Patientenkollektiv und Methoden
Als Gegenstand
der Erhebung wurde, der Fragestellung entsprechend, ein allgemeinmedizinisches
(nichtpsychiatrisches) Patientenkollektiv definiert, das sich aus Patienten der
Unfallchirurgischen und der Allgemeinchirurgischen sowie der Internistischen
Abteilung des Universitätskrankenhauses Eppendorf zusammensetzt. Dieses
Kollektiv umfaßt die innerhalb eines vorgegebenen Erhebungs-zeitraumes von vier
Wochen aus den genannten Abteilungen entlassenen oder verlegten Patienten. Die
Befragung der Patienten und die Dokumentation von Patientendaten aus der
Krankenakte erfolgten in anonymisierter Form, indem die eindeutige Zuordnung
von Befragungsbogen und Aktenbogen eines jeweiligen Patienten über eine
fortlaufende Kodenummer gewährleistet wurde. Zuordnungen der Erhebungsbögen zu
Namen und Adressen der Patienten waren auf diese Weise ausgeschlossen. Die
Patienten erhielten vor der Befragung die schriftliche Zusicherung, daß ihre
Angaben und Daten in dieser anonymisierten Form ausgewertet würden und
sämtliche an der Studie beteiligten Untersucher der ärztlichen Schweigepflicht
unterlägen.
Insgesamt wurde
eine Stichprobe von 306 Patienten erfaßt, davon 157 chirurgische und 149 internistische
Patienten. Durchschnittlich 2/3 dieser Patienten beteiligten sich an der
Befragung.
Die im
vorgegebenen, vierwöchigen Erhebungszeitraum zur Entlassung anstehenden
Patienten wurden jeweils am Vortag ihrer geplanten Entlassung um Bearbeitung
der unten aufgeführten Testbögen gebeten. Patienten, die hierzu nicht selbst in
der Lage waren, wurden vom Untersucher persönlich befragt, ausgenommen solche
Patienten, bei denen aufgrund einer Störung des Bewußtseins, der Orientierung,
der Konzentration oder Gedächtnisfunktionen, der Auffassung oder des
Realitätsurteils eine Befragung bzw. eine valide Beantwortung der Fragen nicht
möglich war.
Das
Instrumentarium der Befragung umfaßte als etablierte klinisch-psychologische
Tests den Fragebogen Profile of Mood States (POMS) und eine Auswahl von
Subskalen des Freiburger Persönlichkeitsinventars in der revidierten Fassung
(FPI-R). Darüber hinaus wurden persönliche Daten des Patienten in einer eigenen
Sektion am Ende des Testbogens erfragt.
2.1.1 Psychopathologischer Befund
Der Fragebogen
Profile of Mood States (POMS, McNair et al., 1971) wurde in der deutschen
Kurzform (Biel und Landauer, 1975) mit 35 Items eingesetzt. Es handelt sich um
eine Liste mit Adjektiven, die verschiedenartige Gefühlszustände beschreiben.
Die Aufforderung an den Patienten lautet, auf einer siebenstufigen Skala
von <0 = überhaupt nicht> bis
<6 = sehr stark> das
Ausmaß anzugeben, in dem der jeweilige Begriff seinen Gefühlszustand während
der letzten 24 Stunden zutreffend beschreibt. Der POMS bildet die aktuelle
Stimmungslage des Patienten auf vier Subskalen ab:
·
Niedergeschlagenheit (14 Items) mit Komponenten wie Angst,
Traurigkeit, Schwermut,
Minderwertigkeit, Hoffnungslosigkeit;
·
Müdigkeit (7 Items), zu umschreiben mit Lustlosigkeit,
Erschöpfung, Trägheit;
·
Tatkraft (7 Items) als Ausdruck von Schwung, Energie,
Lebhaftigkeit;
·
Mißmut (7 Items) in Form von Zorn, Gereiztheit, Wut.
Als
Vergleichsstandard zur Beurteilung der erhobenen Testwerte wird die von
Bullinger et al. (1990) vorgelegte psychometrische Untersuchung des POMS in der
deutschen Kurzform an einer Gruppe von 143 Medizinstudenten, 70 Frauen und 73
Männer, mit einem Durchschnittsalter von 24,3 ± 3,5 Jahren, herangezogen. Diesem Vergleichskollektiv junger und
gesunder Erwachsener wurde der POMS im Rahmen einer Lehrveranstaltung
vorgelegt. Die Verteilungen der Items aus den Subskalen Niedergeschlagenheit
und Mißmut fielen in dieser Untersuchung linksschief aus, während die
Verteilungen der Items der Subskalen Müdigkeit und Tatkraft sich der
Normalverteilung annäherten. Mit Ausnahme der Subskala Mißmut, für die eine
Differenzierung in die Komponenten Dysphorie und Wut vorgeschlagen wird,
konnten die übrigen drei genannten Subskalen des POMS in die im Rahmen einer
Faktorenanalyse über die 35 Items des Tests vorgefundene Faktorenstruktur mit
guter Übereinstimmung eingeordnet werden. Die Parameter des Vergleichsstandards
sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:
POMS-Vergleichsstandard nach Bullinger et al. (1990) |
Nieder-geschlagenheit |
Müdigkeit |
Tatkraft |
Mißmut |
Mittelwert ± Standardabweichung |
17,1 (±
14,6) |
17,7 (±
8,4) |
23,5 (±
7,7) |
9,8 (±
8,3) |
Als Instrument
zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen diente das FPI-R. Da dieser Test in
der Vollversion 138 Fragen umfaßt, die die Persönlichkeit des Probanden auf 12
Subskalen abbilden, war aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit eine
Reduktion der Persönlichkeitstestung auf diejenigen Dimensionen erforderlich,
welche ihrer Beschreibung nach eine besondere Relevanz in Hinsicht auf den
Gebrauch von Psychopharmaka und Analgetika, also hinsichtlich der Bereitschaft
zu stoffgebundenen Problemlösungen, besitzen könnten. Die getroffene Auswahl
erfaßt die unten beschriebenen sechs Subskalen bei einem Fragenumfang von
insgesamt 74 Fragen (Subskalen 1 bis 5 jeweils 12 Items, Subskala 6 dagegen 14
Items) :
1.) Gehemmtheit:
Ein hoher Skalenwert in dieser Dimension charakterisiert Personen, die im
sozialen Umgang gehemmt und unsicher sind, die den Kontakt mit anderen,
insbesondere fremden Menschen scheuen und nach Möglichkeit meiden und in
sozialen Gruppen zur Isolation neigen. Schüchternheit und Ängstlichkeit
kennzeichnen diesen Typus, als dessen Extremvariante die soziale Phobie zu
nennen ist. Die Dimension Gehemmtheit zeigt eine Korrelation mit der weiter
unten beschriebenen Dimension Körperliche Beschwerden.
2.)
Beanspruchung: Diese Dimension läßt sich umschreiben mit überdauernden Gefühlen
von Anspannung, Überforderung, Zeitdruck, Erschöpfung. Sie beschreibt das
subjektive Erleben unabhängig von der tatsächlich bestehenden, objektiven
Belastung des Probanden im Alltagsleben.
3.) Körperliche
Beschwerden: In dieser Kategorie werden multiple, in den Fragestellungen
vorgegebene, allgemeine oder spezielle (organbezogene) Störungen des
körperlichen Befindens dokumentiert, im einzelnen: Schlafstörungen,
Kopfschmerzen, Wetterfühligkeit, Herzrhythmusstörungen, Hitzewallungen, kalte
Hände und Füße, empfindlicher Magen, Verstopfung, Engegefühl in der Brust, Kloß
im Hals, nervöses Zucken und zittrige Hände. Das hierdurch vorgegebene Spektrum
unspezifischer körperlicher Beschwerden gehört in typischer Weise zum Bild der
„psychovegetativen Labilität“. Die Skala erfaßt die relative Häufigkeit solcher
Beschwerden, je höher der Skalenwert, um so wahrscheinlicher ihr funktioneller
Charakter, wenn sie auch grundsätzlich als Symptome organischer Erkrankungen in
Erscheinung treten können. Das Ausmaß körperlicher Beschwerden zeigt eine
deutliche Abhängigkeit von Alter und Geschlecht, wobei Frauen und ältere
Menschen mehr Beschwerden klagen, sowie eine positive Korrelation mit
Gehemmtheit und Beanspruchung.
4.)
Gesundheitssorgen: Ein hoher Skalenwert steht für ein sehr gesundheitsbewußtes
und gesundheitsbesorgtes, unter Umständen sogar als hypochondrisch zu
interpretierendes Verhalten und Erleben. Risiken wie Kontamination, Ansteckung
oder anderweitige Schädigung sind in hohem Maße bewußt und werden intensiv
vermieden, in diesem Zusammenhang wird medizinisches Wissen aquiriert und
häufig ärztlicher Rat eingeholt. Diese Furcht vor Erkrankungen und die
entsprechende Schonungshaltung zeigen naturgemäß eine Zunahme mit steigendem
Alter. Entscheidend ist auch hier, wie schon bei den körperlichen Beschwerden,
die Relation zwischen subjektiven Befürchtungen und objektiven Befunden.
5.) Offenheit:
Die Ausprägung des Merkmals Offenheit bei einem Probanden beschreibt dessen
Umgang mit kleinen, harmlosen Schwächen und alltäglichen Normverletzungen,
beispielsweise Schadenfreude, gelegentliches Lügen oder Angeben, häßliche
Gedanken oder Bemerkungen über andere, Unpünktlichkeit, Aufschieben wichtiger
Angelegenheiten. Probanden mit einem hohen Skalenwert bekennen sich entweder
selbstkritisch oder ungeniert, ohne den verletzten Alltagskonventionen einen
tieferen Wert beizumessen, zu solchen Verhaltensweisen, während diejenigen mit
einem niedrigen Skalenwert entweder sehr stark an konventionellen Umgangsnormen
orientiert sind und einem starken Konformitätsstreben unterliegen, oder aber
aufgrund mangelnder Selbstkritik oder bewußter Leugnung sozial unerwünschter
Verhaltensweisen ein positives Selbstbild oder zumindest einen guten äußeren
Eindruck zu erzeugen bestrebt sind. Ein besonderes Problem dieser Skala liegt
offensichtlich in der eingeschränkten Probanden-Objektivität, da ein bewußt
tendenzielles Antwortverhalten, das die leicht zu durchschauenden Fragen dieser
Kategorie in sozial erwünschter Weise bedient, die Offenheit als
unreflektiertes Persönlichkeitsmerkmal undifferenzierbar überlagert. Die
Offenheit zeigt eine deutliche Altersabhängigkeit: je jünger die Probanden, um
so höher die Offenheitswerte.
6.)
Emotionalität: Als Synonym dieser Skalenbezeichnung könnte auch „emotionale
Labilität“ verwendet werden. Je höher der Wert, um so instabiler und
problematischer ist die Gefühlssphäre des Probanden, die durch Reizbarkeit,
Erregbarkeit, Angst, Nervosität, Bedrückung, Abgespanntheit, Mattigkeit,
Teilnahmslosigkeit und eine Fluktuation zwischen diesen Zuständen
gekennzeichnet ist. Emotional labile Probanden neigen zu Grübeleien über ihre
Lebensbedingungen, fühlen sich problembeladen und von anderen kaum richtig
verstanden. Ein niedriger Skalenwert hingegen ist Ausdruck von
Lebenszufriedenheit, Ausgeglichenheit, Gelassenheit und Selbstvertrauen. Die
Emotionalität ist geschlechtsabhängig, Frauen haben höhere Erwartungswerte.
Diese Skala umfaßt als einzige 14 Items (gegenüber jeweils 12 Items bei den
anderen genannten Subskalen), drei davon werden gleichzeitig auf der Skala
Beanspruchung mit ausgewertet.
Die Beurteilung
der FPI-Testwerte wird anhand der im Anhang zur FPI-Handanweisung von
Fahrenberg et al. (1991) aufgeführten Vergleichswerte einer Normstichprobe von
2035 Probanden (1082 Frauen und 953 Männer) vorgenommen. Das Durchschnittsalter
der Normstichprobe wird hier nicht explizit genannt, dafür findet sich eine
Differenzierung in vier Altersklassen (16-24 Jahre, 25-44 Jahre, 45-59 Jahre
und 60 Jahre und höher) mit jeweils eigenen Mittelwerten und
Standardabweichungen. Für die gesamte Normstichprobe sind die Parameter der
relevanten Subskalen in folgender Tabelle aufgeführt:
FPI-Vergleichsstandard nach Fahrenberg et al. (1991) |
Gehemmtheit |
Beanspruchung |
Körperliche Beschwerden |
Gesundheits-sorgen |
Offenheit |
Emotionalität |
Standardabweichung |
5,19 (± 3,06) |
5,66 (± 3,54) |
4,04 (± 3,04) |
5,92 (± 3,16) |
5,95 (± 2,94) |
6,18 (± 3,55) |
Die Autoren der Handanweisung
zum FPI weisen darauf hin, daß die Testmotivation des einzelnen Probanden und
die Testsituation für die Interpretierbarkeit der ermittelten Skalenwerte eine
entscheidende Rolle spielen, und empfehlen, Testergebnissen bei geringer
Ausprägung der Skala Offenheit besondere Skepsis entgegenzubringen. Als geringe
Offenheit werden Testergebnisse im unteren Skalendrittel eingeordnet.
Der
Fragenkomplex zu persönlichen Daten bildet den Abschluß des vom Patienten zu bearbeitenden
Erhebungsbogens. Die Erfassung soziodemographischer Daten am Patienten dient
dem Ausgleich etwaiger Lücken in den Angaben der Krankenakte und der
Erweiterung des Datenspektrums um die unten aufgeführten Aspekte. Erfragt
wurden:
·
Familienstand,
·
Schulbildung,
·
Berufsbildung,
·
berufliche Stellung,
·
Relation der aktuell ausgeübten Tätigkeit zum erlernten Beruf,
·
aktuelle Krankschreibungsdauer.
2.2 Datenerhebung aus der Krankenakte
Unabhängig von
der Bereitschaft oder Befähigung zur Teilnahme an der Befragung, erfolgte bei
sämtlichen erfaßten Patienten die Erhebung der nachfolgend aufgeführten Daten
aus der Krankenakte einschließlich des vorläufigen oder (sofern verfügbar)
endgültigen Entlassungsbriefes.
2.2.1 Soziodemographische Daten
In diesen Bereich
fallen die Dokumentation von Alter, Geschlecht, Familienstand und Beruf. In den
Bereich Beruf fallen neben Formen der Erwerbstätigkeit auch
Ausbildungsverhältnisse, Stellung als Hausfrau/Hausmann und Berentung.
2.2.2 Aspekte des stationären Aufenthaltes
Hierzu zählen
die Station, auf der der Patient aufgenommen wurde, und damit auch seine
Zuordnung zu einer bestimmten Abteilung, sowie die stationäre Aufenthaltsdauer
in Tagen, die durch eine am Aufnahmetag mit Null beginnende, fortlaufende
Zählung bis einschließlich zum Tage der Entlassung ermittelt wurde.
Die Diagnosen
des Patienten wurden anhand des vorläufigen oder, sofern verfügbar, endgültigen
Entlassungsbriefes und bei darüber hinaus gehenden Informationen zusätzlich
anhand der Krankenakte dokumentiert. Dabei stellt die den aktuellen Aufenthalt
begründende Erkrankung oder Schädigung die Hauptdiagnose dar und wird um
beliebig viele Nebendiagnosen erweitert.
Während des
stationären Aufenthaltes registrierte oder anamnestisch bereits bekannte
psychische Beschwerden oder Verhaltensauffälligkeiten des Patienten wurden nach
der Art ihrer Dokumentation in Aufnahmebogen, Krankenakte und Entlassungsbrief
sowie nach ihrem Typ beschrieben. Entsprechende, geeignete Kategorien der
Beschreibung entstanden durch eine nachträgliche Typenbildung auf der Grundlage
der direkt und wörtlich der Akte entnommenen Angaben. Eine gesonderte Rubrik
bildete diesbezüglich der Alkoholkonsum, der dreifach abgestuft als
vollständige Abstinenz, gelegentlicher Alkoholgenuß in sozial üblichen Bezügen
oder regelmäßiger täglicher Alkolkonsum erfaßt wurde. Schließlich wurden die
psychiatrischen Konsile des Patienten während seines stationären Aufenthaltes
nach Zahl und Inhalt dokumentiert.
Gegenstand der
Datenerfassung im Bereich der Medikation waren ausschließlich Psychopharmaka
und Analgetika. Die Gruppe der Psychopharmaka umfaßt hierbei Antidepressiva,
Neuroleptika, Tranquilizer, Hypnotika sowie anderweitige Medikamente, die zur
Therapie oder Prophylaxe psychiatrischer Störungen eingesetzt werden,
beispielsweise Phasenprophylaktika wie Lithiumsalze oder Nootropika wie
Pentoxifyllin. Darüber hinaus wurden auch solche Applikationen in dieser Gruppe
erfaßt, die in Bezug auf die Behandlung psychischer Beschwerden als Placebo
einzuordnen sind, so z.B. Multivitaminkapseln oder homöopathische Präparate,
die gezielt zur Nacht als „Schlafmittel“ eingesetzt wurden. In der Gruppe der
Analgetika wurden nur opioide und nicht-opioide (antipyretisch/antiphlogistisch
wirksame) Analgetika erfaßt, jedoch keine adjuvanten
Schmerztherapeutika/Coanalgetika (z.B. Antidepressiva, Neuroleptika, Clonidin)
oder Substanzen zur spezifischen Behandlung spezieller Schmerzsyndrome (z.B.
Carbamazepin, Migränetherapeutika). Der Umfang der Dokumentation umfaßt:
·
Wirksubstanz,
·
totale Dosis während des stationären Aufenthaltes,
·
maximale Tagesdosis während des stationären Aufenthaltes,
·
Applikationsdauer in Tagen,
·
Indikation,
·
Konsilrelation der Verordnung (d.h. ohne/mit/gegen
Konsilempfehlung gegeben),
·
die Differenzierung zwischen bei Aufnahme bereits vorbestehender
Medikation und Neuverordnung während des stationären Aufenthaltes,
·
die Beantwortung der Frage, ob das jeweilige Medikament am Vortag
der Entlassung noch aktueller Bestandteil der Medikation ist und
·
die Beantwortung der Frage, ob das jeweilige Medikament
Bestandteil der Entlassungsmedikation ist.
Die erhobenen
Primärdaten wurden zur Bearbeitung mittels des Tabellenkalkulationsprogrammes
Excel 97 in Tabellenform überführt. Die Ermittlung der POMS- und FPI-Testwerte
erfolgte mittels geeigneter Schablonen von Hand. Bestimmte Primärdaten
erforderten hinsichtlich der Auswertung
einen zusätzlichen Beurteilungsschritt:
·
Der
umfangreiche Diagnosenblock wurde zur Ableitung der Anzahl dokumentierter
chronischer körperlicher Erkrankungen herangezogen. Dabei wurden nur solche
Diagnosen gezählt, die den sicheren Rückschluß auf eine vorbestehende
chronische körperliche Erkrankung mit in der Regel bestehenden körperlichen
Beschwerden zuließen. Maligne Erkrankungen wurden nur dann bei den chronischen
Diagnosen mitgezählt, wenn zusätzliche Diagnosen eindeutig auf einen
vorbestehenden chronischen Verlauf der malignen Erkrankung hinwiesen -
Erstdiagnosen im Rahmen des aktuellen Krankenhausaufenthaltes und als „Zustand
nach...“ gekennzeichnete Diagnosen wurden damit nicht berücksichtigt.
HIV-Infektionen wurden nur dann bei den chronischen körperlichen Erkrankungen
mitgezählt, wenn Begleitdiagnosen den Rückschluß auf ein manifestes AIDS bzw.
Komplikationen zuließen. Eine Hepatitis B - Infektion wurde nur dann bei den
chronischen körperlichen Erkrankungen mitgezählt, wenn sie in der Diagnose
explizit als chronisch bezeichnet wurde und nicht bereits im Rahmen einer beim
gleichen Patienten dokumentierten Leberzirrhose berücksichtigt war. Hepatitis C
- Infektionen waren nur bei als
drogenabhängig oder HIV-positiv diagnostizierten Patienten dokumentiert und
wurden durchweg als chronisch gewertet, aber analog zur Hepatitis B nur dann
bei den chronischen körperlichen Erkrankungen mitgezählt, wenn nicht
gleichzeitig schon eine Leberzirrhose diagnostiziert war.
· Für jede Benzodiazepinverordnung wurden maximale Tagesdosis und totale stationär applizierte Dosis anhand der auf der nächsten Seite aufgeführten Tabelle M1 in Diazepamäquivalente umgerechnet. Dabei wurde die totale stationäre Dosis eines Patienten als Summe der Diazepamäquivalente aller einzelnen Benzodiazepinverordnungen dieses Patienten berechnet. Bekam ein Patient im Verlauf seines stationären Aufenthaltes mehr als ein Benzodiazepin verordnet, so wurden diese Benzodiazepine in der Regel nicht gleichzeitig, sondern sequentiell verordnet. Dementsprechend wurde als maximale Tagesdosis in Diazepamäquivalenten für einen solchen Patienten das größte der für die maximalen Tagesdosen der einzelnen Benzodiazepinpräparate berechneten Diazepamäquivalente angegeben. Lediglich bei zwei chirurgischen Patienten trat nachweislich der besondere Fall auf, daß zwei Benzodiazepine gleichzeitig gegeben wurden: Patientin C153 erhielt Oxazepam 300mg (zur Anxiolyse tagsüber) + Flunitrazepam 1mg (als Schlafmittel abends) täglich über die gesamte Aufenthaltsdauer von 18 Tagen, entsprechend einer max. Tagesdosis von 75mg + 20mg = 95mg Diazepamäquivalent. Patient C78 erhielt Tetrazepam 50mg (zur Muskelrelaxation) + Bromazepam 9mg (zur Anxiolyse) täglich über die gesamte Aufenthaltsdauer von 18 Tagen, entsprechend einer max. Tagesdosis von 15mg + 25mg = 40mg Diazepamäquivalent.
(Quelle: Poser W, Poser S (1996) Medikamente – Mißbrauch
und Abhängigkeit: Entstehung – Verlauf – Behandlung, 1. Aufl., Thieme,
Stuttgart New York, S. 125, Tab. 11 - „Äquivalenztabelle für Benzodiazepine und
analoge Substanzen“)
Benzodiazepin |
relative Wirkungsstärke
bezogen auf Diazepam (Äquivalenzfaktor) |
Nitrazepam
|
2 |
Oxazepam |
1/4 |
Flurazepam |
1/3 |
Tetrazepam |
1/2 |
Bromazepam |
5/3 |
Diazepam |
1 |
Lormetazepam |
10 |
Flunitrazepam |
20 |
Lorazepam |
5 |
·
Als
Grundlage zur Differenzierung der im Rahmen der Studie angetroffenen
Benzodiazepine nach Eliminationshalbwertszeit, aktiven Metaboliten und
Indikationsgebieten wurden die in der folgenden Tabelle M2 zitierten Angaben
des Klinikleitfadens Arzneimitteltherapie herangezogen:
(Quelle: Berthold H
(Hrsg.) (1999) Klinikleitfaden Arzneimitteltherapie, 1. Aufl., Fischer, Lübeck
Stuttgart Jena Ulm, S. 832-834)
Benzodiazepin |
Halbwertszeit in h |
Aktive Metabolite |
Indikationen / Besonderheiten |
Nitrazepam
|
25-30 |
ja |
Hypnotikum (Durchschlafstörungen) |
Oxazepam |
5-16 |
nein |
Anxiolytikum/Tranquilizer, Hypnotikum (Durchschlafstörungen). Benzodiazepin
der Wahl bei Leberfunktionsstörungen (überwiegend renale Elimination) |
Flurazepam |
3,1 |
ja (HWZ bis 120
h) |
Hypnotikum (Ein- und Durchschlafstörungen) |
Tetrazepam |
13-44 |
ja |
Muskelrelaxans (schmerzreflektorische Muskelverspannungen, spastische Syndrome) |
Bromazepam |
15-28 |
ja |
Anxiolytikum/Tranquilizer, als Hypnotikum nur dann geeignet, wenn Tranquilisation am Tage
erwünscht. Rasche Anflutung, hohes Suchtpotential, starke
Entzugserscheinungen. |
Diazepam |
20-50 |
ja |
Anxiolytikum/Tranquilizer, Antikonvulsivum, Muskelrelaxans, als Hypnotikum nur dann geeignet, wenn Tranquilisation am Tage
erwünscht. Kumulationsgefahr, v.a. bei alten Patienten. |
Flunitrazepam |
10-30 |
ja |
Hypnotikum (Ein- und Durchschlafstörungen) |
Lorazepam |
12-16 |
nein |
Anxiolytikum/Tranquilizer, Lösung von Stupor/Mutismus, Hypnotikum (Ein- und Durchschlafstörungen). Rasche Anflutung, hohes Suchtpotential, starke
Entzugserscheinungen. |
Die statistische
Auswertung der Daten erfolgte ganz überwiegend mit Hilfe der Analysefunktionen
des Tabellenkalkulationsprogrammes Excel 97. Zur Prüfung von Hypothesen
bezüglich der Anteilswerte eines alternativen Merkmals (d.h. eines Merkmals mit
nur zwei möglichen Werten) bei großen Stichproben (n ³ 36) wurde der
unter Excel 97 verfügbare Gauß-Test herangezogen. Die Prüfung von Hypothesen
bezüglich diskret oder stetig variabler Merkmale wurde mittels Wilcoxon-Test
mit Hilfe des Statistikprogrammes SPSS vorgenommen.
Zur Eliminierung
des Alterseinflusses auf die durchschnittliche stationäre Aufenthaltsdauer von
Patientenkollektiven mit unterschiedlicher psychopharmakologischer Exposition
wird eine Altersstandardisierung dieser disjunkten Patientengruppen
vorgenommen. Dazu erfolgt zunächst eine Klassifizierung nach Lebensjahrzehnten.
In jeder so gewonnenen Altersklasse wird der Anteil der Patienten mit kurzer
(1-10 Tage), mittlerer (11-20 Tage) und langer (über 20 Tage) stationärer
Aufenthaltsdauer ermittelt. Anschließend werden die ermittelten relativen
Häufigkeiten auf ein ideales Kollektiv mit je 100 Patienten pro Altersklasse
angewendet und die absolute Besetzung von kurzem, mittlerem und langem
stationären Aufenthalt berechnet. Abschließend ergibt sich die relative
Häufigkeit einer Aufenthaltsdauer im altersstandardisierten Kollektiv jeweils
als Quotient aus ihrer absoluten Besetzung und der Summe aller absoluten
Besetzungen.
Die
Vorgehensweise beim Extremgruppenvergleich der POMS-Befragungsteilnehmer
besteht in einer Anordnung jeweils nach den Testwerten einer der vier
POMS-Dimensionen Niedergeschlagenheit, Müdigkeit, Tatkraft, Mißmut und
anschließender Abgrenzung des Patientenviertels mit den niedrigsten bzw.
höchsten Testergebnissen als unterstes und oberstes Quartil der jeweiligen
Testdimension.