B. Möglichkeit der Leistung
Eine weitere Verzugsvoraussetzung stellt die Möglichkeit der
Leistung dar. I. Gegenseitiger Ausschluß von
Unmöglichkeit und Verzug
Der Schuldner kann nur in Verzug geraten, wenn die ihm
obliegende Leistung noch möglich ist. Nach heute ganz einhelliger Meinung schließen sich
Verzug und Unmöglichkeit gegenseitig aus.[494]
Bei objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit sind die Verzugsvorschriften nicht
anzuwenden. Dieser gegenseitige Ausschluß ergibt sich zwingend aus der gesetzlichen
Systematik. Liegt Unmöglichkeit vor, so ist der Schuldner aufgrund der
Unmöglichkeitsvorschriften von seiner Leistungspflicht befreit Beim Schuldnerverzug bleibt der Erfüllungsanspruch dagegen bestehen.
Es wäre widersprüchlich, von einer pflichtwidrigen Leistungsverzögerung und damit von
einem Verzug zu sprechen, wenn Unmöglichkeit vorliegt, da der Schuldner aufgrund der
gesetzlichen Unmöglichkeitsvorschriften gerade nicht mehr zur Leistung verpflichtet ist.[495] Diese strikte begriffliche Trennung zwischen Unmöglichkeit und
Verzug wurde zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht
vorgenommen. Der Verzug wurde in den Motiven noch als teilweise Unmöglichkeit bezeichnet.[496] Dies erscheint nicht
völlig abwegig, da die Leistung in Ansehung der Zeit, also zu diesem präzisen
Fälligkeitstermin, nicht mehr erbracht werden kann. Unmöglich geworden ist eine Leistung
im Sinne des BGB aber nur, wenn sie ihrem Gegenstand nach nicht mehr erbracht
werden kann. Zur Leistung i. S. d. des Unmöglichkeitsrechts gehört nur die
gegenständliche Leistung und nicht auch die zeitliche Charakterisierung. Von
Unmöglichkeit kann daher nicht gesprochen werden, wenn die Leistung nur in Ansehung der
Zeit nicht mehr nachholbar ist, ihr Gegenstand aber noch erbracht werden kann.[497] Diese Auslegung des Leistungsbegriffs ergibt sich ebenfalls aus
den eben genannten systematischen Gründen. Aufgrund der selbständigen Regelungen von
Verzug und Unmöglichkeit und der sich ausschließenden Rechtsfolgen wäre es
widersprüchlich, die Leistung auch durch das zeitliche Kriterium zu charakterisieren, so
daß jede verspätete Leistung gleichzeitig hinsichtlich ihres Fälligkeitstermins nicht
mehr nachholbar wäre und als unmögliche Leistung angesehen werden müßte.[498] II. Kriterium der Nachholbarkeit
Der gegenseitige Ausschlusses dieser Leistungsstörungsinstitute
führt zu der Frage, auf welche Weise diese Institute voneinander abgegrenzt werden
können. Das Abgrenzungskriterium ergibt sich konsequenterweise aus dem eben angesprochen
systematischen Zusammenhang. Die Leistung beim Schuldnerverzug muß aufgrund der
Aufrechterhaltung des Erfüllungsanspruchs noch nachholbar sein, damit Verzug vorliegen
kann. Die Nachholbarkeit der Leistung wird daher auch nach allgemeiner Meinung in der
Rechtsprechung und Literatur als Abgrenzungskriterium herangezogen.[499] Solange die Leistung noch
nachholbar ist, kann von einer Unmöglichkeit nicht ausgegangen werden. Die Auslegung
dieses Kriteriums orientiert sich am Gläubigerinteresse. Kann das Gläubigerinteresse
trotz Verspätung der Leistung noch befriedigt werden, ist die Leistung noch möglich und
die Verzugsvorschriften kommen zur Anwendung.[500] Unmöglichkeit schließt den Verzug allerdings nur aus, wenn die
Leistung dauernd unmöglich wird; bei vorübergehender Unmöglichkeit kann die verspätete
Leistung die Verzugsfolgen auslösen.[501] In Ausnahmefällen wird
die vorübergehende Unmöglichkeit der dauernden Unmöglichkeit gleichgestellt, wenn es
für die Vertragsparteien unzumutbar ist, auf die eventuell später wiederkehrende
Möglichkeit der Leistung zu warten.[502] Wird beispielsweise ein
bestimmtes Produkt wegen eines Kriegsausbruchs in einem Land beschlagnahmt, so ist es für
die Parteien nicht zumutbar, auf das Möglichwerden der Leistung zu warten. Die Anwendung
der §§ 275 ff. BGB ermöglicht es den Vertragsparteien, sich von dem Vertrag
zu lösen.[503] Bei Fixgeschäften, Dauerschuldverhältnissen und Unterlassungspflichten kann die verspätete Leistung zur Unmöglichkeit führen. Entscheidend ist auch in diesen Fällen das Kriterium der Nachholbarkeit. Durch Auslegung des Schuldverhältnisses ist zu ermitteln, ob durch eine spätere Leistung das Gläubigerinteresse noch befriedigt werden kann. Ist diese Frage zu verneinen, führt die bloße Leistungsverzögerung zur Unmöglichkeit.[504] |