Die allgemeinmedizinische
(nichtpsychiatrische) Patientenstichprobe der Unfallchirurgischen und der
Allgemeinchirurgischen sowie der Internistischen Abteilung des Universitätskrankenhauses
Eppendorf stellt eine Zufallsauswahl von innerhalb des Erhebungszeitraumes von
vier Wochen aus den genannten Abteilungen entlassenen oder verlegten Patienten
dar. Eine vollständige, lückenlose Erfassung aller entlassenen oder verlegten
Patienten war nicht möglich, kaum zu vermeidende, durch spontane
Entlassungsentscheidungen oder Selbstentlassungen von Patienten bedingte
Ausfälle wurden von vornherein als Momente der reinen Zufallsauswahl toleriert.
Die Stichprobe ist nicht repräsentativ für die Gesamtheit der chirurgischen und
internistischen Patienten des Universitätskrankenhauses Eppendorf.
Die Patienten erhielten vor
der Befragung die schriftliche Zusicherung, daß ihre Angaben und Daten in
anonymisierter Form ausgewertet würden und sämtliche an der Studie beteiligten
Untersucher der ärztlichen Schweigepflicht unterlägen. Ein geringer Wert in der
FPI-Dimension Offenheit, der die Gültigkeit der übrigen FPI- wie auch der
POMS-Skalenwerte in Frage stellt, kennzeichnet mehr als ein Drittel (37,2%) der
Befragungsteilnehmer.
Die gruppenspezifische
Auswertung von Profile of Mood States, Freiburger Persönlichkeitsinventar und
soziodemographischen Daten für Benzodiazepin-Patienten einerseits und
psychopharmakafreie Patienten andererseits ergibt in allen erfragten Merkmalen
eine geringere Antwortquote der erstgenannten, allerdings ohne Signifikanz. Die
vorgefundene geringere Antwortbereitschaft der Benzodiazepin-Patienten in der
erfaßten Stichprobe könnte als Ausdruck eines ausgeprägteren Mißtrauens
gegenüber der Befragung aufgefaßt werden. Es darf aber nicht vergessen werden,
daß in der Benzodiazepingruppe chronisch körperlich Kranke überrepräsentiert
sind und von daher eine einfache plausible Erklärung der geringeren Beteiligung
an der Befragung möglich ist: Besonders kranke Patienten werden die mit der
Bearbeitung des Fragebogens verbundene Anstrengung eher ablehnen oder gar nicht
zur Beantwortung der Fragen in der Lage sein.
Das Durchschnittsalter der
POMS-Befragungsteilnehmer beträgt 52,6 ± 16,8 Jahre, der POMS-
Vergleichsstandard nach Bullinger et al. (1990) wurde an 143 gesunden
Medizinstudenten mit einem Durchschnittsalter von 24,3 ± 3,5 Jahren ermittelt, denen dieser Test im
Rahmen einer Lehrveranstaltung vorgelegt wurde. Mit seinem niedrigen
Durchschnittsalter ist dieser Vergleichsstandard nur bedingt als Maßstab zur
Beurteilung der Patientenwerte geeignet. Für das FPI wird das
Durchschnittsalter der Normstichprobe von 2035 Probanden nicht explizit
genannt, hier findet sich nur eine Differenzierung in vier Altersklassen (16-24
Jahre, 25-44 Jahre, 45-59 Jahre und 60 Jahre und höher) mit jeweils eigenen
Mittelwerten und Standardabweichungen. Die Standardwerte von POMS und FPI
dienen zur orientierenden Beurteilung der Plausibilität der an der
Patientenstichprobe gewonnenen Testergebnisse. Ein analytischer Vergleich der
Patienten- mit der Normstichprobe wäre nur mit einem verteilungsunabhängigen
Test wie dem Wilcoxon-Test sinnvoll. Die hierzu erforderliche Rangreihenbildung
setzt die Kenntnis der einzelnen Testwerte der Stichprobenmitglieder voraus,
welche für die Normstichproben von POMS und FPI nicht zur Verfügung stehen.
Während die mit dem POMS
erfaßte aktuelle Stimmungslage des Patienten unabdingbar situativ geprägt sein
muß, kann der Umstand des stationären Krankenhausaufenthaltes als Störfaktor
der Persönlichkeitstestung mit dem FPI gewertet werden. Stationäre Patienten
werden in der belastenden Situation eines Krankenhausaufenthaltes eher
bereit/interessiert und in der Lage sein, über ihr aktuelles Stimmungsbild
Auskunft zu geben, als eine situativ unbeeinflußte Beantwortung von Fragen zu
eher intimen, überdauernden Charaktereigenschaften vorzunehmen.
Eine methodische Schwäche
bei der Erhebung der Verordnungsdaten von Psychopharmaka und Analgetika liegt
in der Unschärfe des Begriffes der Mehrfachverordnungen. Dieser orientiert sich
nur am Umfang der Menge der einem Patienten verordneten Substanzen aus einer
Substanzgruppe, ohne zu berücksichtigen, ob diese Substanzen simultan oder in
zeitlicher Aufeinanderfolge gegeben wurden. So sind Patienten mit multipler
psychopharmakologischer Medikation im chirurgischen Kollektiv mehr als dreimal
so häufig wie im internistischen vertreten. Noch ausgeprägter zeigt sich die
Asymmetrie hinsichtlich der Mehrfachverordnungen bei den Benzodiazepinen, von
denen chirurgische Patienten fast fünfmal so häufig mehr als nur ein Präparat
verordnet bekamen wie internistische. Diese Zahlen suggerieren eine wesentlich
intensivere Benzodiazepinexposition der chirurgischen gegenüber der
internistischen Patientengruppe. Tatsächlich jedoch läßt sich bei den
Mehrfachverordnungen von Benzodiazepinen aus der Synopsis von stationärer
Aufenthaltsdauer des Patienten und den Dosierungen und Applikationsdauern der
einzelnen Präparate in der Regel auf eine sequentielle Applikation schließen,
also einen Präparatewechsel im zeitlichen Verlauf, der gerade bei den
qualitativ weitgehend wirkungsäquivalenten Benzodiazepinen unproblematisch ist.
Eine Betrachtung von Tabelle E33 des Ergebnisteils zeigt, daß in der Chirurgie
Nitrazepam, Oxazepam und Flurazepam mit jeweils zweistelligem Prozentanteil an
der Gesamtheit aller Benzodiazepinverordnungen eine deutlich von den übrigen 5
Substanzen abgesetzte Spitzengruppe bilden, die insgesamt 90% dieser
Verordnungen umfaßt. Bei 19 der 24 chirurgischen Patienten mit mehrfacher
Verordnung von Benzodiazepinen finden sich nun Kombinationen aus eben dieser
Dreiergruppe, mit Ausnahme einer Oxazepam-Verordnung als Anxiolytikum allesamt
in hypnotischer Indikation, so daß die Kombinationspartner in diesen Fällen,
auch unter Berücksichtigung der Dosierungen und Applikationsdauern, sequentiell
im Sinne eines Präparatewechsels gegeben worden sein müssen. In der Inneren
Medizin nimmt das Nitrazepam als Schlafmittel eine einsame Spitzenstellung mit
58,3% aller Benzodiazepinverordnungen ein, gefolgt von Bromazepam, Flurazepam,
Diazepam und Oxazepam mit einer Verordnungshäufigkeit um jeweils 10%. Die
länger wirksamen Substanzen Bromazepam und Diazepam sind als Schlafmittel nur
dann geeignet, wenn auch eine Tranquilizerwirkung am Tage nach der abendlichen
Applikation erwünscht ist, und auch Oxazepam hat neben der hypnotischen eine
Tranquilizer-Indikation. Daher bietet das internistische Spektrum der
Benzodiazepinverordnungen offensichtlich nicht dieselben Voraussetzungen für
einen Präparatewechsel wie das chirurgische.
Bei näherer Betrachtung der
Aussage, chronische körperliche Erkrankungen prädisponierten zur
Benzodiazepinabhängigkeit, fällt die Unschärfe des Begriffes „chronische
körperliche Erkrankung“ sowohl hinsichtlich der „Chronizität“ als auch der
„Körperlichkeit“ auf. Die Differenzierung von Patienten mit und ohne chronische
körperliche Erkrankungen anhand des Diagnosenblocks erfordert eine Bewertung der
dokumentierten Diagnosen und besitzt nur eine eingeschränkte Objektivität.
2. Dokumentation psychischer Beschwerden und
psychiatrische Konsile
Bei knapp 2/3 der Patienten
sowohl in der Chirurgie als auch in der Inneren Medizin waren keinerlei
psychische Beschwerden oder psychiatrische Diagnosen dokumentiert. Demgegenüber
steht die Angabe einer Punktprävalenz (7-Tages-Prävalenz) psychischer Störungen
in der mitteleuropäischen Bevölkerung (Altersklasse der 25-45jährigen) von etwa
50% (Heigl-Evers et al. 1994). In der Studie von Arolt et al. (1997) wurde in
einer vergleichbaren Stichprobe von 400 chirurgischen und internistischen
Krankenhauspatienten mit ausgeglichener Geschlechterrelation und einem
Altersmedian von 66 Jahren ein Anteil von 46,5% mit psychischen Störungen
gefunden, wobei diese Störungen von Fachärzten für Psychiatrie mittels einer
Kombination aus dem standardisierten Interview CIDI und einem klinischen
Interview diagnostiziert wurden. Die exakten diagnostischen Kategorien dieser
Studie sind mit den dokumentierten psychischen Beschwerden in der vorliegenden
Untersuchung nur eingeschränkt vergleichbar. Die nach Arolt unter
Allgemeinkrankenhauspatienten gehäuft auftretenden Störungsgruppen sind
depressive Syndrome, psychoorganische Störungen und Alkoholmißbrauch, während
alle übrigen diagnostischen Kategorien vergleichbar häufig wie in der
Allgemeinbevölkerung vorkommen.
Nach Knights und Folstein
(1977) sind körperlich begründbare psychische Störungen bei Patienten
internistischer Abteilungen im aktuellen zeitlichen Querschnitt mit einer
Häufigkeit zwischen 9% und 33% zu erwarten, Arolt et al. (1997) fanden in ihrer
Studie ein aktuelles Aufkommen organischer Psychosyndrome von 16,5%, davon 11%
Demenzen. In der eigenen Stichprobe ist die Störungsgruppe
Demenz/Verwirrtheit/Desorientierung bei den internistischen Patienten mit
6,0% und den chirurgischen mit 5,7%
deutlich seltener vertreten. Dies überrascht, da zum einen gerade die besonders
auffälligen kognitiven Beeinträchtigungen von Patienten eine Dokumentation
erwarten lassen, zum anderen zugrundeliegenden hirnorganischen Erkrankungen der
betroffenen Patienten eine erhebliche Bedeutung als komplizierender Faktor des
Krankenhausaufenthaltes zukommt. Die 18 Patienten dieser Störungsgruppe sind
mit durchschnittlich 74,8 ± 17,8 Jahren signifikant (p
< 0,001) älter als der Durchschnitt aller erfaßten Patienten mit 55,9 ± 17,7 Jahren, 14 von diesen 18
Patienten sind älter als 60 Jahre, 9 sind älter als 80 Jahre. Bickel et al. (1993) betonen, daß psychische
Störungen speziell bei älteren Allgemeinkrankenhauspatienten nicht nur passager
in Erscheinung treten, sondern eine hohe Persistenz und erhebliche negative
prognostische Bedeutung für diese Patientengruppe, u.a. durch ein signifikant
gesteigertes Mortalitätsrisiko, besitzen.
Ebenfalls gering ausgeprägt
erscheint in der vorliegenden Untersuchung das Wahrnehmungsvermögen oder die
Dokumentationsbereitschaft des medizinischen Personals für Symptome einer
depressiven Störung, die bei 10,7% der internistischen und nur 5,0% der
chirurgischen Patienten beschrieben sind. In der Lübecker
Allgemeinkrankenhausstudie von Arolt et al. (1997) wurden bei 15,4% der
Patienten depressive Störungen diagnostiziert. Die Autoren räumen ein, daß Depressionen
bei somatisch Kranken im allgemeinen einen geringeren Schweregrad haben als bei
psychiatrischen Patienten und somit auch leichter zu verkennen sind.
Vergleichbare Prävalenzen depressiver Störungen bei internistischen und
chirurgischen Krankenhauspatienten um 15% werden auch von Feldman et. al
(1987), Lykouras et al. (1989) und Silverstone (1996) beschrieben.
Das Versäumnis der
Dokumentation einer aktuellen Alkoholanamnese in der Krankenakte war mit 71,3%
bei den chirurgischen Patienten signifikant (p < 0,001) häufiger
festzustellen als bei den internistischen mit 52,3%. Im Rahmen der erhobenen
Alkoholanamnesen war Abstinenz signifikant häufiger bei den internistischen,
gelegentlicher Alkoholkonsum signifikant häufiger bei den chirurgischen Patienten
beschrieben. Regelmäßiger täglicher Alkoholkonsum oder Alkoholabusus/
Alkoholabhängigkeit waren bei 10,7% (n = 16) der internistischen und 4,5% (n =
7) der chirurgischen Patienten vermerkt. In der Lübecker
Allgemeinkrankenhausstudie von Arolt et al (1997) wird ein vergleichbar großer
Anteil alkoholbezogener Störungen von 6,3% beschrieben. Nach Feldman et al. (1987), McIntosh (1982), Moore et al. (1989) und Huber (1994a) ist mit einer Häufung
alkoholabhängiger Patienten im Allgemeinkrankenhaus in einer Größenordnung
von 10-20% als Folge der zahlreichen
körperlichen und psychischen Komplikationen des chronischen Alkoholismus zu
rechnen. Andererseits liegt die Prozentzahl der in internistischen und
chirurgischen Abteilungen als Alkoholiker diagnostizierten Patienten oft im
einstelligen Bereich und zum Teil sogar noch unter der Hintergrundprävalenz der
Alkoholkrankheit in der Gesamtbevölkerung von etwa 2-3% (Möller et al. 1987;
Feuerlein 1979).
Die bei chirurgischen mit 6,4%
gegenüber den internistischen Patienten mit 18,1% signifikant (p < 0,001) seltenere Angabe psychischer
Auffälligkeiten oder psychiatrischer Diagnosen bereits im Aufnahmebogen läßt
sich zum einen als Folge der bei den internistischen Patienten signifikant (p < 0,001) häufigeren chronischen
körperlichen Erkrankungen mit möglichen psychischen Komplikationen wie
organisch begründbaren psychischen Störungen oder depressiver Verstimmung
verstehen, zum anderen sind der Alkoholabusus mit seinen im Diagnosenblock
aufgeführten internistischen Folgeerscheinungen wie Leberzirrhose, chronische
Pankreatitis, Gastritis, obere gastrointestinale Blutung, alkoholische
Kardiomyopathie etc. und der Gebrauch illegaler Drogen mit begleitenden
Erkrankungen wie HIV-Infektion oder Hepatitiden in der internistischen
Patientengruppe mehr als doppelt so häufig beschrieben wie in der
chirurgischen. Analog läßt sich die mit 7,6% bei chirurgischen gegenüber 13,4%
bei internistischen Patienten signifikant (p < 0,05) geringere Dokumentationsquote
psychischer Auffälligkeiten oder psychiatrischer Diagnosen im Entlassungsbrief
verstehen. Bei den chirurgischen Patienten bilden Schlafstörungen mit 14% die
häufigste Störungsgruppe, diese sind in erster Linie situativ an den stationären
Aufenthalt gebunden und bedürfen natürlich nicht unbedingt der Erwähnung im
Entlassungsbrief. Unter den Indikationen der im Gesamtkollektiv verordneten
Psychopharmaka stand die Anwendung als Schlafmittel mit 83,8% bei den
chirurgischen und 81,7% bei den internistischen Patienten gleichermaßen
deutlich im Vordergrund. Schlafstörungen sind auch bei den internistischen
Patienten mit 8,1% häufig beschrieben, den ersten Rang nehmen hier aber die
eher überdauernden und für die Weiterbetreuung des Patienten nach der
Entlassung bedeutsamen substanzgebundenen Störungen mit 15,4% ein.
Eine Geschlechtsabhängigkeit
der Dokumentationshäufigkeit psychischer Beschwerden war nicht nachweisbar, im
Gegensatz zur Erwartung z.B. nach den Ergebnissen der Studien von Lucente und
Fleck (1972) und von Engelhardt et al. (1973) sowie der Infas-Umfrage aus dem
Jahre 1980 zur Angstreaktion stationärer Patienten auf die Hospitalisation, die
diesen Quellen zufolge bei Frauen deutlich häufiger und stärker auftritt als
bei Männern.
Bei den internistischen
Patienten der Stichprobe steigt die Häufigkeit dokumentierter psychischer
Beschwerden mit zunehmendem Alter bis zu ihrem absoluten Maximum im sechsten
Lebensjahrzehnt an und fällt anschließend relativ symmetrisch bis zu ihrem
absoluten Minimum bei den Über-79jährigen wieder ab (Tab. E7). Bei den
chirurgischen Patienten der Stichprobe dagegen zeigt sich eine trimodale
Verteilung mit einem absoluten Maximum der dokumentierten Beschwerdenhäufigkeit
bei den Über-79jährigen und zwei relativen Maxima im sechsten Lebensjahrzehnt
und in der Gruppe der Unter-30jährigen (Tab. E6). Übereinstimmend zeigt sich bei chirurgischen und internistischen
Patienten eine Betonung der dokumentierten Beschwerdenhäufigkeit in der
zentralen Altersgruppe des sechsten Lebensjahrzehnts und den unmittelbar
angrenzenden Altersgruppen. Aufschlußreich ist das Beschwerdenspektrum der
Patienten im Alter zwischen 50 und 59 Jahren: 40,5% aller dokumentierten
Beschwerden dieser Altersklasse entfallen auf Angst/Nervosität, 24,3% auf
Alkoholabusus und 18,9% auf depressive Syndrome, diese drei Kategorien bilden
mit über 80% eine deutlich abgesetzte Spitzengruppe. Hier läßt sich die Frage
formulieren, ob die zentrale Altersgruppe des sechsten Lebensjahrzehnts im
Bewußtsein ihrer Angehörigen den Übergang von jung zu alt markiert und dadurch
mit besonderen seelischen Belastungen, insbesondere auch unter dem Aspekt von
Krankheit und Kranksein, einhergehen könnte. Speziell die Erwerbstätigen in
diesem Alter stehen am Ende ihres Erwerbslebens und könnten körperliche
Krankheit und Krankenhauseinweisung daher als besondere Bedrohung ihres
weiteren Lebensweges wahrnehmen. Das paradox anmutende Phänomen, daß die
Altersverteilung der dokumentierten Beschwerdenhäufigkeit in der obersten
Altersklasse ab dem 80. Lebensjahr bei den chirurgischen Patienten ihr
absolutes Maximum, bei den internistischen dagegen ihr absolutes Minimum
erreicht, ist ein durch die gewählte Klassierung bedingtes Artefakt, in der
angrenzende Altersklasse der 70-79jährigen bestehen genau komplementäre
Verhältnisse. Fast man beide Altersklassen zusammen, so ergibt sich für die
chirurgischen Patienten im Alter von 70 Jahren und höher eine
Beschwerdenhäufigkeit von 0,5, für die internistischen von 0,41.
In der Lübecker Allgemeinkrankenhausstudie
von Arolt et al. (1997) halten die Untersucher bei über 80% der Patienten mit
psychischen Störungen zumindest einen psychiatrischen Konsiliarbesuch aus
diagnostischen oder therapeutischen Gründen für sinnvoll. Bei der in ihrer
Studie vorgefundenen Prävalenz psychischer Störungen von 46,5% wäre bei 37% der
Patienten eine psychiatrisch-konsiliarische Mitbetreuung anzuraten. Nach
Heigl-Evers et al. (1994) wäre bei mindestens 20–30% der Patienten
nicht-psychosomatischer Fachabteilungen quer durch die Medizin eine vertiefende
psychologisch-medizinische Diagnostik wie auch eine entsprechend fundierte
spezifische Therapie erforderlich, tatsächlich jedoch würden dem
psychiatrischen Konsiliardienst nur 1-2% der Patienten allgemeiner
Krankenhäuser vorgestellt. Das psychiatrische Konsil scheint gewissermaßen den
dekompensierten Notfällen vorbehalten zu sein, während Patienten mit weniger
dramatischer Psychopathologie dem Psychiater nicht vorgestellt werden, wobei
nicht nur die Einschätzung der Mitbehandlungsbedürftigkeit, sondern auch
diagnostische Defizite eine Rolle spielen, denn der Anteil psychischer
Störungen, der von nichtpsychiatrischen Klinikärzten erkannt wird, wird im
allgemeinen auf weniger als die Hälfte geschätzt (Bickel et al. 1993). In der
vorliegenden Untersuchung wurden knapp 4,6% (n = 14) der erfaßten 306 Patienten
psychiatrisch-konsiliarisch mitbetreut. Ein psychiatrisches Konsil wurde in der
Inneren Medizin in Übereinstimmung mit den oben angesprochenen
Beschwerdenspektren häufiger veranlaßt als in der Chirurgie. Bei den 10
psychiatrisch mitbetreuten internistischen Patienten beziehen sich 5 Konsile
auf eine Alkoholproblematik, eines auf eine Polytoxikomanie, entsprechend der
großen Häufigkeit der Dokumentation substanzgebundener Störungen im
internistischen Kollektiv. Dagegen wird trotz der Spitzenstellung der
Störungsgruppe Demenz/Verwirrtheit/Desorientierung in nur einem dieser Konsile
der Verdacht auf ein hirnorganisches Psychosyndrom angesprochen. Dies läßt die
Vermutung zu, daß der psychiatrischen Beurteilung und Betreuung als dement,
verwirrt oder desorientiert eingeordneter Patienten keine praktische Bedeutung
beigemessen wird. Der internistische Patient M71, in dessen psychiatrischem
Konsil der Verdacht auf ein hirnorganisches Psychosyndrom / eine Demenz
geäußert wird, war mit 75 Jahren der älteste unter den 10 psychiatrisch
mitbetreuten internistischen Patienten, das Durchschnittsalter der übrigen 9
beträgt 43 Jahre. Offensichtlich befinden sich diese Verhältnisse in Übereinstimmung
mit der von Popkin et al. (1984) geäußerten These, der psychiatrische
Konsiliardienst werde bei älteren Patienten erst zu einem späteren Zeitpunkt
und auch seltener als bei jüngeren eingeschaltet. Möglicherweise werden die bei
alten Patienten gehäuft in Erscheinung tretenden psychischen Störungen als
statistisch normal bzw. schicksalhaft wahrgenommen, die Erfolgsaussichten einer
Therapie und der therapeutische Handlungsbedarf scheinen geringer als bei den
jüngeren Patienten, bei denen es beispielsweise gilt, den Komplikationen eines
fortgesetzten Alkohol- oder anderweitigen Substanzmißbrauches vorzubeugen oder
die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Ein analoges Bild wie bei den 10
internistischen Konsilpatienten zeigt sich bei den 4 chirurgischen, von denen
einer 76 Jahre alt war, die übrigen drei 16, 31 und 40 Jahre.
3. Verordnungsweise von Psychopharmaka
Im Indikationsspektrum der
verordneten Psychopharmaka stehen die Anwendungen bei Schlafstörungen und bei
Ängsten deutlich an der Spitze. Diese in erster Linie situativ an den
Krankenhausaufenthalt gebundenen, unspezifischen Beschwerden lassen sich
schnell und nebenwirkungsarm mit Hilfe von Benzodiazepinen oder
Baldrianpräparaten behandeln. Auch bei den Neuroleptika dominiert mit 64,3% (n
= 18) bei den chirurgischen und 73,3% (n = 11) bei den internistischen
Verordnungen die hypnotische Indikation. Schönhöfer und Schwabe (1992) weisen
auf die schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen von Neuroleptika hin und
betonen, daß der Einsatz niedrig dosierter Neuroleptika zur Sedation bei
nichtpsychotischen Patienten nur dann gerechtfertigt ist, wenn die wesentlich
besser verträglichen Benzodiazepine wegen einer erhöhten
Abhängigkeitsgefährdung des Patienten kontraindiziert sind. Eine antidepressive
Indikation lag nur knapp 3% aller Verordnungen zugrunde, Neuverordnungen von
Antidepressiva kamen in der erfaßten Stichprobe nicht vor, diese stellen
offensichtlich eher „Fachmedikamente“ des Psychiaters dar, mit zahlreichen
Nebenwirkungen und Kontraindikationen und einer langen Latenzzeit bis zum
Eintritt der erwünschten antidepressiven Wirkung. Auch Gene-Badia et al. (1988)
äußern angesichts des hohen Aufkommens depressiver Verstimmungszustände unter
den ambulanten Benzodiazepinpatienten ihrer Studie den Verdacht, die für die
entsprechenden Benzodiazepinverschreibungen verantwortlichen Hausärzte seien
möglicherweise nicht in der Lage, die Diagnose einer depressiven Störung bei
ihren Patienten zu stellen, oder sie scheuten sich, die eher fachspezifischen
Antidepressiva einzusetzen, weil sie deren Risikopotential nicht richtig
einschätzen können.
Frauen haben gegenüber den
Männern sowohl in der chirurgischen als auch in der internistischen
Teilstichprobe nicht nur eine höhere Verordnungshäufigkeit von Psychopharmaka,
speziell Benzodiazepinen und Neuroleptika, sondern auch von Analgetika. Sowohl
die chirurgischen als auch die internistischen Patientinnen bekamen signifikant
mehr Schmerzmittel verordnet als die männlichen Mitpatienten ihrer Abteilungen,
obwohl der Anteil der Frauen in der Patientengruppe mit chronischen
körperlichen Erkrankungen signifikant geringer ist als der der Männer.
Auch der signifikante Vorsprung der
Frauen bei den Psychopharmakaverordnungen steht im Kontrast zur gleich häufigen
Dokumentation psychischer Beschwerden in den Geschlechtsgruppen der
Gesamtstichprobe (siehe Diagramm 1 im Ergebnisteil). Wahrscheinlich sind diese
Verhältnisse Ausdruck für einen „Leidensvorsprung“ der Frauen im Sinne einer
höheren sozialen Akzeptanz geäußerter Beschwerden: Frauen können es sich
möglicherweise eher erlauben, über Schmerzen, Ängste oder Schlafstörungen zu
klagen, als dies Männern zugestanden wird.
Hinsichtlich der
Abhängigkeit der Verordnungszahlen der Psychopharmaka vom Lebensalter (Tabellen
E21 und E22) läßt sich in der chirurgischen Stichprobe eine ansteigende
Entwicklung erkennen: Bei den Unter-30jährigen liegt das Minimum mit 0,45
Psychopharmakaverordnungen pro Patient, im Intervall von 30 bis 69 Jahren
bewegt sich die Verordnungshäufigkeit zwischen 0,7 und 1,0 pro Patient, in der
Altersgruppe ab dem 70. Lebensjahr aufwärts liegt sie zwischen 1,0 und 1,4 pro
Patient. In der Inneren Medizin wird - bei insgesamt zurückhaltenderer
Verordnungsweise - die Erwartung einer entsprechenden Entwicklung der Altershäufigkeiten
der Psychopharmakaapplikationen insbesondere durch einen Einbruch der
Verordnungsrate auf nur 0,33 pro Patient im achten Lebensjahrzehnt und das
relative Maximum bei den Unter-30jährigen mit 0,47 pro Patient gestört. Es
zeigt sich, daß internistische und chirurgische Patienten unter 30 Jahren zwar
mit durchschnittlich 9 bzw. 8 Tagen etwa gleich lang im Krankenhaus lagen,
chronische körperliche Erkrankungen bei den ersteren aber fast viermal so
häufig dokumentiert sind wie bei den letzteren, die überwiegend dem
unfallchirurgischen Kollektiv entstammen. Dies mag ein ursächlicher
Anhaltspunkt für die relativ hohe Bereitschaft der internistischen
Stationsärzte zur Verordnung von Psychopharmaka an ihre jugendlichen Patienten
sein. Die ausgesprochen niedrige psychopharmakologische Verordnungsquote bei
den 70-79jährigen internistischen Patienten könnte Ausdruck einer adäquaten
Restriktion des Umfangs der Gesamtmedikation sein: Der Zunahme an
gesundheitlichen Problemen im hohen Lebensalter entspricht eine umfangreichere
medikamentöse Exposition, die hinsichtlich der pharmakokinetischen und
pharmakodynamischen Besonderheiten des hohen Lebensalters (Platt und Habermann
1992) und der möglichen Interaktionen zwischen Medikamenten Gefahren birgt.
Gerade bei alten Patienten ist die Anwendung von Psychopharmaka besonders
komplikationsträchtig (Müller-Oerlinghausen 1994; Laux 1995; Stevens und
Gaertner 1995; Hopf 1999).
Die Patienten mit mehreren
Psychopharmakaverordnungen während des Krankenhausaufenthaltes sind mit einer
durchschnittlichen stationären Aufenthaltsdauer von knapp 20 Tagen fast doppelt
so lange im Krankenhaus wie Patienten ohne jede psychopharmakologische
Medikation (10 Tage) oder Patienten mit Einzelverordnung nur eines
Psychopharmakons (12 Tage), psychische Beschwerden sind bei ihnen etwa doppelt
so häufig dokumentiert wie bei den psychopharmakafreien Patienten, und ihr
Durchschnittsalter liegt um etwa 10 Jahre höher als das der
psychopharmakafreien Gruppe. Die Eliminierung des Altersfaktors durch eine
Altersstandardisierung zeigt, daß unabhängig vom Lebensalter die Patienten mit
multipler psychopharmakologischer Medikation länger im Krankenhaus verbleiben
als diejenigen ohne jede psychopharmakologische Medikation oder mit
Einzelverordnung nur eines Psychopharmakons. Diese Verhältnisse sind in erster
Linie als Ausdruck einer höheren psychischen Komplikationsrate und damit
umfangreicheren psychopharmakologischen Exposition bei kränkeren und daher auch
länger stationär behandlungspflichtigen Patienten zu werten. Bestärkt wird
diese These durch eine positive Korrelation zwischen den
Verordnungshäufigkeiten von Psychopharmaka und Analgetika: Während bei den
psychopharmakafreien Patienten 2/3 auch analgetikafrei waren, bekamen von den
Patienten mit Einzelverordnung eines Psychopharmakons 2/3 auch mindestens ein
Analgetikum. Von den Patienten mit Mehrfachverordnungen von Psychopharmaka
erhielten über 80% mindestens ein Analgetikum und 50% sogar mehrere Analgetika
verordnet. Die Vermutung, diese Assoziation zwischen psychopharmakologischer
und analgetischer Medikation könnte im wesentlichen durch das chirurgische
Teilkollektiv geprägt sein, bei dem Analgetika naturgemäß in größerem Umfang
eingesetzt werden als in der Inneren Medizin (71,9% der chirurgischen, aber nur
26,2% der internistischen Patienten erhielten wenigstens ein Analgetikum), und
dessen Patientenanteil mit psychopharmakologischer Medikation (ohne
Prämedikation) nahezu doppelt so groß ist wie bei den internistischen
Patienten, bestätigt sich nicht. Nimmt man die Differenzierung von
Patientengruppen nach dem Kriterium des Umfangs der psychopharmakologischen
Medikation getrennt für die chirurgische und internistische Teilstichprobe vor
(siehe Tabelle E27), so zeigt sich in beiden Bereichen ein deutlicher Anstieg
der analgetischen Medikationsraten von den psychopharmakafreien Patienten über
die Patienten mit Einzelverordnung eines Psychopharmakons zu den Patienten mit
Mehrfachverordnungen von Psychopharmaka. Setzt man die analgetischen
Medikationsraten dieser Gruppen zueinander ins Verhältnis, so ist die
beschriebene Entwicklung bei den internistischen Patienten sogar ausgeprägter
als bei den chirurgischen.
4. Verordnungsweise von Benzodiazepinen
Unter den Indikationen der
registrierten Benzodiazepinverordnungen (unter Ausklammerung der Prämedikation
in der Chirurgie) dominiert sowohl bei den chirurgischen als auch bei den
internistischen Patienten bei weitem der Einsatz als Schlafmittel: 9 von 10
verordneten Benzodiazepinen wurden als Hypnotikum gegeben. An zweiter Stelle
folgt in weitem Abstand mit einer Häufigkeit von nur 3,7% aller
Benzodiazepinverordnungen die anxiolytische Indikation. Diese Verhältnisse
stehen im Einklang mit zahlreichen anderen Studien zur Benzodiazepinexposition
stationärer nichtpsychiatrischer Patienten. In der Untersuchung von
Fleischhacker et al. (1989) zum Benzodiazepingebrauch bei
allgemeinmedizinischen Patienten an der Universitätsklinik Innsbruck wurden
Benzodiazepin-Hypnotika mehr als doppelt, in der Studie von Surendrakumar et
al. (1992) mehr als dreimal so häufig verordnet wie Tagestranquilizer. Summers et al. (1990) dokumentieren unter 800 Patienten eines südafrikanischen
Krankenhauses ein Indikationsspektrum von 65,7% hypnotischen und 28,4%
anxiolytischen Benzodiazepinverordnungen. In der Studie von Edwards et al.
(1991) zum Gebrauch von Schlafmitteln und Tranquilizern bei den Patienten eines
englischen Lehrkrankenhauses wurden Benzodiazepine wie in der vorliegenden
Untersuchung praktisch ausschließlich als Schlafmittel eingesetzt. Auch Noble
et al. (1993) betonen im Rahmen einer Untersuchung zur Benzodiazepinverordnung
an chirurgische und internistische Patienten eines Allgemeinkrankenhauses deren
Schlafmuster als die entscheidende Determinante der Benzodiazepin-Applikation.
Einen interessanten Aspekt liefert der Vergleich der beschriebenen, hypnotisch
dominierten Indikationsspektren der Benzodiazepinverordnungen bei
nichtpsychiatrischen Allgemeinkrankenhauspatienten mit den Begründungen für
Mißbrauch und Abhängigkeit von diesen Substanzen bei psychiatrischen Patienten,
unter denen der Anxiolyse offensichtlich eine vergleichbare oder sogar stärkere
Bedeutung zukommt. Wendland und Lucius (1989) fanden unter 80
Benzodiazepin-abhängigen Patienten der Universitätsnervenklinik Kiel einen
Anteil von 86%, der die Benzodiazepineinnahme mit Ängsten begründete, wogegen
Schlaflosigkeit als Grund in nur 58% der Fälle genannt wurde. Auch Ladewig (1983) beschreibt bei 180 ambulanten
Patienten die Motivation eines isolierten Benzodiazepin-Mißbrauches vorrangig
durch Ängste (47,2%), gefolgt von den Schlafstörungen (28,9%).
Die Regel des stationär wie
ambulant häufigeren Benzodiazepingebrauches bei Frauen (Pflanz et al. 1977;
Anderson 1981; Ladewig 1983; Gene-Badia et al. 1988; Wendland und Lucius 1989;
Holm 1990; Edwards et al. 1991) findet sich an der vorliegenden
Patientenstichprobe signifikant bestätigt: 38,5% der Frauen, aber nur 28,5% der
Männer bekamen wenigstens ein Benzodiazepin. Außerdem befindet sich unter den
insgesamt 13 Patienten mit fortgesetzter vorbestehender Benzodiazepinmedikation
eine deutliche Mehrheit von 10 Frauen, ferner auch unter den 29 Patienten mit
(in der Regel sequentiellen) Mehrfachverordnungen von Benzodiazepinen eine
Mehrheit von 17 Frauen.
Jeder Benzodiazepin-Patient
erhielt durchschnittlich 1,31 Substanzen aus dieser Gruppe verordnet, der
Unterschied zwischen den Geschlechtsgruppen des Benzodiazepinkollektivs fällt
mit 1,33 Benzodiazepinverordnungen pro Patient bei den Frauen und 1,29
Benzodiazepinverordnungen pro Patient bei den Männern minimal aus. In der
Studie von Summers et al. (1990) findet sich eine vergleichbare
durchschnittliche Verordnungsrate von 1,22 Benzodiazepinpräparaten pro Patient,
der Unterschied zwischen den Geschlechtsgruppen ist hier mit 1,31
Benzodiazepinverordnungen pro Patient bei den Frauen und 1,02
Benzodiazepinverordnungen pro Patient bei den Männern deutlicher. Die
Vergleichbarkeit dieser Ergebnisse wird durch eine Reihe unterschiedlicher
Aspekte eingeschränkt. Zunächst stellt sich die Frage, ob Summers et al. bei
ihrer retrospektiven Auswertung von 800 Patientenakten simultane und/oder
sequentielle Mehrfachverordnungen von Benzodiazepinen erfaßt haben – eine klare
Aussage hierzu fehlt in ihrer Methodenbeschreibung. Wie bereits in der
Diskussion der Methodik dargestellt, wurde bei der eigenen Erhebung der
Verordnungsdaten die zeitliche Abfolge bei den Mehrfachverordnungen außer acht
gelassen. In der Summers-Studie werden im Gegensatz zur eigenen Untersuchung
die präanästhetischen Benzodiazepinapplikationen mit berücksichtigt, machen
dort allerdings nur 5,9% der Verordnungen aus. Es findet sich eine hohe
anxiolytische Indikationsrate der verordneten Benzodiazepine von 28,4%
gegenüber nur 3,7% in der eigenen Untersuchung. Das Durchschnittsalter der
Benzodiazepin-Patienten von 38 Jahren und deren durchschnittliche stationäre
Aufenthaltsdauer von 3,6 Tagen liegen deutlich niedriger als in der eigenen
Studie (Durchschnittsalter 58,4 Jahre;
13,2 Tage Krankenhausaufenthalt bei den Männern, 17,8 Tage bei den Frauen der
Benzodiazepingruppe). Ein Erklärungsansatz für die deutlich stärkere
Benzodiazepinexposition der Frauen im Vergleich zu den Männern in der
Summers-Studie ergibt sich, wenn man die Aussagen anderer Autoren zur
Entwicklung von Angst und Schlafstörungen in Abhängigkeit von Alter und
Geschlecht berücksichtigt. Nach Lucente und Fleck (1972) nimmt die
Hospitalisationsangst mit zunehmendem Alter der Patienten ab, und Frauen sind
deutlich ängstlicher als Männer. Hansen et al. (1990) beschreiben für ihr
Kollektiv Benzodiazepin-abhängiger Patienten, daß bei den Über-50jährigen in nahezu 100% der
Wunsch nach Schlafverbesserung, dagegen bei den bis zu 30 Jahre alten Patienten
in fast 100% die Beseitigung von Angst und Unruhe den Benzodiazepin-Gebrauch
begründete. Für das durchschnittlich sehr junge Benzodiazepin-Kollektiv der
Studie von Summers ergibt sich daraus eine Erklärung für die ungewöhnlich hohe
anxiolytische Indikationsrate der verordneten Benzodiazepine von 28,4%. 71,4%
der Benzodiazepinverordnungen an Patientinnen erfolgten hier in anxiolytischer
Indikation, möglicherweise als Ausdruck der bei Frauen besonders ausgeprägten
Hospitalisationsangst.
Das Durchschnittsalter der
Benzodiazepinpatienten ist mit 58,4 (± 18,4) Jahren tendenziell, aber im
Wilcoxon-Test nicht signifikant höher als das der psychopharmakafreien
Patienten mit 53,6 (± 16,7) Jahren. Das Durchschnittsalter der 13 Patienten mit
fortgesetzter vorbestehender Benzodiazepinmedikation liegt mit 66,3 ± 18,1 Jahren um 10 Jahre höher als das
Durchschnittsalter aller erfaßten Patienten mit 55,9 ± 17,7 Jahren, und 10 von diesen 13 Patienten
sind Frauen. Dieses Ergebnis entspricht der von Gene-Badia et al. (1988) und Edwards et al. (1991) gefundenen Dominanz von Frauen und älteren Menschen unter den
Benzodiazepin-Konsumenten sowohl innerhalb wie außerhalb des Krankenhauses. Da
die Frauen in der untersuchten Stichprobe signifikant älter sind als die
Männer, sind geschlechts- und altersgebundene Einflüße der Benzodiazepinexposition
zwangsläufig miteinander vergesellschaftet.
Mit 10,2% (n = 10) in der
Chirurgie und 13,9% (n = 5) in der Inneren Medizin ist ein vergleichbar großer
Anteil aller Benzodiazepinverordnungen auf die Übernahme einer bei der stationären
Aufnahme schon vorbestehenden Medikation zurückzuführen. Diese 15 bei Aufnahme
vorbestehenden Benzodiazepinverordnungen entfallen auf 13 von den erfaßten 306
Patienten, entsprechend einer Quote von 4,2% potentiellen Langzeitgebrauchern.
Damit ist die Prävalenz des Benzodiazepin-Gebrauches zum Aufnahmezeitpunkt
etwas geringer als in der Studie von Fleischhacker et al. (1989) mit 7,6% von
264 Patienten aus 5 nichtpsychiatrischen Abteilungen der Universitätsklinik
Innsbruck oder in der Studie von Edwards et al. (1991) mit 5,7% von 1277
chirurgischen, internistischen und gynäkologischen Patienten eines englischen
Lehrkrankenhauses.
Die Stichtagsprävalenz der
Benzodiazepineinnahme bei stationären Patienten beträgt in der Studie von
Fleischhacker et al. (1989) 22%, nach Poser und Poser (1996e) erhalten 8-22%
der Patienten im Krankenhaus an einem Stichtag Benzodiazepine. Methodisch
abweichend wurde in der eigenen Untersuchung retrospektiv, unter Ausklammerung
der präanästhetischen Benzodiazepin-applikationen in der Chirurgie, die
Verordnungshäufigkeit der Benzodiazepine im Krankenhaus über die variable
stationäre Aufenthaltsdauer der erfaßten Patienten bestimmt, sie beträgt für
das Gesamtkollektiv 33,3% (n= 102), wobei chirurgische Patienten mit 45,2% (n
= 71) mehr als doppelt so häufig wie
internistische mit 20,8% (n = 31) wenigstens ein Benzodiazepin bekamen. Zum Vergleich bietet sich die Studie von
Edwards et al. (1991) an, in der, ebenfalls unter Ausklammerung der
Prämedikation vor Operationen, bei ausgeglichener Geschlechterrelation und
vergleichbarem Durchschnittsalter, von 1277 chirurgischen, internistischen und
gynäkologischen Patienten eines englischen Lehrkrankenhauses nur 12,6% während
des Krankenhausaufenthaltes ein Benzodiazepin bekamen. Die signifikant häufigere Verordnung von Benzodiazepinen an die
chirurgischen Patienten der eigenen Stichprobe findet hier keine
Entsprechung. Ein Grund für die erheblich geringere Periodenprävalenz könnte in
der kürzeren stationären Aufenthaltsdauer der chirurgischen (6,2±0,6 Tage) und gynäkologischen (5,8±0,6 Tage) Patienten liegen, die die
Stichprobe der genannten Studie mit 65,5% gegenüber den länger stationären
internistischen Patienten (11,2±1,6 Tage) dominieren. In der
eigenen Stichprobe liegt die durchschnittliche stationäre Aufenthaltsdauer
aller Patienten demgegenüber bei 12,2 ± 11,3
Tagen.
In der Studie von Edwards et
al. (1991) fand sich ein nur minimaler Anteil von 1,6% aller Patienten mit
einem Hypnotikum in der Entlassungsmedikation. In der eigenen Untersuchung ist
der Anteil der auch in der Entlassungsmedikation aufgeführten, während des
stationären Aufenthaltes getätigten Benzodiazepinverordnungen in der Chirurgie
mit 8,1% (n = 8) vergleichbar groß wie die Quote der bei Aufnahme schon vorbestehenden,
stationär fortgesetzten Benzodiazepinverordnungen mit 10,2% (n = 10), und bei 7
dieser 8 chirurgischen Benzodiazepinverordnungen in der Entlassungsmedikation
handelt es sich um eine fortgesetzte, vorbestehende Medikation. Demgegenüber
fand sich bei keinem der internistischen Patienten ein Benzodiazepin in der
Entlassungsmedikation. Diese Zahlen scheinen eine größere Absetzungsfreudigkeit
der Internisten bezüglich vorverordneter Benzodiazepine anzudeuten. Tatsächlich wurden von 15 vorbestehenden Benzodiazepineinnahmen
(bei 8 chirurgischen und 5 internistischen
= 13 Patienten) 13 über den gesamten Krankenhausaufenthalt
weiterverordnet (bei 7 chirurgischen und 3 internistischen = 10 Patienten), von
denen aber nur 8 auch im Entlassungsbrief erwähnt waren (bei 6 chirurgischen
Patienten). Bei zwei chirurgischen Patienten (C153 und C78) fand sich die
ununterbrochene Weiterverordnung einer vorbestehenden Medikation mit zwei
simultan in unterschiedlicher Indikation applizierten Benzodiazepinen über die
gesamte Dauer des Krankenhausaufenthaltes von jeweils 18 Tagen. Beim
chirurgischen Patienten C78 und den drei internistischen Patienten M105, M107
und M120 wurde die Unterrichtung der weiterbehandelnden Ärzte im
Entlassungsbrief über den schon vor der stationären Aufnahme bestehenden
Benzodiazepingebrauch und die ununterbrochene, billigende Weiterverschreibung
dieser Medikamente während des Krankenhausaufenthaltes unterlassen. Diese
Verhältnisse bestätigen das Ergebnis der Studie von Ladewig (1983), daß 2/3 der
Ärzte trotz der klaren Erkenntnis eines bestehenden Benzodiazepinabusus die
Verschreibung fortsetzen. Das stillschweigende Einverständnis der
fortverschreibenden Ärzte führt er u.a. auf das Fehlen offensichtlicher
negativer Auswirkungen eines inadäqaten Benzodiazepin-Gebrauches beim Patienten
zurück. Die 10 Patienten mit ununterbrochener vorbestehender
Benzodiazepinmedikation haben einen Anteil von 3,3% an der Gesamtstichprobe,
der die Prävalenz des Benzodiazepin-Gebrauches bei Aufnahme (4,2%) geringfügig
unterschreitet. Eine Problematik der Benzodiazepinverordnungen während des
Krankenhausaufenthaltes besteht offensichtlich nicht in Hinsicht auf die
mögliche Induktion einer Abhängigkeit, sondern vielmehr in der
stillschweigenden Toleranz eines offensichtlich inadäquaten, vorbestehenden
Gebrauches dieser Substanzen bei einer kleinen Gruppe von Patienten.
Die
Benzodiazepinverordnungen erfolgten überwiegend nur kurzzeitig und damit
therapeutisch adäquat, in mehr als 1/3 aller Fälle nur für einen Tag, in knapp 2/3
aller Fälle nicht länger als 3 Tage. Das arithmetische Mittel der
Verordnungsdauern von 5 Tagen ist bei einer Spannweite bis zu 41 Tagen stark
von den „Ausreißern“ beeinflußt. Der Durchschnitt der auf Diazepam
standardisierten maximalen Benzodiazepin-Tagesdosen liegt bei den chirurgischen
Patienten signifikant höher als bei den internistischen, die mittlere
stationäre Gesamtdosis dagegen nicht. Bei gleicher mittlerer stationärer
Benzodiazepin-Applikationsdauer von 5 Tagen in Chirurgie und Innerer Medizin
läßt dies den Schluß zu, daß das Profil der Dosierung im zeitlichen Verlauf des
Krankenhausaufenthaltes bei internistischen Patienten eher gleichmäßig
ausfallen, bei chirurgischen Patienten
dagegen Schwankungen mit zeitweisen Dosisspitzen aufweisen wird. Solche
Profilunterschiede könnten auf entsprechende fachgebundene Unterschiede im
Verlauf psychischer Belastungen durch die stationäre Behandlung zurückzuführen
sein. Bei chirurgischen Patienten ist mit einer perioperativen Spitze
psychischer Belastung zu rechnen, kurz vor und nach der Operation könnte der
Benzodiazepinbedarf daher höher sein als während der übrigen Zeit des
stationären Aufenthaltes. Bei den internistischen Patienten ist ein dem
operativen Eingriff gleichwertiges, „phasisches“ psychisches Belastungsmoment
nicht regelhaft vorhanden, sie sind häufiger chronisch krank als die
chirurgischen Patienten und dadurch auch eher chronisch-gleichmäßig, also
„tonisch“ psychisch belastet. Die Differenzierung des Benzodiazepinkollektivs
nach dem Geschlecht zeigt, daß die Frauen dieser Gruppe eine signifikant höhere
totale Diazepamäquivalentdosis über die Zeit des Krankenhausaufenthaltes
bekommen als die Männer, während die mittleren maximalen Diazepamtagesdosen
beider Geschlechter vergleichbar groß sind. Diese Konstellation der Dosisdaten
deutet auf einen längeren Zeitraum der stationären Benzodiazepineinnahme bei
den Frauen hin, der sich auf dem Hintergrund einer im Vergleich mit den Männern
der Benzodiazepin-Gruppe signifikant längeren stationären Aufenthaltsdauer bei
signifikant höherem Durchschnittsalter verstehen läßt.
Zu den beobachteten
inhaltlichen Verordnungsfehlern gehört unter anderem die unkritische Übernahme
und Fortführung einer vorgegebenen Benzodiazepinmedikation ohne
Berücksichtigung der Möglichkeit einer behandlungsbedürftigen Abhängigkeit oder
psychischer Störungsbilder durch einen langzeitigen Benzodiazepingebrauch. So
finden sich in der Gruppe der 13 Patienten (8 chirurgische, 5 internistische)
mit bei Aufnahme vorbestehender Benzodiazepinmedikation 5 mit einer
Dokumentation von Desorientierung/Demenz/Verwirrtheit, 3 mit einer depressiven
Verstimmung und einer mit dokumentierter Angst/Nervosität. Diese psychischen
Beschwerden können unter anderem als Komplikation eines langdauernden Benzodiazepingebrauches
in Erscheinung treten (Bergman et al. 1980; Hendler et al. 1980; Radmayr 1982;
Rittmannsberger 1993; Stevens und Gaertner 1995; Luderer et al. 1995). 7 von
diesen 9 Patienten mit Verdacht auf komplizierten Langzeitgebrauch gehören zur Gruppe
der 10 Patienten mit stationär ununterbrochen fortgesetzter
Benzodiazepinverordnung. 10 von den 13 Patienten mit bei Aufnahme
vorbestehender Benzodiazepinmedikation und entsprechendem Verdacht auf
Langzeitgebrauch sind Frauen, das Durchschnittsalter der Gruppe liegt mit 66
Jahren um 10 Jahre höher als das der Gesamtheit der erfaßten Patienten. Das
Durchschnittsalter der 7 Patienten mit Verdacht auf komplizierten
Langzeitgebrauch und dennoch stationär ununterbrochen fortgesetzter
Benzodiazepinverordnung beträgt 67 Jahre, dasjenige aller 10 Patienten mit
ununterbrochener Benzodiazepinverordnung sogar 69 Jahre. Das deutlich erhöhte
Durchschnittsalter läßt die Vermutung einer größeren Toleranz des medizinischen
Personals gegenüber psychischen Beeinträchtigungen bei diesen Patienten zu, da
solche Erscheinungen im hohen Lebensalter zunehmend häufiger und damit
vermutlich zu einer kontrastarmen statistischen Norm werden (Popkin et al.
1984).
Abhängigkeit oder Mißbrauch
von psychotropen Substanzen als Risikofaktor einer Abhängigkeitsentwicklung von
Benzodiazepinen (Task Force on Benzodiazepine Dependency 1990; Luderer et al.
1995) sind in der internistischen
Stichprobe mit 21 Fällen mehr als doppelt so häufig explizit beschrieben wie in
der chirurgischen mit 10, wobei der Alkoholabusus gegenüber illegalen Drogen
und Tranquilizer-Mißbrauch bei weitem dominiert. Die Begründung für den
deutlichen Vorsprung internistischer Patienten hinsichtlich der Häufigkeit des
Alkoholmißbrauches durch dessen vorwiegend internistische Komplikationen wurde
schon besprochen (Huber 1994a). Gerade Alkoholiker sind aufgrund der
Wirkungsverwandtschaft von und Kreuztoleranz zwischen Alkohol und
Benzodiazepinen besonders anfällig für die Entwicklung einer
Benzodiazepinabhängigkeit (Ross 1993). Ihren Ausdruck findet diese Relation
zwischen den Substanzen im Terminus der „Abhängigkeit vom
Barbiturat-Alkohol-Benzodiazepin-Typ“ (Huber 1994 b). 15 der 21 internistischen
Suchtpatienten erhielten keine psychopharmakologische Medikation, von den
restlichen 6 bekamen 5 ein Neuroleptikum, 2 eine längerfristige, aber
therapeutisch adäquate Benzodiazepinmedikation, und 2 weitere Patienten
kurzfristig ein Benzodiazepinhypnotikum für einen bzw. zwei Tage. In der
Chirurgie bekamen von 10 explizit benannten Suchtpatienten 4 kein
Psychopharmakon, einer ein Neuroleptikum und 5 eine Benzodiazepinverordnung.
Unter den letztgenannten 5 Benzodiazepin-Patienten befindet sich einer mit
toleriertem Lexotanilabusus, bei den übrigen 4 Patienten bestand eine Alkoholproblematik,
von ihnen bekamen 3 längerfristig Benzodiazepine. Die zurückhaltendere
Verordnungsweise bei den internistischen Alkoholpatienten mag zum einen ein
Effekt der häufigeren Konfrontation der Internisten mit alkoholabhängigen
Patienten und der größeren ursächlichen Bedeutung des Alkoholmißbrauches für
internistische als für chirurgische Erkrankungen sein, zum anderen seinen Grund
auch im konservativen, primär medikamentenorientierten Therapieansatz der
Inneren Medizin im Gegensatz zum primär operativen Paradigma der Chirurgie
haben. In der Chirurgie mag eine Alkoholproblematik des Patienten nur als
störender Begleitumstand seiner operationspflichtigen Erkrankung ohne primäre
Zuständigkeit des Chirurgen, in der Inneren Medizin dagegen eher als Kernproblem
internistischer Folgekrankheiten aufgefaßt werden. Vielleicht erklärt dies
andererseits auch die geringere Sensitivität bzw. den mangelnden
Handlungsbedarf der Internisten hinsichtlich der Benzodiazepinabhängigkeit der
drei internistischen Patienten M105, M107 und M120, da der fortgesetzte
Benzodiazepingebrauch anders als der Alkoholismus keine körperlichen Schäden
zeitigt (Ladewig 1983), sondern kognitive und affektive Störungen hervorrufen
kann, die wiederum primär in die Zuständigkeit des Psychiaters fallen.
Eine weitere Risikogruppe
für die Abhängigkeitsentwicklung von Benzodiazepinen sind Patienten mit
chronischen körperlichen Erkrankungen oder chronischen Schmerzen (Task Force on
Benzodiazepine Dependency 1990). Unmittelbar einsichtig ist die sich aus der
Untersuchung von Gene-Badia et al. (1988) ergebende Erkenntnis, daß die erhöhte
Abhängigkeitsgefährdung in diesem Falle Folge gehäufter psychischer Beschwerden
wie Angst, Depression oder Schlaflosigkeit ist, die zum einen als Reaktion auf
langanhaltende körperliche Beschwerden, insbesondere Schmerzen, oder chronische
Behinderung entstehen können, zum anderen auch primär organisch begründbar sein
können (z.B. bei zerebralen Gefäßerkrankungen, HIV-Enzephalopathie, Hirntumoren
etc.). Als Marker dessen, was in die Kategorie der chronischen körperlichen
Erkrankungen einzuordnen sei, wurden axiomatisch die Krankschreibungsdauer, die
analgetische Medikation und die Bewertung des Diagnosenblocks herangezogen. Die
Festlegung dieser „Spielregeln“ geschah ganz im Bewußtsein ihrer
Kritikwürdigkeit und –notwendigkeit und ergab das folgende Bild:
Auf der Ebene der
Differenzierung nach der Krankschreibungsdauer wurde anhand einer kritischen
Grenze von 3 Monaten eine dichotomische Einteilung der Patienten vorgenommen.
Es zeigt sich tendenziell eine Häufung der „langen“ Krankschreibungen von über
drei Monaten Dauer im Bereich der Inneren Medizin, der Vorsprung gegenüber der
Chirurgie ist aber nicht signifikant. Eine Abhängigkeit der Häufigkeit
dokumentierter psychischer Beschwerden oder der Benzodiazepinverordnungen von
diesem vereinfacht angelegten alternativen Merkmal der kurzfristigen (£ 3 Monate) / langfristigen (> 3 Monate)
Krankschreibung ist nicht nachweisbar. Zum einen mag dies auf eine noch
unzureichende Trennschärfe der 3-Monats-Grenze bezüglich der zu erfassenden
„Chronizität“ von Erkrankungen zurückzuführen sein, zum anderen ist das Merkmal
Krankschreibung nur bei erwerbstätigen Patienten definiert. Da bei bereits
berenteten Patienten aufgrund des höheren Lebensalters mit einem höheren
Aufkommen sowohl chronischer körperlicher Erkrankungen als auch psychischer
Beschwerden und psychopharmakologischer Verordnungen zu rechnen ist als bei den
jüngeren, noch berufstätigen, wird eine für den Zusammenhang zwischen chronischer
körperlicher Krankheit und Benzodiazepinexposition wesentliche Teilstichprobe
gar nicht berücksichtigt. Gleiches gilt für die Gruppe der Frauen, die
signifikant häufiger Benzodiazepine bekamen als die Männer, die aber
überwiegend als Hausfrauen nicht erwerbstätig und damit auch nicht
krankschreibungsfähig sind.
Die Differenzierung von
Patienten mit und ohne chronische körperliche Erkrankungen anhand des
Diagnosenblocks hat den Vorteil, daß sie alle 306 Patienten der erfaßten
Stichprobe berücksichtigt, und den Nachteil, daß eine Bewertung der
dokumentierten Diagnosen erforderlich und somit nur eine eingeschränkte
Objektivität dieser Vorgehensweise gewährleistet ist. Bei dieser Methode
bestätigt sich die Erwartung eines signifikanten Unterschiedes zwischen
Chirurgie und Innerer Medizin: Internistische Patienten sind mehr als doppelt
so häufig unter den nach Diagnosenbewertung chronisch körperlich Kranken
vertreten wie chirurgische. Es zeigt sich jetzt eine signifikante Häufung
dokumentierter psychischer Beschwerden in der Patientengruppe mit chronischen
körperlichen Erkrankungen, allerdings keine signifikant höhere
Benzodiazepinexposition. Bedeutsam in diesem Zusammenhang sind
Geschlechterrelation und Durchschnittsalter beider Gruppen: Frauen dominieren
signifikant unter den Patienten ohne chronische körperliche Erkrankungen,
Männer sind signifikant häufiger unter den chronisch körperlich Kranken
vertreten. Das Durchschnittsalter der als chronisch körperlich krank
Klassifizierten liegt wider Erwarten nicht signifikant höher als im
komplementären Kollektiv. Das die Differenzierung nach dem Diagnosenblock trotz
eingeschränkter Objektivität dennoch eine gewisse Gültigkeit besitzt, deutet
sich in der signifikant längeren durchschnittlichen stationären Aufenthaltsdauer
der als chronisch körperlich krank klassifizierten Patienten an. Es steht zu
vermuten, daß die komplementären Geschlechterstrukturen der beiden
Erkrankungsgruppen die entscheidende Rolle für die Diskrepanz zwischen
signifikant unterschiedlicher Häufigkeit dokumentierter psychischer Beschwerden
und dennoch nicht signifikant verschiedener Benzodiazepinexposition spielen. Da
Frauen zugleich die Majorität der Benzodiazepinkonsumenten wie auch der
Patienten ohne chronische körperliche Erkrankungen stellen, wird der zu
vermutende Effekt chronischer körperlicher Krankheiten auf die
Benzodiazepinexposition im Sinne einer - entsprechend der nachgewiesenen Häufung psychischer
Beeinträchtigungen - gehäuften Verordnung dieser Substanzen im vorliegenden
Falle offensichtlich verdeckt. Das postulierte antagonistische Kräftespiel
zwischen den Einflußfaktoren Geschlecht und Krankheit erlaubt eine Umkehrung
der Argumentation und den indirekten Schluß auf die Bedeutung des
Krankheitsfaktors für den Benzodiazepingebrauch: Hätten chronische körperliche
Erkrankungen keine häufigeren Verordnungen von Benzodiazepinen zur Folge, wäre
in der Gruppe der Patienten ohne solche Erkrankungen eine dem hier
signifikanten Überwiegen des weiblichen Geschlechtes entsprechende Dominanz der
Benzodiazepinexposition zu erwarten.
Abschließend wurde
angesichts der schon besprochenen Assoziation zwischen Schmerzmittel- und
Psychopharmakaexposition der Patienten und der daraus erwachsenden Vermutung,
deren gleichsinnige Kopplung der Verordnungshäufigkeiten sei durch den
Schweregrad körperlicher Erkrankung begründet, eine Differenzierung der
Gesamtstichprobe nach dem Kriterium der analgetischen Medikation vorgenommen.
In diesem Fall ist zwar eine hohe Objektivität gewährleistet, die Validität der
dokumentierten Schmerzmedikation als Indikator chronischen körperlichen
Krankseins oder chronischer Schmerzen aber eher fraglich. Dennoch hat diese
Perspektive der Auswertung ihre Berechtigung: Wenn auch aus dem - in diesem
Falle wiederum aus Gründen der Praktikabilität nur alternativ angelegten -
Merkmal der analgetischen Medikation keine Rückschlüße auf die „Chronizität“
körperlicher Beschwerden möglich sind, so ist es doch ganz offensichtlich
zumindest Indikator für Schmerzhaftigkeit als ein Hauptaspekt körperlichen
Krankseins, der seinerseits wieder zu psychischen Störungen wie Angst oder
Schlaflosigkeit und in der Folge auch häufigerer Benzodiazepinverordnung Anlaß
geben kann. Nimmt die Benzodiazepinexposition einer Patientengruppe ganz generell
mit dem Anteil der Schmerzmittelkonsumenten zu, unabhängig von der Dauer der
Schmerzmittelverordnung, so wird dies im Besonderen auch die Teilmenge der
vermehrt abhängigkeitsgefährdeten chronisch Schmerzgeplagten (Task Force on
Benzodiazepine Dependency 1990) betreffen. Im Gesamtkollektiv aller erfaßten
Patienten ist das Verhältnis analgetikafreier zu analgetisch medizierten
Patienten mit 50,3% zu 49,7% ausgeglichen. Naturgemäß wird die Gruppe mit
Verordnung eines oder mehrerer Analgetika von chirurgischen Patienten
dominiert, die hier mit 113 Mitgliedern fast dreimal so häufig vertreten sind
wie internistische mit nur 39. Im deutlichen Gegensatz zur Erwartung ist sowohl
in der Chirurgie als auch in der Inneren Medizin kein signifikanter Unterschied
der Dokumentationshäufigkeiten psychischer Beschwerden zwischen den
Patientengruppen mit und ohne Analgetikaverordnungen nachweisbar, dennoch
bekommen in beiden Fachbereichen die Patienten mit Schmerzmittelapplikation
signifikant häufiger Benzodiazepine verordnet als die analgetikafreien. Da die
Benzodiazepinverordnungen nicht gleichsam „freischwebend“ oder „indifferent“,
sondern unter einer bestimmten Motivation des anordnenden Arztes und –
überwiegend hypnotischer – Indikation des verordneten Präparates erfolgten, ist
anzunehmen, daß sie eine entsprechende psychische Beschwerdenlage abbilden.
Eine mögliche Begründung für eine mangelnde Dokumentation solcher Beschwerden
könnte der weit dominierende Einsatz der Benzodiazepine als Schlafmittel
bieten, wobei Schlafstörungen als „triviale“ Indikation und statistisch normale
Erscheinung unter Krankenhauspatienten (Infas 1980; Demoskopisches Institut
Allensbach 1985; Southwell und Wistow 1995) als nicht der ausdrücklichen
Erwähnung im Pflegebericht bedürftig angesehen werden könnten. Einen Hinweis in
dieser Richtung bietet der Vergleich der Dokumentationshäufigkeit psychischer
Beschwerden und der Verordnungshäufigkeit der Benzodiazepine im
Gesamtkollektiv: Im Pflegebericht sind bei insgesamt 75 Patienten psychische
Beschwerden beschrieben, davon in 47 Fällen Schlafstörungen oder Angstzustände
als adäquate Zielsymptome für eine Intervention mit einem Benzodiazepin.
Tatsächlich bekamen 102 Patienten wenigstens ein Benzodiazepin verordnet, die
Mehrheit von ihnen also ohne ausdrückliche Würdigung der zugrundeliegenden
Beschwerden im Pflegebericht. Ähnliche Versäumnisse berichten Surendrakumar et
al. (1992), die unter 58 nichtpsychiatrischen Krankenhauspatienten mit
Benzodiazepinmedikation einen Anteil von 38% ohne Dokumentation der Indikation
fanden. Einen weiteren Erklärungsansatz zur Assoziation zwischen Schmerzmittel-
und Benzodiazepin-Exposition liefert die Studie von Gene-Badia et al. (1988) zu
den Risikofaktoren des Benzodiazepin-Gebrauches, der zufolge die Verordnung
eines Benzodiazepins an einen Patienten unabhängig von einer manifesten
psychiatrischen Störung um so eher erfolgt, je mehr andere Medikamente dieser
Patient schon bekommt. Die Autoren interpretieren diesen permissiven Effekt
einer schon umfangreichen täglichen Gesamtmedikation auf eine zusätzliche
Benzodiazepin-Verordnung zum Teil als Ausdruck einer pathogenetischen Kette,
bei der körperliche Krankheit und dementsprechend umfangreiche tägliche
Gesamtmedikation am Anfang stehen und psychische Komplikationen den
zusätzlichen Einsatz von Benzodiazepinen begründen, zum Teil führen sie ihn auf
ein substanzgebundenes Problemlösungsverhalten der Patienten zurück, das von
Poser und Poser (1996d) auch als „Chemophilie“ oder „pharmakologischer
Optimismus“ bezeichnet wird: Personen, die Gesundheitsprobleme mit Medikamenten
zu lösen gewohnt sind, versuchen auch Lebenskrisen mit Medikamenten zu lösen.
Eine umgekehrte Perspektive der analgetisch-psychopharmakologischen Assoziation
liefern Luderer et al. (1995), die unter 194 Benzodiazepin-abhängigen Patienten
einer psychiatrischen Universitätsklinik einen Anteil von 27% mit zusätzlichem
Gebrauch nichtopioider und von 17% mit zusätzlichem Gebrauch opioider
Analgetika beschreiben, ohne näher auf die Gründe für den Schmerzmittelgebrauch
einzugehen.
5.
Testergebnisse und soziodemographische Daten
Etwa 60% der 306 erfaßten
Patienten machten Angaben zu den erfragten gesellschaftlichen Merkmalen
Familienstand, Schul- und Berufsausbildung, berufliche Stellung und aktuelle
berufliche Tätigkeit. Als signifikant unterschiedlich in Benzodiazepin- und
psychopharmakafreier Gruppe erweisen sich nur die beruflichen Strukturen, und
dies auch nur in der wenig überraschenden Weise, daß der Anteil der Hausfrauen
unter den Benzodiazepinkonsumenten signifikant höher ist als in der
psychopharmakafreien Gruppe. In allen anderen soziodemographischen Kategorien
waren analog zu den Ergebnissen der Studie von Gene-Badia et al. (1988) keine
signifikanten Unterschiede nachweisbar. Dagegen fanden Wendland und Lucius
(1989) bei einer Gruppe von 80 Benzodiazepinabhängigen häufig gestörte
Partnerbeziehungen, 45% dieser Patienten waren ledig, geschieden oder
verwitwet. Bei den männlichen Abhängigen bestanden häufig berufliche
Schwierigkeiten als Begründung für den Benzodiazepingebrauch. Auch Holm (1990)
beschreibt eine signifikante Häufung des fortgesetzten Langzeitgebrauches von
Benzodiazepinen bei alleinstehenden Personen.
Knapp 2/3 aller Patienten
beantworteten die Fragen von POMS und FPI, wobei die geringere
Beteiligungsquote der internistischen im Vergleich zu den chirurgischen
Patienten in erster Linie eine Folge der im internistischen Kollektiv
signifikant häufiger vertretenen chronisch Kranken sein mag. POMS- und
FPI-Testergebnisse der Gesamtstichprobe zeigen gute Übereinstimmungen mit den
zur Plausibilitätsprüfung herangezogenen Vergleichsstandards.
Charakteristische
Unterschiede der Testprofile von chirurgischen und internistischen Patienten,
die als Begründung für die signifikant unterschiedliche
Benzodiazepin-Exposition in beiden Fachbereichen herhalten könnten, waren nicht
nachweisbar. Ein Vergleich der Testergebnisse von chirurgischen und
internistischen Befragungsteilnehmern zeigt nur im FPI-Merkmal Körperliche
Beschwerden einen signifikanten Unterschied mit einem höheren Wert bei den
internistischen Patienten. Die Fragen zu diesem Merkmal beziehen sich auf
vielfältige unspezifische Störungen des körperlichen Befindens, je höher der
ermittelte Skalenwert ausfällt, um so wahrscheinlicher ist der funktionelle
Charakter dieser Beschwerden, wenn sie auch grundsätzlich als Symptome
organischer Erkrankungen in Erscheinung treten können (Fahrenberg et al. 1991).
Nach den Informationen der Handanweisung zum FPI zeigt das Ausmaß der in diesem
Sinne ermittelten körperlichen Beschwerden eine deutliche Abhängigkeit von
Alter und Geschlecht, wobei Frauen und ältere Menschen mehr Beschwerden klagen,
sowie eine positive Korrelation mit den Merkmalen Gehemmtheit und
Beanspruchung. Tatsächlich zeigt sich in der Perspektive des
Extremgruppenvergleiches der Skala Körperliche Beschwerden eine signifikante
Häufung des weiblichen Geschlechts im obersten Quartil. Die entsprechenden, auf
dem signifikanten Körperliche
Beschwerden - Vorsprung der internistischen Testteilnehmer gründenden
Erwartungen einer Dominanz des weiblichen Geschlechts und durchschnittlich
älterer Patienten in dieser Gruppe dagegen bestätigen sich im Fall der
vorliegenden Stichprobe nicht. Auch in den Dimensionen Gehemmtheit und
Beanspruchung liegt im Unterschied zu den Körperlichen Beschwerden kein
signifikanter Unterschied zwischen chirurgischen und internistischen
Befragungsteilnehmern vor.
Im Vergleich der
Testergebnisse von Benzodiazepin-Patienten und Patienten ohne jede
psychopharmakologische Medikation unter den Befragungsteilnehmern erweist sich
nur der Unterschied im POMS-Merkmal Niedergeschlagenheit mit einem höheren Wert
bei den Benzodiazepin-Patienten als signifikant. Aufschlußreicher fallen die
Extremgruppenvergleiche der POMS-Skalen aus. Patienten mit
Psychopharmakaverordnungen dominieren signifikant die Kollektive mit höchstem
Mißmut, höchster Niedergeschlagenheit und Müdigkeit und geringster Tatkraft,
gleiches gilt mit Ausnahme der Dimension Tatkraft auch für die Teilmenge der
Benzodiazepinpatienten. Beim Extremgruppenvergleich der FPI-Skalen zeigt sich
nur in der Dimension Emotionalität ein signifikantes Überwiegen der Patienten
mit Psychopharmakaverordnungen im obersten Quartil. Als Synonym dieser
Skalenbezeichnung kann auch „emotionale Labilität“ verwendet werden, je höher
der Wert, um so mehr kennzeichnen Reizbarkeit, Erregbarkeit, Angst und
Nervosität die Gefühlssphäre des Probanden, ein niedriger Skalenwert hingegen
ist Ausdruck von Ausgeglichenheit, Gelassenheit und Selbstvertrauen.
Zusammenfassend legt dies die Vermutung nahe, daß im wesentlichen die mit dem
POMS erfaßte aktuelle Stimmung der Patienten deren psychopharmakologische
Exposition mitbestimmt. Das Persönlichkeitsmerkmal einer ausgeprägten
emotionalen Labilität könnte in dieser Sichtweise mittelbar über die
Zwischenstufe einer häufiger schlechten aktuellen Stimmungslage
Psychopharmakaverordnungen begünstigen. Gestützt wird diese Interpretation
durch die Studien von Wendland und Lucius (1989), die in ihrer Untersuchung zum
Problem der langfristigen Benzodiazepinmedikation keinen Anhalt für ein
spezifisches Persönlichkeitsprofil von Benzodiazepinabhängigen finden konnten,
und von Gene-Badia et al. (1988), die ein signifikant höheres Ausmaß von
depressiver Verstimmung und emotionaler Empfindlichkeit/Verletzlichkeit bei
Benzodiazepinpatienten im Vergleich mit psychopharmakafreien Patienten
beschreiben.
Der Extremgruppenvergleich
der Testdimensionen liefert über den Hinweis auf unterschiedliche Verordnungsverhältnisse
von Psychopharmaka hinaus eine Reihe signifikanter Altersunterschiede. Ein
signifikanter Altersvorsprung kennzeichnet die FPI-Befragungsteilnehmer mit den
größten im Vergleich zu denjenigen mit den geringsten Gesundheitssorgen (59,5 ± 13,9 gegenüber 49,0 ± 17,8 Jahren, p < 0,001). Die Handanweisung zum FPI
beschreibt eine entsprechende ansteigende Entwicklung des Skalenwertes der
Dimension Gesundheitssorgen mit zunehmendem Alter. Signifikant jünger als ihr
Kontrapunkt im Extremgruppenvergleich sind die FPI-Befragungsteilnehmer mit
maximaler Emotionalität (49,4 ± 14,2 gegenüber 58,0 ± 17,2 Jahren, p < 0,05), Beanspruchung (47,4 ± 14,7 gegenüber 60,3 ± 17,0 Jahren, p < 0,001) und Offenheit (45,9 ± 14,3 gegenüber 60,1 ± 14,9 Jahren, p < 0,001) und die POMS-Teilnehmer mit
dem größten Mißmut (50,3 ± 18,4
gegenüber 57,5 ± 16,6
Jahren, p < 0,05). Für die Dimension Offenheit beschreibt die
FPI-Handanweisung eine deutliche Altersabhängigkeit in Übereinstimmung mit den
vorgefundenen Verhältnissen: je jünger die Probanden, um so höher die
Offenheitswerte. Die oben bereits besprochene Umschreibung der Dimension
Emotionalität (Reizbarkeit, Erregbarkeit, Angst und Nervosität) in der
FPI-Handanweisung zeigt Ähnlichkeiten mit derjenigen der Dimension Beanspruchung
(Anspannung, Überforderung, Zeitdruck, Erschöpfung),
beide Skalen stehen durch drei gemeinsame Items in einer substantiellen
Beziehung. Eine Altersabhängigkeit der Ausprägung dieser Merkmale wird nicht
ausdrücklich beschrieben. Insbesondere unter Berücksichtigung der kohärenten absoluten Alterswerte der
Extremgruppen von Emotionalität, Beanspruchung und Mißmut scheint sich eine
streßanfälligere Gruppe jüngerer Patienten mit einem Durchschnittsalter am oberen
Ende des fünften Lebensjahrzehnts von einer emotional stabileren Gruppe älterer
Patienten mit einem Durchschnittsalter am oberen Ende des sechsten
Lebensjahrzehnts abzugrenzen. Jedoch umfaßt die Schnittmenge der obersten
Quartile von Emotionalität und Beanspruchung bei einem Quartilsumfang von
jeweils 50 Patienten nur die Anzahl von 27 Patienten und entspricht einem
Anteil von nur 54%, die Schnittmenge der untersten Quartile umfaßt 32
Patienten, entsprechend einem Anteil von 64%. Auf eine weitere Abklärung der
Konsistenz der Extremgruppen wurde angesichts der schwachen Datenlage
verzichtet.