aa) Einredebegriff im Bürgerlichen Recht
Zu den wichtigsten Einreden des Bürgerlichen Gesetzbuches
zählen neben der Verjährungseinrede (§ 222 I BGB), die
Leistungsverweigerungsrechte nach §§ 273, 320
BGB, die Mängeleinrede (§ 478 BGB), die Einrede der Vorausklage des Bürgen
nach §§ 771 ff BGB und die Einrede der deliktischen Erlangung einer Forderung
nach § 853 BGB. Neben diese Einreden sind im BGB eine weitere Vielzahl von Einreden
vorhanden.[405] Die in der Literatur
angegebenen Zahlen über die vorhandenen BGB-Einreden schwanken beträchtlich. Jahr geht in seinen Ausführungen wohl von 23
peremptorischen (dauernden) und 12 dilatorischen (zeitweiligen) Einreden aus[406], während Roth 24 peremptorischen und 20 dilatorischen
Einreden annimmt.[407] Die Ursache dieser
Differenzen liegt darin, daß unterschiedliche Auffassungen über die Einordnung mancher
Vorschriften als Einreden besteht. Wie eben schon angedeutet, sind die Wirkungen der Einrede nach
ihrem Inhalt in Hauptwirkung und sonstige Wirkungen zu gliedern. Im folgenden wird sich
mit der Hauptwirkung der Einrede auseinandergesetzt, da diese das Institut
Einrede wesentlich charakterisiert und das Verhältnis Einrede und Schuldnerverzug maßgeblich beeinflußt. In den Motiven werden als Einreden des materiellen Rechts solche
Umstände bezeichnet, welche die Befugnis gewähren, die Befriedigung eines Anspruchs
verweigern zu dürfen, obwohl der Anspruch an und für sich besteht.[408] Nach der gesetzlichen
Ausgestaltung läßt die Einrede den Anspruch nicht untergehen, sondern hemmt nur die
Durchsetzung der Forderung (vgl. hierzu die Regelungen bei den Realsicherheiten
§§ 1169, 1254 BGB, an denen die bloße Hemmbarkeit der Forderung deutlich wird[409]). Der Gesetzgeber
gestaltete die Einrede als einen Rechtsbehelf aus, der in seiner Wirkung auf den Anspruch
unterhalb der Erlöschensschwelle liegt. In den Begründungen heißt es dazu, daß eine
Regelung zulässig sein müsse, die dem Verpflichtetem die Möglichkeit gewähre, den
Anspruch ablehnen zu dürfen, ohne das der Anspruch in seiner Entstehung gehindert oder
wieder aufgehoben werde. In wirtschaftlicher Hinsicht unterscheide sich allerdings ein
Anspruch, dem eine dauernde Einrede entgegenstehe, nicht von einem untergegangenen
Anspruch.[410] In der Literatur wird diese gesetzgeberische Entscheidung, daß
die Einrede nicht den Untergang des Anspruchs herbeiführe, überwiegend anerkannt und in
neuerer Zeit auch nicht mehr angezweifelt.[411]
In früherer Zeit hatte Schlosser die
Existenzberechtigung der peremptorischen Einreden in Frage gestellt. Die Rechtsfigur der
Einrede war nach seiner Auffassung nichts anderes als ein Irrtum des Gesetzgebers. Die
ausgelösten Rechtsfolgen bei peremptorischen Einreden und rechtshindernden und
vernichtenden Einwendungen würden sich im Ergebnis nicht unterscheiden, so daß die
Ausgestaltung der Einrede neben diesen Einwendungen mit ihrer schwächeren Wirkung
überflüssig sei.[412] Diese Auffassung ist nicht ohne weiteres haltbar. Vor allem bei
der Verjährungseinrede zeigt sich, daß die ausgelösten Rechtsfolgen zwischen Einrede
und rechtshindernden und vernichtenden Einwendungen unterschiedlich sind. Wird die
Einrede der Verjährung nach der Erfüllung der Forderung geltend gemacht, so kann das
Geleistete wegen § 813 I S. 2 BGB nicht kondiziert werden. Das Geleistete
eines erloschenen Anspruch kann dagegen nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften
zurückgefordert werden. Ebenso begründet § 223 BGB eine unterschiedliche
Rechtsfolge. Trotz der Verjährung kann der Berechtigte die akzessorischen Sicherheiten
verwerten, erlischt der Anspruch dagegen, so kann auf die akzessorischen Sicherheiten
nicht mehr zurückgeriffen werden.[413] Hieran zeigt sich auch der rechtspolitische Sinn einer Einrede.
Die Ausgestaltung als Einrede kommt dann in Betracht, wenn die Forderung nicht ganz
wegfallen, sondern mit einigen Wirkungen erhalten bleiben soll (z. B. daß
Sicherungsrechte bestehen bleiben oder daß gegen eine Forderung noch aufgerechnet werden
kann). Der Sinn der Einrede liegt daher nicht darin, daß sie für ihre Ausübung geltend
gemacht werden muß, wie gleich noch ausgeführt wird, sondern in dem Fortbestand der
Forderung. Würde nur das Erfordernis der Geltendmachung das Institut der Einrede
rechtfertigen, so könnte sie auch als Gestaltungsrecht wie die Anfechtung ausgestaltet
sein und ihre schwächere Wirkung gegenüber den rechtsvernichteten Einwendungen wäre
nicht zu rechtfertigen.[414] Im Ergebnis kann festgehalten werden, daß ein einheitliches
Kriterium vorhanden ist. Die Einrede ist im Gegensatz zu den rechtshindernden- und
rechtsvernichtenden Einwendungen als schwächeres Institut ausgestaltet, so daß sie nicht
den Untergang des Anspruchs herbeiführt, sondern nur dessen Durchsetzbarkeit hemmt. Diese schwächere Wirkung stellt zwar ein einheitliches
Kriterium dar, sonst sind die Einreden hinsichtlich ihrer Hauptwirkung unterschiedlich
ausgestaltet. Die Einreden können in drei Gruppen eingeteilt werden. Es wird zwischen
peremptorischen (dauernden), dilatorischen (zeitweilig) und anspruchsbeschränkenden
Einreden unterschieden. Die peremptorischen und auch die dilatorischen Einreden haben die
Wirkung, daß die Durchsetzung eines Anspruchs dauernd oder nur für eine gewisse Zeit
ausgeschlossen ist, so daß eine Klage auf Leistung als unbegründet abzuweisen ist. Die
anspruchsbeschränkenden Einreden führen dagegen nicht zu einer Abweisung der
Leistungsklage, sondern nur zu einer Beschränkung der Verurteilung.[415] Diese unterschiedlichen Wirkungen stehen einer einheitlichen
Lösung des Rechtsstreits Einrede und Schuldnerverzug nicht entgegen, da eine
Differenzierung zwischen dilatorischen und peremptorischen Einreden ohne Schwierigkeiten
möglich ist und die Entscheidung nicht anhand jeder einzelnen Einrede getroffen werden
muß. Außerdem kann die Untersuchung bei den stärksten (peremptorischen)
Einrede beginnen. Ist auch bei diesen Einreden eine Geltendmachung für den Ausschluß der
Verzugsfolgen erforderlich, so ist das Ergebnis a maiore ad minus auf die schwächeren
Einreden zu übertragen. (2) Zustandekommen der Hauptwirkung der
Einrede ipso iure oder durch Ausübung des Einrederechts ? Bisher wurde nur der Inhalt der Wirkung der Einrede
dargestellt. Entscheidend für den Einredebegriff ist aber auch, wie diese Hauptwirkung
der Einrede, also die Nichtdurchsetzbarkeit der Forderung (oder nur die eingeschränkte
Durchsetzbarkeit bei den anspruchsbeschränkenden Einreden) zustande kommt. Die Wirkungen
können ipso iure eintreten oder nur durch Geltendmachung des Einrederechts. Dieses
Kriterium beeinflußt maßgeblich das Verhältnis Einrede und Schuldnerverzug.
Tritt nämlich bei einer Einrede die Hemmungswirkung ipso iure ein, so müssen
konsequenterweise auch alle weiteren Folgen des Einrederechts ipso iure eintreten, so daß
der Schuldnerverzug in diesen Fällen schon durch das Bestehen dieser Einrede
ausgeschlossen ist. (a) Darstellung der Diskussion Der Gesetzgeber des BGB hat unzweifelhaft eine Abhängigkeit
zwischen der Hauptwirkung der Einrede und der Geltendmachung bezweckt. In den Motiven wird
die Einrede als ein Recht verstanden, die Befriedigung des Anspruchs verweigern zu dürfen.[416]
In den gesetzlichen Vorschriften kommt dieses Erfordernis der Ausübung ausdrücklich zum
Ausdruck. So heißt es bei der Einrede der Vorausklage gem. § 771 BGB: Der
Bürge kann die Befriedigung des Anspruchs
verweigern,.... Anhand dieser Formulierungen ist ersichtlich, welche Normen nach der
Vorstellung des Gesetzgebers Einreden darstellen sollten. Diese Entscheidung des
Gesetzgebers wird nicht mehr bei jeder einzelnen Vorschrift, die als Einrede ausgestaltet
ist, für sinnvoll gehalten. Dem Recht zum Besitz gem. § 986 BGB wird
heute beispielsweise ganz überwiegend eine Wirkung ipso iure zugesprochen, obwohl die
Vorschrift als Kann-Recht formuliert ist.[417]
Der Gesetzgeber hat den Einredebegriff demnach anhand zwei
Kriterien charakterisiert. Kennzeichnend für den historischen Einredebegriff waren einmal
die bloße Anspruchshemmung und das Erfordernis der Geltendmachung der Einrede. Beide
Merkmale ergeben sich auch eindeutig aus den gesetzlichen Vorschriften. Fraglich ist, ob
von dem letzteren Kriterium heute Abstand zu nehmen ist. Nach der herrschenden Lehre soll der Schuldner nur in den Genuß
der Einredewirkung kommen, wenn er sich auf die Einrede beruft.[418] Hiergegen wendet sich ein Teil in der Literatur, die das
Erfordernis der das Erfordernis der Geltendmachung bei einzelnen Einredearten oder auch
grundsätzlich für die peremptorischen Einreden angreifen und für überflüssig halten. Am weitesten geht die Ansicht von Schlosser. Er ist der Auffassung, daß
grundsätzlich für die Anspruchshemmung eine Geltendmachung der Einrede bei
peremptorischen Einreden nicht erforderlich sei. Die Hauptwirkung solle ipso iure
eintreten. Das Erfordernis der Geltendmachung sei nur in den Fällen notwendig, bei denen
die Einrede in Gegenseitigkeitsverhältnissen vorkämen, da die Einrede in solch einem
Fall für den Einredeberechtigten nicht nur Vorteile, sondern -etwa wegen einer
erforderlich werdenden Rückerstattung der bereits empfangenen Gegenleistung- auch
Nachteile bringen könne.[419] Jahr nimmt dagegen an,
daß der Einredetatbestand in solchen Fällen ipso iure wirke, wenn er durch
Parteivereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner entstanden sei. Bei der
Stundungseinrede und der Einrede des nicht erfüllten Vertrages sei aus diesem Grunde ein
Berufen auf die Einrede nicht notwendig, die Hemmungswirkung treten vielmehr ipso iure
ein.[420] Bei § 320 BGB wohne
dem Anspruch von vornherein die Beschränkung inne, daß die Leistung nur Zug um Zug
verlangt werden könne.[421] Anhand dieser Diskussion erkennt man, daß das Kriterium der
Geltendmachung bei den Einreden keineswegs mehr selbstverständlich ist. Ob von diesem
Kriterium heute grundsätzlich Abstand zu nehmen ist, hängt von dem Sinn und Zweck ab,
der mit dieser Ausgestaltung der Einrede als Kann-Recht verbunden ist. Die ratio der gesetzlichen Entscheidung ist darin zu sehen, daß die Herbeiführung der Rechtsänderung dem Willen
des Berechtigten überlassen bleiben soll. Bei einer Wirkung ipso iure bleibt der Wille
des Berechtigten dagegen unberücksichtigt. Die Wirkung ipso iure ist demnach
unangebracht, wenn die Rechtsänderung dem Schuldner nicht nur Vorteile bringt oder sogar
mit materiellen Nachteilen verbunden ist. Bei den für die Rechtsanwendung wesentlichen Einreden kommt
eine Abweichung von der gesetzgeberischen Grundentscheidung nicht in Betracht. Bei der
Einrede der Vorausklage beispielsweise muß dem Bürgen die Wahlmöglichkeit offenstehen,
ob er den Gläubiger zu einem Vollstreckungsversuch bei dem Hauptschuldner zwingen
möchte, da er gem. § 767 II BGB für die Kosten einer vergeblichen
Vollstreckung haftet. Bei der Mängeleinrede nach § 478 BGB ist das Erfordernis der
Geltendmachung ebenfalls ohne weiteres einleuchtend, da der Einredeberechtigte sein
Anspruch auf Gegenleistung verlieren könnte.[422] Ebenso ist bei der Verjährungseinrede die
Ausübung dieses Rechts durch den Berechtigten notwendig.[423] Es muß der persönlichen
Entscheidung des Schuldners überlassen bleiben, ob er sich durch den bloßen Hinweis auf
den Zeitablauf von der Schuld befreien möchte, obwohl die Verpflichtung sonst
zweifelsfrei besteht. Vor allem in früherer Zeit wurde die Berufung auf die Verjährung
für unehrenhaft gehalten. Bei dem Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB ist die
Berufung auf dieses Leistungsverweigerungsrecht ebenfalls einleuchtend, da es dem Willen
des Einredeberechtigten überlassen bleiben muß, ob und welche seiner Forderungen er für
das Zurückbehaltungsrecht heranziehen möchte. Man kann daher die Ausgestaltungen der Einrede als
Kann-Recht nicht grundsätzlich als verfehlt ansehen und die Geltendmachung
dieser Rechte für überflüssig halten. Dieses Ergebnis schließt allerdings nicht aus,
daß bei einzelnen Vorschriften diese Ausgestaltung auf einem gesetzgeberischen Irrtum
beruht und aus diesem Grunde die Entscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich der Einordnung
dieser Normen als Einreden nicht akzeptiert werden kann. Bei der Einrede des nicht erfüllten Vertrages oder der
Stundungseinrede beispielsweise ist äußerst fraglich, ob die gesetzgeberische Wertung
sinnvoll ist.[424] Allerdings können diese
Normen, bei denen das Erfordernis der Geltendmachung nicht mehr für sinnvoll gehalten
wird, nicht als Einreden i. S. d.
BGB angesehen werden, da der Gesetzgeber die Einrede durch das Erfordernis der
Geltendmachung charakterisiert hat. Diese Rechtsfortbildung bewirkt daher, daß man sich bei diesen
Vorschriften von der gesetzgeberischen Grundentscheidung gelöst hat und nicht mehr von
einer Einrede ausgeht. In der Literatur wird
zwar weiterhin fälschlicherweise von einem Einredetatbestand gesprochen, auch wenn von
der Ausübung abgesehen wird.[425] Dieses ist in einer
gewissen Weise verständlich, da diese Rechte nur eine Hemmung des Anspruchs und nicht den
Untergang des Anspruchs bewirken. Dieses Problem wird vor allem bei der Einrede des nicht
erfüllten Vertrages deutlich. Bei dieser Norm wird ausführlich diskutiert, ob die
anspruchsbeschränkende Wirkung nicht auch ipso iure eintreten sollte, es ist aber
undenkbar, daß diese Norm eine rechtshindernde oder rechtsvernichtende Wirkung hat und
damit den Untergang des Anspruchs bewirken könnte. Eine Einordnung unter den
Einredebegriff des BGB scheidet aber aus, da das Erfordernis der Geltendmachung wie
eben dargelegt- ein Kriterium des Einredebegriffs darstellt. Diese Rechte können dann nur
noch als rechtshemmende Umständen angesehen werden. Im Ergebnis ist daher die Entscheidung der Gesetzverfasser zu
akzeptieren, die den Einredebegriff durch das Erfordernis der Geltendmachung
gekennzeichnet hat.[426] Neben der Anspruchshemmung
stellt die Ausübung der Einrede damit ein zweites einheitliches Kriterium dar. Man könnte jetzt natürlich die Ansicht vertreten, daß auch
bei dieser Begriffsbildung keine einheitliche Lösung des Einredestreits möglich ist, da
anhand jeder einzelnen Vorschrift entschieden werden muß, ob sie noch eine Einrede
i. S. d. des BGB darstellt. Es besteht aber ein erheblicher Unterschied zu dem
vorherigen Lösungsansatz. Es wird bei dieser Auffassung von einem einheitlichen
Einredebegriff ausgegangen. Die Einschätzung, ob eine Vorschrift eine Einrede darstellt,
wird aus der Diskussion ausgelagert und muß vorab entschieden werden. Dadurch eröffnet
sich die Möglichkeit aufgrund einheitlicher Kriterien den Meinungsstreit in seinen
Grundsätzen zu erfassen und die Ansichten herauszufiltern, die sich nur mit der
Einordnung einer Vorschrift als Einrede befassen. bb) Eigene Auffassung
Steht danach fest, daß die Hauptwirkung nur durch Ausübung
des Einrederechts eintritt, so stellt sich die Frage, ob für das Zustandekommen der
sonstigen Wirkungen und damit für die Folgen des Schuldnerverzuges dasselbe gilt wie
hinsichtlich der Hauptwirkung. Diese Frage bildet den Ausgangspunkt für die Entscheidung
des Meinungsstreits Einrede und Schuldnerverzug. Anhand der eben
festgestellten Kriterien einer Einrede ist eine Auseinandersetzung mit den Begründungen
der unterschiedlichen Auffassungen möglich. Die Argumentation, daß die Hauptwirkung der
Einrede ipso iure einträte, gehört dabei wie eben dargelegt- zur Diskussion des
Einredebegriffs und ist daher von dieser Diskussion zu trennen. Es soll im folgenden
zuerst das Verhältnis der peremptorischen Einreden zu dem Schuldnerverzug erörtert
werden, da diese die stärkste Wirkung entfalten. Die ältere Auffassung führte u.a. als Begründung für den
Ausschluß der Verzugshaftung bei einer einredebehafteten Forderung an, daß diese nicht
fällig sei. Es ist aber mit dem geltendem Recht unvereinbar, die Fälligkeit der
Forderung bei Bestehen einer Einredelage auszuschließen. Es muß zwischen der Fälligkeit
einer Forderung und der Wirkung einer Einredelage unterschieden werden. Oertmann hat
überzeugend dargelegt, daß aus systematischen Gründen der Einredetatbestand die
Fälligkeit einer Forderung nicht ausschließen kann.[427]
Würde der Einredetatbestand schon die Fälligkeit beseitigen, wäre beispielsweise die
Vorschrift des § 390 BGB überflüssig, da dann mangels Fälligkeit die Aufrechnung
schon an § 387 BGB scheitern müßte. Ein ähnliches Beispiel stellt die Einrede der
Verjährung dar. Die Verjährungsfrist beginnt nach ganz überwiegender Ansicht erst, wenn
der Anspruch fällig ist. Die Fälligkeit stellt eine Voraussetzung der
Verjährungseinrede dar. Es wäre aus diesem Grunde widersprüchlich, mit Eintritt der
Verjährung die Fälligkeit als Voraussetzung dieser Einrede auszuschließen.[428] Im Prozeß kommt die Unabhängigkeit von Einrede und Fälligkeit
ebenso zum Ausdruck. Die Fälligkeit gehört zu den klagebegründenden Voraussetzungen,
die der Richter im Prozeß von Amts wegen zu beachten hat. Würde die Einredelage die
Fälligkeit ausschließen, so wäre sie stets von Amts wegen zu prüfen, der Beklagte muß
sich aber auf seine Einrede berufen und sie als Gegenrecht in den Prozeß einführen.[429] Teilweise wurde die Argumentation angeführt, daß der Schuldner
die Leistungsverzögerung nicht zu vertreten habe, wenn ihm ein
Leistungsverweigerungsrecht zur Verfügung stehe. Würde man bei einer einredebehafteten
Forderung das Vertretenmüssen verneinen, so würde das bedeuten, daß der Schuldner
pflichtgemäß handelt, indem er nicht leistet, es aber auch unterläßt, die Einrede zu
erheben. Der Einredetatbestand würde als subjektiver Entschuldigungsgrund dienen. Solche
kommen aber erst an zweiter Stelle in Betracht und zwar nur dann, wenn eine Rechtspflicht
zur Leistung objektiv vorhanden ist. Das Eingehen auf die subjektiven
Entschuldigungsgründe setzt voraus, daß an erster Stelle bei einer einredebehafteten
Forderung die objektive Leistungspflicht bejaht werden kann.[430] Diese Fragestellung ist
vorab zu untersuchen. Es ist zu prüfen, ob die Rechtsordnung bei einem
Leistungsverweigerungsrecht die Leistungspflicht aufrechterhalten will. Wird allerdings
eine Leistungspflicht bejaht, so kann sie nicht durch den Einredetatbestand entschuldigt
werden.[431] Dieses würde eine Umgehung
der festgestellten Leistungspflicht darstellen. Als subjektive Entschuldigungsgründe
könnte dann allenfalls angeführt werden, daß der Schuldner entschuldbar von dem
Vorhandensein eines Einrederechts ausgegangen ist.[432] Die Verneinung des Vertretenmüssens ist damit
nicht der richtige Ansatz, um den Ausschluß des Schuldnerverzuges bei einer
einredebehafteten Forderung zu begründen.
Bei Geltendmachung der Einrede wird der Verzug auch nicht wegen des fehlenden Verschuldens
ausgeschlossen, sondern wegen der nicht mehr bestehenden Leistungspflicht. Die Wirksamkeit der Forderung stellt ein ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal des Verzuges dar. Ist eine Forderung beispielsweise unter einer
aufschiebenden Bedingung abgeschlossen und liegt der Bedingungseintritt noch nicht vor, so
fehlt die Wirksamkeit der Forderung. Ebenso wird eine Forderung mit einer noch nicht
vorhandenen behördlichen Genehmigung behandelt.[433]
In den angegebenen Beispielsfällen ist es allgemein verständlich, daß der Schuldner bei
Nichtleistung nicht als säumig anzusehen ist, da eine Rechtspflicht zur Leistung fehlt.
Bei einer einredebehafteten Forderung besteht dagegen auf dem ersten Blick unstrittig eine
Leistungsnotwendigkeit; der Schuldner wird im Prozeß bei unterlassener Einredeerhebung
zur Leistung verurteilt. Trotz dieser Leistungspflicht ist zu diskutieren, ob eine
einredebehaftete Forderung als wirksame Forderung i. S. d. des Schuldnerverzuges
bezeichnet werden kann. Dieses Tatbestandsmerkmal ist aufgrund seiner fehlenden
gesetzlichen Festlegung der Abwägung zugänglich. Aus diesem Grunde kann hier die
Abwägung einfließen, ob es gerechtfertigt ist, einen Schuldner den Nachteilen des
Schuldnerverzuges auszusetzen. Ist nämlich der Schuldner trotz einer Verpflichtung zur
Leistung jederzeit berechtigt, die Erfüllung zu verweigern, so stellt sich die Frage, ob
es sachgemäß ist, ihn den Sanktionen des Verzuges auszusetzen. Bevor auf diese allgemeine Abwägung einzugehen ist, ist zu
untersuchen, ob nicht gesetzliche Vorschriften Anhaltspunkte für den Ausschluß der
Verzugsfolgen liefern. Hierbei ist einmal an § 390 BGB zu denken. Nach dieser
Vorschrift ist die Aufrechnung bei Bestehen einer Einrede ipso iure ausgeschlossen, ohne
daß der Einredeberechtigte sein Verweigerungsrecht ausüben muß. In Analogie zu dieser
Vorschrift könnte der Verzugsauschluß begründet werden. Larenz verwendet diesen Begründungsansatz für
seine Auffassung.[434] Die ipso iure Wirkung bzgl.
des Aufrechnungsverbotes ist aber nicht auf den Schuldnerverzug übertragbar, da
§ 390 BGB wegen der spezifischen Folgen der Aufrechnung notwendig ist. Diese
Vorschrift ist erforderlich, um dem Einredeberechtigten die Möglichkeit zu erhalten, sein
Einrederecht auszuüben. Aufgrund der Vollstreckungswirkung der Aufrechnung, die zum
Erlöschen der Forderungen führt, würde sonst mit der Aufrechnungserklärung die Einrede
untergehen. Dieser Schutz des Einredeberechtigten ist beim Schuldnerverzug nicht
notwendig. Der Schuldner verliert nicht sein Einrederecht, wenn er sich im Schuldnerverzug
befindet. Vielmehr steht es in seiner Disposition, sich weiterhin auf sein Einrederecht zu
berufen und die Hemmung des Anspruchs herbeizuführen. Es kann daher nicht von einer
ähnlichen Interessenlage ausgegangen werden, so daß eine Analogie zu § 390 BGB
nicht gerechtfertigt ist.[435] Auch § 410 I S. 2 BGB und § 1160 II
BGB, die die Unwirksamkeit der Mahnung anordnen, wenn der Einredeberechtigte die Mahnung
aufrund des Einrederechts zurückweist, sind nicht auf die peremtporischen
Leistungsverweigerungsrechte übertragbar. Bei diesen Zurückbehaltungsrechten ist nach
den gesetzlichen Regelungen in § 410 I S. 2 BGB und § 1160 II
BGB die Verzugshaftung durch das Bestehen
dieser Einredetatbestände ausdrücklich nicht
ausgeschlossen, so daß der Schuldner in Verzug gerät, wenn er seine Rechte nicht geltend
macht. Diese Leistungsverweigerungsrechte sind dadurch gekennzeichnet, daß durch die
Erhebung der Einreden ein erwünschtes Verhalten des Gläubigers erzwungen werden soll und
der Gläubiger die Möglichkeit hat, durch Vornahme der entsprechenden Handlung die
Einrede abzuwehren und die Leistung anschließend unbeschränkt zu verlangen. Diese
Einreden sind daher nach ihrem rechtspolitischen Zweck nur dazu da, um Druck auf den
Gläubiger auszuüben. Der Schuldner muß in diesen Fällen dem Gläubiger die Gelegenheit
bieten, das erwünschte Verhalten vorzunehmen, indem er sich auf die Einrede beruft. Diese
Einreden haben aus der eben angeführten Abwehrmöglichkeit des Gläubigers eine
wesentliche schwächere Wirkung als die dauernden Leistungsverweigerungsrechte, so daß
eine Analogie ausscheidet Eine andere Frage ist, ob diese Regelungen auf die Einreden
analog anwendbar sind, die ebenfalls durch Handlungen des Gläubigers abgewendet werden
können.[436] Weitere gesetzliche Vorschriften sind nicht vorhanden, die zu
einer Klärung des Meinungsstreits Einrede und Schuldnerverzug beitragen
könnten. Es ist daher auf die Abwägung einzugehen, ob es gerechtfertigt ist, bei einer
einredebehafteten Forderung den Schuldner den Verzugsfolgen auszusetzen. Kipp führt aus, daß
die Nachteile des Verzuges nur den treffen sollten, der widerspruchslos erfüllen müsse.
Eine derartige Pflicht habe der Einredeberechtigte nicht.[437]
Außerdem könne nur durch den Verzugsausschluß bei Bestehen eines Einrederechts das
Rücktrittsrecht nach § 326 BGB verhindert werden.[438] Dieses erscheint auf den
ersten Blick einleuchtend. Der Verzug dient dazu, den Schuldner zu einer rechtzeitigen
Leistung anzuhalten, indem die Leistungsverzögerung negative Rechtsfolgen auslöst. Hat
der Gesetzgeber den Schuldner mit einem Recht ausgestattet, die Leistung zu verweigern, so
erscheint es auch rechtspolitisch nicht gerechtfertigt, den Schuldnerverzug und damit die
negativen Rechtsfolgen auszulösen. Diese Wertung ist zwar rechtspolitisch sinnvoll; es wird aber
das Institut der Einrede als Verweigerungsrecht nicht hinreichend beachtet. Dem Schuldner
wird durch die Einrede ein Recht zur Verfügung gestellt, das ihm eine Wahlmöglichkeit
eröffnet, um seine persönliche Entscheidungsbefugnis zu wahren und ihn vor Nachteilen zu
schützen. Es ist dem Einredeberechtigten aus diesem Grunde wohl zuzumuten, den Gläubiger
durch Geltendmachung der Einrede über die beabsichtigte Leistungsverweigerung zu
informieren[439] und ohne Ausübung der
Einrede keine für den Schuldner günstigen Wirkungen anzuerkennen. Es ist daher
gerechtfertigt, die Berücksichtigung der Einrede in jeder
Beziehung von dem Willen des Berechtigten abhängig zu machen, sowohl für die Hauptsache
als auch für die Verzugsansprüche. Der Einredeberechtigte ist materiell-rechtlich ohne
Einschränkung als Schuldner anzusehen, so daß die bloße Möglichkeit der Ausübung des
Verweigerungsrechts die Verzugsbegründung nicht verhindern kann.[440] Außerdem ist zu berücksichtigen, daß dem Gläubiger das
Vorhandensein der Einrede nicht bekannt sein kann, so daß die Nichtausübung der Einrede
leicht zu einer Schädigung des Gläubigers führen kann, da er auf Erfüllung vertraut
hat Aber auch im entgegengesetzten Fall werden schutzwürdige Interessen des Gläubigers
berührt, da er aus dem Schweigen des Schuldners leicht die Schlußfolgerung ziehen
könnte, dieser wolle die ihm zustehende Einrede überhaupt nicht mehr geltend machen.[441] Sollte dem Schuldner das Einrederecht ausnahmsweise nicht
bekannt sein, so kommt ein abweichenden Ergebnis nicht in Betracht. Der Schuldner wäre
gerade in dieser Situation nach seinen Vorstellungen zu unbeschränkten und sofortigen
Leistung verpflichtet. Darüber hinaus zeigt der Vergleich der rechtshindernden und
rechtsvernichtenden Einwendungen, daß der Ausschluß des Verzuges bei einer
einredebehafteten Forderung nicht gerechtfertigt ist. Bei den Einwendungen, die ebenfalls
geltend gemacht werden müssen (wie Aufrechnung, Anfechtung), steht unstrittig fest, daß
allein das Bestehen dieser Rechte nicht zum Verzugsauschluß führt. Für die Aufrechnung
ergibt sich diese Rechtsfolge aus § 554 I Nr. 2 BGB. Die Kündigung des
Vermieters kann nachträglich durch Aufrechnung unwirksam werden, d. h. die
Aufrechnungslage verhindert nicht den Eintritt des Verzuges des Mieters. Wenn selbst diese
Einwendungen, die aufgrund ihrer Erlöschenswirkung stärkere Rechte als Einreden
darstellen, nicht den Verzugsauschluß begründen, ist es widersprüchlich, bei einer
Einredelage einen Verzugsauschluß anzunehmen. Entgegen der Auffassung von Diederichsen kann der
Rechtfertigungsgehalt der einzelnen Einreden in diese Abwägung nicht
einfließen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Argumentation von Diederichsen stützen könnten, der zwischen den
einzelnen Einreden unterscheidet und im Einzelfall die Wirksamkeit der Forderung
ausschließt. Diederichsen differenziert nach
dem Rechtfertigungsgehalt der einzelnen Einreden und bestimmt danach, ob eine
Leistungspflicht i. S. d. § 284 BGB vorliegt. Anhand seiner Begründung
wird deutlich, daß seine Diskussion sich mit der Vorfrage beschäftigt, ob überhaupt die
einzelnen Regelungen Einreden darstellen. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages und
die Stundungseinrede werden beispielsweise nach seinen Ausführungen -wie schon kurz
dargelegt- nicht als Einreden i. S. d. BGB angesehen, da ein Berufen auf diese
Verweigerungsrechte auch für die Herbeiführung der Anspruchshemmung nicht erforderlich
sei. Diederichsen geht bei diesen Vorschriften
nicht von Einreden i. S. d. BGB aus, da nach seiner Ansicht bei diesen
Vorschriften eine Geltendmachung überflüssig sei Diese Argumentation befaßt sich mit
dem Problem, ob eine Vorschrift eine Einrede darstellt und ist von der Diskussion
Einrede und Schuldnerverzug zu trennen.. Es ist demnach nicht der
Rechtfertigungsgehalt jeder einzelnen Einrede für den Verzugsausschluß entscheidend,
vielmehr wird anhand des Rechtfertigungsgehalts bei Diederichsen
nur festgestellt, ob die Vorschrift weiterhin ein Kann- Recht und damit eine
Einrede darstellt. Außerdem treten gerade bei § 320 BGB und der
Stundungseinrede weitere Widersprüchlichkeiten innerhalb seiner Argumentation auf. Nach
seiner Meinung reicht das Bestehen der Einrede für den Verzugsausschluß aus, wenn die
Forderung schon ihrerseits in sich ungerechtfertigt sei. Bei der Einrede des
nicht erfüllten Vertrages und der Stundungseinrede vertritt er aber die Meinung, daß das
Bestehen dieser Einreden schon den Verzugsauschluß bewirken würden.[442] Die Forderungen sind bei
diesen Einreden aber nicht ihrerseits in sich ungerechtfertigt. Gerade die
Einrede des nicht erfüllten Vertrages soll nach ihrem rechtspolitischen Zweck nicht dazu
dienen, die Leistungspflicht des Schuldners zurückzuhalten, sondern nur dazu, um einen
Erfüllungsdruck auf den Gläubiger auszuüben.[443]
Gerade bei diesen Vorschriften wird deutlich, daß Diederichsen
von der Geltendmachung grundsätzlich absehen möchte und dadurch den Verzugsausschluß
begründet. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß unter keinem Gesichtspunkt
ein Ausschluß der Verzugsfolgen bei einer einredebehafteten Forderung ohne Geltendmachung
gerechtfertigt ist. Dieses Ergebnis vermeidet auch die Widersprüchlichkeiten der ältere
Auffassung, die mit Bestehen eines Einrederechts den Verzugseintritt verneinte.[444] Der Tatbestand der
peremptorischen Einrede ist damit nicht geeignet, den Eintritt des Verzuges zu verhindern.
Dieses Ergebnis kann auf die schwächeren Einreden übertragen werden. Aus der
Argumentation a maiore ad minus ergibt sich, daß bei den schwächeren Einredewirkungen
erst recht die Geltendmachung für den Verzugsauschluß erforderlich ist und der bloße
Einredetatbestand keine verzugsauschließende Wirkung entfaltet. |