4. Eigene Ansicht
Welche Funktion der Mahnung im römischen Recht zukam, wurde
im Gegensatz zu der Mahnungsfunktion im Bürgerlichen Gesetzbuch lebhaft diskutiert. Die
Diskussion läßt sich im gemeinen Recht in zwei Richtungen einteilen. Für die eine Seite
ist die Mahnung schon für die objektive Rechtsverletzung entscheidend. Ohne feste
Zeitbestimmung führe die bloße Verzögerung der Leistung wegen fehlender
Rechtsverletzung nicht zum Verzugseintritt. Die andere Auffassung ordnet die Mahnung dem
persönlichen Moment der mora zu. Die Mahnung diene dazu, die Leistungsverzögerung dem
Schuldner zuzurechnen. Diese unterschiedlichen Deutungen der Mahnungsfunktionen führen zu
erheblichen Konsequenzen bei der Entscheidung, in welchen Fällen die Mahnung entbehrlich
ist. Wäre die Mahnung für den Eintritt der Rechtsverletzung erforderlich, da bei
unbestimmter Leistungszeit noch keine Leistungspflicht vorläge, so könnte Verzug ohne
Mahnung nur in ganz begrenzten Ausnahmefällen eintreten und zwar in den Fällen, bei
denen die Rechtsverletzung auf andere Weise sichergestellt wäre, beispielsweise bei
Verbindlichkeiten, denen ein fester Leistungstermin zugrunde läge. Würde die Mahnung
dagegen nur ein Kriterium für das Vertretenmüssen darstellen, so wären keine Argumente
ersichtlich, den Verzugseintritt ohne Mahnung auf bestimmte Fälle zu begrenzen. Dem
Gläubiger müßte die Möglichkeit offenstehen, auch ohne Mahnung nachzuweisen, daß dem
Schuldner die Leistungsverzögerung zuzurechnen wäre. Aufgrund dieser weitreichenden Konsequenzen ist es
verwunderlich, daß die Diskussion nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht
fortgeführt wurde, sondern daß ohne weitere Begründung die Auffassung von Mommsen übernommen wurde. Man könnte annehmen,
daß der Streit wie bei dem Verschuldenserfordernis durch die Gesetzesfassung entschieden wurde und so die fehlende
Auseinandersetzung zu erklären wäre. Dies ist allerdings nicht der Fall. Einmal finden
sich in den Gesetzesbegründungen keine Hinweise, daß der Gesetzgeber sich mit diesem
Problem auseinandergesetzt hat, auf der anderen Seite ist der gesetzliche Wortlaut für
andere Auslegungen zugänglich, so daß die Diskussion durch die Gesetzesfassung nicht
abgeschnitten wurde.[76] Im Gegensatz zu der Lehre der Warnfunktion ist die
gesetzliche Systematik mit der in der Gesetzesbegründung enthaltenen Interpretation zu
erklären. Folgt man dieser historischen Auffassung, so liegt bei einer fälligen Leistung
i. S. d. § 284 I BGB ohne Aufforderung des Gläubigers keine
Leistungspflicht vor, so daß die verspätete Leistung nicht objektiv pflichtwidrig ist.
Es ist danach ohne weiteres einleuchtend, daß bei einer kalendermäßig nicht fixierten
Leistungszeit im Gegensatz zu der dauerhaften Nichterbringbarkeit der Leistung ein
zusätzliches Kriterium in Form der Mahnung nötig ist. Die Mahnung ist erforderlich, um
überhaupt eine Pflichtverletzung zu begründen. Diese in der Gesetzesbegründung enthaltene Auslegung kann
trotzdem nicht gefolgt werden, da in bestimmten Situationen mit dieser Interpretation
keine sachgerechten Ergebnisse erreicht werden. Anhand eines Beispiels soll dieses Problem
verdeutlicht werden. Einem Schuldner wird ein hohes unverzinsliches Darlehen mit der
Vereinbarung baldigster Rückzahlung ausgezahlt. Verstirbt der Gläubiger kurz darauf und
erfährt der Erbe erst zwanzig Jahre später von der Forderung, so folgt konsequenterweise
aus dieser historischen Ansicht, daß der Verzug erst nach der Mahnung eintritt.[77] Ein Verzug ohne Mahnung kann
nach dieser Auslegung nicht begründet werden, da die Mahnung eine notwendige
Voraussetzung für den objektiven Tatbestand des Verzuges darstellt. Selbst wenn der
Schuldner von dem Todesfall Kenntnis hat und mit der Unkenntnis des Erben rechnet, kann er
das Kapital zwanzig Jahre nutzen, ohne dem Erben Verzugszinsen erstatten zu müssen. Ihm
kann kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er den Erben über die Forderung nicht
aufgeklärt hat, da er nach dieser historischen Auslegung ausdrücklich dazu berechtigt
ist, auf eine Aufforderung des Gläubigers zu warten und keine Verpflichtung zur Leistung
besteht. Ein ähnliches Beispiel besteht in den Fällen, in denen der Gläubiger die
Forderung über einen längeren Zeitraum vergessen hat. Liegen keine Handlungen des
Schuldners vor, mit denen er eine Mahnung der Gläubigers treuwidrig verhindert hat, so
sind in keine Ansatzpunkte vorhanden, aus denen in den angegebenen Beispielsfällen ein
Schadensersatzanspruch, beispielsweise aus § 826 BGB oder § 823 II BGB
i. V. m. § 263 StGB hergeleitet werden könnte. Die Beispielsfälle verdeutlichen die entscheidende Kritik an
dieser Deutung der Mahnung. Da die Mahnung nach der eben genannten Auffassung für den
Eintritt der objektiven Pflichtverletzung erforderlich ist, ist der Verzugseintritt ohne
Mahnung bei kalendermäßig nicht fixierter Leistungszeit grundsätzlich ausgeschlossen.
Außerhalb der gesetzlich festgelegten Ausnahmeregel des § 284 II BGB kann der
Schuldner mit einer verspäteten Leistung nur nach vorheriger Aufforderung des Gläubigers
in Verzug gesetzt werden. Daß mit dieser Auslegung der Mahnungsfunktion in bestimmten
Situationen ein interessengerechtes Ergebnis nicht erreicht werden konnte, haben die
beiden Beispielsfälle aufgezeigt. Zuzugeben ist zwar, daß mit der Deutung ein in der
Theorie harmonisches Gebilde erreicht wird. Das Erfordernis der Mahnung als Voraussetzung
für die Pflichtverletzung und der daraus folgenden Verzugsauslegung widerspricht aber den
Interessen der Parteien und der Verkehrssitte. Daß die historische Auslegung zu eng ist
und nicht den Lebensumständen entspricht, verdeutlichen auch die Entscheidungen der
Rechtsprechung. In der Rechtsprechung sind die Ausnahmefälle der Entbehrlichkeit
der Mahnung erheblich erweitert worden.[78]
Die vom Gesetzgeber vorgegebene Mahnungsfunktion ist aus diesem
Grunde kritisch zu betrachten. Die Inhaltsvorstellung des Gesetzgebers ist keinesfalls
verbindlich. Sie ist zwar bei der Auslegung heranzuziehen und zu beachten. Letztlich
entscheidend ist aber der Zweck der Norm, an den die Rechtsanwendung gebunden ist.[79] Wie eben deutlich wurde, ist für die Deutung der
Mahnungsfunktion auf der objektiven Tatbestandsebene der Begriff Fälligkeit entscheidend,
da anhand diesem Merkmal zu klären ist, ob bei einer fälligen Leistung schon eine
Leistungspflicht besteht, und auf der subjektiven Ebene das Vertretenmüssen. Anhand
dieser Verzugsvoraussetzungen sind die Aufgaben der Mahnung für das gegenwärtige
Schuldrecht zu ermitteln. a) Fälligkeit
Bei jedem Schuldverhältnis gehören zum Leistungsinhalt eine
gegenständliche sowie eine örtliche und zeitliche Seite. Die Leistungszeit ist neben den
beiden anderen Kriterien wesentlicher Bestandteil der Leistung. Eine Leistung ohne
bestimmte oder bestimmbare Leistungszeit wäre unvollständig. Die Fälligkeit bezieht
sich auf die zeitliche Seite der Obligation.[80] Die Fälligkeit kann durch Gesetz, so
beispielsweise bei der Miete (§ 551 BGB), der Leihe (§ 604 BGB), dem
Dienstvertrag (§ 614 BGB) und bei Unterhaltsansprüchen (§ 1612 III BGB)[81] oder durch
Parteivereinbarung bestimmt werden. Ist die Leistungszeit weder durch Gesetz noch durch
Parteiabrede bestimmt, so kann sie aus den Umständen, etwa aus dem Inhalt oder Zweck des
Schuldverhältnisses, bestimmbar sein. Sonst ist § 271 I BGB anzuwenden, wonach
der Gläubiger von dem Schuldner die Leistung sofort
verlangen kann.[82] Diese Fälligkeitsregel ist
für die Mahnungsfunktion interessant, da nach § 284 II BGB bei kalendermäßig
bestimmter oder bestimmbarer Leistungszeit der Verzug ohne Mahnung eintritt, so daß nur
die Fälligkeitsregel nach § 271 I BGB für die Auslegung heranzuziehen ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 271 I BGB kann
der Gläubiger von dem Schuldner die Leistung sofort
verlangen. Sofort heißt aber nicht notwendig
auf der Stelle, vielmehr muß dem Schuldner entsprechend der jeweiligen Umstände eine
Vorbereitungszeit belassen bleiben. Besonders deutlich wird das Erfordernis einer
Vorbereitungszeit beim Werkvertrag. Fehlt eine Terminvereinbarung, so hat der Unternehmer
das Werk gem. § 271 I BGB sofort herzustellen, d. h.
sofort mit der Aufnahme der Arbeiten zu beginnen. Es ist für den Unternehmer
aber grundsätzlich nicht zumutbar, direkt und unmittelbar nach Vertragsschluß mit der
Herstellung zu beginnen. Sonst müßte er seine gesamten Kapazitäten für diesen Auftrag
freihalten und dürfte auch bereits vorher abgeschlossene Verträge nicht mehr erfüllen.[83] Dem Unternehmer muß daher
eine angemessene Vorlaufzeit gewährt werden, die sich an den Umständen des Einzelfalls
orientiert. In der Verdingungsordnung für Bauleistungen wurde aus diesem Grunde eine
entsprechende Regelung aufgenommen. Nach § 5 Nr. 2 VOB/B wird dem Unternehmer
eine 12-tägige Anlaufzeit gewährt. Im Gegensatz zu dieser Regelung der
Verdingungsordnung ist im BGB eine Vorlaufzeit nicht ausdrücklich vorgesehen.[84] Unter sofort ist aus diesem Grunde zu verstehen,
daß der Gläubiger die Leistung verlangen kann, sobald der Schuldner die Leistung unter
Berücksichtigung der im allgemeinen erforderlichen Vorbereitungszeit bewirken kann.[85] In den Motiven wurde die
Einräumung dieses modicum tempus ausdrücklich hervorgehoben. Der Grundsatz, daß dem
Schuldner ein modicum tempus zur Bewirkung der Leistung gelassen werden müsse, den die
alten landesrechtlichen Rechtsordnungen noch enthielten, wurde im BGB als
selbstverständlich weggelassen.[86] aa) Besteht bei
Fälligkeit eine Verpflichtung des Schuldners zur sofortigen Leistung oder nur eine
Berechtigung?
Fraglich ist, ob dem sofortigen Leistungsverlangen des
Gläubigers auch eine sofortige Leistungspflicht des Schuldners bei Eintritt der
Fälligkeit nach § 271 I BGB gegenübergestellt werden kann. Wie schon bei den Ansichten über die Mahnungsfunktionen
ausgeführt wurde, geht der Gesetzgeber von unterschiedlichen Zeitstufen aus. Fälligkeit
i. S. d. § 271 BGB bedeutet nach den Gesetzesbegründungen nur, daß der
Gläubiger die Leistung nach einer gewissen Vorbereitungszeit sofort verlangen könne. Im
Gegenzug sei der Schuldner bei einer fälligen Leistung zwar zu einer sofortigen Leistung
berechtigt, es sei denn, daß dem Gläubiger eine sofortige Empfangnahme nicht zugemutet
werden könne, da ihm eine gewisse Zeit zum Empfang und zur Vorbereitung der Annahme
gelassen werden müsse. Den Schuldner treffe aber keine Verpflichtung zur Leistung.[87] Der Gesetzgeber ging demnach davon aus, daß bei
einer fälligen Leistung i. S. d. § 271 I BGB der Schuldner nur zur
Leistung berechtigt und nicht auch zur Leistung verpflichtet sei. In diesem Sinne verstand auch die ältere Rechtswissenschaft den
Fälligkeitsbegriff. Bei einfacher Fälligkeit sei der Schuldner nicht verpflichtet, ohne
Aufforderung des Gläubigers zu leisten.[88] Dem Wesen der Fälligkeit
entspreche es vielmehr, daß der Schuldner sich nur zur Leistung bereit halten müsse und
bei Aufforderung ohne Gewährung einer weiteren Vorbereitungszeit zur Erfüllung
verpflichtet sei. Mit Aufforderung zur Leistung werde die Schuld vollfällig, d. h. ab
diesem Zeitpunkt trete ein Leistenmüssen auch ohne weitere Aufforderung ein. Der Mahnung
komme demnach die Aufgabe zu, den Übergang von der einfachen Fälligkeit zur
Vollfälligkeit festzulegen, also den Übergang von der bloßen Leistungsberechtigung zur
Leistungspflicht. Weiter wird ausgeführt, daß durch die Mahnung die in gewissem Umfang
noch unbestimmte Leistungszeit festgesetzt werde. Dementsprechend wird bei einer schon
bestimmten oder bestimmbaren Leistungszeit in den Fällen des § 284 II BGB von
einer vollfälligen Leistung gesprochen.[89]
Dieser Auslegung der Fälligkeit sind schon kurz nach
Inkrafttreten des BGB einige Autoren entgegengetreten, allerdings ohne daraus Konsequenzen
für die Mahnung und den Verzug zu ziehen.[90]
Es wurde vor allem die fehlende Übereinstimmung mit den in der Praxis vorkommenden
Vereinbarungen kritisiert und das Recht des Schuldners, ohne Aufforderung des Gläubigers
untätig zu bleiben, als theoretisches Konstrukt bemängelt. Nach dieser Ansicht enthält
eine fällige Leistung i. S. d. § 271 I BGB die Verpflichtung des
Schuldners zu einer gegenwärtigen sofortigen Leistung. Der Schuldner sei auch ohne
Aufforderung zur Erfüllung verpflichtet. Die Leistungszeit solle in der Regel nicht nur
eine Berechtigung des Gläubigers markieren, sondern sei der Zeitpunkt, von dem an der
Schuldner Leistungsaktivität zu entfalten habe.[91] Das Verständnis der Fälligkeit ist für die Bedeutung der
Mahnung entscheidend. Wird bei einer fälligen Leistung im Gegensatz zu der historischen
Auffassung von einer Leistungspflicht des Schuldners ausgegangen, so kann der Mahnung
nicht mehr die Bedeutung zukommen, den Übergang der Leistungsverzögerung in eine
Rechtsverletzung zu markieren. Eine objektive Pflichtwidrigkeit wäre dann auch schon ohne
Mahnung bei einer verspäteten Leistung gegeben. Bei der Auslegung der gesetzlichen
Vorschriften ist man an die historische Inhaltsvorstellung des Gesetzgebers, wie eben
schon kurz ausgeführt, nicht gebunden. Die historische Auslegung ist neben der
Wortlautauslegung sowie der systematischen und objektiv-teleologischen Auslegung nur eines
von mehreren Auslegungskriterien. Entspricht die ratio eines Gesetzes nicht den
Inhaltsvorstellungen des Gesetzgebers, so ist der Zweck des Gesetzes vorrangig zu
beachten.[92] Der Wortlaut des § 271 BGB führt bei der Auslegung nicht
weiter. Zwar lautet die Formulierung in § 271 BGB, daß der Gläubiger berechtigt
sei, die Leistung sofort zu verlangen. Von einer Verpflichtung zur Erfüllung ist in dem
Gesetzestext keine Rede. Auf dem ersten Blick könnte man daher annehmen, eine
Leistungspflicht bestehe nicht. Betrachtet man aber die vom Wortlaut vergleichbaren
Vorschriften der § 194 I BGB und § 241 BGB, so zeigt sich, daß die
Annahme einer Leistungspflicht bei dieser Formulierung nicht gänzlich ausgeschlossen ist.
In den Vorschriften (§§ 194, 241 BGB) wird ebenso wie bei § 271 BGB nur von
einer Berechtigung des Gläubigers, ein Tun oder Unterlassen von dem Schuldner verlangen
zu können, gesprochen. Nach ganz allgemeiner Auffassung wird bei diesen Normen aber als
Kehrseite zu dieser Berechtigung eine Leistungspflicht bejaht. Dem Forderndürfen des
Gläubigers entspricht auf der Seite des Schuldners ein Leistenmüssen.[93] Anhand des Wortlauts des
§ 271 I BGB kann aus diesem Grunde keine Entscheidung getroffen werden, da
dieser wie der Vergleich mit den im Grunde synonymen Formulierungen der Vorschriften
§§ 194, 241 BGB verdeutlicht- mit beiden Auslegungen vereinbar ist. Da der Wortsinn des Gesetzes nicht weiterhilft, ist die ratio
des Gesetzes heranzuziehen. § 271 BGB gilt als Ausdruck des typischen Parteiwillens
und ist ergänzend als Rechtssatz anzuwenden, wenn eine gesonderte Vereinbarung nicht
vorhanden ist.[94] Sinn und Zweck der Norm ist es, eine Regelung
hinsichtlich der Leistungszeit bereitzustellen,
die dem typischen Parteiwillen und der Verkehrssitte entspricht.[95] Der Regelungsgehalt des
§ 271 BGB bezieht sich demnach nur auf die zeitliche Seite des Schuldverhältnisses,
indem eine sofortige Leistung angeordnet wird.
Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß die Norm sich auch auf die Verpflichtung zur
Leistung bezieht. Die Leistungsverpflichtung ergibt sich schon aus dem Schuldverhältnis
selbst (siehe § 241 BGB), so daß eine Regelungslücke, die durch die Zweifelsregel
auszufüllen wäre, nicht vorhanden ist. Ob eine Leistungsberechtigung oder -verpflichtung
anzunehmen ist, hängt demnach gar nicht mit der Auslegung des § 271 BGB zusammen,
da diese Entscheidung nicht in den Regelungsgehalt der Norm fällt. Die
Leistungsverpflichtung läßt sich deswegen auch nicht aus § 271 BGB ableiten; sie
ergibt sich aber aus § 241 BGB. Aus diesem Grunde besteht bei einer fälligen
Leistung gem. § 271 I BGB i. V. m. § 241 BGB eine Verpflichtung
zur sofortigen Leistung und nicht nur eine Berechtigung. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den Interessen der
Parteien. Bei einem Kaufvertrag beispielsweise entspricht es der Verkehrsitte, daß jede
Vertragspartei ohne Aufforderung zu leisten hat. Dieselbe Situation ist i. d. R. bei einem
Werkvertrag gegeben. Ein Reparaturauftrag ist grundsätzlich sofort auszuführen und nicht
erst mit Abruf des Auftraggebers zu beginnen. Eine bloße Berechtigung zur Leistung würde
daher der Vertragspraxis widersprechen. bb) Schlußfolgerung für die Funktion
der Mahnung
Im folgenden ist zu klären, welche Folgerungen daraus für
die Mahnung gezogen werden können. Der Mahnung kann nicht mehr die Aufgabe zukommen, den
Übergang von der bloßen Leistungsberechtigung zur Leistungspflicht zu charakterisieren
und den Zeitpunkt der Pflichtverletzung festzulegen. Trotzdem kann ihr eine Funktion auf
der objektiven Ebene nicht abgesprochen werden. Die fällige Leistung i. S. d. § 271 I BGB
ist durch den unbestimmten Rechtsbegriff der sofortigen
Leistung geprägt. Der Schuldner muß nach eigenem Ermessen abschätzen, ab welchem
Zeitpunkt seine Leistungspflicht eintritt. Wie schon dargelegt, steht ihm ein
Vorbereitungszeitraum zur Verfügung, auch wenn er die Leistung bei Vertragsschluß schon
vorbereitet haben sollte. Die Verpflichtung zur Leistung tritt erst nach Ablauf dieses
Zeitraumes ein.[96] Ebenso muß der Schuldner
abschätzen, ob dem Gläubiger genügend Zeit zur Vorbereitung der Annahme gelassen wurde und Annahmebereitschaft
seitens des Gläubigers angenommen werden kann. Beim Werkvertrag beispielsweise sind
teilweise erhebliche Mitwirkungspflichten des Gläubigers erforderlich, so daß dem
Gläubiger ein ausreichender Zeitraum zur Vorbereitung zu gewähren ist.[97] Aufgrund dieser Kriterien
ist es in vielen Fällen problematisch, für den Fälligkeitstermin einen bestimmten Tag
festzulegen. Vielmehr wird es in den überwiegenden Fällen nur möglich sein, einen
Zeitrahmen zu bestimmen, innerhalb dessen der Fälligkeitstermin eintritt. Aufgrund dieser
schwierigen Fixierung des Fälligkeitstermins ist dem Schuldner in diesem Zeitrahmen ein
Ermessenspielraum für die Erfüllung seiner Leistungspflicht zuzubilligen. An dieser
Stelle greift die Mahnung auf der objektiven Ebene ein. Der Gläubiger hat die
Möglichkeit, diesem Leistungsermessen durch Aufforderung zur Leistung ein zeitliche
Grenze zu setzen und den Termin für die Leistungszeit zu bestimmen. Die durch das
Ermessen des Schuldners begründete Schwebelage wird durch die Mahnung beendet.[98] Während des Schwebezustands
kann ohne Mahnung kein Verzug eintreten, da der Schuldner sich noch nicht pflichtwidrig
verhält, sondern er davon ausgehen darf, sich mit seiner Leistung noch Zeit lassen zu
können. Allerdings muß festgehalten werden, daß dem Leistungsermessen
des Schuldners auch ohne Aufforderung zur Leistung eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Das
Ermessen, bei dem der Schuldner nur an sich zur Leistung verpflichtet ist,
verdichtet sich von dem Zeitpunkt an zu einer aktuellen Leistungspflicht ohne weiteren
Spielraum, wenn nach der objektiven Verkehrsanschauung anzunehmen ist, daß dem Schuldner
nun genügend Zeit zur Vorbereitung der Leistung gelassen wurde und dem Gläubiger die
Annahme der Leistung zumutbar ist. Von diesem Zeitpunkt an ist für die objektive
Pflichtverletzung eine Mahnung nicht mehr notwendig. Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, daß grundsätzlich
bei Fälligkeit der Verbindlichkeit eine Leistungspflicht vorhanden ist, dem Schuldner
aber ein gewisser zeitlicher Spielraum für die Erfüllung zur Verfügung gestellt wird
und dieses Ermessen durch Leistungsaufforderung seitens des Gläubigers beendet werden
kann. b) Vertretenmüssen
aa) Einführung und Grundlagen
Grundsätzlich kommt der Schuldner trotz Vorliegen der
Verzugsvoraussetzung gem. § 285 BGB nicht in Verzug, wenn er die der
Leistungsverzögerung entgegenstehenden Hindernisse nicht zu vertreten hat. Als
Entschuldigungsgründe kommen dabei sowohl äußere Umstände wie Krankheit des
Schuldners, Einfuhrbeschränkungen etc. in Betracht als auch innere Tatsachen,
insbesondere die tatsächliche oder vermeintliche Ungewißheit über Bestehen und Umfang
der Schuld.[99] Ein Rechtsirrtum
entschuldigt den Schuldner allerdings nur dann, wenn er bei Wahrung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt mit einem Unterliegen im Rechtstreit nicht zu rechnen braucht.[100] Der Kreis der Umstände,
derentwegen sich der Schuldner durch den Nachweis des Vertretenmüssens von den
Verzugsfolgen befreien kann, wird durch § 285 BGB in keiner Weise eingeschränkt.[101] Welche Umstände der Schuldner dabei im einzelnen zu vertreten
hat, richtet sich nach §§ 276 ff BGB. Nach ganz überwiegender Ansicht ist
auch § 279 BGB auf den Verzug anzuwenden, allerdings mit der Einschränkung, daß
die Norm nur das typische Risiko der rechtzeitigen Beschaffung deckt, nicht aber die
Umstände, die den Gattungsschuldner ebenso unvorbereitet treffen wie einen
Stückschuldner.[102] Ferner folgt aus der
negativen Fassung des § 285 BGB, daß der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast
für das Nichtvertretenmüssen trägt. Der Schuldner hat die Tatsache, das die
Verzögerung nicht in seinen Verantwortungsbereich fällt, darzulegen und ggf. zu
beweisen.[103] Diese Beweislastverteilung
führt zu einer Abschwächung des Verschuldensprinzips in Richtung Garantiehaftung, da im
Falle eines non-liquet der Schuldner die Folgen dieser Beweislosigkeit zu tragen hat,
indem das Verschulden vermutet wird.[104] Fraglich ist, welche Bedeutung der Mahnung in bezug auf das
Tatbestandsmerkmal des Vertretenmüssens zukommt. An dieser Stelle könnte die Lehre der
Warnfunktion in Betracht kommen. Eine Warnung in Form der Mahnung wäre notwendig, wenn
trotz des Merkmals des Vertretenmüssens noch ein zusätzlicher Schutz für den Schuldner
erforderlich wäre, so daß ihm die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens durch die
ernsthafte Leistungsaufforderung zur Kenntnis gebracht werden müßte. Die
Widersprüchlichkeiten, die zu Beginn dieser Darstellung bzgl. der Aufgaben der Mahnung
angeführt wurden, sind allerdings bisher nicht ausgeräumt, da noch keine besonderen
Gründe ermittelt wurden, die eine zusätzliche Schutzbedürftigkeit des Schuldners beim
Schuldnerverzug im Verhältnis zu dem Leistungsstörungsinstitut der Unmöglichkeit
rechtfertigen könnten. Es wurde bei der Fälligkeit festgestellt, daß die Mahnung dem
Leistungsermessen eine Grenze setzt und den Leistungszeitpunkt bestimmt. Die Mahnung hat
aber nicht in jedem Fall eine Bedeutung für den objektiven Tatbestand des Verzuges. Ist
der Ermessenspielraum schon abgelaufen und hat sich die Leistungspflicht auch ohne
Aufforderung seitens des Gläubigers auf einen bestimmten Zeitpunkt verdichtet, so kann
der Mahnung nicht mehr die Funktion zukommen, die Leistungspflicht zu begründen. Eine
Änderung der objektiven Rechtslage durch die Mahnung ist in diesen Fällen
ausgeschlossen. Für diese Situation ist bisher noch keine weitere Mahnungsfunktion
festgestellt worden, so daß die Aufgaben der Mahnung noch nicht abschließend geklärt
sind. In der älteren Rechtswissenschaft war man sich einig, daß das
Kriterium des Vertretenmüssens durch die Mahnung beeinflußt wird.[105] Es herrschte allerdings
keine Übereinstimmung, in welcher Weise diese Beeinflussung ausgestaltet war. Mommsen sah die
subjektive Funktion der Mahnung darin, dem Schuldner der Einwand zu nehmen, daß der
Gläubiger die Erfüllung noch nicht erwartet habe und zur Annahme der Leistung noch nicht
bereit sei.[106] Mit der Mahnung werde dem
Schuldner ein Exkulpationsgrund verweigert. Eine derartige Auslegung steht nicht im
Einklang mit § 285 BGB. Diese Norm schränkt den Kreis der Leistungshindernisse
nicht ein,[107] so daß der Auffassung Mommsens nicht zu folgen ist.[108] Siber vertritt die
Auffassung, daß die Mahnung das Mittel sei, um den Schuldner in eine nachweisliche
culpa zu versetzen. Ohne sie sei nicht zu beweisen, daß der Schuldner um das
Bestehen und um die Fälligkeit der Verpflichtung wisse.[109]
Diese Ansicht widerspricht den normierten Verzugsregeln. Nach § 285 BGB liegt
unstrittig die Beweislast bei dem Schuldner, so daß der Gläubiger den Nachweis der
culpa mithilfe der Mahnung nicht zu führen braucht. Trotzdem stellt die Beweislast ein entscheidendes Kriterium für
die Bedeutung der Mahnung dar. Das Erfordernis der Mahnung führt nämlich dazu, daß der
Schuldner Kenntnis von dem Bestehen der Verbindlichkeit und der Fälligkeit hat bzw. bei
Ausübung der erforderlichen Sorgfalt Kenntnis hätte haben müssen; abgesehen von den
Fällen, in denen sich der Schuldner in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befindet. Die
Voraussetzungen der Mahnung sind allerdings nach ganz allgemeiner Ansicht von dem
Gläubiger darzulegen und zu beweisen,[110] so daß ihm de facto auch
die Beweislast für die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen obliegt. Der besondere Grund für
das Erfordernis einer Mahnung bei einer fälligen Leistung könnte aus diesem Grunde nicht
in einer erhöhten Schutzbedürftigkeit, sondern in einer zulässigen Beweislastverteilung
gesehen werden. Es sind daher die Motive und Beweggründe dieser Beweislastverteilung zu
betrachten, um dadurch feststellen zu können, ob diese ohne Mahnung dem Schuldner
auferlegt werden dürfen. bb) Ratio des § 285 BGB
Nach der herrschenden Normentheorie trägt jede Partei die
Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Normen. Bei einem
Schadensersatzanspruch hat demnach der Gläubiger nicht nur die objektive
Pflichtverletzung darzulegen und zu beweisen, sondern auch, ob diese Pflichtverletzung dem
Schuldner schuldhaft zuzurechnen ist (subjektiver Tatbestand).[111] Im BGB ist in einer Reihe
von Vorschriften die Beweislast im einzelnen geregelt. Zu dieser Sondervorschrift gehört
§ 285 BGB, der die Beweislast in Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz dem
Schuldner auferlegt.[112] Die Beweislastverteilung beeinflußt in erheblicher Weise das
materielle Recht. Die Beweislastverteilung entscheidet, wer im Falle des nicht erbrachten
Beweises die Folgen zu tragen hat. Die Regelung in § 285 BGB führt aus diesem
Grunde dazu, daß der Verschuldensgrundsatz abgeschwächt und zu einer Annäherung an die
Garantiehaftung geführt wird. Der Schuldner ist nämlich aufgrund dieser
Beweislastverteilung nicht nur dann verantwortlich, wenn sein Verschulden nachgewiesen
ist, sondern auch schon dann, wenn sein Nichtverschulden nicht bewiesen werden kann. Der
Schuldner wird demzufolge auch dann verurteilt, wenn in Wahrheit die verspätete Leistung
auf Umständen beruht, die er nicht zu vertreten hat, ihm aber der Entlastungsbeweis nicht
gelingt.[113] Die Motive und
Beweggründe, die zu dieser Beweislastverteilung geführt haben, sind daher von der
Erwägung geleitet, welcher Partei die Beweislosigkeit zuzurechnen ist, d. h. welche
Partei die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat. Die Beweislastregel läßt sich nicht auf einen einzigen
Grundgedanken zurückführen, sondern ist durch mehrere Erwägungen begründet. Die überwiegende Meinung führt § 285 BGB auf den
beweisrechtlichen Sphärengedanken zurück.[114]
Diese Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen sei erforderlich, da die Gründe, die zu
einer Leistungsverzögerung geführt hätten, im allgemeinen dem Schuldner näher stünden
als dem Gläubiger. Der Schuldner könne die Umstände besser aufklären, da sie aus
seiner eigenen Sphäre stammen würden oder sich jedenfalls dort zuerst ausgewirkt
hätten. Es sei gerechtfertigt, dem Schuldner die Folgen der unaufgeklärten Vorgänge
zuzurechnen, da er eher in der Lage sei, seinen Gefahrenbereich zu übersehen und die
streitigen Vorgänge aufzuklären. Die Unaufklärbarkeit stelle eine Folge der
Undurchsichtigkeit des Gefahrenbereiches des Schuldners dar und diese Undurchsichtigkeit
könne nicht dem Gläubiger auferlegt werden. Es entspräche außerdem einem
überpositiven Gerechtigkeitsgebot, daß der Schuldner für seinen Gefahrenbereich die
Beweislast trage. Die Beweislastverteilung in § 285 BGB ergäbe sich aus einem in
der Natur der Sache liegenden Gerechtigkeitsgebot.[115]
Ein weiterer Grund für die Beweislastverteilung wird darin
gesehen, daß der Schuldner mit der Leistungsverpflichtung ein Stück
Erfüllungsgarantie übernommen habe. Im Falle der Leistungsverzögerung vermöge
der Schuldner sein gegebenes Leistungsversprechen nicht einhalten. Der Schuldner müsse
aber auch im Falle der Beweislosigkeit zu seinem einmal gegebenen Wort der
Leistungsbereitschaft und Leistungsmöglichkeit stehen. In der Leistungsverpflichtung sei
eine Garantie enthalten, auch für unaufklärbare Schäden einzustehen, sofern die
Schadensursache aus seinem Bereich hervorgegangen sei.[116]
cc) Anwendungsbereich des § 285
BGB
Die Beweislastumkehr wird daher nur für Leistungshindernisse
oder Vorgänge für sinnvoll erachtet, die aus dem Gefahrenbereich des Schuldners stammen.
Kann dagegen die Leistung wegen eines Grundes nicht erbracht werden, der im Bereich des
Gläubigers zu suchen ist bzw. von beiden Parteien zu tragen ist, so scheint die
Zurechnung der Beweislosigkeit zu Lasten des Schuldners nicht gerechtfertigt zu sein. Prölss ist in der Hinsicht zuzustimmen, daß
§ 285 BGB aufgrund einer teleologischen Reduktion keine Anwendung findet, wenn die
streitigen Vorgänge sich nicht im Bereich des Schuldners ereignet haben.[117] Ist der Gläubiger nicht
zur Annahme der Leistung bereit oder unterläßt er eine Mitwirkungshandlung, ohne die die
Leistung des Schuldners nicht vorgenommen werden kann, so können diese Vorgänge nach der
Sphärentheorie nicht unter die Beweislast des Schuldners gestellt werden. Von der ganz
überwiegenden Ansicht wird daher auch die Meinung vertreten, daß der Gläubiger die
Vornahme der Mitwirkungshandlung zu beweisen hat. Allerdings wird diese
Beweislastverteilung nicht in bezug auf die Sphärentheorie begründet. Vielmehr wird die
Vornahme der Mitwirkungshandlung für eine wirksame Mahnung für erforderlich gehalten, so
daß die Mitwirkungshandlung eine objektive Verzugsvoraussetzung darstelle und kein
Entschuldigungsgrund sei.[118] Die Beweislast für die
fehlende Annahmebereitschaft trägt dagegen nach ganz überwiegender Auffassung der
Schuldner.[119] Dies widerspricht nicht der
eben angeführten Begründung zur Sphärentheorie, da hier zutreffenderweise eine zweite
Beweislastsonderregel eingreift. Analog § 297 BGB hat der Schuldner die fehlende
Annahmebereitschaft zu beweisen.[120] Die Analogie ist
gerechtfertigt, da die Beweggründe für die Beweislastverteilung der Vorschrift des
§ 297 BGB auch für den Schuldnerverzug zutreffen. Diese Norm ordnet beim
Gläubigerverzug die Beweislast dem Gläubiger zu, da der Schuldner durch sein Angebot zur
Leistung seine Erfüllungsbereitschaft- und möglichkeit zum Ausdruck gebracht hat. [121]
Diese Argumentation kann spiegelverkehrt- auf den Schuldnerverzug übertragen
werden. Der Gläubiger hat nämlich durch seine Mahnung ebenfalls seine
Annahmebereitschaft- und -möglichkeit offengelegt. Fraglich ist, in welche Sphäre die Kenntnis über die
Fälligkeit der Leistung nach § 271 BGB fällt. Haben die Vertragsparteien über die
Leistungszeit keine ausdrücklichen Vereinbarungen getroffen, so ist nach der gesetzlichen
Vorschrift die Leistung im Zweifel sofort fällig. Es sind erhebliche Zweifel vorhanden,
ob es gerechtfertigt ist, ohne Mahnung bei dieser Fälligkeitsbestimmung die Beweislast
dem Schuldner aufzuerlegen. Für die Leistungszeit ist wie gesehen- einmal die
erforderliche Vorbereitungszeit für den Schuldner aber auch eine zumutbare Zeit auf
Seiten des Gläubigers zur Vorbereitung für die Annahme der Leistung zu beachten.[122] Der Eintritt der
Fälligkeit ist damit von Zumutbarkeitserwägungen geprägt, deren Beurteilung dem
Schuldner auferlegt wird. Führt die fehlende Kenntnis der Fälligkeit zu der
Leistungsverzögerung, so spielt sich dieser Vorgang zwar vordergründig in der Sphäre
des Schuldners ab, es fällt aber in den Verantwortungs- und Gefahrenbereich beider
Vertragspartner, wenn sie eine Vereinbarung über die Leistungszeit nicht getroffen haben.
Die Verantwortung und Beweislast hinsichtlich der Beurteilung, zu welchem genauen
Zeitpunkt die Leistungszeit eingetreten ist, kann daher nicht einseitig dem Schuldner
auferlegt werden. Außerdem ist die Festlegung der Leistungszeit auch von Vorgängen
abhängig wie Annahmebereitschaft des Gläubigers und Gewährung der erforderlichen
Zeit zur Vorbereitung der Annahme-, die in die Sphäre des Gläubigers fallen. Es ist bei
sachgerechter Würdigung der Beweislasttheorien daher nicht gerechtfertigt, die Beweislast
für die Nichtkenntnis der Leistungszeit dem Schuldner aufzuerlegen, da die Gründe für
diese Unkenntnis aufgrund der Zumutbarkeitserwägungen auch im Bereich des Gläubigers zu
suchen sind. Es wäre unbillig, dem Schuldner die Folgen der Beweislosigkeit für die
Verzögerung der Leistung wegen der Annahme, daß die Leistungszeit noch nicht eingetreten
sei, aufzuerlegen, da man nicht davon sprechen kann, daß er eine größere Nähe zu den
streitigen Vorgängen hat und ihm daher die Undurchsichtigkeit seines Gefahrenbereiches
zur Last gelegt werden kann. Man kann auch nicht von einer enttäuschten
Leistungserwartung des Gläubigers ausgehen, da der Schuldner mit seiner
Leistungsverpflichtung nur eine Garantie für diejenigen Verzögerungen übernommen hat,
die aus seinem Bereich hervorgegangen sind. Für die Kenntnis in bezug auf das Bestehen der Verbindlichkeit
sind allerdings keine Gründe vorhanden, warum die Auferlegung der Beweislast an den
Schuldner für unzumutbar zu halten wäre. Das Bestehen der Leistungspflicht ist nicht von
Umständen abhängig, die in den Einflußbereich des Gläubigers fallen; die fehlende
Kenntnis über die Existenz der Verbindlichkeit ist eine innere Tatsache, die allein dem
Verantwortungsbereich des Schuldners zuzuordnen ist. dd) Schlußfolgerung
Fraglich ist, welche Folgerungen daraus für die Funktion der
Mahnung gezogen werden können. Die Mahnung stellt eine Leistungsaufforderung des
Gläubigers dar, durch die dem Schuldner der Eintritt der Fälligkeit zur Kenntnis
gebracht wird. Der Mahnung kommt daher auf der subjektiven Ebene die Funktion zu, die
Leistungsverzögerung eindeutig dem Verantwortungsbereich des Schuldners zuzuordnen, indem
der bis dahin nicht genau bestimmte Leistungstermin, dessen Unbestimmtheit gerade der
Grund für die Einordnung in beide Verantwortungsbereiche war, festgelegt wird. Es dürfen
dem Schuldner keine Zweifel verbleiben, zu welchem Termin er leisten muß, da sonst
weiterhin die Beweislast des Schuldners für die Nichtkenntnis der Leistungszeit nicht
gerechtfertigt ist. Damit steht auch fest, daß die Mahnung nicht grundsätzlich, wie Siber annimmt, ein Mittel darstellt, um das
Verschulden nachzuweisen und vor allem dem Schuldner das Bestehen der Schuld zur Kenntnis
zu bringen, denn für die weiteren Entschuldigungsgründe ist die Beweislastverteilung
nach der Sphärentheorie gerechtfertigt, da sie i. d. R. dem Gefahrenbereich des
Schuldners entstammen. Sollte im Einzelfall ein Vorgang nicht dem Verantwortungsbereich
des Schuldners zuzuordnen sein, kann über eine teleologische Reduktion nachgedacht
werden. Es sollte schließlich noch geklärt werden, ob die Warnung
ebenfalls eine Funktion der Mahnung darstellt. De facto enthält die Mahnung eine Warnung.
Durch die Aufforderung zur Leistung wird der Schuldner an seine Leistungspflicht erinnert.
Fraglich ist, ob die Warnung oder Erinnerung nur eine zufällige Nebenwirkung darstellt
oder ob ihr eine eigenständige Funktion zukommt. Um auf die ursprüngliche Fragestellung
zurückzukommen, ist zu klären, ob ein besonderes Schutzbedürfnis des Schuldners
vorhanden ist, das eine Warnung rechtfertigen könnte. Es wurde bis jetzt festgestellt,
daß zwar in gewisser Hinsicht ein besonderer Schutz des Schuldners notwendig ist, denn
ohne Mahnung wäre die Beweislastregel des § 285 BGB unbillig. Die Funktion der
Mahnung erschöpft sich aber darin, die Leistungszeit dem Schuldner zur Kenntnis zu
bringen. Ein weiterer Schutz des Schuldners im Vergleich zu der dauerhaften
Nichterfüllung ist nicht ersichtlich, so daß die Warnung keine eigenständige Funktion
der Mahnung darstellt.[123] 5. Zusammenfassung
Grundsätzlich ist der Schuldner bei einer fälligen Leistung
i. S. d. § 271 I BGB an sich zu einer sofortigen Leistung
verpflichtet. Entgegen der früher vertretenen Auffassung enthält § 271 I BGB
nicht nur eine bloße Leistungsberechtigung, die erst durch eine Aufforderung des
Gläubigers in eine Leistungsverpflichtung
übergeht. Dem Schuldner steht aber trotz der Leistungspflicht ein Ermessenspielraum zu,
der durch die Mahnung beendet werden kann. Die Mahnung hat in diesem Fall für den
objektiven Tatbestand des Verzuges die Bedeutung, die objektive Pflichtwidrigkeit der
Leistung zu begründen, da vor Ablauf des Ermessenspielraums eine pflichtwidrige
Leistungsverzögerung noch nicht angenommen werden kann. Auf der subjektiven Ebene kommt
der Mahnung eine weitere entscheidende Bedeutung zu. Die Mahnung ist erforderlich, um den
Schuldner hinsichtlich des Eintritts der Leistungszeit in Kenntnis zu setzten. Es dürfen
für den Schuldner keine Zweifel verbleiben, zu welchem Zeitpunkt die Leistungszeit
eingetreten ist. Die Mahnung erfüllt demnach ihre Aufgabe, wenn der Gläubiger die
Leistungszeit auf einen bestimmten Termin festgelegt hat und dieser Termin dem Schuldner
zur Kenntnis gebracht wurde. Ist der Ermessenspielraum des Schuldners schon beendet, so
daß sich die Leistungspflicht auf einen Termin verdichtet hat, so enthält die Mahnung
keine Festlegung der Leistungszeit, sondern stellt nur eine Mitteilung an den Schuldner
dar, daß zu diesem genau bezeichneten Zeitpunkt der Leistungstermin eingetreten ist. Anhand dieser Interpretation der Mahnung kann festgelegt werden,
bei welchen Tatbeständen eine Mahnung für den Verzugseintritt entbehrlich ist. Steht der
Eintritt der Leistungszeit unabhängig von einer Leistungsaufforderung zu einem bestimmten
Termin fest, und ist dieser Zeitpunkt für den Schuldner unter Anwendung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt ersichtlich, so erübrigt sich die Leistungsaufforderung durch den
Gläubiger. Da auch ohne Mahnung eine Leistungspflicht von einem bestimmten Zeitpunkt an
besteht und damit die Leistungsaufforderung nicht für die Herbeiführung der
Rechtsverletzung erforderlich ist, kann im Prinzip für diese Fallgruppen der Verzug ohne
Mahnung unabhängig von der gesetzlichen Ausnahmevorschrift des § 284 II BGB
begründet werden. Nach dieser Ausnahmeregel läßt sich auch der zu Beginn dieser
Darstellung erwähnte Erbenfall[124]
lösen. Nach der Vereinbarung war der Schuldner verpflichtet, daß Darlehen
baldigst zurückzuzahlen. Weitere Angaben hinsichtlich des
Leistungszeitpunktes sind zwar nicht vorhanden, trotzdem kann in dieser Fallkonstellation
davon ausgegangen werden, daß der Schuldner bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen
Sorgfalt den Leistungstermin ohne weiteres erkennen kann. Ein unverzinsliches Darlehen
wird nämlich unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht ohne einen besonderen Grund
gewährt. Es wird üblicherweise ein bestimmter Zweck mit der Darlehensgewährung
erfüllt.[125] Die vertragliche
Vereinbarung muß daher dahin ausgelegt werden, daß die Rückzahlung baldigst
nach Erledigung des Grundes erfolgen soll. Ist der Leistungstermin aber derart nach dem
Kalender bestimmbar, so sprechen alle äußeren Umstände dafür, daß der Schuldner den
Eintritt des Leistungszeitpunktes kennt bzw. hätte kennen müssen, da die Zweckerledigung
sich in der Sphäre des Schuldners ereignet. In dieser Fallkonstellation ist daher eine
Mahnung entbehrlich. Der entscheidende Grund für das Mahnungserfordernis kann also
darin gesehen werden, daß die kalendermäßige Fixierung der Leistungszeit auf
Zumutbarkeitserwägungen beruht und daher die Feststellung des exakten Leistungstermins
mit Schwierigkeiten verbunden ist. Der Zweck der Mahnung ist daher erfüllt, wenn diese
Ursache beseitigt wird, indem der Leistungstermin, entweder durch eine
Leistungsaufforderung des Gläubigers oder durch andere Umstände,[126] genau fixiert wird, so daß
die Nichtleistung eindeutig dem Gefahrenbereich des Schuldners zugeordnet werden kann.
Konsequenterweise ist die Mahnung immer dann überflüssig, wenn der Eintritt der
Leistungszeit für den Schuldner ohne Zweifel feststeht und damit der Zweck der Mahnung
bereits erfüllt ist. In diese Kategorie läßt sich der Tatbestand des
§ 284 II BGB einordnen. Die Festlegung der Leistungszeit durch Aufforderung des
Gläubigers erübrigt sich bei einer kalendermäßig bestimmten Leistungszeit. In den
Gesetzesbegründungen wird für diese Vorschrift auch ausdrücklich hervorgehoben, daß
eine Mahnung bei Terminschulden nur entbehrlich sei, wenn es für den Schuldner außer
Zweifel stehe, wann er leisten müsse.[127] In welchen weiteren
gesetzlich nicht geregelten Fällen die Mahnung aufgrund der Erfüllung ihrer Aufgaben
nicht erforderlich ist, wird bei der Entbehrlichkeit der Mahnung ausführlich
erörtert werden.[128] Aufgrund dieser Deutung der Mahnung ergibt sich
konsequenterweise, daß der Gläubiger den Schuldner ohne Mahnung in Verzug setzen kann,
wenn das Leistungsermessen beendet ist und der Gläubiger nachweisen kann, daß der
Schuldner schuldhaft den Eintritt der Leistungszeit nicht gekannt hat. Dieses gilt selbst
dann, wenn anhand der objektiven Umstände nicht feststeht, daß der Schuldner ohne
Zweifel vom Eintritt der Leistungszeit Kenntnis haben müßte. Ohne Mahnung obliegt
demnach dem Gläubiger die Beweislast dafür, daß der Schuldner den Eintritt der
Leistungszeit kannte oder hätte kennen müssen. Dieser Nachweis wird dem Gläubiger
allerdings ohne Mahnung nur schwerlich gelingen, so daß dieser Verzugseintritt nur eine
sehr theoretische Möglichkeit darstellt. |