Dieses
Kapitel stellt eine Erziehungspraxis vor, die zeigt, wie das Auslösen von flow erschwert werden kann: Neill lässt
die Kriterien unbeachtet, die aus der Sicht der flow-Erzeugung bei den
anderen hier beschriebenen reformpädagogischen Ansätzen jeweils einen zentralen
Stellenwert haben.[1] Nicht alles,
was Neill in Summerhill umsetzt, wirkt flow
verhindernd (s. u.). Doch sein Konzept weist Prinzipien und Gegebenheiten
auf, die flow hemmen.
Alexander Sutherland Neill[2]
(1883–1973) ist Lehrer an verschiedenen staatlichen Schulen[3].
Auf das Schärfste kritisiert er die „grausamen Schulen“, die „gezüchtigte
Kinder“ hervorbringen würden, diese seien „seelisch gebrochen“ und bleiben
„fürs ganze Leben kastriert“ (Neill 1998, 171). Eine „Generation von Robotern“
werde in diesen Institutionen fabriziert, Menschen würden zu „gehorsamen
Dienern“ und „eingeschüchterten Konformisten“ (Neill 1998, 30) erzogen. Er
spricht davon, dass in den öffentlichen Schulen die Kinder „mehr oder weniger
dressiert“ werden (Neill 1998, 114), [4]
weil die „ganze Erziehungspolitik [...] gegen das Lebenlassen gerichtet“ sei
(Neill 1998, 22). „Es läßt sich gar nicht ermessen, wieviel schöpferische Kraft
im Schulzimmer [...] getötet wird“ (Neill 1998, 43).
Unter diesem Blickwinkel auf das Resultat staatlicher
Schulerziehung sieht er, daß die Entwicklung der Persönlichkeit zu kurz kommt.
Deshalb gründet er 1924 das antiautoritäre Internat Summerhill.[5]
Dort will Neill das Lebenlassen und die schöpferischen Kräfte fördern. Sein
Grundgedanke: „die Schule kindergeeignet zu machen – nicht die Kinder
schulgeeignet“ (Neill 1998, 22).
Neill und seine Frau besitzen den „festen Glauben“ (Neill 1998,
22), dass ein Kind „von Natur aus verständig und realistisch“ sei (Neill 1998,
23). „Sich selbst überlassen und unbeeinflußt von Erwachsenen, entwickelt es
sich entsprechend seinen Möglichkeiten.“ Neill vertritt die Meinung, dass
„Kinder mit der angeborenen Fähigkeit und dem Wunsch, Gelehrte zu werden, Gelehrte
werden, während jene, die nur zum Straßenkehrer geeignet sind, Straßenkehrer
werden“ (Neill 1998, 23). Der Mensch könne also nur das werden, was er von
Natur aus schon latent sei. Mit diesem naturalistischen Menschenbild will er
Kindern und Jugendlichen einen Zugang zu ihren schöpferischen Potenzialen
ermöglichen.
Zusammen mit der Entwicklung der natürlichen Veranlagung des Menschen sieht er das persönliche Glück als oberstes Erziehungsziel: „Das Ziel unseres Lebens ist Glück“ (Neill 1998, 120). Mit dieser Philosophie entwickelt Neill eine Schulpraxis, die „glückliche“ und „lebensbejahende“ Kinder hervorbringen soll. „Ein Gefühl des Wohlbefindens, der Ausgeglichenheit, der Übereinstimmung mit dem Leben“ (Neill 1998, 320) möchte er hervorrufen. Er will Kinder „von ihrem Unglücklichsein“ heilen „und noch wichtiger - zu glücklichen Menschen“ erziehen (Neill 1998, 20).
Glücklich seien Menschen dann, wenn sie „Interessen finden“ (Neill
1998, 41), deshalb sollen die Schülerinnen in Summerhill die Möglichkeit haben,
ihren „natürlichen Interessen“ „die ganze Kindheit hindurch frei folgen zu
können“ (Neill 1998, 123), damit sie authentisch ihr Selbst entfalten können.
Aus der Sicht der flow-Theorie: Lebensbejahende Einstellung
Das was Neill als Lebensbejahung,
Übereinstimmung mit dem Leben und Interessen beschreibt, findet sich in der flow-Theorie, eingeordnet auf der Ebene
der flow-Auslöser, wieder: „Vor allen
Dingen müssen wir lernen, das Leben zu
genießen. Es ergibt wirklich keinen Sinn, wenn wir uns mechanisch durchs
Dasein bewegen und nicht versuchen, unserem Leben so viel Freude wie möglich
abzugewinnen. Es ist schwer, einem rechtschaffenen Menschen zu vertrauen, der
innerlich zutiefst unglücklich ist. Sein Verhalten mag vorbildlich sein, aber die
Entropie in seinem Bewußtsein ist bedrohlich“ (Csikszentmihalyi 1995, 320).[6]
Neill wendet sich mit seiner lebensbejahenden
Einstellung gerade gegen eine „Generation von Robotern“, die keine psychische
Ordnung erleben, sondern nur mechanisch durch das Leben gehen und nicht
wirklich glücklich sind. Er kreiert eine schulische Situation, in der
persönliches Glück ein zentrales pädagogisches Anliegen ist. Die Kinder sollen
ihre eigenen Interessen finden, diese auch verfolgen können und nicht durch
äußere Zwänge zu etwas gequält werden, was nicht der Teleonomie ihres Selbst
entspricht. Mit dieser Einstellung will er ermöglichen, dass Menschen ein
positives Lebensgefühl entwickeln und das Leben lieben lernen. Er stellt das
intrinsisch befriedigende Glück in den Mittelpunkt seiner Pädagogik und legt
keinen Wert auf extrinsisch orientiertes und mechanisches Verhalten. Neill und
Csikszentmihalyi stimmen in diesem lebensphilosophischen Punkt überein.
Grundsätzlich ist diese Einstellung eine nützliche Basis für das Erzeugen von flow-Erlebnissen.
Neills Ansatz wird hier besonders unter dem Gesichtspunkt von
Freiheit zur Selbstbestimmung betrachtet, da er diese als einen zentralen Wert
seiner Pädagogik formuliert. Dies wird im Folgenden skizziert. Im Verlauf
dieses Kapitels werden bestimmte Aspekte seiner Pädagogik betrachtet, an denen
sich zeigen lässt, dass aus der Sicht der flow-Theorie
das Thema Freiheit anders aufgefasst werden muss als in Neills pädagogischem
Ansatz, damit flow evoziert werden
kann.
Damit
die Schüler ihre Interessen entwickeln können und sich zu glücklichen Menschen
bilden, müssten Neill zufolge die Kinder „die
Freiheit haben, [...] sie selbst zu sein.“ Es geht ihm um die „individuelle, innere Freiheit“ (Neill 1992, 22). Deswegen
sei die Verwirklichung von Freiheit „das Hauptprinzip
der Schule“ (Neill 1998, 89). Aus diesem Grunde wendet er sich gegen jegliche
Form von Zwang: „Das Unglück der Menschheit liegt im Zwang von außen“ (Neill
1998, 123). „Glück“, so Neill, „könnte als ein Zustand minimalster
Unterdrückung definiert werden“ (Neill 1998, 321). Der antiautoritäre
Schulleiter realisiert Repressionsfreiheit, zwingt seine Schüler und
Schülerinnen zu nichts. Zum Beispiel müssen sie nicht Mathematik lernen. Für
ihn steht fest: „Das Kind sollte etwas so lange nicht tun, bis es selbst
überzeugt ist, daß es das tun sollte“ (Neill 1998, 123). Dass Freiheit in
Summerhill eine großen Stellenwert hat und dort auch umgesetzt werden zu
scheint, zeigt folgende Einschätzung Neills (1998, 22): „Summerhill hat
bewiesen, daß Freiheit möglich ist“.
Neill stellt Freiheit nicht nur dem Zwang gegenüber, sondern
beschreibt auch die indirekten Auswirkungen auf individueller Ebene, wenn
Menschen sich nicht frei fühlen: Angst, Heuchelei, Hass und Intoleranz.
Heuchelei ermöglicht beispielsweise kaum, sich frei zu fühlen, weil Menschen in
dem Moment, in dem sie heucheln, nicht sie selbst sind. Von diesen
Verhaltensweisen sollten sich Menschen deshalb zu befreien versuchen (Neill
1992, 22). Hier sollen Menschen also versuchen, bestimmtes Verhalten als
innerpsychische Konsequenz zu meiden, damit sie sich freier fühlen.
Ein weiterer Hinweis für die Bedeutung von Freiheit in Summerhill
ist allein schon durch die Bezeichnung „Freie Schulen“ gegeben. Solche Schulen
müssen zwei Merkmale aufweisen: Zum einen erkennen sie das Recht des einzelnen
Schülers an, sich selbst zu entscheiden, ob und wann er am Unterricht
teilnehmen möchte. Zum anderen müssen freie Schulen Schulversammlungen aufweisen,
bei denen alle Mitglieder das gleiche Stimmrecht haben und Entscheidungen über
das Zusammenleben treffen (Singer 1999, 61). Summerhill erfüllt beide Kriterien
(Neill 1998, 22 f., 60 ff.).
Aus der Sicht der flow-Theorie: Autonomie
Betrachtet man die von Neill beschriebene
Freiheit als Autonomie, als Unabhängigkeit, so ist die Einstellung zur Freiheit
bei Neill grundsätzlich flow
fördernd. Eingeordnet auf der flow auslösenden
Ebene der flow-Theorie stellt die
Untersuchung von Allison und Duncan (1991, 156) über Frauen, Arbeit und flow fest, „daß zur Auslösung des flow-Zustandes ein Gefühl der Autonomie
und der Freiheit nötig“ ist. Sehr wahrscheinlich ist folglich auch, dass
Autonomie wichtig für die autotelische Entwicklung ist. Wie Autonomie und flow im einzelnen zusammenhängen, ist
jedoch noch nicht geklärt (Hektner 1996, 160). Neills Ansatz der Freiheit mag
also bei einigen Schülern ein grundsätzliches Gefühl von Autonomie hervorrufen
und dadurch womöglich flow-Erlebnisse
auslösen.
Ein Gefühl von Freiheit und Freude kann sich
andererseits aber auch einstellen, wenn etwas unter Zwang begonnen wird: Bei
einer anfangs fremdbestimmten Arbeit kann man sich so weit in die Situation
hineinbegeben, dass sie Freude macht und sich in eine Tätigkeit verwandelt, bei
der man das Gefühl hat, man tue sie nun freiwillig (Csikszentmihalyi &
Graef 1980, 413, Deci & Ryan 1993). Ein Gefühl von Freiheit entsteht
demzufolge also nach einer „Anlaufphase“, nämlich dann, wenn sich während des
Tuns die intrinsische Motivation erhöht, wenn man also tiefer in eine Tätigkeit
versinkt und daraus Freude zieht. Hier deuten sich für das pädagogische
Evozieren von flow zwei ganz
gegensätzliche Handlungsmöglichkeiten an, Zwang und Freiheit, was in der Praxis
zu einer Gratwanderung führt. Soll man Kindern und Jugendlichen einen freien
Handlungsspielraum lassen? Oder soll man sie mit angemessenem Druck zu
Tätigkeiten begeistern, woraus sich dann ein Gefühl von Freiheit und Autonomie
entwickeln kann? Bei Neill kommt die zweite Möglichkeit als flow auslösendes Moment aufgrund seiner
Einstellung gegen jeglichen Zwang grundsätzlich nicht in Frage. Neills Ansatz
ermöglicht möglicherweise also eher flow durch
das Empfinden von Freiheit.
Mit dieser Erziehungsphilosophie, die auf Freiheit, Lebensfreude
und einem naturalistischen Ansatz aufbaut, könnte man eine Pädagogik
entwickeln, die das flow-Phänomen
auslöst. Dies haben z. B. Makarenko mit seinem naturalistischen Ansatz[7]
sowie Freinet mit der freien Arbeitseinteilung realisiert. Doch Neill
entwickelt in seiner alltäglichen Praxis ungünstige Voraussetzungen, die unter
Gesichtspunkten der flow-Theorie
vermutlich wenig schöpferisches Tun und kaum ein Gefühl von innerer Freiheit
erzeugen:
Er setzt den Schülerinnen keine Ziele.
Er fordert die Schüler nicht heraus.
Es ist schwer, sich in Summerhill zu
konzentrieren.
Er bietet wenig Feedback und
Kontrollerfahrungen.
Auf diese Kriterien wird im Folgenden etwas genauer eingegangen.
Keine
Ziele[8]
Neills
Pädagogik der Freiheit stellt für das Lernen keine Ziele auf: Der Unterricht
ist freiwillig (Neill 1998, 30) und die Schülerinnen brauchen keine Prüfungen
abzulegen (Neill 1998, 25). Zudem geht Neill geht davon aus, dass Kinder „eklektisch“ [9]
handeln, das heißt, sie führen ein „Leben voller bruchstückhafter Interessen“
(Neill 1998, 325). Die Aufmerksamkeit der Schülerinnen wird also nicht
innerhalb eines bestimmten Rahmens auf etwas kanalisiert, sondern sie können
nach Belieben ihre Aufmerksamkeit auf etwas richten. Auf
diese Weise würden Menschen lernen (Neill 1998, 325).
Auch im zwischenmenschlichen Bereich gibt Neill keine verbindlichen Regeln an die Hand, inwieweit die Kinder
Rücksicht auf andere nehmen sollen. Auf der einen Seite dürfen sie
beispielsweise nicht Trompete spielen, wenn es andere stört (Neill 1998, 314),
auf der anderen Seite wird im Rahmen mehrerer wöchentlicher Vollversammlungen
„erhitzt gestritten“, ob das Fußballspielen im Aufenthaltsraum erlaubt ist,
obwohl es definitiv jemanden bei der Arbeit stört (Neill 1998, 62). Es scheint
keine klare Richtschnur zu geben, die Kindern und Lehrern einen gemeinsamen
Rahmen für das Leben in Summerhill bietet.[10]
Aus der Sicht der flow-Theorie: Fehlende Ziele
Neill ermöglicht den Schülerinnen keine
Wahlmöglichkeiten (z. B. Wahlfächer oder unterschiedliche Prüfungen), die in
einem bestimmten Rahmen liegen, sondern seine Philosophie über Freiheit
vermittelt Beliebigkeit. Diese drückt sich besonders in der Anschauung über das
eklektische Handeln aus. Wenn Kinder eklektisch handeln, machen sie einmal
hier, einmal dort etwas. Dabei können sie durchaus flow erleben. Doch die Kinder erleben wahrscheinlich wenig
erweiterten flow. So stellt
Adlai-Gail (1994, 137) fest, dass nicht-autotelische Personen (im Gegensatz zu
autotelischen) wenig zielstrebig und zukunftsorientiert sind. Ihr Handeln kann
als eklektisch oder bruchstückhaft bezeichnet werden.[11]
Andersherum kann daraus geschlossen werden, dass gerade das von Neill unterstützte
eklektische Verhalten vermutlich nicht dazu beiträgt, autotelische Fähigkeiten
auszubilden. Eingeordnet auf der Ebene der flow
auslösenden Bedingungen der flow-Theorie
beschreibt Csikszentmihalyi dazu: „Wenn die Regeln eines Spiels zu flexibel werden,
nimmt die Konzentration ab, und es wird schwerer, flow zu erlangen. Bindung an ein Ziel und seine Regeln ist viel
leichter, wenn die Wahlmöglichkeiten gering und deutlich erkennbar sind“
(Csikszentmihalyi 1993, 294). Da Neill wenig klare Regeln und Ziele setzt,
stellt sich die Frage, ob die Kinder und Jugendlichen in Summerhill lernen,
sich zielstrebig mit Dingen auseinander zu setzen, und dadurch einen Zugang zu flow bekommen.
Keine
Herausforderungen[12]
Neill
fordert seine Schülerinnen nicht heraus: „Wir sagen
nie einem Kind, es müsse die angefangene Arbeit zu Ende führen. Wenn es das
Interesse daran verloren hat, darf man es nicht zum Weitermachen drängen“
(Neill 1998, 325). Beispielsweise sind die Kinder „nicht sehr an
komplizierteren Tischlerarbeiten interessiert, und auch die älteren Jungen
machen sich kaum an schwierigere Sachen heran“ (Neill 1998, 32). Die Schüler in
Summerhill verlieren anscheinend das Interesse an Tätigkeiten, wenn diese
komplexer werden. Da Neill nicht zu neuen Herausforderungen anzuleiten scheint,
überwinden die Schüler in Summerhill vermutlich auch keine Hindernisse, um
Tätigkeiten weiterverfolgen zu können.
Aus der Sicht der flow-Theorie: Keine Anleitung zu Herausforderungen
Eingeordnet in die flow-Theorie auf die Ebene der flow-Auslöser
stellt Hektner (1996, 78) in seiner Untersuchung fest, dass allgemein gerade
Schulen flow-Erlebnisse fördern, weil
sie Jugendliche herausfordern, sich mit dem Inhalt des Unterrichts auseinanderzusetzen
und ihn wirklich zu verstehen. Neill scheint keine schulischen
Übungssituationen zu ermöglichen, die Fähigkeiten zu bestimmten Themen über
einen längeren Zeitraum erweitern. Seine Schüler lernen wahrscheinlich nicht,
wie sie ihre psychische Energie immer weiter für eine Sache einsetzen können
und wie sie daraus gestärkt und glücklich hervorgehen können. Wenn die Schüler
zu neuen Herausforderungen angeleitet würden, sei es fachlich, sei es in puncto
Motivation, dann wären die Jugendlichen beispielsweise gerade an
komplizierteren Tischlerarbeiten interessiert. Doch Tätigkeiten werden in
Summerhill wahrscheinlich immer dann abgebrochen, bevor das Tun auf höherer
Ebene wieder erfreulich wird. So erleben Experten, die durch ein einzelnes Thema
immer wieder herausgefordert werden, mehr flow
als Menschen, die sich neu mit einer Sache auseinandersetzen (Rheinberg
1999). Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr, dass sich die Kinder in
Summerhill nur oberflächlich mit neuen Themen beschäftigen und wenig Chancen
haben, während einer intensiveren Auseinandersetzung mit einem Thema in den
Zustand von flow zu gelangen.
Kein Feedback und keine Kontrolle[13]
Eine Erziehung in
Freiheit bedeutet nach Neill auch, dass die Schülerinnen keine Hilfe bekommen
und Lehrer „nichts tun“, auch wenn Kinder aus der Sicht der flow-Theorie Anregungen benötigen: „Man
sollte überhaupt einem Kind niemals helfen, wenn es ein Problem nicht selbst
lösen kann“ (Neill 1998, 186). Neill gibt den Schülerinnen vor diesem
Hintergrund vermutlich keinen Anstoß, wie man einen Lösungsweg finden könnte,
um nach einer „festgefahrenen“ Situation wieder lösungsorientiert
voranzukommen. Damit verhindert er, dass sich Kinder mit pädagogischer
Unterstützung auf – wie Freinet es ausdrückt – „Plattformen“ zubewegen können,
die ihnen neue dosierte Lernschritte ermöglichen. Da die Kinder keine
konstruktiven Rückmeldungen bekommen, wie man Probleme angehen könnte,
entwickeln sie möglicherweise nur schwer ein Gefühl von Kontrolle über ihr
Problem oder das damit verbundene Handeln. Somit blockiert Neill zum einen die
Entwicklung von fachlichen Fähigkeiten, zum anderen auch einen konstruktiven
Umgang mit Hindernissen oder Problemen. Ohne Feedback und das Gefühl, eine
Situation bei Problemen wieder unter Kontrolle bekommen zu können, wird auch
die Fähigkeit zur Orientierung nicht pädagogisch explizit gefördert.
Aus der Sicht der flow-Theorie: Feedback und Kontrolle
Da Neill es sich zum Grundsatz gemacht hat, den
Kindern nicht zu helfen, fehlt dem Erziehungsansatz eine wichtige Instanz zur
Förderung der Orientierung, die durch Feedback und Kontrollerfahrungen
unterstützt werden könnte. Ein Mangel an Kontrolle kann Antiflow (Allison & Duncan 1991, 148,
157) oder ein Gefühl von Hilflosigkeit (Adlai-Gail1994, 116 ff.) bewirken.
Gefühle von Antiflow und
Hilflosigkeit möchte Neill in Summerhill aber gerade vermeiden, wenn er
„Wohlbefinden, Ausgeglichenheit“ und „Übereinstimmung mit dem Leben“ (Neill
1998, 320) als Erziehungsziele hat. Der Grundgedanke Neills, dass sich Kinder
und Jugendliche selbständig mit ihrer Umwelt auseinandersetzen sollen, um
eigene Wege zu finden, könnte dann pädagogische Wirkung zeigen, wenn die
Schüler dosierte Hilfestellungen bekommen, die ihnen als Feedback für ihr
Lernen und als Kontrollerfahrung für ihr Handeln dienen. Da seine Konzeption
dies nicht vorsieht, werden Lösungsprozesse sowie die Entwicklung von
fachlichen Fähigkeiten möglicherweise hinausgezögert, und es wird vermutlich
auch das Zustandekommen des flow-Phänomens
verhindert (Csikszentmihalyi 1995, 52).
Keine Konzentration[14]
In Summerhill ist es schwierig, sich zu konzentrieren. Das flow-Phänomen kann aber nur schwer
zustande kommen, weil stille Arbeitsecken fehlen. „Die Kinder haben nicht die Möglichkeiten,
sich irgendwo still zurückzuziehen. [...] ’In Summerhill ist es schwer, in Ruhe
zu arbeiten.’ In der Schule herrscht ein Leben wie in einem Bienenkorb. Fast
immer ist irgend etwas im Gange, das die Aufmerksamkeit und das Interesse der
Kinder erregt“ (Neill 1998, 93). Konzentriertes Arbeiten gestaltet sich also
schwierig, da die Kinder immer wieder abgelenkt werden.
Aus der Sicht der flow-Theorie: Unterbrechungen verhindern flow
Um sich konzentrieren und in eine Sache
vertiefen zu können braucht man eine gewisse Rückzugsmöglichkeit und Ruhe.
Unterbrechungen verhindern zum einen den Eintritt in den Zustand von flow, zum anderen „sind Unterbrechungen
sehr störend“ (Csikszentmihalyi 1995, 242), wenn man sich bereits im flow-Zustand befindet. Wahrscheinlich
ist es nicht einfach, sich in Summerhill mit Dingen über einen längeren
Zeitraum konzentriert auseinanderzusetzen. Unter diesem Blickwinkel kann ein
negativer Kreislauf entstehen: Wenig Konzentration und viel Ablenkung fördern
das eklektische Tun, dies wiederum vergrößert die Bereitschaft für Ablenkungen.
So ist es auch kein Wunder, dass die Kinder eklektisch immer wieder etwas Neues
finden, wenn sie wiederholt unterbrochen werden und zur angefangenen Tätigkeit
kaum eine Beziehung aufbauen können. Es kann sich keine Freude an dem Tun
entwickeln. Dieser Kreislauf erschwert erweiterte flow-Erlebnisse.
In Summerhill scheinen also aus der Sicht der flow-Theorie wichtige flow auslösende
Momente zu fehlen: Die Kinder und Jugendlichen müssen keine Ziele verfolgen,
sie werden nicht herausgefordert, bekommen wenig Feedback, haben keine
Kontrolle über ihre Fähigkeiten und können sich schwer konzentrieren. Dadurch
wird das Erleben des flow-Phänomens
in Summerhill erschwert. Allerdings gibt es auch Situationen, die sicherlich flow auszulösen in der Lage sind, so zum
Beispiel die wöchentlichen Vollversammlungen, die die „demokratische
Selbstregierung“ (Neill 1998, 60) realisieren. Auf den Versammlungen gibt es
beispielsweise Feedback über einzelne Verhaltensweisen von Schülern, die gegen
Regeln des Zusammenlebens verstoßen haben. Sie bekommen dort auch ein Gefühl
von Kontrolle, da sie die Regeln mitbestimmen, akzeptieren und auf deren
Umsetzung achten. Neben diesen Momenten des Feedbacks und der Kontrolle gewährt
die Institution der wöchentlichen Versammlung die Möglichkeit, das seelische
Wohlbefinden zu verbessern und das flow-Phänomen
zu erleben, da sich Menschen erstens lebendiger fühlen, wenn sie mit anderen
zusammen sind (Csikszentmihalyi 1993, 218 f.), und zweitens in „erhitzten“
Diskussionen Interesse an dem zeigen, was ein anderer sagt (Csikszentmihalyi
1993, 219). Drittens scheinen viele Jugendliche kurz vor dem Abitur durchaus
die Fähigkeit entwickelt zu haben, sich intensiv und leistungsstark auf ihre Abschlussprüfungen
vorzubereiten. In Summerhill gibt es also sicherlich flow-Erlebnisse.
Doch vieles spricht gegen eine regelmäßige Förderung von
Fähigkeiten, die das flow-Phänomen
ermöglichen. So scheint es trotz basisdemokratischer Regelungen keinen leitenden,
verbindlichen Grundsatz zu geben: Zum Beispiel wird über Wochen „erhitzt“
darüber diskutiert, ob das laute und störende Fußballspielen im Aufenthaltsraum
erlaubt sein soll oder nicht (Neill 1998, 61 f.), obwohl die grundsätzliche
Regelung lautet, dass man nur das darf, was andere nicht stört (Neill 1998,
314). Da aber klare Regeln und Strukturen den Zugang zum flow-Phänomen fördern, wirkt dieser fehlende Wertmaßstab
vermutlich, wie die anderen fehlenden Kriterien, auf dem Weg zum flow hinderlich.
Freiheit ist bei Neill ein zentrales Merkmal seiner
antiautoritären Pädagogik. Er definiert Freiheit über die Abwesenheit von Zwang:
Die Kinder können etwas tun oder sie können es auch lassen, wenn es gerade
nicht ihrer Stimmung entspricht bzw. nicht mit ihrem momentanen Selbst
übereinstimmt. Doch diese Freiheit scheint aus der Sicht des subjektiven
Erlebens nicht mit einer hohen Qualität des Erlebens verbunden zu sein, da
Voraussetzungen für flow-Erlebnisse
rar sind, die im Sinne des subjektiven Erlebens ein Gefühl von Freiheit
auslösen können (Massimini & Carli 1991, 297 f.). Da wichtige Auslöser von flow (Ziele, Herausforderungen,
Feedback, Kontrolle, Konzentration) aufgrund Neills Interpretation von Freiheit
kaum vorhanden sind, gelangen die Schülerinnen vermutlich selten in den flow-Zustand. Auswirkungen könnten wie
folgt aussehen:
Eine kleine Untersuchung zeigt, dass Menschen, die flow-Erlebnisse 48 Stunden meiden, also
kaum flow erleben, Symptome
schildern, „die in mancher Hinsicht an Phänomene bei akuten psychotischen
Zusammenbrüchen denken ließen“
(Csikszentmihalyi 1985, 200). Die Ergebnisse dieser Untersuchung ähneln der
Feststellung von Sielski (1977, 103), „daß die Rate
psychoseähnlicher Zusammenbrüche bei Kindern, die aus Summerhill ausscheiden,
signifikant höher ist als bei Jugendlichen in anderen Vergleichsgruppen“.
Wenn psychoseähnliche Zusammenbrüche auf das Fehlen von flow auslösenden Bedingungen
zurückgeführt werden können, so scheint dieses pädagogische Konzept der
Freiheit nur wenig flow zu evozieren
und folglich weniger Menschen glücklich zu machen, als es sich Neill zum Ziel
gesetzt hat.
Eine
zweite Auswirkung der freiheitlichen Pädagogik setzt möglicherweise einen
Prozess, einen negativen Kreislauf in Gang: Die Kinder erleben keinen flow, da sie in der eklektischen
Atmosphäre von Summerhill keine Ziele verfolgen, nicht zu Herausforderungen
angeleitet werden und sich schwer konzentrieren können. Dies erzeugt
„bruchstückhafte Interessen“: Tätigkeiten werden wahrscheinlich dann
abgebrochen, wenn für erweiterten flow
neue Anforderungen auf die Schülerinnen zukämen. Dadurch erleben die Schülerinnen
keinen erweiterten flow, sie bilden
folglich keine autotelischen Fähigkeiten heraus und können sich somit auch
nicht zu autotelischen Personen entwickeln. Die führt wiederum dazu, dass sich
die Schülerinnen schneller ablenken, haben weniger Interesse an
Herausforderungen, die auf Fähigkeiten aufbauen und entwickeln möglicherweise
eine Affinität zur Beliebigkeit.
Auch
hier muss darauf hingewiesen werden, daß Summerhill Kinder hervorbringt, die
nicht von diesen Auswirkungen betroffen zu sein scheinen. So berichtet Neill
von Schülerinnen, die in kurzer Zeit aus eigenem Antrieb leistungsstark für die
Universitätsaufnahmeprüfungen lernen (Neill 1998, 119, 124). Das weist
möglicherweise darauf hin, dass sie flow erleben.
In der folgenden Tabelle werden Elemente der Pädagogik Neills
zusammengefasst, die als Gesamtheit flow-Erlebnisse
in Summerhill eher unterbinden als fördern (wenn nicht anders vermerkt,
beziehen sich die Quellenangaben auf Neill).
Freiheit |
Freiheit
als Hauptprinzip der Schule (1998, 89), „sich selbst überlassen und
unbeeinflußt von Erwachsenen“ (1998, 23) |
Kaum
Herausforderungen |
Die
Schüler „machen sich kaum an schwierigere Sachen heran“ (1998, 32) |
wenig
Zielvorgaben |
Keine
Prüfungen (1998, 25); Annahme, Kinder würden „eklektisch“ handeln, ihr Leben
sei voll „bruchstückhafter Interessen“ (1998, 325); freiwilliger Unterricht |
wenig
Struktur |
Antiautoritäres Erziehungskonzept und
Repressionsfreiheit (Böhm 1994, 496) weisen im allgemeinen auf wenig Struktur
hin. Regelmäßige Vollversammlungen geben dem wöchentlichen Tun Struktur |
wenig
Konzentration |
Keine
Rückzugsmöglichkeit; es ist „schwer, in Ruhe zu arbeiten“ (1998, 93) |
kaum Kontrolle & kaum Feedback |
„Man
sollte überhaupt einem Kind niemals
helfen, wenn es ein Problem nicht selbst lösen kann“ (1998, 186) |
Selbstvergessenheit (als Charakteristikum von flow) |
„Schöpferische
Kraft“ (1998, 43), „Lebenlassen“ (1998, 22) lassen grundsätzlich an das
Phänomen der Selbstvergessenheit denken. |
veränderte Zeitwahrnehmung (als Charakteristikum von flow) |
---- |
Tabelle 3.3.1.
Flow verhindernde Prinzipien in
Summerhill
Freiheit ist aus der Sicht von flow
das Hauptprinzip in der Pädagogik Neills. Er hat erkannt, dass Menschen
kaum glücklich sein können, wenn sie wie ferngesteuerte Roboter funktionieren,
sondern dass sie sich glücklich fühlen, wenn sie in Freiheit intrinsisch
motiviert arbeiten und leben können. Diese erzieherisch sympathische Grundidee
scheint auf den ersten Blick flow förderlich
zu sein. Flow beinhaltet ein Gefühl
von Freiheit, da man nichts anders tun möchte als gerade diese intrinsisch
motivierende Tätigkeit (Massimini & Carli 1991, 298), daher könnte
umgekehrt ein Gefühl von Freiheit flow
und somit Glück auslösen (vgl. C 1993, 278) Doch aus der Sicht der flow-Theorie scheint Neills Erziehung
zur „inneren Freiheit“ genauer betrachtet wenig flow-förderlich zu sein:
1.) Er setzt den Schülern keine Ziele, z. B. Prüfungen.
2.) Er leitet nicht zu Herausforderungen an, zum
Beispiel, wie Schüler ihre Fähigkeiten an komplizierteren Tischlerarbeiten
differenzieren können. Er fördert auch nicht geistige Herausforderungen, die
beispielsweise zur Bildung einer politischen Einstellung führen könnten.
3.) In der Schule Summerhill können sich die
Schüler wenig konzentrieren. Sie werden immer wieder bei ihren Tätigkeiten
unterbrochen.
4.) Neill sieht das Leben als Aneinanderreihung bruchstückhafter Interessen. Mit dieser eklektischen Einstellung legt er vermutlich keinen Wert darauf, dass sich Menschen in eine Sache vertiefen.
Betrachtet man die Auslegung der Neillschen Texte aus einer Sicht
von Erziehung, wie sie in der Einleitung dargelegt wurde, so scheint Summerhill
nicht geeignet zu sein, eine Erziehungsfunktion zu erfüllen, die zur
Herausbildung autotelischer Fähigkeiten führt, denn die Schülerinnen können
sich vermutlich nicht die „strukturellen Eigenschaften“ des flow-Erlebens (Csikszentmihalyi 1985,
132) zu eigen machen. Dazu setzt Neill rein konzeptionell zu wenige Aspekte um,
die flow förderlichen Charakter
haben.
Neills Pädagogik weist also offenbar keine Voraussetzungen auf,
die regelmäßig flow evozieren. Das
bedeutet aus der Sicht der flow-Theorie
(Ebene der flow-Auslöser), dass er in
diesem Rahmen auch nicht erzieht.
Erziehungsziel. „Körperlich gesund, geistig klar und seelisch
ruhig“ sollten Kinder sein – so definiert Lauff (1999) das grundlegende Ziel von Erziehung.
Neill hat zum Ziel, Kinder zu glücklichen Menschen zu erziehen (Neill 1998,
120). Sie sollen lebensbejahend und ausgeglichen sein, nicht wie Roboter
funktionieren oder eingeschüchtert leben. Das Ziel seiner Erziehung ist also
dem von Lauff theoretisch ähnlich. Doch aus der Sicht einer Erziehung durch flow-Erlebnisse scheint er in der
praktischen Umsetzung seiner Pädagogik dieses Ziel nicht zu erreichen.
Stellvertretende
Verantwortung. Neill
übernimmt offenbar als Erzieher nicht die „stellvertretende Verantwortung“
(Lauff 1999), die für das Phänomen von Erziehung konstitutiv ist: Er überlässt
die Kinder sich selbst, bei Problemen will er „niemals helfen“ (Neill 1998,
186). Schülerinnen und Schüler scheinen keine Unterstützung dabei zu bekommen,
wie sie beispielsweise in einer Sache weiterkommen können, wenn sie sich
„festgefahren“ haben oder einfach nicht mehr weiter wissen. Neill trägt aus dem
Blickwinkel von flow wohl also keine
Sorge dafür, dass die Kinder und Jugendlichen ihre Potenziale entdecken und
ausbauen.
Werdenskraft. Neill unterstützt kaum die „Werdenskraft“
(Lauff 1999) seiner Schüler. Er ermuntert sie beispielsweise nicht, ihre
Fähigkeiten an Herausforderungen zu erproben (Neill
1998, 32), und hilft ihnen auch nicht über
Schwierigkeiten hinweg (Neill 1998, 186), durch deren Bewältigung sie wachsen
könnten. Da in Summerhill wohl wenig flow-Erlebnisse
während einer Tätigkeit über einen längeren Zeitraum möglich sind, wird die
Werdenskraft als ein Erziehungsmerkmal durch diese Pädagogik kaum unterstützt.
Entwicklungs- und
Lebenshilfe. Neills
Pädagogik hat vermutlich bei denjenigen Schülern keine Entwicklungs- und
Lebenshilfe geleistet, die schließlich –
mehr als andere Schulabgänger – psychoseähnliche Zusammenbrüche (Sielski 1977, 103)
erleiden. Es ist nicht klar, ob Neill aus der Sicht der flow-Theorie seine Schüler überhaupt auf das Leben vorbereiten
kann, denn wenig oder fehlender flow
„lähmt uns langsam aber sicher“ (C 1985, 227). Unter Gesichtspunkten einer
Erziehung durch flow-Erlebnisse
betrachtet wirkt Summerhill kaum als Entwicklungs- und Lebenshilfe.
Zusammenfassend soll festgehalten werden: Summerhill ist ein
Experiment der progressiven oder antiautoritären Erziehung. Neills erzieherische
Attraktivität ist darin zu sehen, dass er Lebensfreude, Glück und individuelle
Freiheit im Erziehungsprozess großgeschrieben hat. Damit hat er eine wichtige
pädagogische Anregung gegeben, die als erzieherische Grundhaltung dem Erzeugen
von flow förderlich sein kann. Eine
konkrete Umsetzung – nämlich eine
Erziehung zu autotelischen Fähigkeiten – ist aus der
Sicht der flow-Theorie jedoch in der
Praxis gescheitert.
Zum vorhergehenden Kapitel: Freineit
[1] Seine oft widersprüchlichen Begriffsdarstellungen machen es
schwer, aus der Sicht der flow-Theorie
eine Stringenz seiner Erziehungspraxis zu erfassen.
[2]1912 Universitätsabschluss Master of Art in Englisch.
Journalistische Tätigkeiten: von 1908 (er gibt das Universitätsmagazin „The
Student“ heraus) bis 1920 (Mitherausgeber der Zeitschrift „New Era“); 1921
nimmt Neill an der Gründungskonferenz der „New Education Fellowship“ in Calais
(Frankreich) teil. In diesem Jahr gründet er seine erste internationale Schule
im Gebäude der Jaques-Dalcroze-Schule in Hellerau bei Dresden (Kühn 1995, 145).
[3] Unter anderem 1903 Kingskettle School in Fife (drei
Jahre),1906 Newport Public School bei Dundee, (ca. zwei Jahre), 1918 King
Alfred School in Hampstead (Kühn 1995, 145).
[4] Vielleicht ist die scharfe Kritik auch biographisch
begründet. Neill und seine sieben Geschwister mussten als Kinder z. B.
„steifgestärkte Hemden“ (zit. in: Kühn 1995, 9) tragen, im Sommer durften sie
nicht wie die anderen Kinder barfuß gehen, sondern mußten „heiße Strümpfe und
Schuhe“ anziehen. (zit. in: Kühn 1995, 9). Der Grund: Seine Mutter wollte für
ihre Lehrerfamilie im ländlichen Schottland einen höheren sozialen Status zum
Ausdruck bringen, als sie ihn tatsächlich im Dorf innehatten (Kühn 1995, 9
ff.). Möglicherweise wird Neill daher zu einem Teil (unbewusst) von seiner
Kindheit gesteuert und wendet sich vielleicht deshalb so stark gegen Zucht und
Konformismus. Vielleicht wird deshalb das Thema Freiheit (s. u.) bei ihm so
großgeschrieben. Dieser biographische Hinweis ist auch vor dem Hintergrund interessant,
dass Neill sich später mit der Psychoanalyse auseinandersetzt, er vermutlich
also an die starke Wirksamkeit der Kindheit (und des Unbewußten) glaubt.
[5] Die Konzeption des Internats war eine Grundlage der antiautoritären
Erziehungsbewegung Ende der 60er-Jahre.
[6] Dies ist eine mögliche Antwort
darauf, warum angepasste, stille Menschen, die immer „funktioniert“ haben,
plötzlich in die Schlagzeilen kommen, weil sie „aus heiterem Himmel“
beispielsweise jemanden getötet haben.
[7] Neill vertritt einen therapeutischen, Makarenko im
Unterschied dazu einen kollektivistischen pädagogischen Naturalismus (Böhm 141994,
493).
[8] Im Kapitel über Makarenko wird die Bedeutung von Zielen für
das Auslösen des flow-Phänomens beschrieben.
[9] In Knaurs Fremdwörterlexikon wird der Begriff wie folgt
definiert: „[griech.: „Auswählender“] jmd., der verschiedene Anschauungen oder
verschiedene Stile (bes. in der Baukunst) miteinander verbindet, ohne eigene
Gedanken oder einen eigenen Stil zu entwickeln.“
[10] Vgl. auch im Kapitel über die Produktionsschule im
Abschnitt „Soziale Herausforderungen“ den Kasten
„Regeln“.
[11] Autotelische Personen dagegen
zeigen neben ihrer Neugierde und Offenheit gegenüber anderen Dingen (Hektner 1996,
169) Zielstrebigkeit und zukunftsorientiertes Auswählen. Sie erleben
erweiterten flow. Dieser ist
pädagogisch wertvoll, weil er die Entwicklung autotelischer Fähigkeiten fördert
(Plöhn 1998, 87 ff.; 112).
[12] Wie Herausforderungen pädagogisch geschaffen werden können,
zeigt das Kapitel über die Produktionsschule.
[13] Vgl. die Bedeutung von Feedback und Kontrolle für flow im Kapitel über die
Freinet-Pädagogik.
[14] Die Bedeutung des ununterbrochenen konzentrierten Arbeitens
ist im Kapitel über Montessori dargestellt.