Viertes Kapitel:
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Verzug und positive Forderungsverletzung
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Nachdem die Funktion der Mahnung geklärt ist, ist abschließend
noch einmal auf die Abgrenzung des Verzuges von der positiven Forderungsverletzung
einzugehen. Diese Abgrenzung ist von dem Grundsatz der Subsidiarität geprägt. Die
positive Forderungsverletzung ist gegenüber den gesetzlich geregelten
Leistungsstörungsinstituten subsidiär. Die positive Forderungsverletzung kommt nicht zur
Anwendung, wenn die Forderungsverletzung zu einer Verzögerung der Leistung führt, da
sonst das Erfordernis der Mahnung umgangen werden könnte.[543] Dieser allgemein anerkannte Grundsatz wurde in der
Rechtsprechung vielfach nicht eingehalten. Vor allem bei den Fällen der
Erfüllungsverweigerung und auch bei den spontan zu erfüllenden Warnpflichten wurde,
obwohl eine verspätete Leistung vorlag, ein Schadensersatz aus pFv gewährt, ohne daß
eine Auseinandersetzung mit dem Verzug und der Möglichkeit der Entbehrlichkeit der
Mahnung erfolgte.[544] Diese Fallgestaltungen
wurden ausführlich bei der Entbehrlichkeit der Mahnung erörtert. Die
Abgrenzungsproblematik Verzug und positive Forderungsverletzung hängt
entscheidend mit der Mahnung und der Entbehrlichkeit der Mahnung zusammen.
Rechtsprechung und Literatur benutzten teilweise das Institut der pFv, um das Erfordernis
der Mahnung zu umgehen. Dem kann nicht zugestimmt werden, da die Normen für den Verzug
abschließende Regelungen enthalten.[545] Im Ergebnis ist festzuhalten, daß der Grundsatz der
Subsidiarität strikt einzuhalten ist. Eine Leistungsverzögerung kann nicht unter dem
Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung behandelt werden. Die in der
Rechtsprechung und Literatur entwickelten Fällen zur Erfüllungsverweigerung und der
spontan zu erfüllenden Warnpflichten bzw. weiteren Verhaltenspflichten lassen sich
vielmehr unter dem Gesichtspunkt des Verzugseintritts ohne Mahnung lösen. Zur Vollständigkeit sollte noch erwähnt werden, daß es nicht
ausgeschlossen ist, Verzug und positive Forderungsverletzung nebeneinander anzuwenden.
Besteht neben der Leistungsverzögerung noch eine weitere Pflichtverletzung, die nicht von
einem gesetzlichen Leistungsstörungsinstitut erfaßt wird, so kann ein daraus
resultierender Schaden über die pFv ersetzt werden.[546]
Wird beispielsweise bestelltes Vieh verspätet geliefert, daß gleichzeitig von einer
ansteckenden Krankheit befallen ist, wodurch der vorhandene Viehbestand des Bestellers
angesteckt wird, so kann der Verzögerungsschaden über § 286 I BGB ersetzt
werden, während der Schaden aufgrund der Schlechterfüllung (Ansteckung der eigenen
Tiere) über pFv ausgeglichen wird.[547]
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