Abstract |
Das Thema dieser
Dissertation ist die Erörterung der Voraussetzungen des Schuldnerverzuges. Es sind gerade
bei dem Merkmal der Mahnung viele Punkte ungeklärt. Klärungsbedürftig ist außerdem das
Verhältnis Einrede und Schuldnerverzug. In welcher Weise Einreden den
Schuldnerverzug beeinflussen, ist bis heute fraglich. Die Einordnung des Verzuges in die Systematik des Bürgerlichen
Rechts sowie die Auslegung der einzelnen Verzugsvoraussetzungen lassen sich nur anhand der
Interpretation der Mahnung erklären. Die Mahnung nimmt einen entscheidenden Stellenwert in der
Verzugslehre ein. Entgegen der Ansicht der Rechtslehre hat die Mahnung nicht die Funktion,
den Schuldner zu warnen und ihm noch eine letzte Gelegenheit zur Leistung zu geben. Die
Funktion der Mahnung läßt sich vielmehr aus den Tatbestandsmerkmalen der Fälligkeit und
des Vertretenmüssens ableiten. Bei einer fälligen Forderung i. S. d. § 271 I
BGB besteht eine sofortige Verpflichtung zur Leistung und nicht eine bloße
Leistungsberechtigung. Dem Schuldner steht aber hinsichtlich der Erfüllungspflicht ein
Ermessenspielraum zu. Die Mahnung hat nun für den objektiven Tatbestand des Verzuges die
Aufgabe, das Leistungsermessen zu beenden. Vor Ablauf des Ermessenspielraums kann eine
pflichtwidrige Leistung noch nicht angenommen werden. Bei dem Merkmal des Vertretenmüssens ist die Beweislastverteilung
für die Interpretation der Mahnung wesentlich. Ohne zusätzliche Leistungsaufforderung
wäre die Beweislastverteilung gem. § 285 BGB ungerechtfertigt. Die Mahnung bewirkt
nämlich für den subjektiven Tatbestand des Verzuges, daß die Leistungsverzögerung
eindeutig dem Gefahrenbereich des Schuldners zugeordnet werden kann, indem der Schuldner
von dem Leistungstermin in Kenntnis gesetzt wird. Die Aufgaben der Mahnung sind danach
erfüllt, wenn der Gläubiger die Leistungszeit auf einen bestimmten Termin festgelegt hat
und dieser Termin dem Schuldner zur Kenntnis gebracht wurde. Diese Deutung der Mahnung hat weitreichende Konsequenzen. Anhand
dieser Interpretation kann nämlich festgelegt werden, bei welchen Tatbeständen eine
Mahnung für den Verzugseintritt entbehrlich ist. Steht der Eintritt der Leistungszeit
unabhängig von einer Leistungsaufforderung zu einem bestimmten Termin fest und ist dieser
Zeitpunkt für den Schuldner unter Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
ersichtlich, so erübrigt sich eine Leistungsaufforderung. Darüber hinaus kann der Gläubiger den Schuldner auch ohne Mahnung
in Verzug setzen, wenn das Leistungsermessen beendet ist und der Gläubiger nachweisen
kann, daß der Schuldner schuldhaft den Eintritt der Leistungszeit nicht gekannt hat. Ohne
Mahnung obliegt nämlich dem Gläubiger die Beweislast dafür, daß der Schuldner den
Eintritt des Fälligkeitstermins kannte oder hätte kennen müssen. Anhand dieser Interpretation der Leistungsaufforderung lassen sich
die Tatbestandsmerkmale einer Mahnung ableiten. Die Mahnung muß eine bestimmte und
eindeutige Leistungsaufforderung enthalten. Die Angabe des genauen Umfangs der
geschuldeten Leistung ist dagegen nicht erforderlich, da die Mahnung nur die Aufgabe hat,
den Schuldner hinsichtlich der Leistungszeit in Kenntnis zu setzen. Eine Mahnung vor
Fälligkeit ist grundsätzlich wirkungslos. Aus den Umständen kann sich aber ergeben,
daß in dieser Fallkonstellation die Mahnung entbehrlich ist. Bei einem abweichenden Leistungsverlangen (Zuviel- und
Zuwenigforderung) ist die Mahnung nur wirksam, wenn der Schuldner erkennen kann,
welche Leistung tatsächlich von ihm verlangt wird und der Gläubiger zur Annahme der
tatsächlich geschuldeten Leistung bereit ist. Diese Grundsätze gelten auch für die
Zuwenigforderung. Bei einer Zuwenigforderung ist die Mahnung für
die gesamte Verbindlichkeit verzugsbegründend, wenn der Schuldner aus den Umständen
entnehmen kann, welche Forderung von ihm verlangt wird und der Gläubiger zur Annahme der
gesamten Leistung bereit ist. Bei mehreren Beteiligten richtet sich die Wirksamkeit und Wirkung
der Mahnung in erster Linie nach den Rechtsformen der Gläubiger- und Schuldnermehrheiten.
Bei mehreren beteiligten Gläubigern kann ein Gläubiger allein nur wirksam den Schuldner
zur Leistung auffordern, wenn ihm ein eigenständiges Forderungsrecht zusteht. Ob die
Mahnung dann Gesamt- oder Einzelwirkung hat, hängt davon ab, ob das dem einzelnen
Gläubiger zustehende Forderungsrecht als dessen eigener materieller Anspruch oder als
Geltendmachungsrecht für die Gemeinschaft anzusehen ist. Die Rechtsprechung orientiert sich dagegen bei ihren Entscheidungen
nur an dem inhaltlichen Kriterium der eindeutigen und bestimmten Leistungsaufforderung.
Erstaunlicherweise wird die Warn- und Schutzfunktion der Mahnung in den
Entscheidungsgründen der einzelnen Urteile nicht zur Begründung herangezogen. Vor allem
die auch von der Rechtsprechung für zulässig gehaltene Verbindung von
fälligkeitsbegründender Handlung und Mahnung zeigt, daß in der Rechtsprechung die
Warnfunktion nicht ernsthaft verfolgt wird, da gerade diese Verbindung im Widerspruch zu
der vertretenen Schutzfunktion steht. Die Entbehrlichkeit der Mahnung richtet sich ebenfalls
nach der Funktion der Mahnung. Die Leistungsaufforderung ist überflüssig, wenn die
Aufgaben der Mahnung erfüllt sind. Nach diesem Grundsatz ist die kalendermäßig bestimmte Zeit
i. S. d. § 284 II BGB auszulegen. Eine kalendermäßig bestimmter
Termin liegt nicht nur dann vor, wenn sich die Leistungszeit unmittelbar oder mittelbar
aus dem Kalender ergibt, sondern auch dann, wenn der Termin nach dem Kalender berechenbar
ist und der Eintritt des Ereignisses in die Sphäre des Schuldners fällt. Bei der
Berechenbarkeit der Leistungszeit muß daher nach der Art der Ereignisse
differenziert werden. Für die Anwendung des Grundsatzes fur semper in mora
besteht im BGB kein Bedürfnis mehr. Die Fallgruppen der Besonderen Dringlichkeit, der Selbstmahnung
und die Verzögerung weiterer Verhaltenspflichten lassen sich mit der hier vertretenen
Mahnungsfunktion lösen. Bei der Fallkonstellation der Besonderen Dringlichkeit
haben sich die Parteien über eine unverzügliche Leistung geeinigt, da dem Schuldner die
drohenden Nachteile des Gläubigers im Falle einer Leistungsverzögerung bekannt waren.
Die Parteien haben daher eine vertragliche Vereinbarung über den Leistungstermin
getroffen und die Leistungszeit auf einen kalendermäßig fixierten Termin nämlich
die Vornahme der Leistungshandlung unmittelbar nach Vertragsschluß- festgelegt. Bei
dieser Fälligkeitsvereinbarung kann aus diesem Grunde von einer kalendermäßig
bestimmten Zeit i. S. d. § 284 II BGB ausgegangen werden, so daß
aufgrund dieses gesetzlichen Ausnahmetatbestandes die Mahnung entbehrlich ist. Eine zusätzliche Leistungsaufforderung bei einer Selbstmahnung
des Schuldners ist nicht erforderlich. Der Verzugseintritt kann mit einer analogen
Anwendung des § 284 II BGB begründet werden. Durch die bloße Ankündigung der
Leistung durch den Schuldner bringt dieser nämlich zum Ausdruck, daß er zu diesem
bestimmten Termin leisten werde und ihm der Eintritt der Leistungszeit bewußt sei. Die
Vornahme eines Erfüllungsversuches fällt ebenfalls hierunter. Zusätzliche Anforderungen
sind für diesen Erfüllungsversuch nicht erforderlich. Eine Mahnung ist bei der zu späten Erfüllung einer weiteren
Verhaltenspflicht analog § 284 II BGB überflüssig. Für den Schuldner ist bei
diesen Verhaltenspflichten aus den Umständen unter Anwendung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt ohne weiteres erkennbar, daß zu einem konkreten Termin die
Leistungszeit eingetreten ist. Diese Pflichten dienen dazu, die Rechtsgüter des
Gläubigers vor Schäden zu bewahren. Sobald eine objektive unmittelbare Gefährdung des
Gläubigers vorhanden ist, hat sich der Leistungszeitpunkt verdichtet und der Eintritt
dieses Zeitpunktes ist für den Schuldner aufgrund der sonst zu erwartenden Nachteile für
den Gläubiger ohne weiteres ersichtlich. Im Zweifel wird ein unmittelbar bevorstehender
Schadenseintritt an den Rechtsgütern des Gläubigers mit der Erfüllung der Hauptleistung
einhergehen, so daß der Eintritt der Leistungszeit in den meisten Fällen für die
weiteren Verhaltenspflichten mit dem Zeitpunkt der Erfüllungshandlung
korrespondiert. Rechtsprechung und Literatur fällt es schwer, sich bei diesen
Fallgruppen zu einem Verzugseintritt ohne Mahnung zu bekennen. Durch nicht verständliche
Begründungen, wie stillschweigender Verzicht auf das Erfordernis der Mahnung, die
Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben oder anderer Rechtsinstitute wie die pFv,
wird die grundsätzliche Möglichkeit des Verzugseintritts ohne Mahnung
verschleiert. Die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmetatbestände lassen
sich mit der Argumentation, daß die Aufgaben der Mahnung erfüllt seien, lösen. Ein
Rückgriff auf die Fiktion des stillschweigenden Verzichts wird damit überflüssig. In
allen Fällen, in denen ein Verzugseintritt ohne Mahnung in diesen eben erwähnten
Fallgruppen von der Rechtsprechung bejaht wurde, konnte der Leistungszeitpunkt auf einen
bestimmten Termin festgelegt werden und dem Schuldner war dieser Einritt aufgrund der
besonderen Umstände ohne Zweifel bekannt bzw. hätte bei Anwendung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt bekannt sein müssen. Diese Argumentation wird in der
Rechtsprechung und Literatur nicht herangezogen. Dies stellt einen entscheidenden Mangel
der bisherigen Rechtsanwendung dar, da die Rechtslehre aus diesem Grunde jede weitere
Ausdehnung der Fallgruppen nur mit dem Grundsatz von Treu und Glauben oder dem
stillschweigenden Mahnungsverzicht begründen konnte. Die Mängel der bisherigen Rechtsanwendung hat die
Schuldrechtskommission richtig erkannt und in ihren Gesetzesvorschlag aufgenommen.
Bedenklich ist, daß in der Begründung der Kommission eine Auseinandersetzung mit der
Interpretation der Mahnung nicht stattfindet. Der Zusammenhang zwischen Entbehrlichkeit
der Mahnung und der Erfüllung ihrer Aufgaben wird nicht erkannt. Diese fehlende
Auseinandersetzung schlägt sich in dem Gesetzesentwurf nieder. Der Entwurf leidet
darunter, daß in erster Linie nur die von der Rechtsprechung aufgestellten Fallgruppen
einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden sollen. Allgemeine Grundsätze, nach denen
sich die Entbehrlichkeit der Mahnung richten könnten, fehlen in dem
Kommissionsentwurf. Kritisch anzumerken ist, daß die Schuldrechtskommission den
Verzugseintritt ohne Mahnung für gerechtfertigt hält, wenn aus besonderen Gründen unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzuges erforderlich
sei. Es besteht durch die Abwägung der gegenseitigen Interessen die Gefahr, daß
überwiegend Billigkeitserwägungen im Vordergrund stehen und der Blick für den
eigentlichen Grund der Entbehrlichkeit der Mahnung nämlich die schon
erfüllten Aufgaben der Mahnung- verloren geht. Problematisch ist auch, daß der Kommissionsentwurf jede Art
von Ereignissen für die Berechenbarkeit der Leistungszeit als ausreichend erachtet. Es
würde eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung des Schuldners darstellen, wenn die
Mahnung nach § 284 II BGB-KE bei Ereignissen entbehrlich wäre, deren Eintritt
der Schuldner normalerweise nicht zur Kenntnis nehmen kann. Es müßte daher zur Wahrung
der schutzwürdigen Interessen des Schuldners eine einschränkende Auslegung vorgenommen
werden. Es wird auch verkannt, daß sich die aufgeführten Mängel mit dem
geltenden Recht zufriedenstellend lösen lassen und der Erweiterung des Tatbestandes in
§ 284 II BGB-KE nur klarstellende Funktion zukommt. Die Vertragsparteien haben die Möglichkeit, auf die Mahnung
individualvertraglich zu verzichten. Ein Ausschluß der Mahnung durch Allgemeine
Geschäftbedingung ist dagegen weder zwischen Verbrauchern noch im kaufmännischen Verkehr
zulässig, da hierdurch de facto in die Beweislastverteilung eingegriffen wird. Verzug bei Geldforderungen und bei Unterhaltsverpflichtungen sind
gesondert zu betrachten. Die Regelung bzgl. der Geldforderungen kann insgesamt als
verfehlt angesehen werden. Ein sachgerechtes Ergebnis läßt sich nur erreichen, wenn der
Anwendungsbereiches des § 284 III BGB auf Verträge beschränkt wird, bei denen
eine Rechnungsstellung gesetzlich oder vertraglich vorgesehen ist oder jedenfalls üblich
ist. Außerdem ist zu beachten, daß bei einer Rechnungserteilung vor Fälligkeit eine
zusätzliche Leistungsaufforderung erforderlich sein kann, da sonst die
Beweislastverteilung gem. § 285 BGB unter Umständen nicht gerechtfertigt ist. Bei
Unterhaltspflichten ist der Leistungstermin aufgrund der gesetzlichen Regelung des
§ 1612 III BGB kalendermäßig bestimmt, so daß eine Mahnung überflüssig
ist. Das informative Schreiben, das i. d. R. zur Konkretisierung der
Forderung erforderlich ist, darf daher nicht an die Voraussetzungen einer Mahnung gebunden
werden. Den Entscheidungen der Rechtsprechung hinsichtlich des Verzuges bei
Unterhaltsschulden kann aus diesem Grunde nicht zugestimmt werden. Der Unterhaltschuldner
kommt i d. R. ohne Mahnung in Verzug, so daß der Mahnung nicht die Aufgabe
zukommen kann, den Gesetzesweck des § 1613 BGB zu verwirklichen. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß in der Rechtslehre die Bedeutung
dieser Mahnung nicht erkannt wird. Es fehlt eine ausführliche Auseinandersetzung mit der
Funktion der Mahnung. In der Rechtswissenschaft wird nicht gesehen, daß die
Interpretation der Mahnung sowohl für die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale als
auch für die Abgrenzung des Verzuges von den anderen Leistungsstörungsinstituten
wesentlich ist. Diese fehlende Dogmatik der Rechtswissenschaft wird in allen Bereichen des
Verzuges deutlich und tritt vor allem bei der Entbehrlichkeit der Mahnung zu
Tage. In der Rechtslehre wird übersehen, daß die Leistungsaufforderung grundsätzlich
überflüssig ist, wenn ihre Aufgaben erfüllt sind. Stellt man dagegen auf die
Interpretation der Mahnung ab, so können die Fallgruppen der Entbehrlichkeit der
Mahnung systematisch erfaßt werden und darüber hinaus ist es möglich, eine
allgemeine Grundregel aufzustellen, in welchen Fällen, die Mahnung außerhalb der
gesetzlich geregelten Fälle überflüssig ist. Die Mahnung ist grundsätzlich analog
§ 284 II BGB überflüssig, wenn -ebenso wie bei der kalendermäßig bestimmten
Leistungszeit- die Funktion der Leistungsaufforderung erreicht ist. Unabhängig von der Funktion der Mahnung ist das Problem Einrede
und Schuldnerverzug zu lösen. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist das
Verhältnis Einrede und Verzug einer einheitlichen Regelung zugänglich.
Allerdings ist vorab zu klären, ob die betreffenden Vorschriften tatsächlich Einreden
i. S. d. BGB sind. Einreden i. S. d. Bürgerlichen Rechts sind durch die
bloße Hemmung des Anspruchs und das Erfordernis der Geltendmachung gekennzeichnet. Sollte
bei einer Norm entgegen dem Wortlaut vom dem Erfordernis der Ausübung des Rechts
abgesehen werden, so kann die Regelung nicht als Einrede bezeichnet werden. Grundsätzlich schließt eine einredebehaftete Forderung den
Schuldnerverzug nicht aus. Der Schuldner muß sich vielmehr auf sein Einrederecht
berufen. Diese Grundregel gilt auch für die Einreden, die in der Rechtslehre im allgemeinen gesondert behandelt werden. Allerdings kann der Schuldner bei Einreden, die nur prozessuale Wirkungen entfalten(vgl. die Einreden gem. §§ 2014, 2015, 320 BGB), aufgrund dieser nur sehr schwachen Wirkung trotz der Ausübung des Einrederechts den Eintritt des Schuldnerverzuges nicht verhindern. |