3.2.1 Herleitung einer diagnostischen Einordnung nach DSM III R

Aufbauend auf dem im vorausgehenden Kapitel mit dem Schwerpunkt auf Hinweisen zu gegebenenfalls diagnostisch relevanten Persönlichkeitsmerkmalen gesammelten biographischen Material, erfolgt nun eine deskriptive Verdachtsdiagnose zur Ätiologie der Suizidalität bei Ernst Ludwig Kirchner unter Berücksichtigung des DSM III R:

Im Vordergrund von Kirchners psychopathologischer Symptomatik stehen die beiden suizidalen Krisen des Künstlers, von denen er die erste, von 1913[1] bis 1919 andauernde überwinden konnte, sich in der zweiten jedoch am 15.06.1938 suizidierte.

Schon Gordon, der 1968 die erste ausführliche Biographie nach Kirchners Tod veröffentlichte, wies auf bei ihm der Suizidalität zugrundeliegende Persönlichkeitsanteile hin: „Man könnte Kirchners Zustand gleich nach dem Kriege vielleicht als Fortsetzung jener früheren Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit ansehen, die wir bis in die Dresdner Jahre nachweisen konnten. Aber wenn dem so ist, dann war dieser Konflikt durchaus nicht unmittelbar...“[2] An anderer Stelle nochmals: „Doch wird es deutlich, daß Kirchner (aus Gründen, die noch längst nicht geklärt sind) den Keim innerer Krise seit einiger Zeit in sich getragen hatte.“ [3]

Ausführlichere Hinweise liefert Wentzel in seiner Rezension des Gordon´schen Buches 1971: „Mit der Arbeit Gordons ist nun ELKs Lebensziel erreicht: 1) ein amerikanischer Kunsthistoriker schreibt seine Biographie, ordnet und deutet sein Werk,... 2) die Deutsche Goethe-Gesellschaft zeigt die Graphik seiner frühen Jahre im Ausland... 3) für deutsche Studenten der Kunstgeschichte sind Ausschnitte aus ELKs Lebenswerk dissertationswürdig und 4) seine Druckgraphik erreicht international Preise, die höher liegen als für manche Blätter von Dürer oder Rembrandt. ELK ist nun tatsächlich >>der deutsche Künstler des 20. Jahrhunderts<< geworden, wie er sich immer gewünscht, wie er es stets von sich geglaubt hatte. An dem Erreichten hat ELK selbst, sowohl unter dem eigenen Namen als auch unter Pseudonym erheblich mitgearbeitet: er selbst schuf den Mythos Kirchner, er förderte die >>Apotheose Kirchners<< sehr nachdrücklich. ... Vor seinem Tod 1938 war ELK...nur einer von vielen, galt als exzentrisch und besaß - trotz des unvorstellbaren Umfangs seines Schaffens - nur einen kleinen, aber treuen Sammlerkreis. ... Mythos und Apotheose sind geblieben, auch in Gordons Buch. Vielleicht ist das nicht verwunderlich bei einem jungen Autor (der Jahre seines Lebens nur über diesen einen Maler gearbeitet hat), daß sein >>Held<< nur helle, aber keine Schattenseiten hat und haben darf. ... Wenn für einen Autor der Künstler ein Idol darstellt, kann man nicht erwarten, den damit sakrosankten Künstler oder Menschen so zu erfahren, wie seine Zeitgenossen über ihn mündlich und schriftlich berichtet haben... . Statt dessen müßte man etwas von seiner geradezu pathologischen Eigenliebe und krankhaften Eifersucht hören, von Egoismus, Egozentrik und Irritierbarkeit, seiner Sucht nach Bestätigung, dem hektischen Getriebensein beim Arbeiten ... seine Ärzte haben - allerdings nur in mündlichen Äußerungen - von einem (im medizinischen Sinne) Hysteriker und Psychopathen gesprochen...“[4]

Wendet man sich nun im einzelnen den verfügbaren biographisch-anamnestischen Daten zu, ergibt sich zusammenfassend das folgende Bild:

Kindheit und Jugend des ältesten Sohnes aus preußisch-strengem Elternhaus sind geprägt von in den beruflichen Erfolgen des Vaters begründeten mehrfachen Ortswechseln. Bereits aus früher Kindheit erinnert er später seine Ängstlichkeit gegenüber Menschen.[5]

Andererseits entwickelt er schon in jungen Jahren eine zeichnerische Begabung[6], die besonders vom Vater gefördert wird.

Nach der Matura beugt er sich noch dem väterlichen Wunsch, eine „bürgerliche“ Berufsausbildung zu absolvieren, beginnt aber gleichzeitig, seinen unwiderruflichen Entschluß Künstler zu werden[7] zu realisieren und sich eine eigene Lebenswelt fern der bürgerlichen Normen zu gestalten, die geprägt ist von einer selbstbewußten „Anti-Haltung zur Gesellschaft, eine[r] Befreiung von der Bourgeoisie, ... eine[r] Neigung zum Exotismus, ... [dabei] Absage an jede Konvention, ... anarchische Freiheit, zugleich Elitebewußtsein des Besonderen.“[8]

Er legt Wert auf seine äußere Erscheinung, fällt auf als „wohlgebaute[r], aufrechte[r] Jüngling größten Selbstbewußtseins, stärkster Leidenschaftlichkeit, der ein herrlich unbekümmertes Wesen und ein mitreißendes, freimütiges Lachen an sich“[9] hat, inszeniert regelrecht seine unmittelbare Umgebung[10] und findet bald einen kleinen Kreis Gleichgesinnter, mit denen er sich zur „Brücke“[11] zusammenschließt und sich damit nach dem erfolgreichen Studienabschluß endgültig vom bürgerlichen Leben ab, einer elitären Sonderexistenz zuwendet: „Odi profanum vulgus et arceo (Oden III,I,1). Ich mag den gemeinen Pöbel nicht und halte ihn mir fern.“[12]

„Das ganz naive reine Müssen, Kunst und Leben in Harmonie zu bringen“[13], bestimmt das alltägliche Leben der Künstler mit ihren Modellen - Freundinnen und Bekanntschaften aus der Artistenwelt, darunter besonders „die etwa 12 Jahre alte Fränzi und ihre zwei Jahre ältere Schwester Marcella“[14] - in freizügigem Miteinander. Ununterbochen wird in den Ateliers oder in der freien Natur der menschliche Körper in paradiesischer Nacktheit[15] Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung.

Bald stellen sich auch erste Ausstellungserfolge ein.[16] Um in das Zentrum des damaligen Kunstlebens zu gelangen, siedeln einige der Mitglieder nach Berlin um. Kirchner folgt ihnen, um entsprechend seinem Anspruch, künstlerischer Mittelpunkt der „Brücke“ zu sein[17], an dem Erfolg teilzuhaben, wofür er von heute auf morgen seine bisherige Existenzgrundlage und seine Freundin Dodo in Dresden zurückläßt[18].

Mit Pechstein, der bereits anerkannt in Berlin Fuß gefaßt hat[19], gründet er eine gemeinsame Kunstschule, das recht extravagante MUIM-Institut[20], dem aber ebenso wie Kirchner selbst kein Erfolg vergönnt ist[21], während insbesondere Pechsteins Erfolge zunehmen.

Kirchner kann sich nicht damit abfinden, daß ihm nicht die seiner Meinung nach angemessene führende Position, die er in seiner „Chronik der Brücke“ mit zum Teil unwahren Behauptungen einfordert[22], zugebilligt wird, woraufhin es zum Zerwürfnis der Gemeinschaft kommt[23].

Auf sich allein gestellt stürzt er sich rast- und ruhelos bis „an die äußerste Grenze physischer Belastbarkeit“[24] in die Arbeit und hält sich dazu mit Kaffee, Zigaretten und später auch Drogen wach[25]. Unter der Anspannung dieses „Existenzkampfes“[26] wendet er sich den diesem Kampf ebenfalls ausgesetzten Randgruppen zu, die er in der Varietéwelt, wo er seine zukünftige Lebensgefährtin Erna kennenlernt, und in den Kokotten der Straße[27] findet.

Dramatisch zugespitzt wird dieser Kampf um Anerkennung durch die mit Kriegsbeginn plötzlich manifeste Bedrohung, als Soldat seine künstlerische Arbeit nicht fortsetzen zu können, „einem normalen bürgerlichen Leben wieder eingegliedert zu werden..., ja sogar einen ganz üblichen Soldatentod zu sterben“[28], wie ihm bald an zahlreichen Beispielen vor Augen steht[29]. Er meldet sich betrunken als „unfreiwillig Freiwilliger“[30], sucht durch Fotografieren beim Militär der Kunst nicht ganz zu entsagen[31], sieht dann aber keinen andern Ausweg mehr als die Flucht.

Er traut sich tagsüber nicht mehr auf die Straße[32], nimmt kaum noch Nahrung zu sich, sondern lebt von Zigaretten, Alkohol und Veronal, später auch Morphium[33]. Unter Angstzuständen beginnt er seine Umwelt paranoid auszugestalten[34], findet mehrfach Eingang in psychiatrische Kliniken, flüchtet aber von dort wiederholt, „da ich es hier doch nicht aushalte und es keine Erholung für mich ist zwischen den gänzlich anders gearteten Menschen zu leben“[35]. Magen-Darm-Probleme und zuletzt auch Lähmungserscheinungen - wohl im Sinne einer Konversionsreaktion[36] - treten hinzu, wobei er zur Vermeidung des Militärs (i. S. eines sekundären Krankheitsgewinns) auch bewußt die Ärzte täuscht[37]. Sein Sexualleben kommt zum Erliegen[38], und schließlich manifestieren sich erstmals Suizidgedanken[39]. Dennoch bleibt er zu einem überraschend umfangreichen, ja geradezu gesteigerten Kunstschaffen in der Lage.[40]

Unterstützt von einem Kreis bedeutender und aufopfernder Förderer, denen gegenüber er eine fast schon kindliche Anhänglichkeit entwickelt[41], stabilisiert er sich bei dem Sanatoriumsaufenthalt in Kreuzlingen soweit, daß ein Umzug in das sichere Exil nach Davos möglich wird. Die Form dieser Unterstützung besteht nicht nur in regelmäßigen finanziellen Zuwendungen[42], sondern auch in zahlreichen Kontakten mit damals bereits berühmten Persönlichkeiten sowie der ausdrücklich seine künstlerischen Ambitionen bestärkenden Umgebung des Sanatoriums[43].

Es fällt auf, daß er selbst in dieser existentiellen Krise Eindruck auszuüben weiß, man denke nur an die Schilderungen Nele van de Veldes, die er in weinrotem Pyjama mit weißem Turban empfängt[44], oder Helene Spenglers, die bemerkt: „...Kirchner ist eine Bereicherung meines Zoologischen, aber eine interessante, seltene Nummer...“[45]. Seinem Gegenüber verlangt er die volle Aufmerksamkeit ab[46].

Mit Kriegsende bessert sich sein Zustand, er kann wieder schreiben[47], und er entscheidet sich in Davos zu bleiben, ohne nochmals nach Kreuzlingen zurückzukehren: „Anstaltsluft ist Gift für mich, so gut ich es hatte. Meine innersten Instinkte sind anders als die des Durchschnittes...“[48]

In der Abgeschiedenheit der Schweizer Berge nicht mehr einem unmittelbaren künstlerischen Konkurrenzdruck ausgesetzt, beginnt er nun einen vehementen Kampf  für seine Position in der Kunstgeschichte als diejenige des größten Künstlers und theoretischen Neuerers[49] seit den alten Meistern der Renaissance, beziehungsweise noch über diese hinaus[50]: „Unter den heute schaffenden Modernen steht meine Arbeit tatsächlich in ihrem Ernst, Freiheit und Eigenheit an allererster Stelle.“[51] Phasenweise schwingt er sich geradewegs zu ersatzreligiösen Formulierungen auf: „Ich glaube, daß man in der Kunst, ohne Priester nötig zu haben, zu Gott kommt. ... Herr und Schöpfer ist der Künstler...“[52], hierin von seinen Bewunderern bestärkt: „Denke an den toten Graef, der Dir sagte: ... Du hast eine Herrennatur...“[53] oder Graef selbst über Kirchner: „Siehe ich lehre Euch den Sinn der Erde, heißt es im Zarathustra, das ist es, was Kirchner malt“[54], ebenso Bosshart in einer Beschreibung des Künstlers: „...daß in diesem Augenblick sich in dem Geist des Menschen etwas Großes, Heiliges, Gottähnliches vollzog, ...“[55] und in gleicher Weise der Dichter Karl Theodor Bluth in seinem „Hymnus E.L. Kirchner“[56].

Befriedigt, wenn er Unterstützung in seiner Selbsteinschätzung erhält, reagiert er andererseits um so wütender und aggressiver[57], wird ihm hierin auch nur ansatzweise widersprochen[58]. Manche gute Freundschaft schlägt abrupt in lebenslange Feindschaft um[59], worin sich auch die generelle Tendenz Kirchners offenbart, die Menschen seiner Umwelt in extremen Kategorien wahrzunehmen.

Er streitet jeden Einfluß auf seine Kunst ab, besonders derjenigen „Künstler..., von denen gesagt wurde, sie hätten Einfluß auf ihn ausgeübt“[60]- so 1924 in einem Brief an Scheffler: „Es ist mir sehr schmerzlich, daß ich nicht überzeugen kann, daß meine Arbeit nicht über Munch oder Manet kommt ... Denn es ist für mich ein arger Schimpf, wenn meine Arbeit als abhängig von irgend einem anderen dargestellt wird, und wenn es die größten, Dürer oder Rembrandt wären“[61]. Auch beginnt er systematisch seine Bilder vor den Zeitpunkt einer möglichen Beeinflussung vorzudatieren[62] und seine früheren Werke durch Retuschierungen[63] an seine Weiterentwicklung des Stils anzupassen.

Nachdem auch Repressalien gegenüber seinen Kunstkritikern[64] nicht immer zu den gewünschten Ergebnissen führen[65], ruft er kurzerhand seinen eigenen Hauskritiker ins Leben: Louis de Marsalle, als Franzose der Wiege der Moderne[66] entstammend, propagiert die Einzigartigkeit seiner Kunstschöpfungen. Ihn preist Kirchner mit den Worten: „Wer sich für Kirchners Einsichten besonders interessiert, sei auf das schöne und sachliche (sic!) Buch von L. de Marsalle, seines Freundes verwiesen“[67] und behauptet gleichzeitig: „Ich habe überhaupt keine Anlage zur Selbstbespiegelung und würde das für eitles dummes Tun halten.“[68]

Massiv entwertet er hingegen seine Zeitgenossen in der Kunst[69]: „Kokoschka ist tragisch ... Beckmann ebenso sinnlos und ekelhaft ... Heckel sieht übel aus..., hat eben immer nachgeahmt ... Chagall sieht abermies aus ... Er ist halt Jude...“[70]. „Klee umgeht die Schwierigkeiten, Marc ist überhaupt indiskutabel. Kitsch à la Kandinsky. Wie wenig müssen die Herren Kunsthistoriker sehen und fühlen, daß sie solches überhaupt ansehen können.“[71]

Immer wieder kommt hinter diesen Angriffen auch eine phasenweise paranoid ausgestaltete Angst[72] zum Vorschein: „Es ist so seltsam, wie ich schwebe. Ich habe nicht den Boden des festen Vertrauens bei meinen Leuten unter mir. Gewiß, man versucht es heute. Aber Vertrauen und Glauben haben kaum welche. Ich habe das Gefühl, daß wenn heute irgendwo ein Lärm los geht, die Arbeit von Kirchner ist Mist, dann fallen sie alle ein. Und doch habe ich nie jemand betrogen und stets nur das Beste hergegeben, und wenn ich die alten Meister ansehe, so darf ich sie auf gleicher Ebene grüßen.“[73]

Diese zeigt sich auch in einer enormen Kränkbarkeit gerade gegenüber Menschen, zu denen er einen eher engen Kontakt hat.[74]

Entgegegen der Einfachheit und Abgeschiedenheit seines Schweizer Domizils legt er immer wieder Wert auf einen gewissen Lebensstil, er empfängt Grisebach mit „Champagner, der draussen im Schnee gekühlt“[75] wird und „Kalbsbraten ... [von dem jeder] ein Stück von 4 Zentimeter Dicke“[76] erhält, hat seinen bevorzugten Kutscher Huber[77] und lädt wiederholt Tänzerinnen für mehrere Wochen zu sich ins Haus[78].

Stolz nimmt er mit offenen Armen Schüler auf, die zu ihm pilgern - „Die jungen Schweizer wissen wohl, warum sie zu mir kommen und nicht nach Rom oder Paris gehen“[79] - um sie dann wütend von sich zu stoßen, wenn er ihnen künstlerischen Diebstahl vorwirft, sobald sie eigenständige Erfolge vorweisen können[80]. Er spielt sie gegeneinander aus, betreibt beispielsweise erfolgreich, daß Müller >>Rot-Blau<< verläßt[81]. Nach ihrem Tod - und damit dem Ausscheiden als Konkurrent - sind es dann wieder „seine“ Schüler, die es spielend mit denen Picassos aufnehmen.[82] 

Überhaupt neigt er zu einer herablassenden Einstellung den meisten Menschen gegenüber: „Stirner ist da. ... das unfeine Betragen stößt mich sehr ab. Er ... schmatzt beim Essen.“[83] „Müllers ... Wenn sie etwas kriegen sind sie sehr nett wie die Hunde.“[84] „Frau Dr. Spengler ... Aber leichter versteht ein Tier schreiben als diese Frau das Eigentliche an der Malerei.“[85]

Beim Besuch der Mutter registriert er, daß ihre Rüstigkeit auch ihm ein hohes Alter versprechen dürfe[86], und bei ihrem Tod bedauert er, daß die Tür des Elternhauses für ihn nun endgültig verschlossen sei.[87]

Das Verhältnis zu Erna ist von heftigen Auseinandersetzungen und Klagen über ihre geistige Unzulänglichkeit bestimmt[88], immer wieder beschwört er: „Aber wo finde ich den Menschen, dem ich verstehend restlos nachgeben kann?“[89] Er ist dann wohlauf, wenn sie depressiv am Boden zu liegen scheint[90], und trauert ihr sehnsüchtig hinterher, sobald sie abreist, nachdem er zuvor nichts sehnlicher als ihre Abreise gewünscht hat[91]. Im Laufe der Jahre scheint sie sich seiner Lebensweise zuletzt restlos untergeordnet zu haben, was ihn schließlich lobende Worte finden läßt.[92]

Wie ein roter Faden durchzieht seine Reflexionen das Thema der Einsamkeit: „Ist es wohl die Kunst, die einen so einsam macht oder ist es die einsame Begabung, die man mitbringt, die einen zur Kunst treibt?“[93] Einerseits beklagt er diesen Zustand: „Habe ich Heimat? Nein, Outsider hier, Outsider da, kein Mensch will mich haben. Allein, allein mit der Kunst.“[94] Andererseits zieht er daraus auch die Genugtuung: „Die künstlerische Arbeit gibt uns die innere Überlegenheit ... und das versteht kein anderer Mensch...“[95] Überkommt ihn die Einsamkeit einmal plötzlich, wenn Erna oder ein anderer Besuch ihn verläßt, überbrückt er sie „mit einem wilden Arbeitseifer“[96].

Als Krönung seines Lebenswerks wünscht er sich, ganz im Sinne der alten Werttradition in der Kunst, einen Auftrag für eine Wandmalerei[97], die mit dem Freskenzyklus in Essen Realität zu werden scheint. Er kämpft jahrelang um diesen Auftrag, ist entgegen seiner sonstigen Natur auch zu erheblichen Zugeständnissen bereit[98]. Wie so häufig vermutet er Intrigen gegen sich[99], als der Auftrag platzt, und bekennt schließlich: „Ich sehe fast mit Neid[100], wie meine gleichaltrigen Kollegen hier Wände über Wände bekommen und ausführen, während ich immer nur große Tafelbilder als Ersatz malen kann.“[101]

Um Anschluß zu halten an die internationale Kunstentwicklung, über die er durch Zeitungen, Bücher und Ausstellungsbesuche bestens informiert ist, übt er sich in einem abstrakte Elemente einbeziehenden, durchkonstruierten Stil, worunter die Zahl seiner jährlich geschaffenen Werke deutlich sinkt.

Statt des ersehnten Erfolges schmilzt aber der ohnehin recht kleine Kreis seiner Anhänger in dem sich wandelnden politischen Klima in Deutschland zusammen und man bezeichnet seine Arbeit nun als „entartet“ und „undeutsch“.

Unter diesen Kränkungen greift er wieder zu Drogen, und es stellen sich von neuem depressive Symptome und somatische Beschwerden ein. Schließlich kommen wieder Suizidgedanken in ihm auf[102], seine Isolation wird immer ausgeprägter, die Stimmung immer resigniert depressiver: „Wir haben in dieser Zeit erfahren, wie einsam und isoliert wir stehen und das ist gerade nicht sehr ermutigend für die Zukunft. Seit Basel[103] kam Schlag auf Schlag, ein Unglück auf das andere. Dazu dieses kalte Wetter, das einen an sich schon krank macht. Ich bin seit Wochen nicht draussen gewesen, kann mich nicht erholen, ich weiss nicht, was das ist.“[104]

Einzig Erna ist noch bei ihm. Seitdem sie ihre Lebensweise der seinen unterworfen hat, lebt er mit ihr in symbiotischer Einheit; so schreibt er 1929 an sie: „...die Du das Leben mit mir teilst und mehr getan hast, indem Du Dich selbst gabst ... Du bist für mich der einzige Mensch, der mich mit dem Leben verbindet...“[105].

Verstärkt in dem Gefühl der Isolation, als 1938 kein einziger Geburtstagsgruß kommt[106], und bestärkt in der Angst vor den Nazis, als der Anschluß Österreichs erfolgt, steigert sich seine Tendenz zu paranoider Wahrnehmung, und er beginnt mit der Zerstörung der Skulpturen vor seinem Haus[107]. In den nächsten Wochen vernichtet er weitere Kunstwerke, hierbei zunehmend gezielt sämtliche Holzstöcke.[108]

Wie schon mehrfach in den letzten Monaten versucht er Erna zu einem Doppelselbstmord zu überreden[109]. Sie verweigert dies, vermag aber nicht, ihn vom Suizid abzuhalten, den er nach langem Entscheidungskampf am strahlenden Frühlingsmorgen des 15.06.1938 durch doppelten Herzschuß ausführt.[110]

Die in diesem deskriptiven Überblick zusammengefaßten biographischen Daten enthalten deutliche Verdachtsmomente für das Vorliegen einer Narzißtischen Persönlichkeitsstörung bei Ernst Ludwig Kirchner, nicht nur, wenn er „an den Satz Lionardos [dachte]: >der Maler ist Herr und König über alles Seiende, ihm gehören Länder und Meere und Menschen und Tiere, er kann alles haben, indem er es zeichnet<.“[111]

Anhand der folgenden diagnostischen Kriterien zur Narzißtischen Persönlichkeitsstörung gemäß DSM III R (301.81) wird überprüft, ob sich die zu Kirchner gestellte Verdachtsdiagnose verifizieren läßt:

„Diagnostische Kriterien

Ein durchgängiges Muster von Großartigkeit (in Phantasie oder Verhalten), Mangel an Einfühlungsvermögen, Überempfindlichkeit gegenüber der Einschätzung durch andere. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter, und die Störung manifestiert sich in den verschiedensten Lebensbereichen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

Der Betroffene

(1) reagiert auf Kritik mit Wut, Scham oder Demütigung (auch wenn dies nicht gezeigt wird);

(2) nützt zwischenmenschliche Beziehungen aus, um mit Hilfe anderer die eigenen Ziele zu erreichen;

(3) zeigt ein übertriebenes Selbstwertgefühl, übertreibt z.B. die eigenen Fähigkeiten und Talente und erwartet daher, selbst ohne besondere Leistung als „etwas Besonderes“ Beachtung zu finden;

(4) ist häufig der Ansicht, daß seine Probleme einzigartig sind und daß er nur von besonderen Menschen verstanden werden könne;

(5) beschäftigt sich ständig mit Phantasien grenzenlosen Erfolges, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe;

(6) legt ein Anspruchsdenken an den Tag: stellt beispielsweise Ansprüche und übermäßige Erwartungen an eine bevorzugte Behandlung, meint z.B., daß er sich nicht wie alle anderen auch anstellen muß;

(7) verlangt nach ständiger Aufmerksamkeit und Bewunderung, ist z.B. ständig auf Komplimente aus;

(8) zeigt einen Mangel an Einfühlungsvermögen: kann z.B. nicht erkennen und nachempfinden, wie andere fühlen, zeigt sich z.B. überrascht, wenn ein ernsthaft kranker Freund ein Treffen abgesagt;

(9) ist innerlich sehr stark mit Neidgefühlen beschäftigt.“[112]

Im einzelnen lassen sich diese diagnostischen Kriterien bei Kirchner wie folgt nachweisen:

ad 1. Zweifelsfrei erlebt Kirchner Kritik als überaus kränkend. Schon die Andeutung eines Einflusses auf seine Kunst von Seiten eines anderen Künstlers genügt als Anlaß für einen Wutausbruch[113], genauso wie er den Versuch einer stilistischen Einordnung seiner Kunst kategorisch ablehnt: „...die Fabrikmarke meiner Kunst ist E.L.Kirchner und nichts weiter.“[114]

An anderer Stelle wird diese Empfindlichkeit deutlich, als er kritische Andeutungen des ihm uneingeschränkt gewogenen Hagemann zu dem für diesen gefertigten Teppich damit quittiert, daß er sämtliche Unzulänglichkeiten Lise Gujer zuschreibt und Hagemann wissen läßt: „Es ist wahrscheinlich, dass Sie das letzte Stück unserer Zusammenarbeit besitzen.“[115]

Gegenüber Kunstkritikern scheut er sich nicht, alle ihm verfügbaren Druckmittel einzusetzen, damit deren Ergebnis exakt seinen Vorgaben entspricht[116], andernfalls fällt er wütend in seinen Aufzeichnungen über sie her.[117]

Als Konsequenz aus der Ablehnung unerwünschter Kritik schafft Kirchner sich seinen fiktiven eigenen Hauskritikers L. de Marsalle[118], dessen, wie er es beschreibt, „schöne(s) und  sachliche(s)“[119] Buch die vom Autor gewünschte kritikfreie Glorifizierung seines Werkes garantiert.

ad 2. Mehrfach lassen sich Hinweise finden, wie Kirchner nicht nur seine eigene Lebensführung und diejenige Ernas[120] ganz seiner selbstgesetzten Lebensaufgabe, einer der bedeutendsten Künstler aller Zeiten zu werden[121], unterordnet, sondern auch andere Personen zur Erreichung dieses Zieles regelrecht benutzt.

Beispielsweise eröffnet er das MUIM-Institut in Berlin ausgerechnet zusammen mit Pechstein. Obwohl er auf diesen herabsieht als einen „Arbeitersohn, der alle feineren Dinge erst in der Zeit seiner Akademiestudien in mehr oder weniger lückenhafter Form nachholen muß“[122] ist Pechstein zum damaligen Zeitpunkt „bekannt geworden als >Führer der Brücke und der Neuen Sezession<“[123], so daß davon ausgegangen werden kann, daß Kirchner sich mit ihm vor allem deshalb zusammengetan hat, um an seinem Erfolg zu partizipieren. Daß er sich von diesem „um selbst bekannt zu werden“[124] benutzt fühlt, entlarvt sich hier leicht als Projektion.

Seine Kunstkritiker funktionalisiert er mit allen verfügbaren Druckmitteln, um Kritiken gemäß seinen Wünschen zu erhalten[125].

Am Beispiel seines Umgangs mit Dr.Spengler hat Kirchner selbst beschrieben, wie er einen Anderen zu benutzen weiß, wenn er den Arzt bewußt täuscht, um während des Krieges weiter als dienstuntauglich zu gelten.[126]

Sein Verhältnis zu Erna definiert er in gleicher Weise: „Wenn zwei Menschen für das Leben zusammen gehen, so schliessen sie eine Vereinigung zur Erreichung eines Zieles. Das Ziel bei uns ist und war, in der Malerei und Plastik die grösste und höchste Stelle zu erreichen...“[127], was nichts anderes als ihre bedingungslose Unterordnung unter sein Lebensziel bedeutet.

Hiermit erklärt sich auch, daß er selbst langjährige Beziehungen aprupt abbricht, wenn diese nicht mehr von Bedeutung für ihn sind[128]. Andererseits fühlt er sich selbst wieder und wieder von anderen ausgenutzt[129], woran erneut deutlich wird, wie er seine eigenen Anteile auf die Umgebung projiziert.

ad 3. In Kirchners Selbsteinschätzung als Künstler sind die Äußerungen über seine Einzigartigkeit Legion.

Nicht nur beansprucht er in der Brücke die Position des Anführers[130], um dann, als diese ihm nicht bedingungslos zugebilligt wird, „die Brücke aufzulösen. Ich habe natürlich nicht verhindern können, daß die Herren auch weiterhin von meinen Arbeiten lernten.“[131] Auch in der Folgezeit arbeitet er mit Hilfe der Beeinflussung seiner Kritiker, eigener Stellungnahmen und der Kreation L. de Marsalles daran, als der zweifelsfrei seit den alten Meistern und darüber hinaus[132] bedeutendste Künstler seiner Zeit zu gelten, der als „Herr und Schöpfer“[133], kraft seiner „Herrennatur“[134] mit seiner Arbeit „an allererster Stelle“[135] steht. Für die künstlerische Leistung seiner Zeitgenossen bleibt da nur der Verriß[136].

Unabhängig von dieser Selbsteinschätzung als Künstler offenbart auch schon seine bewußt unbürgerliche Lebensweise, die er am augenfälligsten in seinen Ateliers[137] inszeniert, den Anspruch des Besonderen, wie er nicht zuletzt im Wahlspruch der Brücke zum Ausdruck kommt: „Odi profanum vulgus et arceo.“[138]

ad 4. Das Gefühl der Einzigartigkeit manifestiert sich nicht nur in Kirchners künstlerischer Selbsteinschätzung, sondern auch in seiner immer wieder beklagten Einsamkeit: „Dieses Gefühl des absoluten Alleinstehens ist auch mein täglicher Begleiter.“[139]

Er führt dies selbst darauf zurück, daß seine „innersten Instinkte ... anders [sind] als die des Durchschnittes...“[140], da „die künstlerische Arbeit ... uns die innere Überlegenheit [gibt] ... und das versteht kein anderer Mensch“[141], was im Verlauf ihrer Beziehung schließlich auch für Erna gilt, nachdem sie durch „Entselbstung, Unterdrückung der eigentlichen weiblichen Eigenschaften“[142] ganz mit ihm verschmolzen ist: „Du stehst heute so hoch geistig über dem Üblichen, daß da keiner so leicht herankann und Du weist ja aus anderer Erfahrung, wie leicht die Leute das, was weiter ist als sie für abnormal halten.“[143]

Unverstanden fühlt er sich von allen, die seiner Kunst die Entstehung frei von jeglichen Einflüssen abstreiten: „...es ist für mich ein arger Schimpf, wenn meine Arbeit als abhängig von irgend einem anderen dargestellt wird, und wenn es die größten, Dürer oder Rembrandt wären“[144].

Auf dem Höhepunkt seiner ersten suizidalen Krise 1917 läßt er sich erst zu einer längerdauernden Behandlung überreden, als der international angesehene van de Velde sich seiner annimmt, dann allerdings umgehend, was Schoop treffend beschreibt: Kirchner „war tief beeindruckt, dass sich der berühmte und richtungsweisende Gestalter und Architekt persönlich um sein Schicksal kümmerte: er dankte schon tags darauf für den freundlichen Besuch überschwenglich und war entschlossen, auf die Alp zu fahren, bei Binswanger in Kur zu gehen, und nachher wollte er <<in der Welt und für die Menschen>> verbleiben.“[145] Schließlich galt ja für van de Velde wie zuvor für Graef: „Das ist doch die Rasse zu der ich gehöre.“[146]

ad 5. Die grenzenlose künstlerische Selbsteinschätzung Kirchners wurde bereits in den beiden vorausgegangenen Abschnitten dargestellt.

Gleiches Streben nach Vollkommenheit findet sich aber auch in seinen Sehnsüchten nach dem „ersehnten Kameraden auch geistig“[147], wobei er bekennen muß: „Liebe, dieses rest- und kritiklose Gefühl zweier Menschen gegeneinander, das habe ich nicht, das kann ich nicht haben. Dieses Gefühl ist in meiner Tätigkeit aufgegangen...“[148]. Hier findet er den Vorwand, sich der offiziellen Eheschließung mit Erna bis zuletzt zu verweigern[149], obwohl sie im Laufe der Zeit seinen Vorstellungen der „Vereinigung [zweier Menschen] zur Erreichung eines Zieles“[150] in ihrer vollkommenen Unterordnung nahegekommen sein muß: „Der Sinn der Vereinigung überhaupt ist doch der, dass wohl 2 Menschen ihre Kräfte geben, aber ein Wille da ist zur Erreichung eines Zieles. Wozu sonst sich vereinigen? Etwa um die Phase des Sexualrausches legitim zu durchlaufen oder legitime Kinder zu zeugen? Das sind heute keine genügenden Gründe mehr für die Vereinigung und auch bei uns waren sie nie ausschlaggebend.“[151]

ad 6. Die hohen Anforderungen Kirchners beschreibt schon Powys eindrücklich: „...sein Mißtrauen und sein Eigensinn, sein Stolz und seine Verzweifelung [schufen] einen gefährlichen Zustand der Spannung ... zwischen den banalen Anforderungen seines alltäglichen Lebens und den extravaganten Ansprüchen seiner menschlichen und unerbittlichen Illusionen.“[152]

Auch im alltäglichen Leben fordert er immer wieder das Besondere für sich ein, sei es, daß er, obwohl er sich dort „wohlgeborgen wie im Kloster“[153] gefühlt hat, im Herbst 1918 nicht erneut nach Kreuzlingen zurückkehrt, da er befindet: „Anstaltsluft ist Gift für mich, so gut ich es hatte. Meine innersten Instinkte sind anders als die des Durchschnittes.“[154] Die dortige Versorgung bei dem vorausgehenden Aufenthalt war ganz daraufhin zugeschnitten gewesen, „ihn in jeder Hinsicht [zu] fördern und seiner Eigenart entsprechend [zu] behandeln“[155].

In gleicher Weise erklärt sich auch die großzügige Entlohnung, die er und Pechstein sich als Lehrer des MUIM-Instituts zukommen lassen[156], oder seine eher ablehnende Reaktion auf die Berufung in die Preußische Akademie der Künste 1931: „Heute bekam ich die Satzungen der Akademie, nach deren Lektüre ich die größte Lust habe, die Ernennung doch abzulehnen. Ach in einen solchen Vereinstopf paßt man nicht hin(ein). Diese staatlich approbierte Kunst ist wirklich ein Witz.“[157] Dennoch möchte er später, als ihm der Austritt aus dieser Institution nahegelegt wird, nicht auf die Mitgliedschaft in „dieser ehrenwerten, großen Institution, der schon mein Grossvater angehörte“[158], verzichten.

ad 7. Kirchners „Sucht nach Bestätigung“[159] manifestiert sich nicht nur in der immer wieder eingeforderten Wertschätzung als überragender Künstler, sondern auch im unmittelbaren Kontakt mit seinem Gegenüber, dem er volle Aufmerksamkeit abfordert. Bleibt diese aus, befällt ihn umgehend ein Gefühl heftiger Kränkung.[160] Grisebach bekennt hierzu: „...ich kann mich zu dieser schrankenlosen Begeisterung doch nicht entschließen, die er fordert.“[161] In gleichem Tonfall faßt Kornfeld zu Kirchners Tagebuch zusammen: „Mit laufender Sympathie durfte nur rechnen, wer sich über Jahre hinweg kritiklos und ohne ausgeprägte eigene Äusserungen Kirchners Meinungen und Auffassungen anschloss. Kirchners Misstrauen und sein empfindliches Ehrgefühl führen häufig zu recht aggressiven Eintragungen, immer wieder beklagt er sich auch über mangelnde Anerkennung und Förderung.“[162]

ad 8. Den Mangel an Einfühlungsvermögen spiegelt am anschaulichsten sein Umgang mit Erna: Er überhäuft sie mit demütigenden Beschimpfungen [163]. Er lädt, sich über sie hinwegsetzend, über Wochen attraktive Tänzerinnen zu sich ins Haus[164]. Obwohl Erna gerne wieder in das pulsierende Berlin zurückgekehrt wäre[165], drängt er sie zu einem Leben in der Einsamkeit der Schweizer Berge und als er den Entschluß zum Suizid gefaßt hat, versucht er sie - wenn auch ohne Erfolg - zu einem gemeinsamen Doppelselbstmord[166] zu überreden. In seinen Briefen an die in Berlin weilende Erna finden sich immer wieder entsprechende Passagen, so wenn er ihr vorschreibt, sie solle, gerade nachdem sie in Berlin operiert worden war, „diese Brückeleute und die Frauen derselben [, die sich offensichtlich freundlich um Erna kümmerten,] abweisen. Durch Annahme dieser Besuche schädigst Du mich und meinen Namen.“[167] Ebenso kann auch sein vehementer Einspruch gegen Ernas Plan, sich einer Psychoanalyse zu unterziehen, verstanden werden, obwohl er selbst bei Binswanger von einem entsprechenden psychotherapeutischen Ansatz zweifellos profitiert hatte.[168]

Doch auch anderen Zeitgenossen gegenüber zeigt er sich wenig feinfühlig, sei es, daß er sich oft in entwürdigender Weise über sie äußert[169], oder daß er sich über deren Bedürfnisse ohne das geringste Bedenken hinwegsetzt. Ohne zu zögern nimmt er die Auflösung der Brücke in Kauf, da ihm die anderen Mitglieder nicht die für sich mit unwahren Behauptungen[170] eingeforderte Führungsposition zugebilligen.

ad 9. „Ich sehe fast mit Neid, wie meine gleichaltrigen Kollegen hier Wände über Wände bekommen und ausführen, während ich immer nur große Tafelbilder als Ersatz malen kann.“[171] Hier bekennt der Künstler selbst den Neid, der sich sonst unbenannt in seinen Aufzeichnungen Luft macht in Äußerungen wie: „Es ist wirklich eine Schweinerei, ich arbeite und erfinde Neues und verkaufe nichts, und die Nachtreter machen gutes Geschäft mit meinen Sachen, die sie stehlen.“[172]

Wie gezeigt werden konnte, lassen sich die im DSM III R zur Narzißtischen Persönlichkeitsstörung aufgeführten diagnostischen Kriterien bei Ernst Ludwig Kirchner nachweisen.

Dennoch ergibt diese diagnostische Zuordnung kein vollständiges Bild der Persönlichkeitsmerkmale Kirchners, da sich ergänzend auch 1. paranoide, 2. hysterische und 3. depressive Anteile bei ihm finden lassen:

 1. Besonders während der beiden suizidalen Krisen leidet Kirchner an ausgeprägten paranoiden Symptomen. So ist die erste Krise geprägt von Verfolgungsängsten vor einer erneuten Einberufung zum Militär[173], die er später selbst im Schlemihl-Zyklus verarbeitet, der mit seinen Worten „Lebensgeschichte eines Verfolgungswahnsinnigen, das heißt des Menschen, der sich durch irgendein Ereignis mit einem Ruck seiner unendlichen Kleinheit bewußt wird“[174]. Ähnlich beschreiben neben anderen Helene Spengler - „Er hat Verfolgungswahn und meint, in der Pension werde er bestohlen, etc. etc.“[175] - und Henry van de Velde das paranoide Erleben des Künstlers. Letzterer überliefert von seinem ersten Besuch bei Kirchner: „Er schien entsetzt, mich an seinem Bett zu sehen, seine Arme preßte er konvulsiv an die Brust. Unter seinem Hemd verbarg er seinen Pass wie einen Talisman, der ihn mitsamt der schweizerischen Aufenthaltsbewilligung vor dem Griff imaginärer Feinde bewahren konnte, die ihn den deutschen Behörden ausliefern wollten...“[176] In gleicher Weise zerstört er 1938 beim Anschluß Österreichs die Statuen vor seinem Hause in der Furcht, „dass eines Tages deutsche Soldaten auch vor seinem Haus auf dem Wildboden stehen könnten.“[177]

Aber eben auch außerhalb dieser Krisen neigt Kirchner zu einer paranoiden Verarbeitung seiner Umwelt. Immer wieder vermutet er „Intriguen, die ich oft nur ahne“[178], gegen sich und seine Stellung als Künstler: „Ich habe das Gefühl, daß wenn heute irgendwo ein Lärm losgeht, die Arbeit von Kirchner ist Mist, dann fallen sie alle ein.“[179] Als sich im Hause Spengler nach dem Tode des Arztes seine Krankenakte nicht einfindet, kommt es zum Bruch mit der Familie Spengler, da er vermutet, „Grisebach [habe sie] gestohlen für sein Werk über mich. Es ist recht fatal. Was tun? Diese Geschichte in falschen Händen macht mich wehrlos. Die falschen Diagnosen darin können gegen mich ausgenutzt werden und zu meiner Entmündigung führen. Oh wie recht hatte ich in meinem Mißtrauen gegen diese Frau und Doktor Grisebach.“[180] Ähnlich reagiert er auf die Nachricht eines eigentlich sehr erfreulichen Bildverkaufs: „Heute freudiges Ereignis, das Brückeleutebild an die Nationalgalerie Berlin verkauft. Nicht gehandelt. Die erste anständige Tat Justis. A la bonheur. Oder steckt auch da was dahinter, vielleicht wollen sie das Bild zerstören...“[181]

2. Neben seinem ständigen Bemühen um Anerkennung[182], seinem Bedachtsein auf seine äußere Erscheinung[183] - man denke an den ersten Empfang Neles[184] oder die völlig unpassende Kleidung bei seinem Erstbesuch in Davos[185] - , seiner Neigung zu heftiger Emotion und Wutausbrüchen[186], seiner Egozentrik[187] und seiner nur oberflächlichen Wahrnehmungsweise anderer Menschen[188] finden sich weitere hysterische Symptome bei Kirchner. Dies gilt vor allem für die Zeit seiner ersten suizidalen Krise.

So berichtet er von einem Besuch Heises 1916: „Leider bekam ich in seiner Anwesenheit einen plötzlichen Ohnmachtsanfall und als ich aufwachte, war er fort.“[189] Auch die während des Krieges bei ihm aufgetretene Lähmung an Armen und Beinen erscheint am ehesten im Sinne einer Konversionssymptomatik verstehbar[190], wenn er sich in dieser Zeit „nur mit Hilfe eines Stockes ... mühsam aufrichten und nur schwankend durchs Zimmer gehen“[191] konnte, beim Ansehen seiner Bilder aber umgehend „Leben in ihn“[192] kam, und die kunsthistorische Forschung für die 1917 geschaffenen Holzschnitte feststellt: „Erstaunlich ist ihre künstlerische und technische Perfektion, Kirchner kann mit seinen Händen keineswegs in einem so desolaten Zustand gewesen sein, wie er es in seinen Briefen darstellt.“[193]

In gleicher Weise berichtet Helene Spengler nicht frei von Gegenübertragungsgefühlen: „Um die Staffelalp zu vermeiden, nahm er [Kirchner] damals eine ganze Schachtel Marienbader Laxierpillen, vor Kreuzlingen nimmt er nun wohl 10 Kilo Rizinusöl trotz der fettarmen Zeit! Man muß fast lachen und doch ist es tieftraurig...“[194] An anderer Stelle kommt sie zu der Einschätzung: „Herzlos ist er sicher nicht, aber in allem gesteigert und man weiss heute nicht, wie er morgen handeln und denken wird, von übermorgen gar nicht zu reden.“[195]

3. Wiederholt berichtet Kirchner in seinen Briefen und in seinem Tagebuch von Depressionen, an denen er zu leiden habe: „Tage, in denen ich mich aufraffe, folgen Tage tiefster Depression.“[196] Als Ursache erkennt er „die absolute Einsamkeit“[197], die er immer wieder während seines Lebens in der Schweiz beklagt, die er aber auch als Grundlage seiner Arbeit ansieht: „Meine Arbeit kommt aus der Sehnsucht der Einsamkeit. Ich war immer allein, je mehr ich unter Menschen kam, fühlte ich meine Einsamkeit, ausgestoßen, trotzdem mich niemand ausstieß. Das macht tiefe Traurigkeit und diese wich durch die Arbeit und das Wollen zu verschwinden.“[198] Die Arbeit ist sein Mittel gegen die Depression: „Das Leben geht vorbei wie ein Wochentag, kurz und doch so traurig lang, da hilft nur Arbeit.“[199] Oder an anderer Stelle: „...ich habe oft eine so brennende Lust, wie früher ohne Unterbrechung an den Bildern zu schaffen. Das geht aber leider nicht mehr und oft muß ich mitten drin aufhören und mich niederlegen. Dadurch wird die Depression hervorgerufen, unter der ich oft leide...“[200]

Weitaus umfassender als im DSM III R und damit die herausgearbeiteten Persönlichkeitsmerkmale Kirchners zu einem einheitlichen diagnostischen Verständnis zusammenfassend, findet sich die Beschreibung der Narzißtischen Persönlichkeitsstörung bei Kernberg.



[1]Dieses Datum als Beginn der ersten Krise den anamnestischen Angaben Ernas, die sie Binswanger gegenüber machte, zu entnehmen: „Sie habe Kirchner im Juni 1912 in Berlin kennengelernt. Er habe damals das Gefühl gehabt, absolut alleine zu stehen, sei aber körperlich ein kräftiger Mann gewesen und habe den Eindruck eines Abstinenten gemacht, da er zunächst gar nicht trank. Man habe von Anfang an gleich zusammengelebt, und sie sei beeindruckt gewesen, dass Kirchner nahezu ununterbrochen und sehr fruchtbar gearbeitet habe. Nach einem Jahr Zusammenleben hätten Klagen begonnen, dass er die Regelmässigkeit nicht mehr möge und dass ihm das Leben zu bürgerlich sei. Kirchner habe begonnen, unregelmässig zu essen, und 1913, auch bedingt durch das Auseinanderkrachen seiner Künstlervereinigung, habe er sich mit Rhum öfters betrunken. Im Winter 1913/ 14 sei er sehr unruhig und oft unzufrieden gewesen, hätte oft Kopfschmerzen gehabt und habe seit Sommer 1913 begonnen, übermässig Pyramidon zu schlucken. Damals sei erstmals eine Schwäche in den Händen aufgetaucht...“ KOR1, S.103

[2]GO, S.28 Er fährt dort fort: „...oder unüberwindlich; einerseits war er dann nicht nur durch kriegsbedingte Ereignisse, auf die Kirchner wenig Einfluß gehabt hatte, zum Ausbruch gekommen, andererseits wurde er vom Künstler auch beizeiten erkannt und überwunden.“ ebd. Letzteres dürfte im weiteren zu bezweifeln sein.

[3]GO, S.104

[4]WEN, SS.39-46

[5]s.SS. 5-6

[6]s.Anm.19, 20, 22

[7]Als Zeitpunkt gibt er später das 18. Lebensjahr an. Seitdem dürfte er als „schwarzes Schaf“ der Familie gegolten haben, bzw. seit der Umsetzung dieses Entschlusses. s.SS.87-88, s.Anm.23, 25 und S.24

[8]So treffend beschrieben von Billeter in GRM, S.16

[9]Gesamtbericht Bleyls zu Kirchner in Anm.27

[10]s. Beschreibung seines Ateliers in Anm.31

[11] „Das freundschaftliche Verhältnis und die gleiche Zielsetzung, einem von der normalen bourgeoisen Vorstellung losgelösten, in die Zukunft blickenden Künstlertum zu leben, hatten ... zur Gründung der >>Künstlergruppe Brücke<< geführt. - Alle vier Gründungsmitglieder, Kirchner, Bleyl, Heckel und Schmidt, stammen aus bürgerlichen Verhältnissen. Zwei davon gingen so weit, das auf Wunsch ihrer Eltern begonnene Akademiestudium abzuschliessen. Nun aber brechen sie alle vier aus der bürgerlichen Norm aus und beginnen ein Leben nach ihren Neigungen, von Anfang an darauf bedacht, Neues zu schaffen und im Rahmen der Kunst revolutionär zu wirken.“ KOR1, S.16

[12]Wahlspruch der „Brücke“, übersetzt bei GAB2, S.28

[13]GO, S.19

[14]GAB2, S.68; s.Anm.969

[15]Hierbei kam es sogar einmal zu einer Strafanzeige, die dank eines Professors der Akademie niedergeschlagen werden konnte. s. KOR, S.31

[16]Insgesamt hatte die „Brücke“ bis 1913 65 Ausstellungen. KOR1, S.22

[17]s.S.10 und Anm.76 und 161

[18]Diese sah er nie wieder. s.S.9 und Anm.36 wie auch Anm.28

[19]“Unter den Händlern und Kritikern Berlins war Pechstein seit 1912 tatsächlich bekannt geworden >>als >Führer der Brücke und der Neuen Sezession< [P.F. Schmidt], was sicher das Beieinander [Pechsteins] mit Kirchner sehr erschwerte<<(Krüger)“.(GO, S.462) Denkbar erscheint, daß Kirchner anfangs versuchte, an diesem Erfolg teilzuhaben und als ihm dies nicht gelang, sich gegen Pechstein stellte.

[20]“Ein billiges Institut war das MUIM keinesfalls. Das Monatsgehalt eines Lehrers betrug damals hundert Mark. Für den gleichen Betrag fertigte damals der teuerste Schneider Frankfurts einen Maßfrack an.“ GAB2, S.92

[21]s. Anm.45

[22]So hatte beispielsweise „Erich Heckel jedoch schon 1903, wie im Werkverzeichnis von Dube nachgewiesen, lange vor Fritz Bleyl und Ernst Ludwig Kirchner Holzschnitte geschaffen“ (SPIE, S.29), und dennoch schrieb Kirchner in die „Chronik“: „Kirchner brachte den Holzschnitt aus Süddeutschland mit, den er, durch die alten Schnitte in Nürnberg angeregt, wieder aufgenommen hatte.“ s.Abb. der gesamten Chronik bei SPIE, SS.124-125

Hierauf verweist auch Gerlinger mit der Deutung: „Es ist einer der bekannten, von krankhaftem persönlichen Ehrgeiz geprägten Versuche Kirchners - in gleicher Absicht unternommen wie die hinlänglich bekannten Vordatierungen seiner frühen Werke - sich selbst als künstlerischer Anreger und primus inter pares des Brückekreises darzustellen und damit seinen Führungsanspruch zu begründen.“ bei SPIE, S.93

[23]s.S.10 und Anm.40

[24]s.REI, S.23 Dort heißt es: „Der Prozeß der Individuation schreitet vor allem in Berlin seit 1911/12 kräftig voran, was auch zum Bruch mit den Malerfreunden und zur schließlichen Auflösung der >>Brücke<< 1913 führt. Der Künstler stürzt sich in das hektische Leben dieser Metropole, läßt sich davon aufsaugen und - vielmehr noch - saugt es noch viel begieriger auf, in dem fast wahnhaften Zwang, an der Totalität der Wirklichkeit nicht gänzlich beteiligt zu sein. ... Der ungeheure Arbeitsfanatismus läßt ihm keine Ruhe, bedürfnislos und in ärmlichen Verhältnissen treibt sich Kirchner bis >>an die äußerste Grenze physischer Belastbarkeit<<, welche er durch Konsum von Drogen (wie Veronal und Morphium) zu übertreffen sucht, um seine Arbeitsintensität nochmals auszudehnen.“ ebd.

[25]Dieser Zeitraum beschrieben durch Erna in der Anamnese an Binswanger, s. Anm.140

[26]Dieser Begriff von Kirchner selbst. s.Anm.38

[27]Grohmann spricht davon: „Er liebte es, mit den Outsidern der Menschheit ... zu verkehren.“ 

(GRO, S.8) In seinen Erotika nun „im Gegensatz zur ersten Folge ... vor allem Abwegigkeiten zur Darstellung“ (KOR1, S.57) bringend. s.Anm.39

[28]So W. Henze in SEE, S.56

[29]Bald nach Kriegsbeginn fiel beispielsweise ja schon Macke. s.Anm.49

[30]s.Anm.51

[31]s.KOR1, S.57

[32]s.Anm.52

[33]So berichtet von Anneliese Kohnstamm-Reich, s.KOR1, S.63

[34]s.Anm.50, 65

[35]Brief vom 14.April 1916 an Hagemann aus Königstein. Auszug bei KOR1, S.65

[36]s.Anm.59  Hierin bedingt kann er lange Zeit nicht schreiben und diktiert die Briefe seiner umfangreichen Korrespondenz.

[37]s.SS.13-14

[38]s.Anm.47

[39]s.Anm.63

[40]Man denke an den Freskenzyklus im Sanatorium Kohnstamm. s.Anm.61

[41]So schreibt er am 16.Januar 1918 aus Kreuzlingen an van de Velde: „Meine beiden väterlichen Freunde, Sie und Gräf hängen jetzt über meinem Bett. Das ist doch die Rasse zu der ich gehöre.“ KIR, S.76

[42]So zahlt Carl Hagemann „in diesen Jahren ein monatliches Fixum von 200 und später 300 Mark, das auf Ankäufe verrechnet wird.“ (HEKU, S.11) Ebenso von van de Velde erhält er Geld, wie aus einem Schreiben Kirchners an diesen vom 23.Juni 1917 ersichtlich wird: „...vielen Dank für Ihren freundlichen Brief und die 500 M die ich dankend annehme. Ich hätte Ihnen auch gerne für Ihre Zuwendung ein Bild gegeben, da es mich glücklich macht, von Ihnen, den ich als Meister verehre, für würdig empfunden zu werden...“ KIR, S.66

[43]Nicht nur hatte er beispielsweise im Jenaer Kreis mehrere Sammler gefunden, sondern auch im Sanatorium wurde sein Kunstschaffen ausdrücklich gefördert. s.Anm.69

[44]s.S.17 Bei seinem ersten Aufenthalt in Davos war offenbar Kirchners Garderobe in keiner Weise „den Verhältnissen angepaßt..., bei Spenglers amüsierte man sich über den im Gepäck vorhanden gewesenen Smoking.“ KOR1, S.76

[45]Sie fährt fort: „...Er spricht sehr viel und nie dumm oder langweilig, es ist alles sehr durchspintisiert, und ich interessiere mich wirklich für seine Ideen, die er mir mit Eifer klarlegt...“  Brief an Grisebach vom 27.Januar 1917. GR2, S.59

[46]So berichtet Helene Spengler: „Tieftraurig machte sein hülfloser Anblick. Neben dem Eßzimmerofen, mit dem kleinen elektrischen Öfchen auf der anderen Seite saß er ganz zufrieden, wenn ich dicht neben ihm war, ihm zuhörte, ein freundliches Gesicht machte und dann und wann besänftigend über seinen Ärmel strich. Merkte er aber, daß ein zerstreuter Zug über mein Gesicht ging, machte er gleich ein hilfloses Gesicht, wollte gehen und fürchtete zu stören. Ich konnte ihn aber gleich wieder beruhigen und er redete ganz nett, oft sehr klug und tiefsinnig weiter. Mir kam es oft fast vor, als hypnotisiere ich dieses Häuflein Unglück.“ An Grisebach am 5.Februar 1917 (GR2, S.61)

Ebenso ein Jahr später, am 21.Februar 1918, Helene Spengler wieder an Grisebach: „Ich war also rasch bei Kirchner, hatte von 1½ bis 6 Uhr Zeit für ihn, aber durch van de Veldes Dortsein wurde ich nicht so recht mir selbst überlassen, dadurch klagt Kirchner im soeben erhaltenen Brief, er sei zu kurz gekommen.“ GR2, S.82

[47] „Gegenüber dem mit ewigen Klagen nicht zurückhaltenden, von Ängsten und einer gewissen, ständig präsenten Unzufriedenheit zerrissenen Kirchner, zeichnet sich nun gegen das Jahresende 1918 hin eine Wende ab. ... Ab Dezember 1918 schreibt er seinen Briefe wieder selbst...“ KOR1, S.127

[48]In einem Brief an das Ehepaar Spengler am 28.November 1918. GR2, S.91

[49]So schrieb er 1925/26 in seiner „Kunstlehre - E.L. Kirchner: ... Das Gefüge der Linien, Flächen und Farben nennt man die Composition eines Bildes. Sie unterliegt seit alters her bestimmten Gesetzen, die bis heute bestehen und zu denen jeder bedeutende Künstler Neues hinzufügt, das er bei seiner Arbeit erfand. So z.B. Hodler den Parallelismus, ich den Dreiecksaufbau, die Verschiebung der Proportionen zur Erzielung eines grössern oder kleinern Erscheinens, die Divergenz des Linearen, die Empfindungsperspektive, die Verwendung von Nachbarfarben anstatt des Complementären, die Verwendung des optischen Gesetzes der totalen Reflexion und der Überstrahlung etc. etc.“ (Abdruck bei KOR1, S.343, dort vollständiger Abdruck des Gesamtmanuskripts „Die Arbeit E.L.Kirchners auf den  SS.331-344)

An einer der zahllosen anderen Stellen: „Es giebt nur ganz wenige deutsche Künstler, die Pfadfinder in der Gestaltung gewesen sind, seit Dürer fast keiner.“ aus seinem Tagebuch 1925, GR1, S.83; s.auch Anm.79

[50]So bei dem Vergleich seines „Aktes mit Hut“ mit der Venus Cranachs. s.Anm.79

[51]Tagebucheintrag Kirchners vom September 1926. GR1, S.101

[52]Beides Stellungnahmen Kirchners zu seiner Kunst, gesammelt bei GO, S.24

[53]Kirchner in seinem Tagebuch am 6. Juli 1919. GR1, S.44

[54]Graef 1916 über Kirchner, zuerst veröffentlicht im Katalog zur Ausstellung in Frankfurt 1919; wiedergegeben bei GO, S.24

[55]Aus Bossharts „Neben der Heerstraße“; dieser Auszug bei GRM, S.88

[56]Dieser fünfstrophige Lobeshymnus auf Kirchner vollständig bei SEE, SS.114-115 mit Beschreibungen wie: „Simson gewaltig, Du wurdest Maler ... Maler: Du Weltall ... Mensch sein ist nichts...“ (ebd.) Hierüber Kirchner an Bluth: „... Ihre Dichtung ist das Beste, was über meine Arbeit geschrieben wurde.“ Brief vom 06.03.1920. GAB1, S.104

[57]An dieser Stelle sei eine Begebenheit geschildert: „Carl Georg Heise erinnerte sich an einen Besuch bei Kirchner, bei dem er den Eindruck gewann, er habe einen schrecklichen faux pas begangen, >>indem ich den vermuteten Einfluß durch die Kunst Edvard Munchs auf seine Frühzeit aussprach.<< Nur ein Fußtritt unter dem Tisch von einem ebenfalls anwesenden Freund bewahrte Heise davor, noch weiter zu gehen, und Kirchner davor, in einen Wutanfall auszubrechen.“ (GRM, S.38) Dort fährt Whitford fort: „Es ist vollkommen klar, daß Munchs Einfluß bedeutend war, und ebenso klar, daß Kirchner die Tatsache lieber vergessen wollte - ebenso wie er vergessen wollte, daß die >Brücke< den Skandinavier einst eingeladen hatte, der Gruppe beizutreten. Die Tagebucheintragung vom 23. November 1926 ist wirklich haarsträubend: >>Jetzt steht es in der Züricher Zeitung, Munch habe gesagt, er habe ein Bild >wie Kirchner< gemalt. Das halten die Leute für ein Lob. Ich weiß, daß Munch...vieles nachgemacht hat. Für die Öffentlichkeit aber wird der Spieß herumgedreht und gesagt, ich hätte es von ihm gestohlen.“ ebd.

[58]Kornfeld hierzu: „Mit laufender Sympathie durfte nur rechnen, wer sich über Jahre hinweg kritiklos und ohne ausgeprägte eigene Äusserungen Kirchners Meinungen und Auffassungen anschloss. Kirchners Misstrauen und sein empfindliches Ehrgefühl führen häufig zu recht aggressiven Eintragungen, immer wieder beklagt er sich auch über mangelnde Anerkennung und Förderung.“ KOR1, S.148

[59]Hier sei insbesondere auf den Bruch mit Schames verwiesen (s.Anm.28), aber auch auf den mit Helene Spengler. s.Anm.94

[60]Whitford in GRM, S.38 In diesem Zusammenhang sei an Heises Erfahrung zu Munch erinnert (s.Anm.196), wobei entsprechendes auch besonders zu Matisse gilt. So besuchte er dessen Ausstellung bei Cassirer in Berlin 1909 und „regte sofort nach dem Besuch der Ausstellung an, dass man Matisse als Mitglied für die <<Künstlergruppe Brücke>> gewinnen müsse“ (KOR1, S.25), verwahrte sich aber später von diesem beeinflußt zu sein.

[61]Brief Kirchners an Karl Scheffler vom 26.November 1924. GO, S.460

[62]s. Anm.76

[63]Belege hierfür bei GO, S.474, ebenso KET2, S.241 und GRM, SS.79 und 115.

[64]s.Anm.77

[65]So führte „Georg Schmidts mutiger Vortrag in Winterthur ... im August 1924 wider Erwarten und wider alle Vernunft zu einer starken Trübung der Beziehung zu Kirchner“(KOR1, S.222), da dieser trotz allen Lobs Kirchner als Expressionist bezeichnet hatte. Kirchners Antwort in Anm.1

Auch Grisebach zeigt sich erleichtert, daß Kirchner ihn nicht weiter als Autor wünscht, nachdem er Schiefler gefunden hat: „Das ist mir sehr recht, denn ich kann mich zu einer schrankenlosen Begeisterung doch nicht entschließen, die er fordert.“ Brief an Lotte Grisebach am 17.März 1923. GR2, S.146

Eine interessante Reaktionsbildung Kirchners in diesem Zusammenhang im Brief an Nele vom 26. Dezember 1923: „Ich wenigstens bin nicht gern so allgemein bekannt und anerkannt, daß die Leute einem in jeden Topf gucken. Viel lieber laufe ich unbekannt durch die Welt und frei und nehme auf, was mich berührt, ohne daß es bemerkt wird. Auch bin ich froh, daß ich nicht in Deutschland bin und mich dort nicht anzubeten lassen brauche.“ KIR, S.53

[66]s.Anm.75

[67]Tagebucheintrag vom 6.März 1923. GR1, S.76

[68]So am 6.Dezember 1923 im Brief an Schiefler. (GR1, S.204) Ähnlich schon am 30.Oktober 1919 an Helene Spengler: „...Es kommt mir aber immer etwas arrogant vor, von sich selbst zu reden und besonders zu veröffentlichen.“ GR2, S.112

[69]s.auch Anm.78

[70]Tagebucheintrag des 19.September 1925. GR1, S.94

[71]Tagebucheintrag des 17.Januar 1923. GR1, S.73

Hierzu bemerkt Honisch: „Wenn die europäische Malerei so deprimierend ausgesehen hätte, wie Kirchner sie beschreibt, so wäre man wirklich nur auf ihn selbst angewiesen. Er beschreibt nicht die Künstler, sondern er beschreibt vielmehr, was er selbst nicht will. Alles ist ihm zu unfarbig, zu gedrechselt und konstruiert, zu dekorativ, zu geschmackvoll, zu kraftlos und zu ungegenständlich. Es zeigt sich in dieser rigorosen Ablehnung aber auch ein ungeheurer und auf einen übergreifenden Stilentwurf ausgehender eigener Anspruch.“ GRM, S.27

[72]Es sei nur an die Auseinandersetzung mit Helene Spengler wegen der verschwundenen Krankenakte erinnert, die in ihm die Furcht aufkommen ließ, man wolle ihn entmündigen. s.Anm.94

[73]Tagebucheintrag vom 6.September 1925. GR1, S.89

[74]So empfängt Hagemann 1928 den Teppich, den Kirchner für ihn entworfen hat, „freut sich sehr..., scheint aber einige Reserven angemeldet zu haben, was Kirchner veranlasst ... zu betonen, dass einige Unzulänglichkeiten, wie eine etwas zu starke Intensität der Farben, gänzlich auf das Konto von Lise Gujer gingen. Er versteigt sich zur Behauptung: >>Es ist wahrscheinlich, dass Sie das letzte Stück unserer Zusammenarbeit besitzen.<<“ (KOR1, S.271) Ebenso heftig verläuft eine Auseinandersetzung mit Helene Spengler 1922, die bei Schames ein Bild Kirchners erworben hatte, was diesen brüskiert. Man trennt sich im Streit, kurz darauf kommt Kirchner zurück; Helene Spengler beschreibt: „Ich streckte ihm die Hand hin, sehe in sein aufgeregtes Gesicht, seine Augen waren voll von Tränen, und mit halber Stimme, hastig und nervös, bittet er mich: >>Machen Sie den Kauf rückgängig, ich bitte Sie darum, lassen Sie mich Ihnen die Blätter schenken...<<“ Brief an Grisebach vom 2.Mai 1922. GR2, S.137

[75]KOR1, S.179 In gleicher Weise berichtet Grohmann über Kirchner: „Wenn er ins Kurhaus nach Davos fuhr, mietete er sich ein Wägelchen, zog einen blauen Tuchanzug an, steckte den Skizzenblock ein und den Merkzettel für alle seine Wünsche beim Buchhändler..., zuweilen auch beim Schneider, denn er bestellte sich seine Jackett-Anzüge damals im Davoser Office eines Londoner Westendmakers.“ (GRO, S.74) Schon Anfang 1920 flaniert er bereits „elegant angezogen“ wieder auf der Promenade in Davos. Brief Eberhard Grisebachs an Lotte Grisebach am 3.April 1920.

GR2, S.123

[76]ebd.

[77] „Huber sei durch sein gepflegtes Auftreten aufgefallen und sei bei Kirchner auch seiner Sprache wegen hoch im Kurs gestanden.“ KOR1, S.245

[78]So Nina Hard im Sommer 1921: „Sie brachte einen erotischen Hauch in das Haus <<In den Lärchen>> und fügte sich Kirchners Wünschen ohne Prüderie.“ (KOR1, S.181) „Kirchner hat offensichtlich längere Zeit mit Nina Hard allein gelebt, denn Erna fuhr im Juni für mehrere Wochen nach Berlin.“ KOR1, S.184

[79]Tagebucheintrag Kirchners vom 1.September 1925. GR1, S.88

In seinem Manuskript „Die Arbeit E.L.Kirchners“ von 1925/26 geht er noch ein Stück weiter: „Dreimal habe ich jüngere Künstler zu meiner Art zu arbeiten führen können, des ersten die Leute der <<Brücke>>, dann zwei begabte Künstler Gewecke und Gothein in Berlin, das dritte Mal junge Schweizer Künstler...“ Abdruck bei KOR1, S.332

[80]Hierzu in Auszügen der Tagebucheintrag vom März 1925: „Was mache ich nur? Solche Schüler will ich nicht. Ich will wohl gerne feine große Künstler anregen und stärken, nicht aber kleine lausige Banausen, die sich an meinem Tische vollfressen und geistig ergrapschen, was sie können ... Wer giebt mir denn etwas, wer giebt mir Anregung und neue Ideen ... Wie diese besch. Sachsen damals, so übernehmen heute die Schweizer meine Dinge, aber Dank und Anerkennung für mich, das hat keiner.“ (GR1, SS.80-81)

s. zu seinen Äußerungen zu Scherer und Müller Anm.104,106

[81]“Während des kurzen <<Rekognoszierungsaufenthaltes>> der Müllers in Davos, vor der Übersiedelung für den Sommer, muss Kirchner es verstanden haben, Müllers Abneigung gegen die nur wenige Monate alte <<Künstlervereinigung Rot-Blau>> so zu schüren, dass Müller in den ersten Maitagen seinen offiziellen Austritt erklärt. In einem Brief vom 6.Mai gibt Kirchner seiner Befriedigung über diesen Entschluss Ausdruck: <<Ich beglückwünsche Sie, dass Sie Ihren Entschluss aus Rot-Blau auszutreten ausgeführt haben. Sie werden nun ruhig und ungestört Ihr Werk schaffen und vertreten können, ohne stete Unruhe, aufpassen zu müssen, dass Sie nicht übers Ohr gehauen und unterdrückt werden. Es ist traurig, dass Scherer sich so gemein zeigt...>>“ KOR1, S.235

[82]s.Anm.106

[83]Tagebucheintrag vom 8.Juli 1919. GR1, S.53

[84]Tagebucheintrag vom 1.August 1919. GR1, S.53

[85]Tagebucheintrag vom 1.Januar 1923. GR1, S.71

[86]s.S.22

[87]s.Anm.108

[88]Zahlreiche abfällige Äußerungen Kirchners in seinem Tagebuch, bspw.: „Ärger über Erna. Zu schade, daß kein geistiger Kontakt mit diesem Kinde zu erhalten ist.“ 8.Juli 1919. GR1, S.45

s.auch SS.20-21

[89]Tagebucheintrag vom 6.Juli 1919. GR1, S.44

[90]So berichtet Helene Spengler am 15.Februar 1921 an Grisebach: „Frau Kirchner ist wieder hier ... Sie macht ein Gesicht wie 7 Tage Regenwetter, läßt die Mundwinkel hängen ... Ihm geht es gut. Er findet selbst, sein Zustand sei doch viel besser als letztes Jahr.“ GR2, S.129

[91]s.S.21

[92]s.S.21

[93]Aus einem Brief an Nele van de Velde vom 01.Februar 1923 KIR, S.51

In ähnlicher Weise: „Ich kämpfe immer von Zeit zu Zeit gegen die zunehmende Vereinsamung an, die ja ganz natürlich durch die Hingabe an die Arbeit kommt. Gewiß habe ich sie noch vergrößert dadurch, daß ich mich hier ansiedelte, wo man immer der Fremde bleiben wird.“ (Brief an Nele vom 30.Dezember 1924. KIR, S.60) „Die Einsamkeit kommt wie ein schwarzer Mantel um mich.“ (Brief an Nele vom 20.November 1920, KIR, S.30) „Und wir müssen diesen einsamen Weg gehen in Liebe und Stolz, er ist das Leben wert.“ (Brief an Grisebach vom 24.Februar 1920, GR2, SS.122-123)

[94]Tagebucheintrag beim erstmaligen Wiederüberschreiten der Grenze nach Deutschland am 21.12.1925. GR1, S.104

Im gleichen Tonfall auch: „Ich bin wohl kein Mensch, der Menschen sonst anzieht, denn ich bin stets allein gewesen und bin es heute mehr denn je, trotzdem ich wohl gern wenigstens einen wirklichen Freund gehabt hätte und hätte.“ (Brief an Schiefler vom 9.Januar 1923. GR1, S.199) Diese Aussage trotz der Freundschaftsbeteuerungen zu Graef (s.Anm.63) und Müller (s.Anm.106).

[95]Brief an Nele vom 29.11.1920. KIR, S.32

[96]KOR1, S.248

[97]s.Anm.96

[98]So in den Briefen an Hagemann: „Mir ist natürlich das Malen auf der Mauer 100mal lieber, aber ich hatte ihm geschrieben, daß ich mich ihm [Gosebusch] fügen will, wenn er durchaus Leinwandbilder haben will.“ Brief vom 31.1.1930. FRO, S.70

[99]s.auch Anm.101

[100]Auch früher schon in diese Richtung gehende Äußerungen: „Ich werde künstlerisch und finanziell ausgenutzt, so lange es geht.“ (Tagebucheintrag vom September 1927. GR1, S.159) „Es ist wirklich eine Schweinerei, ich arbeite und erfinde Neues und verkaufe nichts, und die Nachtreter machen gutes Geschäft mit meinen Sachen, die sie stehlen. Daß sie sich nicht genieren.“ Tagebucheintrag vom 3.März 1925. GR1, S.130

[101]s.Anm.98

[102]s.Anm.111

[103]Die dort im November 1937 gezeigte große Retrospektive seines Werkes erbrachte nicht den erhofften Durchbruch in der Schweiz.

[104]Brief Kirchners an Hagemann vom 30.April 1938. Auszug bei KOR1, S.322

[105]Aus dem Brief an Erna vom 12.März 1929; s.Anm.118

[106]s.Anm.133

[107]s.Anm.132

[108]s.Anm.139

[109]s.Anm.128,139

[110]s.Anm.139

[111]Aus einem Brief an Nele vom 9.Dezember 1920. KIR, S.34

Der folgende Auszug eines Briefes an Helene Spengler vom 20.Juni 1919 mag bildhaft in gleicher Weise gedeutet werden: „Gestern schickte Fräulein Boner schon liebenswürdigerweise den Spiegel, so bewundere ich mein blödes Gesicht jetzt jeden Morgen ganz darin. Ein wenig Selbsterkenntnis beim Aufstehen wirkt oft besser als das innigste Morgengebet.“ GR2, S.109

[112]DSM III R, SS.280-281

[113]Man denke an die Schilderung Heises von Kirchners Reaktion auf dessen Andeutung einer Verbindung zu Munch. s.Anm.196

[114]So am 24.08.1924 an Schmidt, der gewagt hatte, ihn einen Expressionisten zu nennen. s.Anm.1

[115]s.Anm.213

[116]s.Anm.77

[117]s.Anm.197

[118]s.Anm.75

[119]s.Anm.206

[120]s.Anm.114, 118

[121]s.SS.39-40

[122]s.Anm.37

[123]GO, S.462, s.Anm.158

[124] s.Anm.104

[125]s.Anm.77

[126]s.SS.13-14

[127]Aus einem Brief an Elfriede Knoblauch vom 27.März 1929. GRM, S.96; s.auch Anm.114

[128]s.Anm.28, 94

[129]s.Anm.239, 104

[130]s.Anm.161

[131]s.S.10 Natürlich war es auch nicht er, der die Brücke auflöste, sondern die Gemeinschaft beschloß ihre Auflösung.

[132]s.Anm.79

[133]s.Anm.191

[134]s.Anm.192

[135]s.Anm.190

[136]s.Anm.78, 209, 210

[137]s.Anm.31

[138] „Ich mag den gemeinen Pöbel nicht und halte ihn mir fern.“ s.Anm.151

[139]Aus einem Brief an Hagemann vom 14.Februar 1929. s.Anm.113

[140]Aus einem Brief an das Ehepaar Spengler vom 28.November 1918.(GR2,S.91, s.SS.39-40) Ebenso in einem Brief an Hagemann am 23.12.1930: „Ich denke auch manchmal, es müßte schön sein in pace zu leben, aber wenn ich dann den Frieden näher besehe, in dem der Durchschnitts-homo-sapiens sich wohlfühlt, dann erscheint mir diese Primitivität doch so läppisch...“ DU1,S.13

[141]Brief an Nele vom 29.11.1920. KIR, S.32

[142]Aus einem Brief an Elfriede Knoblauch vom 27.März 1929. s.Anm.114

[143]Brief an Erna vom 12.März 1929. s.Anm.118

[144]Brief an Scheffler vom 26.November 1924. GO, S.460; s.S.42

[145]SCHOOP, S.15; s.Anm.65

[146]Brief an van de Velde vom 16.Januar 1918. KIR, S.76; s.Anm.180

[147]Aus dem Manuskript >>Die Arbeit E.L.Kirchners<<. GRM, S.60; s.Anm.43

[148]Brief an Helene Spengler vom 16.Februar 1919. GRM, S.79; s.Anm.138

[149]s.S.32 und 62

[150]Brief an Elfriede Knoblauch vom 27.März 1929. GRM, S.96; s.Anm.114

[151]ebd.

[152]L.Powys über Kirchners Entwicklung zum Selbstmord hin. s.Anm.139

[153]Helene Spengler an Eberhard Grisebach am 04.11.1917. SCHOOP, S.30

[154] Brief an das Ehepaar Spengler vom 28.November 1918. s.Anm.187

Zweifellos mag diese Entscheidung auch das absehbare Kriegsende und die damit nicht mehr vorhandene Bedrohung beeinflußt haben.

[155]Diese Einschätzung von Erna Ende 1917. s.Anm.69

[156]s.Anm.159. Ebenso auch eine Begebenheit am Ende seines Studiums: „Gegen Ende seines Studiums kam Kirchner zu seinem Lehrer, breitete eine Mappe mit Entwürfen für einen extravaganten Innenraum aus und erklärte, dieses sei seine Doktorarbeit. Auf die Antwort Schumachers, daß dazu nicht ein Entwurf, sondern eine wissenschaftliche Arbeit notwendig sei, schien er empört. >>Er ließ durchblicken, daß die zivilisierte Welt nichts als Enttäuschungen böte und nur noch bei primitiven Menschen einige Erholung zu erwarten sei. Ich erinnerte an Gauguin. Er nahm das so ernsthaft auf, daß ich bei seinem Fortgang einen Aufbruch aus Europa mit Sicherheit erwartete.<<“ DU1, S.20

[157]Brief an Hagemann am 3.September 1931. s.Anm.116

[158]Antwortschreiben an die Akademie nach dem Ausschluß 1937. s.Anm.127 und auch Anm.119

[159]So Wentzel in WEN, S.46 s.auch S.35

[160]GR2, S.146, s.Anm.204

[161]Brief an Lotte Grisebach vom 17.März 1923. GR2, S.146; s.Anm.204

[162]KOR1, S.148; s.Anm.197

[163]s.u.a.SS.20-21

[164]s.Anm.86

[165]Ein Umstand, der Kirchner durchaus bewußt war, wobei er diesem Wunsch aber nicht nachkam, ihr im Gegenteil, sobald sie von ihm abgereist war, umgehend sehnsuchtsvolle Briefe nachschickte. s.Anm.118 und 92

[166]s.Anm.128, 139 Noch nach Kirchners Suizid machte sie sich „Vorwürfe ..., seinen letzten Weg nicht mit ihm gegangen zu sein, wie er es wollte.“ (Brief an Helene Spengler) KOR1, S.326; s.Anm.139

[167]s.Anm.117

[168]s.Anm.118

[169]s.insbesondere S.44

[170]s.Anm.161

[171]Brief Kirchners an Hagemann am 24.06.1934. FRO, S.85; s.Anm.98

[172]Tagebucheintrag des 3.März 1926. (GR1, S.139, s.Anm.76) Ein ähnlicher Hinweis von Kirchner über den Zerfall der Brücke: „...so daß ich eines Tages feststellen mußte, daß ich meinen Freund Heckel ... an einen Kunsthistoriker verloren hatte, der ihn >machen< wollte.“ Abdruck bei BUCH, S.172, s. ähnlich zu Pechstein Anm.37, ebenso zu seinem Schüler Scherer: „...in Basel ..., wie beschissen es dort zugeht ... Von Scherer weren 100 Zeichnungen angekauft, die den meinen nachgeahmt sind wie ein Ei dem anderen, von mir ist kein Blatt, kein Bild dort.“ Davoser Tagebuch, S.159, dieser Auszug bei GE, S.15

[173]s.Anm.54

[174]Brief Kirchners an Schiefler vom 19.07.1919. GRM, S.217; s.Anm.50

[175]Helene Spengler an Eberhard Grisebach am 1.Februar 1917. GR2, S.61; s.Anm.71

[176]Aus van de Veldes „Geschichte meines Lebens“ s.Anm.65

[177]s.Anm.132, wobei diese Furcht ja einen durchaus realen Hintergrund hatte.

[178]s.Anm.101

[179]Tagebucheintrag vom 6.September 1925. GR1, S.89; s.S.43

[180]Tagebucheintrag vom 20.April 1923. GR1, SS.78-79; s.Anm.94

[181]Tagebucheintrag vom 17.April 1928. GR1, S.162; s.Anm.100

[182]Gemäß DSM III R diagnostisches Kriterium (1) der Histrionischen Persönlichkeitsstörung. (S.279) s.hierzu den Punkt ad 7. zur Narzißtischen Persönlichkeitsstörung auf S.54

[183]Gemäß DSM III R diagnostisches Kriterium (3) der Histrionischen Persönlichkeitsstörung. (S.279)

[184]s.S.17

[185]s.Anm.183

[186]Gemäß DSM III R diagnostisches Kriterium (4) der Histrionischen Persönlichkeitsstörung. (S.279)

s.bspw. Anm.196, 213

[187]Gemäß DSM III R diagnostisches Kriterium (7) der Histrionischen Persönlichkeitsstörung. (S.280)

Auch hierzu diverse Beispiele in der Diagnosestellung der Narzißtischen Persönlichkeitsstörung.

[188]Gemäß DSM III R diagnostisches Kriterium (8) der Histrionischen Persönlichkeitsstörung. (S.280)

Hierzu sei verwiesen auf die kurzen Kommentare Kirchners zum Tode von Vater (s.Anm.85) und Mutter (s.Anm.108). Ebenso bemerkt er, als Binswanger, der sich seiner in Kreuzlingen ja intensiv angenommen hatte, ihn 1919 auf der Staffelalp besucht: „Seltsam, dass mir das Wiedersehen gar nichts auslöste. Macht das das geschickte Auftreten des Psychiaters oder die Sicherheit, die ich hier in einem anderen Reiche bekommen habe?“ Tagebucheintrag vom 8.September 1919. GR1, S.62

[189]Aus einem Brief Kirchners an Osthaus vom 22. März 1916. HONS, S.37

[190]s.Anm.59

[191]Diese Beschreibung von Grisebach in einem Brief an Helene Spengler am 23.März 1916. KOR, S.78

[192]So Eberhard Grisebach in einem Brief an Helene Spengler am 23.März 1917: „...Nur mit Hilfe eines Stockes konnte er sich mühsam aufrichten und nur schwankend durchs Zimmer gehen. ... Hinter einem buntbemalten Vorhang standen ein Haufen Bilder, die wir anzusehen begannen, dabei kam Leben in ihn.“ GRM, S.74

[193]So Kornfeld in KOR1, S.95

[194]Helene Spengler an Eberhard Grisebach am 12.Juli 1917. GR2, S.71

[195]Helene Spengler an Eberhard Grisebach am 13.Februar 1923. KOR, S.196

[196]Brief an van de Velde vom 14.Juli 1917. (KIR. S.69) Von „starken Depressionen“, an denen Kirchner in Kreuzlingen litt, berichtet auch Erna an Helene Spengler am 21.Okt.1917. GR2, S.73

[197]Tagebucheintrag vom 27./28.Dezember 1925: „Sehr traurig, melancholische Stimmung durch die absolute Einsamkeit erzeugt.“ (GR1, S.109) Erstmalige Erwähnung der Depressionen Kirchners durch ihn selbst in einer Postkarte an Heckel im Mai 1911. Ketterer bemerkt hierzu: „Er schreibt auf einer Karte vom Ende Mai 1911 (Nr.66): >Leide wieder an schweren Depressionen. Der Teufel solls holen.< Es ist die erste Erwähnung dieses Zustandes und zwar durch Kirchner selbst. Er mußte sich also der Veranlagung bewußt gewesen sein, die in seinem Charakter begründet war und den Gegenpol bildete zu der ausgelassenen Fröhlichkeit und überschäumenden Leidenschaft, deren er fähig war. Diese Depressionen traten bevorzugt auf in Zeiten der Einsamkeit.“ KET1, S.297; s.Anm.562

[198]Kirchner in einem Beitrag über seine Kunst 1919. Dieser Auszug bei GRM, S.79, s.Anm.9

[199]Brief an Nele van de Velde vom 6.Januar 1919. KIR, S.14

[200]Brief an Helene Spengler vom 3.Februar 1919. GR2, S.98