2. Entbehrlichkeit der Mahnung nach dem
Kommissionsentwurf
In dem Kommissionsentwurf sind die gesetzlich geregelten
Tatbestände der Entbehrlichkeit der Mahnung erheblich ausgedehnt worden. a) Zeitbestimmung nach dem Kalender
(§ 284 II Nr. 1 BGB-KE)
Nach diesem Tatbestand ist eine Mahnung entbehrlich, wenn eine
Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Eine sachliche Änderung ist mit dieser Vorschrift
nicht bezweckt. Sie stellt -wie es im Abschlußbericht heißt- nur eine Umformulierung des
§ 284 II S. 1 BGB dar.[280] b) Berechenbarkeit der Leistungszeit von
einem in der Zukunft liegenden Ereignis (§ 284 II Nr. 2 BGB-KE)
Neben der kalendermäßig bestimmten Zeit (§ 284 II
Nr. 1 BGB-KE) wird ausdrücklich die bloße Berechenbarkeit der Leistungszeit von
einem in der Zukunft liegenden Ereignis zugelassen (§ 284 II Nr. 2
BGB-KE). Die Schuldrechtskommission sieht als wesentlichen Mangel des geltenden Rechts,
daß nur die kalendermäßige Berechenbarkeit seit der Kündigung eine Mahnung entbehrlich
mache.[281] Dies ist ein wenig
überraschend, wenn man bedenkt, in welcher restriktiven Weise Rechtsprechung und
Literatur das geltende Recht auslegen.[282] Die Kündigung
soll aus diesem Grunde durch ein
Ereignis ersetzt werden, so daß beispielsweise die Lieferung oder
Rechnungserteilung als Ausgangspunkt für eine kalendermäßige Berechnung genommen werden
können.[283] Zusätzlich wird in der
Kommissionsbegründung eine Fristsetzung in einer angemessenen Länge als
Zulässigkeitsvoraussetzung verlangt, die aber im Gesetzesentwurf nicht deutlich zum
Ausdruck kommt.[284] Hierzu heißt es: Die
bloße Berechenbarkeit von einem Ereignis ist nur zulässig, wenn die Erfüllung von dem
Ereignis an in einer bestimmten Frist zu erfolgen hat, eine Regelung Zahlung sofort
nach Lieferung fällt nicht unter § 284 II Nr. 2 BGB-KE. Eine
vertragliche Klausel ohne Fristsetzung stellt nach Ansicht der Kommission lediglich eine
Fälligkeitsbestimmung nach § 271 BGB dar. Dem Schuldner werde so eine Schonfrist
gesichert. Grundsätzlich ist die Regelung hinsichtlich der
Entbehrlichkeit der Mahnung bei einer nach dem Kalender berechenbaren
Leistungszeit zu begrüßen.[285] Die Mahnung ist bei einer
bestimmten Art von Ereignissen überflüssig, da der Eintritt der
Leistungszeit für den Schuldner ohne Zweifel feststeht. Problematisch ist, daß der
Kommissionsentwurf jede Art von Ereignissen für die Berechenbarkeit der
Leistungszeit als ausreichend erachtet. Wie dargelegt,[286]
ist bei Ereignissen, die sich völlig außerhalb der Sphäre des Schuldners ereignen, eine
Mahnung weiterhin erforderlich. Es würde eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung
des Schuldners darstellen, wenn die Mahnung nach § 284 II Nr. 2 BGB-KE bei
Ereignissen entbehrlich wäre, deren Eintritt der Schuldner normalerweise nicht zur
Kenntnis nehmen kann. Die Auferlegung der Beweislast nach § 285 BGB für diese
Unkenntnis ist nicht gerechtfertigt. Für den Schuldner ist in diesen Fällen keine
Rechtsklarheit hinsichtlich des Eintritts der Leistungszeit gegeben, so daß weiterhin
eine eindeutige Leistungsaufforderung des Gläubigers erforderlich ist.[287] Die vorgeschlagene Regelung
der Schuldrechtskommission ist aufgrund ihrer unbeschränkten Ausdehnung auf jede Art von
Ereignissen nicht ganz unbedenklich. In der Praxis müßte zur Wahrung der schutzwürdigen
Interessen des Schuldners eine einschränkende Auslegung vorgenommen werden. Nicht nachzuvollziehen ist die in der Entwurfsbegründung
geforderte Fristsetzung. Auch nach dem geltenden Recht war bei einer berechenbaren
Leistungszeit in Anknüpfung an eine Kündigung nicht zusätzlich eine Frist erforderlich.[288] Das Argument, dem Schuldner
eine Schonfrist zu sichern, erinnert an die Warnfunktion der Mahnung. Daß die Mahnung
wegen der fehlenden Schutzbedürftigkeit des Schuldners nicht als Warnung zu
interpretieren ist, wurde schon erörtert. Der Schuldner ist nur hinsichtlich der
Leistungszeit schutzwürdig. Steht ohne Zweifel fest, daß die Leistungszeit eingetreten
ist, ist eine besondere Schonfrist nicht erforderlich. Dem Schuldner ist
selbstverständlich die notwendige Vorbereitungszeit für die Erfüllung der Leistung zu belassen. c) Offensichtliche Erfolglosigkeit der
Mahnung
(§ 284 II Nr. 2 BGB-KE)
Der Kommissionsentwurf sieht
in Erweiterung zum bisher geltenden Recht vor, daß die Mahnung bei offensichtlicher
Erfolglosigkeit entbehrlich ist. Die Schuldrechtskommission dachte dabei etwa an die
Unmöglichkeit der Leistung oder an eine ernsthafte und endgültige
Erfüllungsverweigerung.[289] Nach der Begründung der
Kommission fällt unter diese Alternative auch ein notorisch leistungsunfähiger
Schuldner. Dies wird noch als hinnehmbar angesehen, da der Gläubiger das
Beurteilungsrisiko trage und er aus diesem Grunde vernünftigerweise in allen Fällen, in
denen die Leistungsfähigkeit auch nur entfernt in Betracht komme, ohnehin vorsichtshalber
mahnen werde.[290] Weitere Fallgruppen sind im
Kommissionsentwurf nicht enthalten. Es ist bedenklich, daß aufgrund einer Risikoabwägung der
notorisch leistungsunfähige Schuldner dieser Norm zugeordnet wird. Die
Schuldrechtskommission will mit dieser Fallgruppe einen Anwendungsfall der Entbehrlichkeit
der Mahnung nach Treu und Glauben gesetzlich regeln. Dementsprechend ist das Merkmal der
offensichtlichen Erfolglosigkeit auszulegen. Nur wenn die Mahnung entsprechend
dem Grundsatz von Treu und Glauben für den Gläubiger nur noch eine sinnlose
Förmlichkeit darstellt, kann von einer offensichtlichen Erfolglosigkeit ausgegangen
werden. Ist es beispielsweise offenkundig, daß der Schuldner auch auf eine Mahnung hin
nicht erfüllt hätte, so kann dem Gläubiger eine zusätzliche Leistungsaufforderung
nicht zugemutet werden. Bei einem notorisch leistungsunfähigen Schuldner kann nicht ohne
weiteres auf die offensichtliche Erfolglosigkeit geschlossen werden. Aus der bisherigen
Leistungsunfähigkeit kann nicht der Wille entnommen werden, daß der Schuldner auch
diesmal nicht leisten werde. Dies käme einer Vorverurteilung des Schuldners gleich. Im
Einzelfall ist allerdings eine andere Wertung möglich. Bei Ratenlieferungsverträgen
beispielsweise kann sich aus den Umständen ergeben, daß wiederholte Mahnungen zwecklos
sind.[291] Die Schuldrechtskommission wollte mit dieser Fallvariante einen
typischen Anwendungsbereich der
Entbehrlichkeit der Mahnung nach Treu und Glauben gesetzlich regeln. Durch die
Einführung des unbestimmten Rechtsbegriff der offensichtlichen
Erfolglosigkeit ist allerdings im Vergleich zum geltenden Recht keine größere
Rechtssicherheit entstanden. d) Rechtfertigung des sofortigen
Eintritts des Verzugs aus besonderen Umständen unter Abwägung der beiderseitigen
Interessen
(§ 284 II Nr. 4 BGB-KE)
In der letzten Alternative hält die Schuldrechtskommission
den Verzugseintritt ohne Mahnung für gerechtfertigt, wenn aus besonderen Gründen unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzuges erforderlich
sei. Mit dieser Alternative sollten vor allem die Selbstmahnung, die Fälle
der besonderen Dringlichkeit und die spontan zu erfüllenden Aufklärungs- und
Warnpflichten erfaßt werden. Positiv anzumerken ist, daß die Schuldrechtskommission die
Verzugsfälle aus dem Anwendungsbereich der positiven Forderungsverletzung herausholt und
wieder dem Regelungsbereich des Verzuges unterstellt. Bedenklich ist, daß der Kommissionsentwurf in erster Linie auf
die Abwägung der Interessen und nicht auf die Erfüllung der Mahnungsfunktion abstellt.
Vor allem die Fälle der Selbstmahnung und der weiteren
Verhaltenspflichten können ohne Rückgriff auf die Funktion der Mahnung nicht
zufriedenstellend gelöst werden. Es besteht die Gefahr, daß sonst die Mahnung für
entbehrlich gehalten wird, obwohl die Leistungszeit noch nicht feststeht. Beispielsweise
ist bei den weiteren Verhaltenspflichten die objektive unmittelbare Gefährdung des
Gläubigers zu beachten, da erst ab diesem der Zeitpunkt der Leistungstermin festgelegt
ist.[292] Insgesamt besteht bei
dieser Norm durch die Abwägung der gegenseitigen Interessen die Gefahr, daß überwiegend
Billigkeitserwägungen im Vordergrund stehen und der Blick für den eigentlichen Grund der
Entbehrlichkeit der Mahnung nämlich die schon erfüllten Aufgaben der
Mahnung- verloren geht. Trotz dieser Bedenken ist die Aufnahme dieses
Auffangtatbestandes zu begrüßen. Dieser Auffangtatbestand verhindert, daß aus der
Aufzählung bestimmter Tatbestände der Umkehrschluß gezogen werden kann, in den übrigen
nicht genannten Fällen sei die Mahnung unter allen Umständen erforderlich.[293] Durch diese Alternative wird vor allem
klargestellt, daß der Verzugseintritt ohne Mahnung keine singuläre Ausnahmeerscheinung
ist und der Verzug sonst nur durch eine Mahnung eintritt. 3. Folgerungen und Gesamtergebnis
Der Verzugseintritt ohne Mahnung hat durch die Rechtsprechung
eine erhebliche Ausdehnung erfahren. Im Gegensatz zu dem historischen Verständnis des
Verzuges ist die Begründung des Verzuges ohne das Erfordernis der Mahnung keine
Ausnahmeerscheinung mehr, sondern hat sich neben der gesetzlichen Ausnahmevorschrift des § 284 II BGB etabliert.
Rechtsprechung und Literatur fällt es allerdings schwer, sich zu diesem Verzugseintritt
ohne Mahnung zu bekennen. Durch nicht verständliche Begründungen, wie stillschweigender
Verzicht auf das Erfordernis der Mahnung oder Anwendung anderer Rechtsinstitute wie die
pFv, wird die grundsätzliche Möglichkeit des Verzugseintritts ohne Mahnung verschleiert.
In diesen Ausweichversuchen schimmert die überholte aus dem gemeinen Recht kommende
Anschauung durch, daß Verzug ohne Mahnung eine singuläre Ausnahme sei und daß man
zwischen den Zeilen des § 284 I BGB ein nur hineininterpretiert,
welches dort nicht steht.[294] Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die von der Rechtsprechung
entwickelten Ausnahmetatbestände sich mit der Argumentation, daß die Aufgaben der
Mahnung erfüllt seien, lösen lassen. Ein Rückgriff auf die Fiktion des
stillschweigenden Verzichts wird damit überflüssig. In allen Fällen, in denen ein
Verzugseintritt ohne Mahnung bejaht wurde, konnte der Leistungszeitpunkt auf einen
bestimmten Termin festgelegt werden und dem Schuldner war dieser Eintritt aufgrund der
besonderen Umstände ohne Zweifel bekannt bzw. hätte bei Anwendung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt bekannt sein müssen. Diese Argumentation wird in der
Rechtsprechung und Literatur nicht herangezogen. Dies stellte einen entscheidenden Mangel
der bisherigen Rechtsanwendung dar, da die Rechtslehre aus diesem Grunde bisher jede
weitere Ausdehnung der Fallgruppen nur mit der Grundsatz von Treu und Glauben oder dem
stillschweigenden Mahnungsverzicht begründen konnte. Mit dem Grundsatz von Treu und
Glauben ist eine Abweichung von den gesetzlichen Regelungen aber nur bei einem
offensichtlich unbilligen Ergebnis zulässig.[295]
Der Rückgriff auf die Aufgaben der Mahnung ermöglicht es dagegen, eine gerechtere
Einzelfallentscheidung zu treffen und einen Verzug ohne das Erfordernis der Mahnung
zuzulassen, sobald für den Schuldner keine Zweifel vorhanden sind, daß er zu diesem
Zeitpunkt leisten muß. Hierdurch wird ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der
Parteien erzielt. Die Mängel der bisherigen Rechtsanwendung hat die
Schuldrechtskommission richtig erkannt und in ihren Gesetzesvorschlag aufgenommen.
Bedenklich ist, daß in der Begründung der Kommission eine Auseinandersetzung mit der
Interpretation der Mahnung nicht stattfindet. Der Zusammenhang zwischen
Entbehrlichkeit der Mahnung und der Erfüllung ihrer Aufgaben wird nicht
erkannt. Diese fehlende Auseinandersetzung schlägt sich in dem Gesetzesentwurf nieder.
Der Entwurf leidet darunter, daß in erster Linie nur die von der Rechtsprechung
aufgestellten Fallgruppen einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden sollen. Allgemeine
Grundsätze, nach denen sich die Entbehrlichkeit der Mahnung richten könnten,
fehlen in dem Kommissionsentwurf. Daher wird auch verkannt, daß sich die aufgeführten
Mängel mit dem geltenden Recht zufriedenstellend lösen lassen und der Erweiterung des
Tatbestandes in § 284 II BGB-KE nur klarstellende Funktion zukommt. II. Vertraglicher Ausschluß der Mahnung
Die Parteien können individualvertraglich im Rahmen ihrer
Vertragsfreiheit das Erfordernis der Mahnung ausdrücklich ausschließen. Gem. § 11
Nr. 4 AGBG ist eine solche Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
allerdings unwirksam. Eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingen ist nur
zulässig, soweit die Klausel den Ausschluß der Mahnung auf Fälle begrenzt, in denen die
Mahnung nach den gesetzlichen Vorschriften oder nach den Grundsätzen der Rechtsprechung
entbehrlich ist. Wirksam ist daher eine Klausel Mahnung entfällt bei endgültiger
Leistungsverweigerung.[296] In welcher Weise im kaufmännischen Verkehr die gesetzgeberische
Wertung des § 11 Nr. 4 AGBG durchgreift, ist fraglich. Da § 11 Nr. 4
AGBG gem. § 24 S. 1 AGBG auf Unternehmer keine Anwendung findet, kommt
allenfalls eine mittelbare Anwendung des in der Vorschrift enthaltenen Rechtsgedankens
über § 9 AGBG in Betracht. Allgemein für die Unwirksamkeit einer Klausel im
Geschäftsverkehr mit Unternehmern sprechen grundsätzlich folgende Gesichtspunkte: Neben
der teilweisen Schutzbedürftigkeit des Unternehmers als Kunden ist vor allem der
Gesichtpunkt zu nennen, daß auch bei Vertragsbeziehungen mit Unternehmern die einseitig
vorgegebene Vertragsgestaltung einen Ausgleich nach Maßstäben der Vertragsgerechtigkeit
erfordert.[297] Zusätzlich sind die
Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs zu beachten (vgl. § 24
S. 2 AGBG).[298] Zu berücksichtigen ist,
daß der geschäftserfahrene Kaufmann nicht in gleichem Maße schutzbedürftig ist wie der
Verbraucher. Besonderheiten können sich daraus ergeben, daß der Unternehmer Geschäfte
der betreffenden Art häufiger abschließt. Er kann daher mit den Risiken des Geschäftes
besser vertraut und zu entsprechenden Vorsorge in der Lage sein.[299] 1. Darstellung der Rechtsansichten:
Wirksamkeit der Klausel im kaufmännischen Verkehr
Die Meinungen sind geteilt, ob im kaufmännischen Verkehr in
vorformulierten Vertragsbedingungen auf das Erfordernis der Mahnung verzichtet werden
kann. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, daß
gem. § 9 II Nr. 1 AGBG ein formularmäßiger Ausschluß unwirksam sei.[300] Auch im kaufmännischen
Bereich besitze die Mahnung eine wichtige Warnfunktion. Diese uneingeschränkte Unzulässigkeit wird vielfach aufgrund
der geringeren Schutzbedürftigkeit des Unternehmers nicht für vertretbar gehalten. In
Rechtsprechung und Literatur wird mit unterschiedlichen Differenzierungen im
kaufmännischen Verkehr ein Verzicht auf das Erfordernis der Mahnung in vorformulierten
Vertragsbedingungen anerkannt. Das Meinungsspektrum reicht von einer uneingeschränkten
Zulässigkeit solcher AGB-Klausel[301] bis zu der Ansicht, daß
die Mahnung durch AGB nur bei der Geltendmachung von Verzugszinsen ausgeschlossen werden
könne, wenn der Leistungszeitpunkt mühelos feststellbar sei; werden dagegen die Rechte
aus Rücktritt und Schadensersatz nach § 326 BGB geltend gemacht, sei auch im
kaufmännischen Verkehr die Mahnung unverzichtbar.[302]
Teilweise wird auch nur angenommen, daß eine entsprechende AGB-Klausel wirksam sei, wenn
der Zeitpunkt des Verzugseintritts nur irgendwie aus dem Vertrag zu ermitteln sei.[303] Als Begründung wird
angeführt, daß es einem ordentlichen Kaufmann grundsätzlich wohl zuzumuten sei, den
Leistungszeitpunkt zu errechnen und für seine Einhaltung zu sorgen. Ein Unternehmer
könne die Fälligkeit besser bestimmen und ermitteln. Eine Warnung sei daher nicht
erforderlich.[304] 2.
Stellungnahme
Rechtsprechung und Literatur erkennen zutreffend, daß die
Inhaltskontrolle von der Interpretation der Mahnung und der spezifischen Situation im
kaufmännischen Verkehr abhängt. Es ist zu prüfen, ob trotz der höheren
Geschäftserfahrenheit und der Besonderheiten des Handelsverkehrs eine unangemessene
Benachteiligung bei diesen vorformulierten Vertragsbedingungen gegeben ist. Problematisch
ist, daß die Rechtslehre eine unzulässige Mahnungsfunktion[305] heranzieht, so daß den
Argumenten und Schlußfolgerungen nicht ohne weiteres gefolgt werden kann. Selbst mit der Deutung der Mahnung als Warnung ist die
Argumentation der Auffassung, die solch eine Formularklausel im kaufmännischen Verkehr
für zulässig hält, in Teilen nicht nachvollziehbar. Die geringere Schutzbedürftigkeit
des Unternehmers wird vor allem daraus hergeleitet, daß er den Leistungszeitpunkt besser
errechnen könne. Aus diesem Begründungsansatz wird innerhalb dieser Ansicht teilweise
die Bedingung abgeleitet, daß eine solche Klausel nur dann wirksam sei, wenn sich der
Leistungszeitpunkt nur irgendwie aus dem Vertrag ermitteln lasse.[306] Diese einschränkende
Voraussetzung kann für die Wirksamkeit einer AGB-Klausel keine Rolle spielen. In diesen
Fällen ergibt sich nämlich die Entbehrlichkeit der Mahnung schon aus den
gesetzlichen Verzugsregeln. Läßt sich der Leistungszeitpunkt irgendwie aus dem Vertrag
bestimmten, so ist eine kalendermäßig fixierte Leistungszeit gem. § 284 II
BGB gegeben. Ein Ausschluß der Mahnung durch vorformulierte Vertragsbedingungen wäre in
diesen Fällen auch bei Verbrauchern wirksam, da sie sich im Rahmen der gesetzlich
vorgegebenen Ausnahmen halten. Voraussetzung ist allerdings, daß sich die Festlegung der
Leistungszeit aus einer individualvertraglichen Vereinbarung ergibt.[307] Eine geringere
Schutzbedürftigkeit des Unternehmers kann daher nicht mit der Bedingung begründet
werden, daß der Zeitpunkt sich aus dem Vertrag ermitteln lassen müsse, da die Mahnung
aufgrund ihrer Aufgabenerfüllung in dieser Fallkonstellation ohnehin überflüssig ist
und ein vertraglicher Ausschluß nicht mehr erforderlich ist. Entscheidend für die Abwägung sind in erster Linie wie
eben schon angedeutet- die Aufgaben der Mahnung. Daneben sind die Besonderheiten des
kaufmännischen Verkehrs zu berücksichtigen. Für die Beurteilung der Wirksamkeit solcher
Klauseln kommt es daher darauf an, ob bei einer kalendermäßig nicht bestimmten
Leistungszeit die Festlegung bzw. Feststellung des exakten Leistungszeitpunktes mittels
einer Leistungsaufforderung wegen der Geschäftserfahrenheit des Unternehmers und der
Besonderheiten im Handelsverkehr unterbleiben kann. Fraglich ist vor allem, ob im
kaufmännischen Verkehr die Beweislastverteilung auch ohne Mahnung gerechtfertigt ist. Ist
die Mahnung durch AGB ausgeschlossen, so trägt der Unternehmer, obwohl ein
Leistungstermin nicht vereinbart wurde, die Beweislast auch für seine Unkenntnis
hinsichtlich des Eintritts des Leistungszeitpunktes. Der
Ermessenspielraum, in dessen Zeitraum die Leistungspflicht an sich besteht,
verdichtet sich auch ohne Mahnung ab einem bestimmten Zeitpunkt zu einer aktuellen
Leistungspflicht,[308] so daß es für diese
Abwägung in erster Linie auf die Beweislastverteilung ankommt. Bei Verbrauchern kann die Beweislast bzgl. der Kenntnis
hinsichtlich des Eintritts des Leistungstermins ohne Leistungsaufforderung nicht dem
Schuldner auferlegt werden, da die Leistungsverzögerung auch auf Gründen beruhen kann,
die in den Verantwortungsbereich des Gläubigers fallen. Außerdem ist es dem
Risikobereich beider Vertragpartner zuzuordnen, daß sie eine Vereinbarung hinsichtlich
der Leistungszeit nicht getroffen haben. Die Leistungsaufforderung ist demnach
erforderlich, um die Leistungsverzögerung eindeutig der Sphäre des Schuldners
zuzuweisen, so daß die Beweislastverteilung gem. § 285 BGB zulässig ist.[309] Fraglich ist, ob im kaufmännischen Verkehr eine abweichende
Beurteilung gerechtfertigt ist. Die Mahnung stellt zwar keine ausdrückliche
Beweislastregel dar, trotzdem wirkt sie- wie eben dargestellt- auf die Beweislast ein.
Außerdem obliegt dem Gläubiger durch das Erfordernis der Mahnung de facto auch die
Beweislast dafür, daß der Schuldner von dem Eintritt der Leistungszeit Kenntnis erhalten
hat. Aus diesem Grunde kann auf die Argumentation der Zulässigkeit einer
Beweislaständerung durch AGB zurückgegriffen werden. Beweislastregeln beruhen auf einem in der Natur der Sache
liegendem Gerechtigkeitsgebot. Eine Beweislaständerung durch AGB wird zwischen
Unternehmern daher gem. § 11 Nr. 15, § 9 AGBG grundsätzlich für
unzulässig gehalten, soweit sie den Gefahren- und Risikobereichen widerspricht.[310] Es wird demnach
grundsätzlich als unangemessene Benachteiligung gewertet, wenn ein Unternehmer durch
Allgemeine Geschäftsbedingungen die Beweislast für Vorgänge auferlegt bekommt, die sich
nicht in seinem Gefahrenkreis abgespielt haben. Diese Begründung ist auf den
Mahnungsausschluß durch AGB übertragbar. Dem Unternehmer wird mit dieser
Vertragsgestaltung die Beweislast für Tatsachen zugewiesen, die sich außerhalb seines
Gefahren- und Risikobereichs befinden. Er muß nämlich auch die Vorgänge, die zu der
Verzögerung der Leistung geführt haben, darlegen und beweisen, die sich im
Verantwortungsbereich des Gläubigers befinden, beispielsweise, daß der Gläubiger noch
nicht zur Annahme der Leistung bereit war. Der vorformulierte Ausschluß der Mahnung
bewirkt daher auch im kaufmännischen Verkehr eine Vertragsungerechtigkeit, die nach der
Wertung des § 9 AGBG nicht hingenommen werden kann, und die nicht durch die
Geschäftserfahrenheit und den Besonderheiten des kaufmännischen Verkehrs ausgeglichen
werden kann. Gegen diese Abwägung kann auch nicht eingewendet werden, daß
einem Unternehmer die wirtschaftliche Bedeutung einer rechtzeitigen Leistung bewußt ist,
so daß eine Modifikation sich aufgrund des Handelsbrauchs ergeben könnte. Einem
Unternehmer ist selbstverständlich bekannt, daß er pünktlich liefern muß und eine
Leistungsverzögerung zu großen Dispositionsschwierigkeiten wegen schwankender
Marktpreise, Lagerkapazitäten etc.- führen kann. In allen diesen Fällen wird aber
regelmäßig eine bestimmte Lieferzeit -sei es auch nur stillschweigend- vertraglich
vereinbart sein. Das Erfordernis der Mahnung ist in diesen Fallkonstellationen schon gem.
§ 284 II BGB überflüssig, so daß es auf einen Verzicht durch AGB nicht mehr
ankommt. Nur bei einer kalendermäßig nicht bestimmten Leistungszeit spielt diese Klausel eine Rolle. In der Praxis
wird dieser Fall nur selten vorkommen. Aber gerade dann stellt aufgrund dieser
Ausnahmesituation ein Verzicht auf das Erfordernis der Mahnung eine unangemessene
Benachteiligung dar, da es für den Unternehmer nicht ohne weiteres erkennbar ist, zu
welchem Zeitpunkt er leisten muß.[311] In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist demnach eine
Klausel, die den Verzugseintritt ohne das Erfordernis der Mahnung anordnet, gem.
§ 9 II Nr. 1 AGBG unwirksam. Im kaufmännischen Verkehr können zwar
Fälligkeitszinsen gem. § 353 I HGB geltend gemacht werden. Darüber hinaus
können aber keine Verzugsfolgen ohne Mahnung eintreten, es sei denn, es liegt ein
weiterer gesetzlicher Ausnahmetatbestand oder eine individualvertragliche Vereinbarung
vor. Diese Diskussion wird in Zukunft an Bedeutung verlieren. Der
EU-Rat hat sich im Juli 1999 auf eine Richtlinie zum Zahlungsverzug im Handelsverkehr
geeinigt, für deren Umsetzung die Mitgliedstaaten 24 Monate ab dem Inkrafttreten dieser
Richtlinie Zeit haben. Kernpunkte dieses Vorhabens sind die Schaffung gemeinschaftsweiter
maximaler Fälligkeitsfristen für Waren- und Dienstleistungsentgelte sowie der Anspruch
des Entgeltgläubigers auf Verzugszinsen in marktgerechter Höhe und Ersatz des
Verzögerungsschadens bei Überschreitung dieser Fristen.[312]
Nach dieser Richtlinie kommt der Schuldner auch ohne Mahnung nach Ablauf von 30 Tage nach
Eingang der Rechnung bzw. nach dem Empfang der Güter oder Dienstleistung in Verzug.[313] |