikörper (HALL & FODSTAD, 1992). Bei CD44 ist dabei die heterogene Expression ein mögliches Hindernis, zumal das Oberflächenantigen auch in gesundem Gewebe nachweisbar ist (HAYNES et al., 1989).
Für eine genauere Einschätzung der Prognose von Hirntumoren wird verstärkt nach phänotypischen Merkmalen gesucht. Auch hier kann CD44 eine Rolle spielen, wie FAVROT et al. (1993) und GROSS et al. (1995) zeigten. So wären möglicherweise auch Aussagen über Differenzierung und Therapieverlauf möglich. Nach den bisher vorliegenden Daten kann allerdings die Richtung der RA-induzierten Differenzierung bei Tumorzellen noch nicht abschließend bewertet werden.
 
 

F.ZUSAMMENFASSUNG


In der vorliegenden Studie wurde die Wirkung von Retinsäure auf die CD44 Expression und die Struktur von humanen Gliomzellinien und anderen Hirntumorzellinien systematisch untersucht. Die CD44 Expression wurde mittels CD44 Mikro-ELISA und die Zellprolifertion anhand eines BCA-Protein Assay abgeschätzt.
Die erzielten Daten zeigen, daß die Zellinien neurogener Tumoren des Menschen unterschiedlich auf den Einfluß von Retinsäure reagieren. Bei Neuroblastomzellen konnte die CD44 Expression durch Retinsäure um mehr als 38% gesteigert werden. Hingegen eine Steigerung der CD44 Expression bei Gliomen, Medulloblastomen und Melanomen durch Retinsäure wurde nicht beobachtet. Bei der Medulloblastomzellinie nahm die CD44 Expression unter Einfluß von Retinsäure sogar ab (17%).

Auch bezüglich der Zellproliferation reagierten die Tumoren unterschiedlich auf den Einfluß von 8tägiger Kultivation in 10 µM/l Retinsäure. So wiesen die Gliomzellinien 87 HG-31 (62%), 85 HG-63 (37%), 85 HG-66T6 (33%) und 86 HG-39 (31%) Proliferationsrückgänge zwischen 31% und 62% auf. Die Proliferation der Gliomzellinien 87 HG-28 und 88 HG-14 blieb von Retinsäure unbeeinflußt. Die Proliferation der Medulloblastomzellinie ging in RA-haltigem Medium um 22% zurück.
Bei der Melanomzellinie und der Neuroblastomzellinie konnte kein signifikanter Proliferationsrückgang festgestellt werden.

Strukturelle Veränderungen der Zellen ließen sich nur bei der Neuroblastomzellinie lichtmikroskopisch beobachten. Die Neuroblastomzellen bildeten unter Retinsäureeinfluß neuritenähnliche Fortsätze aus, die Kern-Plasma-Relation verschob sich zugunsten des Zytoplasmas.
Bei den anderen Zellinien ließen sich lichtmikroskopisch keine strukturellen Veränderungen unter RA-Einfluß beobachten.

Die meisten der hier untersuchten Hirntumoren wiesen unter Einfluß von all-trans-Retinsäure entweder Merkmale von Differenzierung oder nur von Regression auf, so daß die antiproliferative und differenzierende Wirkung dieser Substanz bestätigt werden kann. Nach dem bisherigen Stand der Literatur und nach der vorliegenden Untersuchung kann nicht abschließend bewertet werden ob die RA-induzierten strukturellen Zellveränderungen und die CD44-Expression als Indiz einer Differenzierung oder einer Entdifferenzierung bei Tumorzellen bewertet werden können.