B. Voraussetzungen der Mahnung
Nach dem Wortlaut des Gesetzes tritt bei einer
Leistungsverzögerung Schuldnerverzug erst nach einer Mahnung des Gläubigers ein. Im
vorherigen Abschnitt wurde die zentrale Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals für den
Schuldnerverzug und die Funktion der Mahnung für den objektiven und subjektiven
Tatbestand des Verzuges herausgearbeitet. Der Eintritt des Schuldnerverzuges scheitert
häufig daran, daß eine Mahnung nicht vorhanden ist bzw. eine Handlung des Gläubigers
nicht als Mahnung eingeordnet werden kann. Aus diesem Grunde ist es von wesentlicher
Bedeutung, welche Tatbestandsmerkmale eine Mahnung erfüllen muß und unter welchen
Bedingungen eine Mahnung entbehrlich ist. Es existieren zu diesem Themenkomplex eine
Fülle von Gerichtsentscheidungen, die teilweise für die Mahnung und die
Entbehrlichkeit der Mahnung unterschiedliche Maßstäbe ansetzen. Ziel der
nachfolgenden Untersuchung ist es, mithilfe der vorgenommenen Deutung der Mahnung die
notwendigen Anforderungen dieser Leistungsaufforderung herauszuarbeiten und Grundsätze
für die Entbehrlichkeit der Mahnung aufzustellen. I. Tatbestandsmerkmale einer Mahnung
Die Mahnung wird als eine an den Schuldner gerichtete
Aufforderung des Gläubigers verstanden, die das Verlangen zum Ausdruck bringt, die
geschuldete Leistung nunmehr unverzüglich zu bewirken.[129]
Diese Definition ist nicht besonders aussagekräftig, so daß aus ihr die einzelnen
Anforderungen der Mahnung nicht entnommen werden können.[130]
Die Rechtsprechung verlangt daneben eine eindeutige und hinreichend bestimmte Erklärung.
Erforderlich sei ein bestimmtes und eindeutiges Leistungsverlangen, mit der der Gläubiger
unzweideutig zum Ausdruck bringe, daß er die geschuldete Leistung ernstlich verlange.
Eine Fristsetzung oder ein Hinweis auf die Rechtsfolgen der Mahnung sei nicht
erforderlich.[131] Problematisch ist, daß die neueren Gerichtsentscheidungen in
der überwiegenden Anzahl wie schon bei der Funktion der Mahnung ausgeführt wurde-
sich nicht mit der Deutung der Mahnung auseinandersetzen.[132]
Ohne den Inhalt der Mahnungsfunktion können aber in Zweifelsfällen keine begründbaren
Entscheidungen getroffen werden. Dies führt auch dazu, daß in der Rechtsprechung keine
einheitlichen Anforderungen an die Leistungsaufforderung gestellt werden. Beispielsweise
wurde ein telegraphisches Verlangen einmal als Mahnung eingestuft, während in einem
weiteren Fall trotz einer im Grunde synonym formulierten Aufforderung der
Mahnungscharakter abgelehnt wurde.[133] Des weiteren wird eine
Mahnung durch schlüssige Handlung für zulässig gehalten,[134] während vereinzelt sogar
die Androhung der Folgen in der Mahnung verlangt wird, welches bei einem konkludenten
Handeln nur schwer vorstellbar ist.[135] Diese Entscheidungen
verdeutlichen, daß die Deutung und Gewichtung der einzelnen Formulierungsbestandteile der
Mahnung allein im Ermessen des Richters liegt. Um diese Rechtsunsicherheit zu beseitigen
und Auslegungskriterien aufzustellen, ist die Funktion der Mahnung als entscheidender
Bezugspunkt hinzuziehen. Die Mahnung hat für den objektiven Tatbestand die Bedeutung,
das Leistungsermessen des Schuldners zu beenden und begründet auf der subjektiven Seite
die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Schuldners hinsichtlich des Eintritts der
Leistungszeit. Der Schuldner soll nicht mehr im Zweifel sein, zu welcher Zeit er leisten
muß, da sonst die Beweislastverteilung nicht gerechtfertigt wäre. Hieraus ergibt sich,
daß die Aufforderung bestimmt und eindeutig sein muß. Die Mahnung wird nur dann ihren
Aufgaben sowohl für den objektiven Tatbestand als auch für den subjektiven Tatbestand
des Verzuges gerecht, wenn aus der Aufforderung klar und deutlich zu entnehmen ist, zu
welchem Zeitpunkt die Leistungspflicht vorliegt. Eine nur unbestimmte oder vage Erklärung
kann den Schuldner nicht von den Zweifeln befreien. Er muß aus der Erklärung mit
Bestimmtheit entnehmen können, daß der Gläubiger nunmehr die Leistung erwarte und nicht
weitere Nachsicht üben werde. Sobald die
Erklärung nicht jeden Zweifel auf Seiten des Schuldners auszuschließen vermag, kann in ihr keine Mahnung gesehen werden.[136] Welche Erklärung als Mahnung einzustufen ist, hängt demnach
von den Umständen des jeweiligen Sachverhaltes ab. Der eben erwähnte Fall bzgl. des
telegraphischen Verlangens kann beispielsweise unzweifelhaft als Mahnung
eingestuft werden, da der Schuldner hinsichtlich der Leistungszeit eindeutig in Kenntnis
gesetzt wird. Aufgrund der besonderen praktischen Relevanz und des neu
eingefügten Absatzes III in § 284 BGB soll noch die Zusendung der
Rechnung angesprochen werden. Nach der bisherigen Rechtslage wurde angenommen, daß
eine einfache Übersendung einer Rechung nicht als Mahnung aufgefaßt werden könnte, da
nach der Verkehrsauffassung in dieser nur
eine Mitteilung des Schuldbetrages liege bzw. ihr die gebotene Dringlichkeit fehle, die
die Nichtleistung des Schuldners als Pflichtwidrigkeit erscheinen lasse.[137] Dem kann nicht zugestimmt werden. Mit der Zusendung einer
Rechnung wird zwar grundsätzlich auch der Schuldbetrag mitgeteilt, dennoch enthält eine
Rechnungszustellung i. d. R. eine bestimmte und eindeutige Aufforderung zur
Leistung. Es kommt nicht darauf an, daß der Schuldner seine Leistungsverzögerung als
Pflichtwidrigkeit ansieht; entscheidend ist nur, daß er hinsichtlich des Eintritts der
Leistungszeit Klarheit erlangt. Mit Erhalt der Rechung ist es für einen Schuldner
normalerweise erkennbar, daß der Gläubiger sofortige Leistung erwarte, so daß für den
Schuldner keine Zweifel mehr vorhanden sei dürften, daß er von diesem Zeitpunkt an
leisten müsse und der Gläubiger einen weiteren Aufschub nicht gewährt. Durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 1.
Mai 2000 wird ausdrücklich der Fall der Rechnungsstellung erfaßt. Dieses Gesetz sieht
u.a. vor, daß bei Geldforderungen nach Ablauf von 30 Tagen nach Rechnungsstellung oder
einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung Verzug eintritt (§ 284 III BGB).
Diese Gesetzesänderung bestätigt die hier vertretenen Auslegung, daß die Rechnung als
Mahnung aufzufassen ist.[138] Da es von jedem Einzelfall abhängt, ob eine Erklärung des
Gläubigers als Mahnung anzusehen ist, werden im folgenden nur noch die von der
Rechtsprechung und Literatur herausgebildeten wichtigsten Fallkonstellation untersucht. 1. Befristete und bedingte Mahnung
Nach allgemeiner Meinung ist eine befristete Mahnung zulässig.[139] Wird der Schuldner zur
Leistung innerhalb einer bestimmten Frist aufgefordert, so bleiben ihm keine Zweifel, zu
welchem Zeitpunkt er leisten muß. Umstritten ist es dagegen, ob die Leistungsaufforderung
mit einer Bedingung verbunden werden darf. Eine einheitliche Rechtsprechung existiert zu
dieser Frage nicht. Nach wohl herrschender Ansicht und teilweise auch in der
Rechtsprechung ist eine bedingte Mahnung wegen mangelnder
Bestimmtheit wirkungslos.[140] Die Gegenansicht läßt dagegen eine bedingte Mahnung mit
Einschränkungen zu. Eine Mahnung mit einer Potestativbedingung, deren Eintritt allein vom
Willen des Schuldners abhängig sei, sei zulässig, weil für den Schuldner keine
unzumutbare Unsicherheit entstehe.[141] In eine ähnliche Richtung
sind zwei Entscheidungen der Rechtsprechung einzuordnen. Der BGH hat die
verzugsbegründende Wirkung einer Mahnung, mit der ein hilfsweise geltend gemachter
Zahlungsanspruch angemahnt wurde, bejaht. Begründet hat der BGH diese Ansicht mit der
Tatsache, daß ein nur hilfsweise gestellter Klageantrag anerkanntermaßen den Verzug
herbeiführen könne.[142] Für die Mahnung dürfe
nichts anders gelten, nur weil sie vorprozessual erfolge.[143]
Der Gegenansicht ist zuzustimmen. Der Zweck der Mahnung ist
nicht gefährdet, wenn trotz der beigefügten Bedingung ein eindeutiges Leistungsverlangen
vorhanden ist. Solange der Schuldner den Leistungstermin mit hinreichender Sicherheit
bestimmen kann, ist eine bedingte Mahnung zulässig. Potestativbedingungen sind aus diesem
Grunde unbedenklich. Hinsichtlich des Eintritts der Leistungszeit entstehen durch diese
Bedingungen für den Schuldner keine unzumutbaren Unsicherheiten. 2. Umfang der geschuldeten Leistung
In der Rechtsprechung und teilweise in der Literatur wird bei
Geldforderungen verlangt, daß die Mahnung grundsätzlich auch den Umfang der geforderten
Leistung angeben müsse bzw. dieser aus dem Inhalt der Mahnung für den Schuldner
erkennbar sein müsse.[144] Vor allem bei der Anmahnung
von Unterhaltsschulden entstand eine umfangreiche Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex,
bei dem teilweise die Instanzgerichte im Gegensatz zum BGH hinsichtlich der Angaben über
den Umfang der Leistung weitere Erleichterungen zuließen.[145] Die eindeutige und bestimmte Leistungsaufforderung hat aber nur
Bedeutung für die Leistungszeit. Die Mahnung soll dem Schuldner Klarheit verschaffen, zu
welcher Zeit er leisten muß. Die Mahnung hat nicht die Aufgabe, den Schuldner über die
Höhe und das Bestehen der Verbindlichkeit zu informieren oder den Leistungsinhalt zu
bestimmen. Nur in bezug auf die Leistungszeit war ohne Mahnung die Beweislastverteilung
nicht gerechtfertigt. Bei dem Vorhandensein mehrerer Forderungen können allerdings
detaillierte Leistungsangaben erforderlich sein, da aus der Leistungsaufforderung
hervorgehen muß, für welche Forderung der Gläubiger den Schuldner über den Eintritt
der Leistungszeit in Kenntnis setzen möchte.[146]
In den übrigen Fällen können die Angaben über den Umfang der Forderung nicht
notwendiger Bestandteil der Mahnung sein. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß
Schuldnerverzug nicht eintreten kann, wenn die Forderung noch nicht hinreichend
konkretisiert ist.[147] Es kann ein
informatives Schreiben erforderlich sein, um die Forderung bzgl. Umfang und
Höhe zu konkretisieren. Dieses Schreiben darf aber nicht als Mahnung eingeordnet werden
und ist damit auch nicht an die Anforderungen des § 284 I BGB gebunden,
insbesondere kann die Konkretisierung der Forderung auch schon vor Fälligkeit erfolgen.[148] II. Wirksamkeit der Mahnung
Die Mahnung ist eine geschäftsähnliche Handlung, auf die die
Vorschriften über Rechtsgeschäft und Willenserklärungen insoweit entsprechend
anzuwenden sind, soweit die ratio legis zutrifft.[149]
Die Wirksamkeit der Mahnung ist aus diesem Grunde nach den allgemeinen Regeln des
Bürgerlichen Gesetzbuches zu beurteilen, die für Rechtsgeschäft und Willenserklärungen
zu beachten sind. Neben diesen gesetzlich festgelegten Wirksamkeitsvoraussetzungen
sind in der Rechtsprechung und Literatur bestimmte Fallkonstellationen anerkannt, bei
denen die Wirksamkeit der Mahnung in Frage gestellt wird. 1. Abweichendes Leistungsverlangen
a) Zuviel- und
Zuwenigforderung
aa) Darstellung der Ansichten in
Rechtsprechung und Rechtslehre
Die Problemfälle der Zuwenig- und Zuvielforderung
sind in der Rechtsprechung und Literatur ausgiebig behandelt worden.[150] Dabei ist nahezu
unumstritten, daß die Anmahnung nur eines Teils der geschuldeten Leistung
(Zuwenigforderung) wirksam ist. Verzug trete aber nur in Höhe des angemahnten Betrages
ein.[151] Bei der Zuvielforderung ist die Lage etwas
komplizierter. Eine Zuvielforderung liegt vor, wenn der Gläubiger mehr
verlangt, als ihm eigentlich zusteht. In der Rechtsprechung der Reichsgerichte wurde
zunächst die Wirksamkeit der Mahnung bejaht, wenn der Schuldner auch die Aufforderung zur
richtigen Leistung mißachtet hätte.[152] Umgekehrt sollte eine
Mahnung, durch die mehr als der geschuldete Betrag gefordert wurde, dann als unwirksam zu
betrachten sein, wenn anzunehmen sei, daß der Gläubiger den geringeren Betrag nicht
angenommen hätte.[153] Die heutige Rechtsprechung entscheidet unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben und hält die
Mahnung für wirksam, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubiger als Aufforderung
zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen müsse und der Gläubiger
zur Annahme der gegenüber seiner Vorstellung geringeren Leistung bereit sei.[154] In der Rechtslehre werden
dagegen die hypothetischen Überlegungen zum Gläubiger- und Schuldnerverhalten als zu
unsichere Kriterien abgelehnt und nur darauf abgestellt, ob für den Schuldner nach Treu
und Glauben und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände klar sei, welche Leistung
von ihm verlangt werde.[155] bb) Stellungnahme
Bei der Beurteilung, ob eine Mahnung mit einem abweichenden
Leistungsverlangen wirksam ist, können, wie die Ansichten der Rechtswissenschaft
verdeutlichen, mehrere Faktoren mitspielen. Es stellt sich vor allem die Frage, ob neben
der geforderten Erkennbarkeit der tatsächlich geschuldeten Leistung für den
Schuldner das hypothetische Schuldner- und Gläubigerverhalten eine Rolle spielt. (1) Erkennbarkeit der tatsächlich
geschuldeten Leistung Für die Wirksamkeit der Mahnung ist einmal entscheidend, daß
der Schuldner nach Treu und Glauben und den Umständen des Falles erkennen kann, welche
Leistung von ihm verlangt wird. Zur Mahnung gehört eine bestimmte und eindeutige
Leistungsaufforderung. Die Mahnung soll dem Schuldner Klarheit verschaffen, zu welchem
Zeitpunkt die Leistungszeit eingetreten ist. Entscheidend ist daher, ob nach der
objektiven Verkehrsanschauung anzunehmen ist, ob der Schuldner erkennen konnte, welche
Leistung von ihm verlangt wird. In diesem Punkt kann
man sich der heutigen Rechtsprechung und Lehre anschließen. Es muß aber festgehalten
werden, daß für die Beurteilung, ob die Verbindlichkeit für den Schuldner erkennbar
ist, ein strenger Maßstab anzulegen ist. Unklarheiten müssen zu Lasten des Gläubigers
gehen, da die Mahnung gerade die Beseitigung von Zweifeln bezweckt. Geringfügige
Abweichungen oder eine versehentliche Falschbezeichnung werden daher i. d. R.
nicht zur Unwirksamkeit der Mahnung führen.[156]
Es sind keine Gründe ersichtlich, diese Wirksamkeitsanforderung
nur bei der Anmahnung einer Zuvielforderung anzuwenden. Wird nur ein Teil der
Schuld angemahnt, so ist die Mahnung für die gesamte Verbindlichkeit verzugsbegründend,
wenn der Schuldner aus den Umständen entnehmen kann, welche Forderung von ihm verlangt
wird. Die strikte Ablehnung des Verzugseintritts hinsichtlich der nicht genannten
Forderung ist nicht nachvollziehbar. Es scheint vielmehr noch ein Relikt aus der
historischen Mahnungsfunktion zu sein, nach der eine Leistungspflicht erst mit
Aufforderung des Gläubigers entsteht, so daß Verzug nur in Höhe der
Leistungsaufforderung eintreten kann. Bei der Zuwenigforderung muß aber das
Vertrauen des Schuldners bzgl. der Richtigkeit der Angaben in der Mahnung berücksichtigt
werden. In der Regel werden daher versehentliche Falschbezeichnungen, die offensichtlich
sind, oder nur geringfügige Abweichungen von der tatsächlich geschuldeten Leistung keine
Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Mahnung haben. Die kategorische Ablehnung des
Verzugseintritts bei einer Zuwenigforderung hinsichtlich des nicht angemahnten
Betrages ohne Beurteilung der Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung von
Treu und Glauben würde gerade in den
Fällen der offensichtlichen Falschbezeichung zu unbilligen Ergebnissen führen.
Konsequenterweise muß die Anwendung dieses Kriteriums bei Zuwenigforderungen
umgekehrt dazu führen, daß die gesamte Leistungsaufforderung unwirksam ist, wenn es für
den Schuldner aufgrund des abweichenden Leistungsverlangens nicht erkennbar ist, welche
Leistung von ihm verlangt wird. Die Auffassung der Rechtsprechung und Literatur bzgl. der
Zuwenigforderung ist daher nicht nachzuvollziehen. (2) Hypothetisches Schuldner- und
Gläubigerverhalten Fraglich ist, ob das hypothetische Schuldner- und
Gläubigerverhalten, daß in der Rechtsprechung zusätzlich herangezogen wurde und
hinsichtlich des Gläubigerverhaltens immer noch hinzugezogen wird, ebenfalls für die
Beurteilung der Wirksamkeit eines abweichenden Leistungsverlangens eine Rolle spielt. Die Wirksamkeit der Mahnung kann nicht von der Einschätzung
abhängig sein, in welcher Weise sich der Schuldner bei einer ordnungsgemäßen
Leistungsangabe verhalten hätte. Die Konsequenz der älteren Rechtsprechung, die das
hypothetische Schuldnerverhalten mit einbezogen hatte, wäre, daß der Gläubiger auch
sonst den Schuldner ohne Leistungsaufforderung in Verzug setzen könnte, indem er darlegt
und nachweist, daß der Schuldner auch bei einer Mahnung seine Leistungshandlung nicht
vorgenommen hätte. Dies kann nicht richtig sein. Die Mahnung ist nach der ihr
zugewiesenen Funktion nur dann entbehrlich, wenn entweder der Gläubiger nachweist, daß
der Schuldner von dem Eintritt der Leistungszeit Kenntnis hatte oder anhand objektiver
Umständen feststeht, daß dem Schuldner der Eintritt der Leistungszeit bekannt ist. Das
hypothetische Verhalten des Schuldners hängt aus diesem Grunde nicht mit der Wirksamkeit
der Mahnung zusammen. Im Gegensatz zu diesem Schuldnerverhalten sind die Überlegungen
zum hypothetische Gläubigerverhalten in die Wirksamkeitsentscheidung mit einzubeziehen.
Dieses ergibt sich aus folgenden Gründen: Durch die Mahnung wird die
Leistungsverzögerung eindeutig dem Gefahrenbereich des Schuldners zugeordnet, indem dem
Schuldner verdeutlicht wird, daß der Gläubiger zur Annahme der Leistung bereit ist und
keine weitere Nachsicht üben wird, so daß der Schuldner zu diesem festgelegten Termin
leisten muß. Durch die Mahnung bringt der Gläubiger seine Annahmebereitschaft und
-möglichkeit zum Ausdruck, so daß der Schuldner analog § 297 BGB die fehlende
Annahmebereitschaft darlegen und beweisen muß. Bei einer ordnungsgemäßen
Leistungsaufforderung wird daher die Annahmebereitschaft des Gläubigers vermutet. Bei
einem abweichenden Leistungsverlangen kann diese Vermutung der Mahnung nicht entnommen
werden. Der Schuldner kann sich aufgrund der widersprüchlichen Angaben nicht sicher sein,
ob der Gläubiger die tatsächlich geschuldete Leistung annehmen wird. Die Vermutung der
Annahmebereitschaft ist daher bei einem abweichenden Leitungsverlangen in der Mahnung
nicht enthalten, so daß die Annahmebereitschaft durch die Überlegungen zum
hypothetischen Gläubigerverhalten festgestellt werden muß. Das hypothetische
Gläubigerverhalten ist aus diesem Grunde bei einem abweichenden Leistungsverlangen für
die Beurteilung der Wirksamkeit mit zu berücksichtigen. Ergibt sich aus den Umständen,
daß der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistungen
nicht bereit ist, so ist die Mahnung insgesamt unwirksam.
Die Wirksamkeit einer Mahnung bei einer Zuviel- und
Zuwenigforderung hängt demnach davon ab, ob der Schuldner nach Treu und Glauben und
den Umständen des Falles die Erklärung als Aufforderung zur richtigen Leistung verstehen
konnte und ob der Gläubiger zur Annahme der tatsächlich geschuldeten Leistung bereit
ist. Das hypothetische Schuldnerverhalten ist dagegen nicht zu berücksichtigen. b) Abweichung von der Leistung im
übrigen
Weicht die vom Gläubiger geforderte Leistung im übrigen von
der geschuldeten Leistung ab, so müssen die oben dargestellten Grundsätze entsprechend
gelten. Verlangt der Gläubiger einen ganz anderen Leistungsgegenstand, so muß diese
Mahnung prinzipiell wirkungslos sein, weil sie für den Schuldner keine eindeutige
Leistungsaufforderung enthält. Die Mahnung kann lediglich die Verzugsfolgen auslösen,
wenn für den Schuldner erkennbar der Leistungsgegenstand angemahnt wird.[157] Deshalb wird üblicherweise
die Unwirksamkeit der Mahnung anzunehmen sein, wenn der Gläubiger zwar den richtigen
Leistungsgegenstand verlangt, aber unter anderen als den vereinbarten Bedingungen.[158] 2. Zeit und Ort der Mahnung
Der Gläubiger kann grundsätzlich an jedem beliebigen Ort
mahnen, er kann aber nur verlangen, daß die Leistung am Erfüllungsort erfolgt.[159] Nach dem Wortlaut des § 284 I BGB kann der Gläubiger
den Schuldner erst nach Eintritt der Fälligkeit mahnen. Nach ständiger Rechtsprechung
und überwiegender Ansicht in der einschlägigen Literatur kann die Mahnung mit dem die
Fälligkeit auslösenden Ereignis verbunden werden.[160]
Nur Larenz vertritt eine gegenteilige Auffassung
und beruft sich auf die Warnfunktion der Mahnung. Wenn die Mahnung dem Schuldner noch eine
letzte Warnung zukommen lasse, so könne sie nicht mit der fälligkeitsbegründenden
Handlung verbunden werden.[161] Das Ergebnis von Larenz ist konsequent. Würde die Mahnung
tatsächlich diesen Schutz für den Schuldner bezwecken und die Aufgabe enthalten, den
Schuldner an die Pflichtwidrigkeit seiner Handlung zu erinnern, so wäre es in der Tat
widersprüchlich, die Leistungsaufforderung mit der fälligkeitsbegründenden Handlung zu
verbinden, da der Schuldner erst nach Fälligkeit an seine Pflichtwidrigkeit erinnert
werden kann. Die Auffassung der Rechtsprechung und der überwiegenden Rechtslehre, die
ebenfalls von dieser Warnfunktion ausgehen, ist daher nicht nachvollziehbar. Nach der hier
vertretenen Auffassung enthält die Mahnung keine Warnung, sondern bezweckt die
Festsetzung der Leistungszeit (für den objektiven Tatbestand des Verzuges) und die
Inkenntnissetzung des Schuldners hinsichtlich des Eintritts der Leistungszeit (für den
subjektiven Tatbestand des Verzuges). Dieser Zweck der Mahnung kann erreicht werden, wenn
die Aufforderung mit der fälligkeitsauslösenden Handlung verbunden wird. Wird die Mahnung dagegen vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit
ausgesprochen, so kann sie keine Wirkung entfalten und kann auch nach Fälligkeitseintritt
keine Wirksamkeit erlangen. Vor Eintritt der Leistungszeit kann diese nämlich nicht
festgelegt oder dem Schuldner bekannt gegeben werden.[162] Eine Leistungsaufforderung vor Fälligkeit kann zwar
grundsätzlich nicht als Mahnung eingestuft werden, trotzdem kann in diesen Fällen eine
weitere Aufforderung i. S. d. § 284 I BGB entbehrlich sein. Der
Schuldner wird nämlich in dieser Situation den Eintritt des Leistungszeitpunktes
i. d. R. ohne Zweifel erkennen können, da der Gläubiger durch diese
Aufforderung kenntlich gemacht hat, daß er zur Annahme der Leistung bereit ist. Es kann
sich daher aus den objektiven Umständen ergeben, daß dem Schuldner der Eintritt der
Leistungszeit bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bekannt sein müßte.
Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Bei einer Aufforderung, die
beispielsweise zwei Jahre vor dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt ist, wird eine Mahnung
sicherlich nicht überflüssig sein. Diese Auslegung vermeidet auch die unbilligen Ergebnisse der
Rechtsprechung und Literatur. Kann der Gläubiger nämlich nur unter großen
Schwierigkeiten den Fälligkeitszeitpunkt ermitteln, so wäre er gezwungen, bis zur
Klageerhebung dauernd zu mahnen, wenn die Leistungsaufforderung vor Fälligkeit
wirkungslos wäre, um sicherzugehen, daß der Schuldner in Verzug gesetzt wird. Diese
Problematik wird vor allem bei einer Leistungsverzögerung des Werkunternehmers deutlich.
Wird das Werk nicht rechtzeitig hergestellt, so sind gem. § 636 I S. 2 BGB
die allgemeinen Regeln des Verzuges anwendbar, d. h. grundsätzlich kann der Unternehmer
nur durch Mahnung in Verzug gesetzt werden. Der Besteller wird aber i. d. R.
nicht in der Lage sein, den Fälligkeitstermin genau zu bestimmen, da bei der Erstellung
des Werkes eine angemessene Herstellungszeit zu berücksichtigen ist, die sich danach
bemißt, welche Zeit üblicherweise für die Bearbeitung des Werkes benötigt wird.[163] Dem Besteller wird häufig
die für die Ermittlung dieser Bearbeitungszeit erforderliche Fachkompetenz fehlen. Selbst
bei kleineren Aufträgen, wie z. B. Reparatur einer Stereoanlage, wird der Besteller
kaum in der Lage sein, die Herstellungszeit abzuschätzen.[164] Mahnt der Besteller nun
den Unternehmer vor Fälligkeit der Leistung, so wird der Unternehmer i. d. R.
den Eintritt des Leistungstermins ohne Zweifel feststellen können, da die weiteren
Umstände vor allen die angemessene Herstellungszeit- sich ausschließlich in seiner
Sphäre abspielen. Verzug tritt dann ohne Mahnung mit Ablauf der vom Gericht zu
bemessenden angemessenen Herstellungsfrist ein.[165]
3. Mehrere Beteiligte
Besonderheiten hinsichtlich der Wirksamkeit und Wirkung der
Mahnung können sich bei der Beteiligung mehrerer Gläubiger und Schuldner ergeben. a) Mehrheiten von Gläubigern
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Teil- Gesamt- und
Mitgläubigerschaft (§§ 420, 428, 432 BGB). Welche Voraussetzungen für eine
wirksame Mahnung bei einer Mehrheit von Gläubigern vorhanden sein müssen und welche
Wirkung eine Mahnung eines Gläubigers für die übrigen Beteiligten hat, ist abhängig
von der Art der Gläubigermehrheit und von den zwischen den Gläubigern vorhandenen
Rechtsverhältnissen. Ist ein Gläubiger autorisiert, für alle Gläubiger zu mahnen, so
kann der Gläubiger aufgrund seiner Legitimation für alle Parteien die
Leistungsaufforderung vornehmen.[166] Fehlt eine solche
Autorisierung, ist die gesetzliche Ausgestaltung der Gläubigermehrheit entscheidend. Die
Prüfung hat dabei in zwei Stufen zu erfolgen. Zuerst ist zu klären, ob der Gläubiger
allein oder nur gemeinsam mit den übrigen Gläubigern die Mahnung aussprechen kann.
Anschließend ist zu erörtern, ob die Mahnung Einzel- oder Gesamtwirkung hat. Für die erste Stufe ist entscheidend, ob dem Gläubiger ein
selbständiges Forderungsrecht zusteht oder die Forderung als ein der Gemeinschaft
zugehöriges Recht angesehen wird, daß nur von allen gemeinsam ausgeübt werden kann. Die
Mahnung stellt eine Leistungsaufforderung dar. Ohne ein eigenständiges Forderungsrecht
ist eine wirksame Mahnung des Gläubigers ohne Mitwirkung der übrigen nicht denkbar.[167] Das Forderungsrecht
entscheidet aber nur über die erste Stufe hinsichtlich der Ausübung der Mahnung. Nicht
geklärt ist damit die Wirkung dieses dem Forderungsrecht korrespondierenden
Mahnungsrechts. In Betracht kommt eine Einzel- oder Gesamtwirkung. Wirkt die Mahnung auch
für die übrigen Gläubiger, kann von einer Gesamtwirkung gesprochen werden. Die Gesamt-
bzw. Einzelwirkung kann teilweise eindeutig aus den gesetzlichen Vorschriften entnommen
werden. Fehlen gesetzliche Regelungen hängt die Wirkung der Mahnung von der Rechtsform
der Gläubigermehrheit ab. Dabei kommt es wesentlich darauf an, ob das dem einzelnen
Gläubiger zustehende Forderungsrecht als dessen eigener materieller Anspruch oder als
Geltendmachungsrecht für die Gemeinschaft anzusehen ist.[168] Für eine Einzelwirkung
spricht, wenn der Gläubiger einen eigenen materiellen Anspruch einfordert. Dagegen ist
eine Gesamtwirkung anzunehmen, wenn der Gläubiger aufgrund eines eigenständigen
Forderungsrechts berechtigt ist, ein Recht für die Gemeinschaft bzw. für alle übrigen
Gläubiger geltend zu machen. Die nachfolgende Untersuchung ist daher in zwei Stufen
vorzunehmen. Zuerst ist die Frage zu klären, ob der Gläubiger aufgrund eines
selbständigen Forderungsrechts ohne Mitwirkung der übrigen Gläubiger zur
Leistungsaufforderung berechtigt ist; wenn ein selbständiges Mahnungsrecht bejaht werden
kann, schließt sich das Problem der Gesamt- oder Einzelwirkung an. aa) Gesamthandsforderungen
Gesamthandsforderungen sind wegen ihrer umstrittenen Einordnung
in die Rechtsformen der Gläubigermehrheiten gesondert zu behandeln. Eine
Gesamthandsforderung liegt vor, wenn die Forderung zu einem Sondervermögen gehört, daß
den Gläubigern zur gesamten Hand zusteht. Rechtsgemeinschaften zur gesamten
Hand sind die Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, die OHG und KG, die eheliche
Gütergemeinschaft und die Erbengemeinschaft. Aus dem Begriff der Gesamthand folgt, daß
allen Gläubigern das Recht gemeinsam zusteht und daß die Geltendmachung des Rechts und
andere Verfügungen einschließlich der Annahme der Leistung nur durch alle Gläubiger
gemeinsam möglich sind, sofern nicht einem einzelnen Gesamthänder ein besonderes
Verwaltungsrecht zusteht.[169] Von selbständigen
Forderungsrechten jedes einzelnen Gläubigers kann aus diesem Grunde bei
Gesamthandsforderungen nicht gesprochen werden, vielmehr ist die Forderung als Bestandteil
des Sondervermögens anzusehen, das gesamthänderisch gebunden ist. Daraus ergibt sich
für die Mahnung, daß nur alle Gesamthandsgläubiger gemeinsam den Schuldner zu einer
Leistung an alle auffordern können. Das Problem der Einzel- und Gesamtwirkung stellt sich
bei Gesamthandsforderungen aus diesem Grunde nicht. Bei der Erbengemeinschaft findet dieser Grundsatz allerdings
aufgrund einer abweichenden Sondervorschrift keine Anwendung. Nach § 2039 BGB kann
jeder Miterbe die Leistung an alle Erben fordern. Korrespondierend mit diesem
Forderungsrecht kann jeder Miterbe den Schuldner mahnen, indem er zur Leistung an alle
auffordert. Da der Miterbe keinen eigenen materiellen Anspruch geltend macht, sondern ein
Recht der Gesamthänder, tritt Verzug gegenüber allen Gläubigern ein.[170] Die Mahnung eines Miterben
hat demnach Gesamtwirkung. bb) Teilgläubigerschaft
Nach § 420 BGB liegt Teilgläubigerschaft bei Teilbarkeit
der zu fordernden Leistung vor. Dabei steht jedem Gläubiger nur ein Teil der Forderung
zu. Im Zweifel wird die Gleichheit der Anteile vermutet. Die Einwirkungsmöglichkeiten
eines Gläubiger auf das Schuldverhältnis kann bei Teilgläubigerschaften unproblematisch
geklärt werden. Die einzelnen Forderungsteile sind selbständige Forderungen, die nur
durch einzelne Vorschriften miteinander verbunden sind (§§ 320 I 2, 356, 474
BGB). Aufgrund dieser Eigenständigkeit beschränkt sich die Einwirkungsmöglichkeit jedes
Gläubigers auf seinen eigenen Forderungsteil. Jeder Teilgläubiger kann daher wirksam den
Schuldner bzgl. seines Anteils in Verzug setzen. Verzug tritt aber auch nur gegenüber dem
mahnenden Gläubiger ein und nützt den anderen Teilgläubigern nichts.[171] cc) Gesamtgläubigerschaft
Die Gesamtgläubigerschaft kann gewissermaßen als Gegenstück
zur Teilgläubigerschaft gesehen werden. Nach § 428 BGB kann jeder Gläubiger die
ganze Leistung verlangen. Der Schuldner ist dabei berechtigt, an jeden der Gläubiger, die
ganze Leistung zu erbringen Der Schuldner ist nur verpflichtet, einmal zu leisten. Jeder
Gläubiger ist aufgrund seines Einziehungsrechts berechtigt, den Schuldner hinsichtlich
der gesamten Leistung zur Erfüllung aufzufordern.[172]
Ob bei dieser Mahnung eine Einzel- oder Gesamtwirkung anzunehmen ist, ergibt sich aus
§ 429 BGB. Diese Vorschrift regelt, welche Wirkungen den einzelnen Tatsachen
zukommt. Gesamtwirkung haben nach dieser Norm Gläubigerverzug, Konfusion und Erfüllung
(§§ 429 III, 422 I BGB). Für alle übrigen Tatsachen gilt gem.
§ 429 III BGB der Grundsatz der
Einzelwirkung. Es bestehen keine Zweifel, daß die Mahnung unter § 429 II BGB
fällt. Die nur durch einen Gesamtgläubiger ausgesprochene Mahnung kann daher den
Schuldner nur gegenüber dem Mahnenden und nicht gegenüber den übrigen Gesamtgläubigern
in Verzug setzen.[173] Diese Einzelwirkung
läßt sich- wie bei der Teilgläubigerschaft- durch die Eigenständigkeit der Forderungen
jedes Gesamtgläubigers begründen. Bei einer Gesamtgläubigerschaft ist von jeweils
selbständigen Forderungen für die einzelnen Gläubiger auszugehen, deren rechtliche
Entwicklungen gem. § 429 III BGB unterschiedlich verlaufen können.[174] dd) Mitgläubigerschaft
Die Rechtsform der Mitgläubigerschaft ist im BGB in § 432
geregelt. Danach kann jeder Mitgläubiger die ganze Leistung fordern, aber nur an alle
gemeinsam.[175] Die Mitgläubigerschaft
vereinigt damit Merkmale der Teil- und Gesamtgläubigerschaft, aber auch der
Gesamthandsforderung. Es sind wie bei Teilforderungen verschiedene Forderungen vorhanden,
wie bei der Gesamtgläubigerschaft kann jeder Gläubiger die ganze Leistung verlangen und
wie bei der Forderung zu gesamten Hand kann Leistung nur an alle gefordert und bewirkt
werden.[176] Aufgrund dieser Ausprägung
der Mitgläubigerschaft in drei verschiedene Richtungen ist die Wirkung der Mahnung
problematisch. Gem. § 432 I BGB ist jeder Gläubiger berechtigt, Leistung an
alle zu fordern, so daß aufgrund dieses Forderungsrechts unstrittig jeder Gläubiger den
Schuldner zur Leistung an alle gemeinsam auffordern kann. Fraglich ist nur, ob die Mahnung
auch gegenüber den übrigen Gläubigern Wirkung entfaltet, so daß Verzug auch gegenüber
diesen und nicht nur gegenüber dem Mahnenden eintritt. Selb sieht § 432
BGB als besondere Geschäftsführungsregel an.[177]
Aufgrund dieser speziellen Geschäftsführungsregel sei der Mitgläubiger berechtigt, für
die Gläubigergemeinschaft zu mahnen, so daß konsequenterweise die Mahnung auch für die
Gemeinschaft wirke. Nach der überwiegenden Auffassung wird die Mahnung als eine
Tatsache i. S. d. § 432 II BGB angesehen, so daß der
Verzug des Schuldners nur gegenüber dem mahnenden Gläubiger begründet werde
(Einzelwirkung).[178]
Ob die Mahnung eines Mitgläubigers Gesamt- oder Einzelwirkung
hat, ist im Gegensatz zu den übrigen Gläubigermehrheiten nicht eindeutig aus den
gesetzlichen Vorschriften und der Ausgestaltung dieser Gläubigermehrheit zu entnehmen.
Man könnte aufgrund der Vorschrift des § 432 II BGB von einer Einzelwirkung
ausgehen. Dabei ist aber der Umstand zu berücksichtigen, daß der Gläubiger nur zur
Leistungsaufforderung an alle Gläubiger berechtigt ist. Dem Schuldner wird durch die
Mahnung deutlich gemacht, daß alle Gläubiger die Leistung erwarten und daß die
Leistungszeit eingetreten ist. Dieser Umstand würde für eine Gesamtwirkung sprechen.[179] Problematisch ist, daß
nach den gesetzlichen Regelungen sowohl die Gemeinschaft der Gläubiger (der Gläubiger
kann nach § 432 I BGB nur Leistung an alle fordern) als auch das Einzelrecht
des Gläubigers (Einzelforderungsrecht des Gläubigers gem. § 432 I BGB und
Einzelwirkung der weiteren Tatsachen gem. § 432 II BGB) hervorgehoben wird. Aus
diesem Grunde kann die Mahnung nicht ohne weiteres unter den Tatbestand des
§ 432 II BGB subsumiert werden. Entscheidend ist vielmehr, ob bei dem einzelnen
Forderungsrecht des Gläubigers die Gemeinschaft der Gläubiger im Vordergrund steht, so
daß der einzelne -wie bei der Gesamthand- ein Recht aller Gläubiger geltend macht. In
diesem Fall würde die Leistungsaufforderung für alle Gläubiger wirken. Auf der anderen
Seite könnte die Mahnung des Gläubigers sich in erster Linie auf die selbständige
Forderung des einzelnen Mitgläubigers beziehen, so daß von einer Einzelwirkung
auszugehen wäre. Bei der Entscheidung bzgl. der Einzel- oder Gesamtwirkung ist
vor allem der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 432 II BGB
heranzuziehen. Anhand dieser Norm kann ermittelt werden, inwieweit die einzelnen
Forderungsrechte voneinander abhängig sind und damit die Gemeinschaft betont wird. Nach
dieser Vorschrift wirkt eine Tatsache, die nur in der Person eines der Gläubiger
eintritt, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger. Es ist anerkannt, daß einem
rechtskräftigen Urteil Einzelwirkung zukommt. Die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich
nicht auf die übrigen Gläubiger.[180] Ebenso kann ein
Mitgläubiger gegenüber dem Schuldner auf seinen Forderungsteil rechtsgeschäftlich oder
im Prozeß verzichten.[181] Dies bedeutet, daß er aus
der Mitgläubigerschaft ausscheidet und die Gesamtforderung sich um den Anteil, den der
ausscheidenden Gläubiger im Innenverhältnis hat, verringert. Der Anwendungsbereich des
§ 432 II BGB verdeutlicht, daß die Forderungen der einzelnen Gläubiger
weitgehend voneinander unabhängig sind und eine unterschiedliche Entwicklung nehmen
können.[182] Letztendlich sind die
einzelnen Forderungen nur durch ihre gemeinsame Empfangszuständigkeit gem.
§ 432 I BGB miteinander verbunden und die Einzelrechte sind im übrigen
aufgrund der Regelung des § 432 II BGB selbständig.[183] Die Rechtsstellung des
einzelnen Mitgläubigers unterschiedet sich
daher -abgesehen von dieser gemeinsamen Empfangszuständigkeit- nicht von der
Rechtsstellung eines Einzelgläubigers. Der die Leistung verlangende Mitgläubiger macht
daher nicht ein eigentlich der Gemeinschaft zustehendes Recht geltend, sondern sein
eigenes.[184] Nach dieser Auslegung der
Mitgläubigerschaft ist bei einer Leistungsaufforderung eines Mitgläubigers davon
auszugehen, daß er nur seinen eigenen materiellen Anspruch anmahnt und kein fremdes Recht
für die übrigem Mitgläubiger einfordert. Bei der Mahnung eines Gläubigers steht daher
seine einzelne Forderung im Vordergrund.[185]
Die Mahnung hat aus diesem Grunde auch bei einer Mitgläubigerschaft nur Einzelwirkung. b) Mehrheiten von Schuldnern
Die Rechtsformen, die bei der Gläubigermehrheit vorhanden
waren, gelten zum größten Teil auch für die Mehrheiten von Schuldnern. Es gibt
Gesamthandschulden, Teilschulden und Gesamtschulden (§§ 420, 421, 431 BGB) und
daneben noch gemeinschaftlich zu erbringende Leistungen ohne das Bestehen einer
Gesamthandsgemeinschaft. Bei Teilschulden und Gesamtschulden kann aufgrund der
selbständigen Verbindlichkeiten jeder Schuldner allein gemahnt werden. Die Mahnung wirkt
nicht gegen die übrigen Schuldner. Für die Gesamtschuld ist diese Einzelwirkung
ausdrücklich zum Schutz der übrigen Gesamtschuldner in § 425 II BGB
angeordnet.[186] Bei Teilschulden ergibt
sich die Einzelwirkung der Mahnung aus deren Funktion. Die Leistungsaufforderung kann nur
gegenüber der Person Wirkung entfalten, an die die Mahnung gerichtet war und der sie
zugegangen ist. Die Wirkung der Mahnung ist grundsätzlich an die Person gebunden. Sie
setzt gegenüber dem Schuldner die Leistungszeit fest und bringt ihm den Eintritt der
Leistungszeit zur Kenntnis. Diese Mahnungsfunktion wird gegenüber den übrigen
Teilschuldnern nicht erreicht, so daß die Beweislastverteilung des Schuldnerverzuges
diesen Teilschuldnern gegenüber nicht gerechtfertigt wäre. Gegenüber Gesamthandschuldnern kann aufgrund der
gemeinschaftlich zu erbringenden Leistung nur eine Mahnung an alle Schuldner gemeinsam
wirksam sein.[187] Eine eindeutige
Leistungsaufforderung ist bei einer Mahnung an nur einen Schuldner abzulehnen, da die
Erbringung der einzelnen Leistung durch einen Schuldner nicht möglich ist. In ähnlicher Weise sind die übrigen gemeinsam zu erbringenden
Leistungen einzuordnen, bei denen keine Gesamthand besteht, z. B. Konzert durch ein
Orchester. Ist die Leistungsverbindung der einzelnen Schuldner so wesentlich, daß die
Erbringung eines Leistungsteils jedes einzelnen Schuldners unmöglich ist,[188] so kann die Mahnung nur an
alle gemeinsam gerichtet werden. Ist es aber möglich, daß jeder einzelne seinen
Leistungsteil erbringen kann, so kann jeder einzelne Schuldner bzgl. seiner
Teilverpflichtung gemahnt werden. 4. Zusammenfassung
Für die inhaltlichen Kriterien der Mahnung und deren
Wirksamkeit ist die Funktion der Mahnung heranzuziehen. Die Rechtsprechung orientiert sich
bei ihren Entscheidungen nur an dem inhaltlichen Kriterium der eindeutigen und bestimmten
Leistungsaufforderung. Im Ergebnis kann man sich aber den Entscheidungen der
Rechtsprechung überwiegend anschließen. Die einzelnen Unschlüssigkeiten in der
Rechtsprechung können durch eine Auseinandersetzung mit der Mahnungsfunktion vermieden
werden. Erstaunlicherweise wird die Warn- und Schutzfunktion der Mahnung in den
Entscheidungsgründen der einzelnen Urteilen nicht zur Begründung herangezogen. Vor allem
die auch von der Rechtsprechung für zulässig gehaltene Verbindung von
fälligkeitsbegründenden Handlungen und Mahnung zeigt, daß in der Rechtsprechung die
Warnfunktion nicht ernsthaft verfolgt wird, da gerade diese Verbindung im Widerspruch zu
der vertretenen Schutzfunktion steht. Nur bei der Zuwenigforderung und der Angabe
über den Umfang der Leistung, kann der Auffassung der Rechtsprechung und Literatur
nicht gefolgt werden. |