In
diesem Kapitel wird die Suche nach und der Auslegung von reformpädagogischen
Konzepten vorgestellt.
Im
zweiten oder dritten Semester meines Studiums (um 1987) habe ich das erste Mal
etwas von der flow-Theorie gehört,
konnte jedoch mit flow nicht viel
anfangen und legte die Theorie unter „nicht so interessant“ ab.
Ein
paar Jahre später habe ich neun Monate ehrenamtlich auf einem Großsegler
gearbeitet, der seine erlebnispädagogischen Reisen mit Jugendlichen und
Erwachsenen nach dem Konzept des Reformpädagogen Kurt Hahn gestaltete. Ich habe
erlebt, wie sich die meisten Teilnehmer während einer Reise veränderten und
fast alle Teilnehmer motiviert und mit einer inneren Glut wieder abreisten.
Irgendwann – als ich die x-te Reise mit durchgeführt hatte, die Teilnehmer von
Bord waren und ich mir in einer ruhigen Minute die Begeisterung der Teilnehmer,
ihre lebendigen Augen und erfrischten Gesichter noch einmal vergegenwärtigte –
hatte ich plötzlich eine Ahnung: Da war doch mal was... Als ich wieder für
einige Zeit an Land war, habe ich dieses Aha-Erlebnis weiter verfolgt,
blätterte eilig in meinen Unterlagen und fand – „flow“. Csikszentmihalyi (1985) beschrieb genau das Phänomen, das ich
selbst täglich an Bord erlebte und auch bei Teilnehmern beobachtete. Mir schien
es so, als ob Kurt Hahn (dessen Konzept ich in der Praxis als Mitglied der Crew
umsetzte), schon lange vor Bestehen der flow-Theorie
genau wusste, wie und warum er dieses Phänomen auslöste. Dies war für mich eine
spannende Vermutung – mit Folgen: Mich reizte eine empirische Untersuchung über
flow-Erlebnisse während einer
erlebnispädagogischen Klassenreise auf diesem Schiff.[1]
Damit hatte ich eine Schnittmenge zwischen einem reformpädagogischen Ansatz und
der flow-Theorie gefunden (Plöhn
1998).
Der
Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung liegt also in meinen praktischen
Erfahrungen mit einem traditionellen reformpädagogischen Konzept und der
Auseinandersetzung mit einer neueren motivationspsychologischen Theorie,
nämlich der flow-Theorie.
Um
einen Zusammenhang zwischen flow-Theorie
und Reformpädagogik näher beschreiben zu können, ist notwendig, den Umfang der
Ausgangslage bzw. mein Vorverständnis darzulegen, und zwar hinsichtlich
1. der
flow-Theorie,
2. der
Reformpädagogik und
3. einem
möglichen Zusammenhang zwischen diesen beiden „Parteien“.
Mein
Vorverständnis von flow beinhaltet
(1) meine praktischen Erfahrungen mit dem flow-Zustand
und möglichen Auslösebedingungen sowie (2) mein theoretisches Wissen:
·
Ich weiß, wie sich flow anfühlt, weil ich ihn selber oft erlebe. Ich weiß auch, wie es
sich anfühlt, wenn ich einmal einen Tag keinen oder wenig flow erlebe.
·
In meiner praktischen pädagogischen Arbeit
(Soziale Gruppenarbeit, KJHG §§ 27, 29; u.a. auf Segelschiffen, Segellehrerin)
habe ich versucht, möglichst viel flow
zu erzeugen. Dabei habe ich unter anderem an die oben beschrieben Merkmale von flow als Auslöser in der Praxis angewendet.
·
Durch meine Beobachtungen habe ich schließlich
ein Gespür bekommen, ob Menschen gerade flow
erleben oder nicht. Hinweise für meine Vermutung bekomme ich unter anderem
durch ihre Stimmung oder dadurch, wie sie handeln, sprechen oder bei der Sache
sind. Aus Erfahrungen kenne ich auch Stimmungsveränderungen in Gruppen auf
Segelschiffen, die als Gruppe in den flow-Zustand
kommen oder auch aus dem flow-Zustand
herauskommen, etwa bei Flaute oder zu viel Wind.
·
Ich habe mich mit der flow-Theorie theoretisch auseinandergesetzt (z.B. Einleitung; Plöhn
1997; Plöhn 1998).
Dieses
praktische und theoretische Vorverständnis über den flow-Zustand und seine möglichen Auslöser macht es mir möglich, in
reformpädagogischen Texten nach flow-relevanten
Merkmalen zu suchen und sie als flow-nah
oder flow-fern einzustufen.
Mein
Vorverständnis von Reformpädagogik war eher eine Ahnung als konkretes
Faktenwissen: Einzelne sehr engagierte Praktiker und Praktikerinnen im In- und
Ausland entwarfen neue Erziehungsphilosophien, weil Schule zu wenig
Persönlichkeitsentwicklung ermöglichte. Kurt Hahn war einer, mit dem ich mich
in Theorie und Praxis auseinandergesetzt hatte (Plöhn 1998, 13 ff.). In seiner
outward-bound-Pädagogik ist das flow-Phänomen
ein zentraler pädagogischer Faktor, und er beschreibt Kriterien, die als
Gesamtheit mit den Elementen der flow-Theorie
übereinstimmen (Plöhn 1998, 13 ff.).
Neben
Hahn hatte ich vor etlichen Jahren etwas über das Prinzip von
Produktionsschulen gehört, über eine marktorientierte Produktion mit
entsprechendem Unterricht. Neill als Vertreter antiautoritärer Erziehung war
mir entfernt geläufig.
Das
Vorverständnis bedeutete, dass ich mich in die Thematik der Reformpädagogik
einarbeiten musste, um Konzepte zu finden, die ich aus der Sicht von flow beschreiben wollte.
Dieses
Vorverständnis habe ich einleitend in diesem Kapitel als Ausgangssituation
beschrieben. Eine Verbindung zwischen Reformpädagogik und flow sah ich, weil ich erstens selbst flow auf reformpädagogischer Grundlage erlebte, weil ich zweitens
diese Verbindung theoretisch auf der Ebene der flow-Elemente untermauern konnte und drittens empirische Hinweise
für eine „Schnittmenge“ von flow und
eines reformpädagogischen Konzept fand (Plöhn 1998).
Nachdem
ich nun einen Reformpädagogen „gefunden“ hatte, der scheinbar dieses Phänomen und
die dazugehörigen Auslöser mit seiner Pädagogik vertrat, vermutete ich in der
„reichen“ reformpädagogischen Epoche die Existenz weiterer Konzepte, die vor 70
bis 80 Jahren so etwas wie flow
evozieren wollten, um effektive und konstruktive Prozesse in der schulischen
Erziehung auszulösen.
Mich
interessierte nun aus meinem Vorverständnis heraus und vor dem Hintergrund der
Kausalitätsfeststellung von Csikszentmihalyi (C. 1993, 278), inwieweit auch
andere Reformpädagogen als Kurt Hahn so etwas wie schöpferisches Tun
thematisierten und ob sie (implizit) auch Auslösebedingungen aus ihrer Praxis
beschrieben, die mit den in der flow-Theorie
beschriebenen Elementen übereinstimmen. Aus meinem Interesse entstanden zwei
Thesen:
1.)
Reformpädagogen lösten absichtlich das flow-Phänomen
aus.
2.)
Reformpädagogen beschreiben oder realisierten auch Auslösebedingungen, die mit
den Elementen des flow-Erlebnisses
übereinstimmen.
In
dieser Untersuchung geht es darum, Beispiele reformpädagogischer Konzepte zu
finden, diese näher zu verstehen und entsprechend der obigen Fragestellung zu
untersuchen. Heuristisch[3]
ist die Herangehensweise, um die Reformpädagogen sowie zentrale Elemente zu
entdecken. Um das Gefundene auszuarbeiten, ist die Hermeneutik[4]
herangezogen worden. Diese beiden Vorgehenswiesen können jedoch nicht strikt
getrennt werden, weil sie ineinander greifen: So generiert hermeneutisches
Vorgehen auch Erkenntnisse, und heuristisches Suchen bedeutet auch zirkuläres
Verstehen. Die Vorgehensweisen werden hier trotzdem getrennt dargestellt, um
zwei Schwerpunkte des Vorgehens deutlich zu machen. Vorher ist aber für das
methodische Verständnis zu betrachten:
1.)
das Verhältnis von Phänomen, Wort und Begriff
2.)
die Subjektivität des Verstehens.
In
dieser Arbeit wird zwischen Phänomen, Begriff und Wort unterschieden, damit
Konzepte aus verschiedenen Zeiten mit ihren zum Teil unterschiedlichen Worten
und Begriffen miteinander in Beziehung gesetzt werden können.
Flow ist zunächst
nur ein Wort, ein Laut aus der englischen Sprache, das sich auf die
Wirklichkeit bezieht, „nicht aber die bezeichnete Wirklichkeit selbst“ ist
(Lauff 1984, 72). Es hat seinen sprachlichen Ursprung in der subjektiven und
situativen Wahrnehmung, wie sich Menschen bei bestimmten Tätigkeiten fühlen,
die sie intrinsisch motiviert ausführen.[5]
Dieses
Wort wurde durch eine Entscheidung Csikszentmihalyis (vgl. Einleitung) Name für
einen bestimmten psychischen Zustand emotionalen Erlebens. Dieses Wort und der
Name sind in das Deutsche übernommen worden. Es kann im Deutschen mit anderen
Worten umschrieben werden: z.B. optimales Erleben, Glücksgefühle, innere
Zufriedenheit, Flusserlebnis, reflexionsfreies Versinken/Aufgehen im Tun,
schöpferisch tätig sein, die Welt vergessen, mühelose Konzentration, Gefühl von
psychischer Ordnung und Harmonie, Begeisterung, Freude, entspannt
Herausforderungen meistern, Gipfelerlebnis, intrinsische Motivation. Diese
Wörter umschreiben im deutschsprachigen Raum also dieses „Phänomen der
menschlichen Motivation“ (Aeblie, in Csikszentmihalyi 1985, 9), das mit dem
Wort flow bezeichnet wird.
Das
Phänomen (griech. phainómenon, das Erscheinende), für das flow ein Wort oder Name ist, ist eine Erscheinung, die jedem
Menschen widerfahren kann. Es ist, im Gegensatz zum Wort, die Wirklichkeit
selbst: Die Qualität des motivationalen Erlebens gibt sich dem Menschen
unmittelbar. Doch das flow-Phänomen
erleben die Menschen dann wieder subjektiv etwas unterschiedlich nuanciert und
kreieren dafür unterschiedliche Namen: Grande Passion, schöpferische
Leidenschaft (Hahn), Versenken der Seele (Montessori) oder Rausch des Triumphes
(Freinet).
Nach
der Entscheidung über das Wort für das Phänomen entwickelten Csikszentmihalyi
und seine Kollegen dann wissenschaftlich den Begriff flow. Ein Begriff fasst ein Phänomen mehr oder weniger präzise (je
nach Forschungsstand) in gedanklich-inhaltliche Merkmale. Merkmale des flow-Erlebens sind beispielsweise die flow-Elemente wie Konzentration,
Feedback, Herausforderungen. Mit diesen inhaltlichen Merkmalen wird das
Phänomen flow zu einem Begriff. Flow wird als Begriff aber auch
inhaltlich fassbar gemacht, indem es systematisch in die Wissenschaft
eingeordnet wird, z.B. in die Motivationspsychologie. Mit diesen inhaltlichen
Aspekten bildet sich dann mit weiterem Forschungsstand ein zunehmend präziser
Begriff des flow-Phänomens heraus.[6]
Wozu
nun diese Unterscheidung? Sie macht die historische Differenz zwischen flow-Phänomen und flow-Begriff deutlich und zeigt, dass das Phänomen alt ist, das
Wort und der Begriff dagegen relativ neu sind (vgl. Einleitung). Die
Reformpädagogen kannten vermutlich das Phänomen, aber sie hatten weder das Wort
noch den Begriff flow. Wort und
Begriff tauchen, historisch betrachtet, erst später in den Arbeiten von
Csikszentmihalyi (1985) auf.[7]
Mit einer Auslegung von reformpädagogischen Texten durch die Brille der flow-Theorie soll ein altes Phänomen in
früheren Erziehungsprozessen begrifflich präzisiert werden.
Die
Unterscheidung von Wort, Begriff und Phänomen ist auch für eine Entscheidung
für oder gegen die nähere Betrachtung eines Reformkonzeptes wichtig. Dabei
wurde nicht nach bestimmten Wörtern oder Begriffen gesucht, die aus der flow-Theorie bekannt waren, sondern nach
beschriebenen Phänomenen. Makarenko benutzt beispielsweise den Ausdruck
Perspektive. Er spricht in diesem Zusammenhang auch von Hauptzielen und
Nebenzielen. Das dahinter liegende Phänomen kann also als Ziel beschrieben
werden, Ziel und Perspektive sind unterschiedliche Begriffe der jeweiligen
Ansätze für das gleiche Phänomen. Die Übereinstimmung wurde
auch im Bedeutungswörterbuch geprüft und es hat sich gezeigt, dass Ziele und
Perspektiven inhaltlich kaum voneinander entfernt stehen (dazu Näheres weiter
unten, im Abschnitt Kategorien).
Experimentelle
wissenschaftliche Forschung hat den Anspruch auf Allgemeingültigkeit: Jeder
kann zu jeder Zeit z.B. einen Versuch wiederholen und unter gleichen
Bedingungen zum gleichen Ergebnis kommen (vgl. Lauff 1984). Aber „Wir stehen
vor der Frage, ob denn ein allgemeingültiges Verstehen möglich ist. Darauf gibt es die klare Antwort: nein“
(Danner 1998, 52; Hervorhebung I.P.).
Verstehen
ist also subjektiv. Nach Gadamer bringen Interpreten ihren eigenen Horizont,
ihr eigenes Verständnis beim Lesen von Texten ein: Es gibt „niemals den Leser,
der, wenn er seinen Text vor Augen hat, einfach liest, was dasteht“ (Gadamer
1972, 323). Dies bewirkt eine „Horizontverschmelzung“ (Gadamer1972, 290) von
eigenem Verständnis und neuen Informationen.
Warum
der Vorgang des Verstehens subjektiv ist, hat Lauff (1984, 78 ff.) dargelegt.
Er hat die „formale Qualität von Verstehensprozessen herausgearbeitet“ (ebd.
78): In einem Verstehensprozess setzt der Verstehende Bilder aus frisch „gewonnener
Anschauung“ („Anschauungsbilder“) und Bilder aus gewohnter und vertrauter
„aktivierter Einbildung“ („Einbildungsbilder“) zusammen und schafft damit ein
neues „Verstehensbild des Verstehenden“ (Lauff 1984, 80). Verstehen ist somit
„eine Abstraktionsleistung des Davorstehenden auf der Grundlage von eigenen
Vorbildern und aktuell neuen Bildern“ (Lauff 1984, 79).[8]
Damit
wird deutlich, dass die Subjektivität in einen Verstehensprozess mit einfließt
und gar nicht ausgeschaltet werden kann. Man kann also, wie Gadamer es
ausdrückt, nicht einfach etwas lesen, was dasteht. Ein neues „Verstehensbild
des Verstehenden“ (Lauff 1984, 80) beinhaltet also immer „subjektive Substanz“[9]
(Lauff 1984, 79). Ein neues Verstehensbild entsteht also dadurch, dass sich subjektive
Einbildungsbilder und „der objektivierende Garant, die Anschauungsbilder“
(Lauff 1984, 79) als „ein innerer Vorgang“ (Lauff 1984, 80) miteinander
verzahnen. Dadurch gewinnt der Mensch neue Erkenntnisse (vgl. Lauff 1984, 66,
79 f.). Das neu entstandene Bild des Verstehenden „ist auslegbar, mit anderen
Verstehensbildern vergleichbar und damit intersubjektiv kommunizierbar“ (Lauff
1984, 80).
Übertragen
auf diese Arbeit bedeutet dies, dass die flow-Theorie
„als Instrument der historischen Interpretation“ (Csikszentmihalyi 1991, 389)
als Vorbild oder Einbildungsbild betrachtet werden kann, das zusammen mit den
Anschauungsbildern über die Reformpädagogik ein neues Verstehensbild schafft:[10]
nämlich, dass das flow-Phänomen
möglicherweise schon eine erzieherische Bedeutung in der Reformpädagogik hatte.
Dieses nun vergleichbare Verstehensbild von der Bedeutung der flow-Erlebnisse in der Reformpädagogik
kann mit anderen Verstehensbildern zu neuen Diskussionen und möglicherweise zu
weiterem Erkenntnisgewinn führen.
Wenn
diese erkenntnisfördernde Subjektivität bemängelt wird (vgl. von Cube 1977, 135[11]), dient dies nicht dem Erkenntnisgewinn, der
ja gerade von dem Reichtum subjektiver Sichtweisen profitiert.[12]
„Das Wesen echten Verstehens [...] setzt gerade die äußerste Lebendigkeit des verstehenden Subjekts, die möglichst
reiche Entfaltung seiner Individualität voraus“ (Bultmann 1968, 230).
Subjektivität
kann also nur zum Vorwurf gemacht werden, wenn der Interpret nicht gewillt ist,
sich überhaupt auf einen Verstehensprozess einzulassen. Dann ist der
„Interpret“ aber auch kein Verstehender. Er bleibt bei seinen vorgeprägten
„Einbildungsbildern“ und verschließt sich dem Erkenntnisgewinn durch äußere
Anschauungsbilder. „Verstehen ist also [...] Mittel der Auseinandersetzung“
(Lauff 1984, 78). Und dies geschieht letztendlich immer durch subjektives
Vorverständnis oder Einbildungsbilder. Ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit im
Sinne des herrschenden Objektivitätsbegriffes, wie in der experimentellen
wissenschaftlichen Forschung, macht in der Hermeneutik also überhaupt keinen
Sinn. Sinn machen subjektive Verstehensbilder, die mit anderen
Verstehensbildern „vergleichbar und damit intersubjektiv kommunizierbar“ (Lauff
1984, 80) sind. Dadurch kann „höheres Verstehen“ (Dilthey, 21958,
210) oder „anders“ verstehen (Gadamer 31972, 280) möglich werden.
Das
Subjektive am Verstehensprozess formt also inhaltlich eine Suche, wie auch die
Interpretation von Texten. Formale Regeln dienen dabei als Leitfaden, um das Subjektive
methodisch transzendieren und intersubjektiv verständlich machen zu können.
Ein Zwischenstopp
Aus
einem bestimmten Vorverständnis von flow
und Reformpädagogik hat sich ein subjektiv geprägtes „erkenntnisleitendes
Interesse“ entwickelt, wie diese beiden Konzeptarten in einem Zusammenhang
stehen könnten. Um Überschneidungen der traditionellen reformpädagogischen
Konzepte mit der etwas neueren motivationspsychologischen flow-Theorie zu verstehen, muss man ihre Phänomene, Begriffe und
Wörter zueinander in Beziehung setzen, da Csikszentmihalyi und die
Reformpädagogen zu unterschiedlichen Zeiten gelebt und gewirkt haben.
Nachdem
nun das Grundlegende beschrieben wurde, folgt nun die Beschreibung einzelner
methodischer Schritte, die jedoch, wie gesagt, ineinander greifen. Vorweg
werden jeweils formale Prinzipien beschrieben, im Anschluss daran dann das
Vorgehen.
Heuristik
(griech. heuriskein, „finden“) bedeutet eigentlich Findungskunst. Ziel der
Heuristik ist, etwas Neues zu entdecken und nicht etwas bereits Entdecktes
näher zu interpretieren oder zu verifizieren oder zu falsifizieren. Es ist ein
wissenschaftliches Verfahren, um Verhältnissee aufzuklären, zu hinterfragen,
weiterzuentwickeln. Sie hilft dem Forschenden, sich seinem zu erforschenden
Projekt zu nähern und es schließlich konkret zu entdecken. Hierin liegt auch
ihre Notwendigkeit: Forschungsgegenstände entfernen sich durch die zunehmende
Informationsfülle und -vielfalt immer weiter von Forschungspersonen. Diese
Distanz soll durch heuristische Verfahren verringert werden. Es gibt jedoch
kein „bestes“ oder einheitliches heuristisches Vorgehen,[13]
sondern formale Prinzipien, die ein Entdeckungsverfahren optimieren. Dazu im
Folgenden etwas genauer über Regeln, Dialogverfahren, Strategien und Beendigung
des heuristischen Vorgehens (vgl. Kleining 1995, 225 ff.).
Erstens:
Für die Sicherstellung einer grundlegenden wissenschaftlichen Einstellung eines
Forschers haben sich vier heuristische Regeln herauskristallisiert (vgl.
Kleining 1995, 231 ff.):
1.) Die Forschungsperson
sollte offen sein, das heißt: Forschende sollten sich darüber bewusst sein,
dass sie auch als Forscher eigene Interessen verfolgen und Informationen, die der
eigenen Ansicht widersprechen, vielleicht (unbewusst) ignorieren. Die Regel zur
Offenheit bedeutet, nicht „kompatible“ Informationen mit in eine Analyse
einzubeziehen.
2.)
Der Gegenstand ist inhaltlich offen, das heißt, er ist anfangs noch nicht
definiert, weil er ja erst entdeckt werden muss. Im Laufe einer Suche verändert
sich der Forschungsgegenstand, entweder dadurch, weil wir ihn zu
unterschiedlichen Zeiten anders wahrnehmen („noch einmal darüber schlafen“),
weil der Forschungsprozess vorangeht und sich das Vorverständnis ändert oder
weil sich der Gegenstand tatsächlich selber über einen Zeitraum hinweg
verändert. Das heißt für einen Suchprozess, den Gegenstand immer als vorläufig
anzusehen.
3.)
Perspektiven maximal variieren. Der Gegenstand sollte von möglichst vielen
Seiten betrachtet werden, damit er von möglichst vielen Seiten beleuchtet wird,
was den Suchprozess beschleunigt: z.B: Vermutungen aufstellen, Analogien
bilden, Gedankenexperimente, Fragen an den Text. So wurde der Frage
nachgegegangen, wie das reformpädagogische Konzept von Célestin Freinet (vgl.
Kapitel 3.4) am umfassensten betrachtet werden kann; aus der Sicht von
Kontrolle, Herausforderungen, Zielen?
4.)
Gemeinsamkeiten suchen. Diese Regel gilt als Gegenstück zur eben beschriebenen Variation.
Hier gilt es Gemeinsamkeiten zu erkennen, etwa durch Vergleiche, Analogien oder
Negationen. Gemeinsamkeiten sind nach dieser Regel auch in den Unterschieden zu
suchen. Neill und Hahn ist beispielsweise gemeinsam, dass ihre Konzepte aus der
Sicht der flow-Elemente betrachtet
werden können. Sie unterscheiden sich jedoch darin, dass Hahn diese Kriterien
zu verwirklichen scheint, während Neill keins von ihnen umzusetzen scheint.
Die
Anwendung dieser vier Regeln soll also für eine „gesunde“ Forschereinstellung
sorgen, die zu einer möglichst hohen Transparenz des Ergebnisses beitragen
soll.
Zweitens:
Neben dieser „Einstellungsbildung“ gibt es ein weiteres Prinzip, um ein
heuristisches Entdeckungsverfahren zu optimieren. Der Dialog ist nun das
grundlegende Verfahren, mit dem eine forschende Person an einen Gegenstand
herantritt, um zu verstehen. Der Dialog läuft erkenntnisorientiert und
zielgerichtet ab. Die daraus folgenden Antworten ermöglichen es,
differenzierter suchen zu können. Dieses Verfahren verläuft zirkulär, nicht
linear[14].
Es werden dabei die vier obigen Regeln angewendet (vgl. Kleining 1995, 250
ff.).
Drittens: Um nun eine
begonnene Untersuchung mit ihren ersten vorläufigen Ergebnissen in Gang zu halten
und zu steuern, sind drei heuristische Strategien als „formale Anweisungen“
(Kleining 1995, 264) zu beachten. Sie sind hilfreich, um Veränderungen beim
Suchen und Finden einordnen zu können. Auf diese Weise kommt die forschende
Person zur Erkenntnis und wird nicht durch das Forschungsmaterial manipuliert
(vgl. Kleining 1995, 263 ff.):
1.)
Besonderheiten erkunden, z.B. durch Positionen. Makarenko ist ein Beispiel
einer extremem Position bezüglich seines Klientels, da er verwahrloste
Jugendliche betreute, die nichts mehr verlieren konnten.
2.)
Grenzen testen. Jeder Forschungsgegenstand „hat einen ‘Ort’ und eine ‘Zeit’,
d.h. er ist gesellschaftlich und historisch“ (Kleining 1995, 265). Hier werden
also die gefundenen Informationen des Forschungsgegenstandes vorläufig an ihren
Platz eingeordnet.. Die Reformpädagogen begannen z.B. vor rund 80 Jahren zu
wirken, indem sie Schule veränderten, die flow-Theorie
begann vor ca. 30 Jahren das subjektive Erleben von Menschen zu erforschen.
Beide Konzeptarten haben jeweils ihren Ort und ihre Zeit. In dieser Arbeit
werden ihre Grenzen durch eine gemeinsame Schnittmenge (flow-Elemente als flow-förderliche
Auslöser) teilweise aufgelöst.
3.)
Die dritte Strategie ist das Zugehen auf den Forschungsgegenstand. Hier geht
die Forschungsperson offen vor und akzeptiert auch Veränderungen während des
Forschungsprozesses. Diese Strategie hängt eng zusammen mit einer offenen
Einstellung der Forschungsperson (vgl. obige Regeln).
Die
drei Strategien halten also den Forschungsprozess aufrecht, sie sind quasi die
Anleitung, wie ein Dialog geführt wird, während die Regeln für eine innere
Haltung der Forschungsperson zuständig sind. Diese Regeln, Strategien und das
Dialogverfahren stehen in einem inneren Zusammenhang. Sie ermöglichen als formale „Anleitung“ die inhaltliche Forschungsfreiheit einer
Person. Sie haben die Funktion eines Regulators, damit das Subjektive
intersubjektiv deutlich werden kann.
Viertens:
Der Forschungs-, bzw. Suchprozess endet, wenn keine weiteren Erkenntnisse bezüglich
der Suchrichtung gefunden werden. Dies ist oft mit einem Aha-Erlebnis oder
einem archimedischem „Heureka!“[15]
verbunden. Nach einem „Aha“ wird noch einmal geprüft, ob „wirklich alles
berücksichtigt wurde“ (Kleining 1995, 273) oder ob Daten unter „Sonstiges“ als
nicht eingruppierbar abgelegt wurden.
Nach
diesen heuristischen Prinzipien ist hier vorgegangen worden. Wie dies konkret
in dem Forschungsprozess aussah, wird in den folgenden Abschnitten beschrieben.
1.)
Es ist drauf geachtet worden, dass die hier untersuchten reformpädagogischen
Konzepte bis heute praktiziert[16]
werden. Das soll einerseits die Zeitdifferenz zwischen historischen Texten und
heutiger Auslegung besser überbrücken und die wirkungsgeschichtliche
Perspektive (siehe unten) vergrößern. Andererseits soll es in Zukunft möglich
sein, empirische Untersuchungen über flow-Erlebnisse
in der heutigen reformpädagogischen Praxis durchführen zu können.
2.)
Die pädagogischen Konzepte sollten unmittelbare Erlebnisse „aus erster Hand“
zulassen, z.B. Natur- und Teamerfahrungen, Umgang mit Materialien oder eigene
Fertigstellung von Produkten. Dagegen haben Lernerlebnisse über Computer oder
Frontalunterricht eher eine mittelbare Funktion und bleiben daher
unberücksichtigt.
3.)
Reformpädagogen sollten in ihren Texten das flow-Phänomen
beschreiben, damit in der vorliegenden Arbeit der Frage nachgegangen werden
kann, ob die Reformpädagogen das flow-Phänomen
überhaupt auslösen wollten.[17]
Von
daher ist darauf geachtet worden, ob sie tatsächlich das flow-Phänomen beschreiben oder etwas umschreiben, das auf das flow-Phänomen schließen lässt. Auf diese
Weise wird dann versucht, aus
phänomenologischer Sicht das flow-Phänomen
in den verschiedenen reformpädagogischen Konzepten aufzudecken.[18]
4)
Konzepten sind für die Analyse interessant, die mit den Elementen des flow-Erlebens bzw. den Auslösern
Ähnlichkeiten haben. Die Reformpädagogen sollten ein Kriterium in ihrer
Pädagogik besonders ausgeprägt
herausstellen, das mit einem Element des flow-Erlebens
übereinstimmte, wie z.B. Kontrolle bei Freinet. Die Konzepte sollten aus dieser
jeweiligen „Element-Fragestellung“ heraus beleuchtet werden können, z.B. bei
Freinet aus der Bedeutung von Kontrolle heraus. Das Thema Kontrolle dient
sozusagen als Leitfaden für die Darstellung des Freinet-Ansatzes. Mit diesem
Blickwinkel sollten wesentliche Aspekte des jeweiligen Reformansatzes
zusammenhängend dargestellt werden können, ohne ein jeweiliges pädagogisches
Konzept in seiner Charakteristik zu entfremden. Das jeweilige Thema, das mit
dem flow-Element übereinstimmte,
musste also auf vielen Ebenen des Konzeptes Bedeutung haben, nicht nur einmal
in einer bestimmten pädagogischen Konstellation z.B. Kontrollerfahrungen
zulassen.
Da
anfangs nicht klar war, welche reformpädagogischen Konzepte trotz der
Einschränkungen (die sich auch erst im Verlauf des Suchens differenzierten) in
Frage kommen, sind zuerst Nachschlagewerke herangezogen worden, um einen
Überblick zu bekommen. Doch diese Werke waren zu allgemein gehalten und
verrieten nur vereinzelnd Hinweise für meine Suche. Auch ausführlichere
Sekundärliteratur über jeweilige Pädagogen war nicht so ergiebig, da die Autoren
andere Blickrichtungen hatten. Ebenso ergab die Suche in
(Zeitschriften-)Datenbanken nach der Kombination von Reformpädagogik und flow-Phänomen oder Motivation sowie nach
der Kombination von Reformpädagogik mit den Stichworten der flow-Elemente (Ziele, Konzentration,
Kontrolle usw.) nichts Konkretes.
Deswegen
ist fast ausschließlich Primärliteratur herangezogen worden. Dort konnte man am
besten Stimmungen und Begrifflichkeiten finden, die dem flow-Phänomen und möglichen
Auslösern entsprachen. Hier war der Ausgangspunkt der Querlesens, die Suche
nach Hinweisen und Beschreibungen des flow-Phänomens
sowie möglicher Auslöser.[19]
War ein möglicher Auslöser gefunden, so ist er auf die Bedeutsamkeit in dem
jeweiligen Konzept überprüft worden und darauf, ob der flow-nahe Auslöser ein stimmiges Bild innerhalb anderer zentraler
Kriterien eines pädagogischen Ansatzes bot.
Die
Komponenten haben sich in der Suche direkt und indirekt bemerkbar gemacht:
Montessori und Makarenko schreiben explizit über die Bedeutung von
Konzentration bzw. Perspektiven für die Erziehung. Beim Produktionsschulansatz
wird das flow-Element
„Herausforderung“ implizit über die pädagogische Praxis deutlich, da die
herzustellenden Produkte in einem gewissen Rahmen den Gesetzen des Marktes unterliegen.
Das flow-Element kann also als
indirekt beschrieben werden, da die Marktanforderung als reale Herausforderung
interpretiert wird (zu der Bedeutung der einzelnen Elemente ausführlicher in
den jeweiligen Kapiteln).
Im
Verlauf des Suchprozesses wurden die einzelnen flow-Elemente bestimmten reformpädagogischen Konzepten zugeordnet.
Dieser Prozess verlief durch mehrere „Instanzen“ Eine Zuordnung war nicht immer
einfach: So wurde (ohne die reformpädagogischen Konzepte detailliert zu kennen)
abgewägt, ob z.B. Kontrollerfahrungen als zentrales Element bei Freinet oder in
der Produktionsschule besonders stark ermöglicht wurden.
Die
Elemente stellen das Kernstück der flow-Theorie
dar, denn sie beschreiben in ihrer Gesamtheit das flow-Phänomen. Sie definieren nicht nur den flow-Zustand, sondern können laut Csikszentmihalyi (1993, 278) und
anderen Untersuchungen (Jackson 1995, Jackson & C. 200, 13) auch ein flow-Erlebnis initiieren. So sind etwa
positives Feedback, die Möglichkeit, sich zu konzentrieren und Ziele hilfreich,
um flow auszulösen (Jackson 1995).
Somit haben die Elemente eine Doppelfunktion in der flow-Theorie: Sie sind jeweils Teilmenge des flow-Zustandes und
mögliche Auslöser.
Gerade
diese Doppelfunktion sollte für die Betrachtung reformpädagogischer Konzepte
genutzt werden. Denn wenn zentrale Aspekte eines reformpädagogischen Konzeptes
durch ein flow-Element beschrieben
werden können, kann vermutet werden, dass sie dadurch möglicherweise einen
wichtigen konzeptionellen Ansatzpunkt haben, der flow auslösen kann: Einen Ansatzpunkt, der vielleicht als zentraler
flow-Auslöser verantwortlich gemacht
werden kann, weil er zum einen inhaltlich bedeutsam ist (wie bei Montessori die
Konzentration), aber auch als eine Art Halo-Effekt auf andere charakteristische
pädagogische Elemente eines Konzepts abstrahlt. Das heißt, ein Hauptauslöser
für flow soll innerhalb einer
pädagogischen Konzeption eine zentrale Bedeutung haben, sodass es sich lohnt,
die Konzeption aus diesem Blickwinkel heraus zu betrachten. Es wird also nicht
nur ein pädagogischer Aspekt inhaltlich dargestellt, sondern die Bedeutung
eines Aspektes im Zusammenhang mit weiteren wesentlichen Kriterien eines
Reformansatzes.[20] Diese
Vermutungen über die Bedeutung eines flow
auslösenden Aspekts als ein wichtiges Kriterium in einer pädagogischen
Konzeption waren also die Motivation, sich hier auf die Elemente zu fokussieren
und in reformpädagogischen Ansätzen nach ihnen zu suchen. Gleichzeitig habe ist
darauf geachtet worden, dass die Bedeutung der Elemente im Zusammenhang mit
Beschreibungen von etwas stehen, das dem flow-Phänomen
gleicht.
Ein
zweiter Grund, die flow-Elemente zu
fokussieren, lag in dem Ergebnis der Untersuchung des Konzeptes von Kurt Hahn.
Ohne bei Hahn ursprünglich explizit nach diesen Elementen gesucht zu haben, bin
ich fündig geworden (Plöhn 1998). Hätte ich von Anfang in seinen Texten auf die
flow-Elemente geachtet, wäre ich
früher darauf gestoßen. Ich habe also aus diesem Umweg gelernt: Da
Reformpädagogen laut meinem Vorverständnis praktisch orientiert waren, schien
dieser Ausgangspunkt nach übereinstimmenden Auslösern vielversprechend. Obwohl
es auch andere Bedingungen gibt, die die flow-Forschung
als flow-förderlich herausgefunden
hat, wie z.B. positive Teamarbeit, eine gute Atmosphäre, Selbstvertrauen
(Jackson 1995), wurden hier nur die Kriterien ausgewählt, die mit der
Definition des flow-Zustandes direkt
in Verbindung stehen.
Darüber
hinaus kann in den Elementen ein Anknüpfungspunkt für die heute immer wieder
gestellte Frage gesehen werden, wie man Menschen motivieren kann (vgl. Jackson
& C. 2000). Diese Fragen stellen sich nicht nur Lehrer immer wieder,
sondern beispielsweise auch Trainer, Führungskräfte, Eltern. Es gibt ganze
Bücher über den praktischen Nutzen dieser einzelnen flow-Elemente (z.B. Fengler 1998; Seiwert 41999,
Geisselhart 1998, von Hornstein & von Rosenstiel 2000, ). Diese Bücher
stehen zwar nicht im Zusammenhang mit flow,
jedoch haben viele von ihnen den Sinn, dass sich Menschen in bestimmten
Situationen wohler fühlen, motivierter sind oder mehr Lebensfreude haben. Die
Elemente allein scheinen also für das Auslösen von Wohlbefinden auf praktischer
Ebene eine Bedeutung zu haben. Deswegen ist die Entscheidung für die
Betrachtung einzelner Elemente bei den Reformpädagogen gefallen.
Um
einzelne Elemente in den reformpädagogischen Ansätzen als alleinigen Auslöser
für das flow-Phänomen nicht
überzuberwerten (viel Feedback von einem Lehrer im Frontalunterricht reicht
z.B. oft nicht aus, um flow zu
erzeugen), werden weitere flow-nahe
Elemente in den reformpädagogischen Konzepten aufgezeigt. Es wird am Ende der
einzelnen Kapiteln sowie in einer Synopse am Ende der Arbeit näher auf weitere
Elemente eingegangen.
Nachdem
begründet wurde, warum der Fokus auf den flow-Elementen
liegt, wird hier methodisch begründet, weshalb ein reformpädagogisches Konzept
gerade durch ein bestimmtes Element repräsentiert wird.
1)
Pädagogen heben zum Teil selbst direkt die
Bedeutung einzelner flow-naher
Kriterien hervor.
2)
Verstehensleistung und subjektive Sichtweise der
Autorin
3)
Wirkungsgeschichtlicher Zusammenhang der
Konzepte.
1.)
Reformpädagogen heben die Bedeutung selbst hervor. Montessori, Freinet, Neill
und Makarenko beschreiben explizit, wie wichtig bestimmte Elemente für die
Erziehung sind. So sagt Makarenko beispielsweise ganz klar: „Den Menschen
erziehen bedeutet, bei ihm Perspektiven herausbilden“ (Makarenko 1956, 80). Er
weist mit diesem Satz direkt auf die Bedeutung von Perspektiven (bzw. Zielen)
hin und betont, wie wichtig es sei, „Hauptziele“ und „Nebenziele“ im
Erziehungsprozess zu unterscheiden.[21]
Unter diesem Blickwinkel der expliziten Aussagen der Pädagogen wurde geprüft,
ob sich (1) diesem jeweiligen Element weitere zentrale Charakteristika eines
Reformansatzes stimmig zuordnen lassen und (2) ob ein reformpädagogisches
Konzept durch eine Interpretation aus der Sicht eines flow-Elements nicht in seiner Grundaussage verfälscht wird (vgl.
hermeneutisches Verstehen weiter unten). Ein erster Grund für die Behauptung
eines mit flow übereinstimmenden
zentralen Elements ist also, dass die Reformpädagogen selbst von den Aspekten
sagen, sie seien wichtig. Das wurde dann innerhalb eines Reformkonzepts auf
Bedeutungshaltigkeit und Stimmigkeit geprüft.
2.)
Ein weiterer Grund, ein Reformkonzept durch ein bestimmtes „flow-Element“ zu charakterisieren, liegt
in der Verstehensleistung und subjektiven Sichtweise: Es kristallisierte sich
beim Lesen etwas heraus, was aus der Sicht von flow Zentral war „Aha!“. Dieser „Fund“ beruht auf zirkulären
Verstehensprozessen vor dem Hintergrund dieser Sichtweise: Ich musste die
Reformpädagogik in ihren Teilen und als Ganzes verstehen, um überhaupt zu dem
Schluss kommen zu können, dass ein Element eine wichtige Bedeutung für ein
jeweiliges Konzept hat.[22]
Ein zweiter Grund, warum eine Element in einem Reformkonzept als zentral
angesehen wird, ist also das Verstehen der jeweiligen Konzepte aus einer
bestimmten Betrachtungsweise heraus. Sie ist eine andere als bisherige
Betrachtungsweisen, deswegen stehen beispielsweise auch in Nachschlagewerken
oder in der Sekundärliteratur keine Hinweise, da dies das Neue ist, was zu
finden war.
3.)
Ein dritter Grund liegt in einem wirkungsgeschichtlichen Zusammenhang. Neben
der eigenen Verstehensleistung spielt die Wirkungsgeschichte (siehe unten)
womöglich auch eine Rolle, wie das Ergebnis zustande gekommen ist. Unabhängig
von der subjektiven Wahrnehmung „liegt“ eine Suche nach einer Verkettung von flow und Reformpädagogik möglicherweise
„in der Luft“. So hat auch Fischer (1999b) schon einen Zusammenhang von
Konzentration und flow bei Montessori
hergestellt. Eine Dissertation aus den USA beschreibt die „sensitiven Perioden“
der Montessori-Pädagogik unter anderem auch in Verbindung mit der flow-Theorie (Haines 1997 zit. in DAI[23]).
Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass die Zeit gekommen ist,[24]
heute noch „lebendige“ Reformansätze mit neuen Konzeptionen zu beleuchten, wie
zum Beispiel mit der flow-Theorie.[25]
Es
gibt also drei Begründungen, weshalb in der vorliegenden Arbeit ausgesuchten
Elementen jeweils ein zentraler Stellenwert in einem reformpädagogischen Ansatz
beigemessen wird: die Betonung der Elemente durch die Reformpädagogen selbst,
die subjektive Sichtweise und der wirkungsgeschichtliche Zusammenhang. Diese
Betrachtungsweise ist als vorläufig anzusehen, bis weitere (empirische)
Untersuchungen oder Verstehensprozesse Neues ergeben.
Das
Ende des Suchprozesses, ob ein Kriterium nun das „Richtige“ sei, war mit einem
„Aha-Erlebnis“ verbunden. Plötzlich war „es“ klar. Danach wurde noch einmal
überprüft, ob zwischen einem Kriterium und anderen wesentlichen Elementen eines
Reformansatzes eine Stimmigkeit besteht. Ich habe so lange weitergelesen, bis
ich auf dem Anspruchsniveau der Verstehensleistung einer Dissertation nichts
Neues mehr entdeckt habe und ich mit einem „runden“ Gefühl die Entscheidung fällen
konnte, welches flow-Element ich welchem reformpädagogischen Ansatz
zuordne.
Einige
Reformer decken wichtige Kriterien der flow-Theorie
ab. Das Element der Konzentration war Montessori (Italien) wichtig. Perspektiven
(im Sinn von Zielen) wurden in Makarenkos Sowjetpädagogik als zentrale
pädagogische Methode genutzt. Reale Herausforderungen bietet die (dänisch
verwurzelte) Produktionsschule. Kontrolle und Feedback ermöglichte der Ansatz
des Franzosen Freinet. Der Schotte Neill vertrat eine Pädagogik der Freiheit
und Selbstbestimmung. Die ausgesuchten Reformer legten jeweils besonderen Wert
auf einen pädagogischen Aspekt, der mit den Elementen des flow-Erlebens in gewisser Weise übereinstimmten.[26]
Die
Auswahl der Reformpädagogen ist selektiv: Denn auch andere pädagogische
Konzepte würden Kriterien erfüllen, die mit der flow-Theorie in Zusammenhang gebracht werden könnten. Ziele werden
auch bei Petersens Jenaplan (Petersen 1980), in dem Wochenarbeitsplan oder bei
der neueren Projektmethode (Frey 1982) gesteckt. Konzentriertes und
individuelles (freies) Arbeiten ist auch beim Dalton-Plan möglich, in dem die
Schüler sich selbstverantwortlich auf ein monatliches Ziel konzentrieren
(Parkhurst 1937). Herausforderungen finden sich auch bei Decroly, er ordnete
den Unterricht um sogenannte „Interessenkomplexe“ (Hamaïde 1928, 64) an, die
den elementaren Grundbedürfnissen des Menschen entsprachen. Zum Beispiel hätte
auch die kybernetische Pädagogik (vgl. von Cube 41982) zum Thema
Feedback herangezogen werden können. Lernen erfolgt hier über ständige
Rückmeldung und Kontrollmöglichkeiten, wie etwa beim programmierten Unterricht.
Feedback scheint hier eine zentrale Rolle zu spielen, sodass die Überlegung
stattfand, ob diese Konzeption möglicherweise als „Ausnahme“ neben den
Reformansätzen herangezogen werden sollte, da sie das pädagogische Kriterium
Feedback stark betont. Doch die Arbeit sollte sich wie gesagt auf Pädagogen
konzentrieren, die unmittelbare Erlebnisse in realen Situationen zuließen. Da
die kybernetische Pädagogik eher mittelbare Erfahrungen über einen Computer
ermöglicht, schied die kybernetische Pädagogik hier in diesem Rahmen für eine
nähere Betrachtung aus. Die ausgewählten Reformpädagogen stellen also nur ausgewählte
Beispiele dar, die bestimmte flow-nahe
Kriterien besonders ausgeprägt vertreten.
Das
Ergebnis dieser Arbeit wird ein erster Hinweis darauf sein, dass es zwischen
der flow-Theorie (auf den Ebenen des
Zustandes sowie der Auslöser) und den ausgesuchten reformpädagogischen Ansätzen
Schnittstellen gibt: Es geht bei den „Reformern“ in unterschiedlicher Weise
unter anderem um ein Phänomen, das heute flow
genannt wird. In den pädagogischen Konzepten werden bestimmte Kriterien
umgesetzt, die sich aus der Sicht eines flow-Elementes
darstellen lassen. Diese Übereinstimmung wird hier als Hauptkriterium
dargestellt (Abb. 2.1).
Abbildung 2.1:
Schnittmengen zwischen flow-Konzept
und verschiedenen reformpädagogischen Konzepten, schematisch dargestellt.
Daneben
weisen die reformpädagogischen Ansätze auch weitere Übereinstimmungen mit flow-Elementen auf, die hier als
„Nebenkriterien“ behandelt werden (vgl. z.B. auch Tabelle 3.3.1 im Kapitel über
Montessori und Synopse in Kapitel 4). In der Praxis kann man nicht scharf
zwischen Haupt- und Nebenkriterium trennen. Diese beiden Kriterien werden hier
jedoch unterschieden, um zu zeigen, dass flow-Elemente
durch bestimmte praktische Ansätzen besonders stark betont werden können. Der
Gewinn in dieser Sichtweise liegt in der Praxisumsetzung: Wenn Pädagogen
beispielsweise Konzentration fördern möchten, können sie hier in der
Darstellung des Montessori-Ansatzes Anregungen auf unterschiedlichen Ebenen
finden, auf welchen Wegen Montessori konzentriertes Tun gefördert hat.
Bisher
ist vorwiegend anhand heuristischen Vorgehens aufzeigt worden, wie die
einzelnen Reformpädagogen und ihre zentralen Kriterien gefunden worden sind. Der zweite Schritt besteht nach dem „Fund“
nun in der genaueren Interpretation der
reformpädagogischen Texte. Die Auslegung wird hauptsächlich auf zwei Ebenen der
flow-Theorie erfolgen: aus der Sicht
des flow-Zustandes und der Sicht der
möglichen Auslöser (vgl. Kapitel 1).[27]
„Historisch
hermeneutische Analysen gehören in vielen Wissenschaften zum konsti-tutiven
Repertoire; sie sind für die Erziehungswissenschaft unverzichtbar“ (Roth 1991,
38 f.).
Was
heißt das? Im folgenden wird auf drei Aspekte dieses Satzes ein: hermeneutisch,
historisch und konstitutiv eingegangen. Damit beginnt der methodische Weg, wie
das Ziel der Arbeit, also die Einordnung des flow-Begriffes in die Reformpädagogik, erreicht werden soll.
Der
erste Aspekt: Hermeneutik (griech: hermeneúein, aussagen, auslegen, übersetzen)
ist die Kunst des Auslegens (vgl. Danner 1998, 31 ff.; Seiffert 1992, 9 ff.).
Es geht darum, dass ein Interpret[28]
etwas, z.B. Texte, auslegt (Grundbedeutung: ausgebreitet hinlegt, übersichtlich
macht), um ‘eine Sache’ zu verstehen, einen ‘Zusammenhang zu durchschauen’[29],
um letztlich einen Sinn zu verstehen (Danner 1998, 43); der auch von anderen
Interpreten (oder Lesern) geteilt werden kann (vgl. Kron 1999, 210).
Es
gibt keine einheitliche Theorie der Hermeneutik (Danner 1998, 33) und kein
einheitliches Regelwerk (Kron 1999, 218 ff.; Danner 1998, 61 ff., 93 ff.), wie
z.B. Texte ausgelegt werden müssen. Hermeneutik ist nicht als Technik zu
verstehen (Danner 1998, 66, 90), die zu vorerst sichtbaren Ergebnissen führt,
wie etwa die intersubjektiv überprüfbare Experimentwissenschaft im Labor (vgl.
Lauff 1984, 249). Sondern es geht „um das Gewinnen einer bestimmten wissenschaftlichen
Haltung“ (Danner 1998, 96), die
Verbindlichkeit herstellt.[30]
Hier geht es also darum, reformpädagogische Texte als „dauernd fixierte
Lebensäußerungen“ (Dilthey 21958, 217) aus der Sicht der flow-Theorie auszulegen und zu
verstehen.
Der
zweite Punkt des obigen Satzes: das Geschichtliche. Historische Texte sind
wichtige und oft untersuchte hermeneutische Gegenstände (vgl. Danner 41998,
97). Ihre Bedeutung liegt nach Nohl in der Kontinuität und Entfaltung von
pädagogischen Grundsätzen: Die Geschichte ist keine „Sammlung von pädagogischen
Kuriositäten“, sie hat auch nicht die Aufgabe, große Pädagogen bekannt zu
machen, „sondern sie stellt die Kontinuität der pädagogischen Idee dar in ihrer
Entfaltung“ (Nohl 1970, 119). Wir können nach Nohl erst aus der geschichtlichen
Analyse verstehen, „wenn wir nicht bei dem immerhin beschränkten persönlichen
Erlebnis stehen bleiben“ (ebd.). In einem geschichtlichen Zusammenhang arbeite
sich der Sinn erzieherischer Leistungen immer deutlicher heraus (vgl. ebd.).
Also erst indem die geschichtliche Entwicklung von pädagogischen Leitideen
erhellt wird, könne die gegenwärtige Erziehung verstanden werden. Es ist der
innere Zusammenhang, der durch die Geschichte hergestellt wird und somit
„höheres Verstehen“ (Dilthey 21958, 212) von Erziehung zulasse.
Gadamer
spricht von „Wirkungsgeschichte“ (1972, 284 ff.) und meint damit, dass
Interpreten aus der Geschichte heraus auslegen: Wir können die Reformpädagogen
verstehen, weil ihre Ideen bis heute weiterwirken. Dieses Eingebundensein des
Menschen in die Geschichte ist für das Verstehen selbst notwendig. Es geht beim
Verstehen und Auslegen nicht darum, die geschichtliche Situation im Kopf des
Interpreten wie ursprünglich herzustellen. Dann wäre Hermeneutik möglicherweise
nur ein „Wiederkäuen von Klassikertexten“ (Hurrelmann 1977, 61). Die Geschichte
müsse ein Interpret „mit der Gegenwart seines eigenen Lebens vermitteln“
(Gadamer 1972, 323). Der Interpret verstehe Geschichte immer aus seiner
Situation heraus. Damit überbrücke er den Zeitabstand und überwinde aktuelle
Sinnentfremdung. Das heißt für diese Arbeit: der Sinn der reformpädagogischen
Texte wird durch den Zeitabstand ihrer Entstehung und dem heutigen Lesen nicht
entfremdet, sondern der Zeitabstand wird mit der geschichtlich jüngeren flow-Theorie überbrückt. Somit wird ein
Aspekt der beschriebenen reformpädagogischen Ansätze in eine heutige mögliche
Bedeutung übersetzt. In dieser wirkungsgeschichtlichen Vermittlung zwischen
Vergangenheit und Gegenwart findet eine „Horizontverschmelzung“ (Gadamer 31972,
290) statt. So kann untersucht werden, ob sich die flow-Theorie und die reformpädagogische Praxis auf einen
gemeinsamen Nenner bringen lassen.
Nach
Gadamer spielt das wirkungsgeschichtliche Prinzip auch eine wichtige Rolle bei
der Auswahl des Themas. Das Interesse an einem Zusammenhang von Reformpädagogik
und flow-Theorie ist demnach nicht
von mir erfunden, sondern drängt sich durch die Weiterentwicklung der
Geschichte quasi auf. Dieses verstehen und auslegen wollen ist eine logische Weiterentwicklung
von Strängen der Geschichte, in der es das flow-Phänomen
offensichtlich bereits lange gegeben hat (vgl. Einleitung). Durch die hier
vorgenommene Auslegung wird eine Kontinuität der reformpädagogischen Ansätze
ermöglicht: Sie sind „etwas lebendig sich Fortsetzendes und anreichernd sich
Steigerndes, das bis in die Gegenwart sowie über sie hinweg in die Zukunft
wirkt“ (Röhrs 1983, 15). Die Reformpädagogik bleibt also durch Auslegung
lebendig.
Andersherum
ist die flow-Theorie eine geeignete „Brille“,
um Aspekte der Reformpädagogik neu zu sehen: „Zu den faszinierendsten Aspekten
der flow-Theorie gehört ihre
Anwendbarkeit als Instrument der historischen Interpretation“ (Csikszentmihalyi
1991, 389). So gesehen kann das flow-Phänomen
möglicherweise in der Geschichte der Pädagogik verankert werden.
Nun
zu dem dritten eingangs angesprochenen, Aspekt, dem Konstitutiven an der
historischen hermeneutischen Analyse. Das Konstitutive und Unverzichtbare am
hermeneutischen Vorgehen ist, dass pädagogischer Sinn verfestigt und
differenziert werden kann. Die Auslegung der reformpädagogischen Texte aus der
Sicht der flow-Theorie soll zeigen,
dass es das flow-Phänomen schon vor
der Entwicklung der flow-Theorie gab
und dass es von Reformpädagogen erkannt und beschrieben worden ist: mit
Ausdrücken, wie „schöpferische Leidenschaft“ (Hahn), „Schaffensfreude“
(Scharrelmann), „Polarisation der Aufmerksamkeit“ (Montessori ), glückliche und
lebensbejahende Kinder (Neill), oder „natürliche Hingabe“ (Freinet).
Zusammenfassend
kann man von der hermeneutischen Methode also erwarten, dass sie den Blick frei
macht auf neue Verstehenshorizonte.
Was
bei empirischen Untersuchungen das Verifizieren oder Falsifizieren einer These bedeutet,
findet sein Pendant beim hermeneutischen Vorgehen im zirkulären Verstehen.
(Seiffert 1973, 114 ff.). Die Auslegung der reformpädagogischen Texte erfolgte
spiralenförmig zu einem höheren Verstehen:[31]
vom Detail zum Ganzen und vom Ganzen wiederum zum Detail (siehe oben). Dadurch
hat sich die „hermeneutische Differenz“[32]
soweit verringert, dass mit einem „höheren Verständnis“ die Texte der
Reformpädagogen aus der Sicht der flow-Theorie
interpretiert und somit das flow-Phänomen
bei den reformpädagogischen Konzepten eingeordnet werden konnten.
Das
Prinzip des höheren Verstehens ist bei der heuristischen Suche nach
Reformkonzepten und ihrer Elemente schon als Dialogverfahren angeklungen. Es
verzahnen sich also praxisorientierte Texte der Reformer mit dem eher
theoretischen Konstrukt des flow-Erlebens
miteinander. Die daraus resultierenden Erkenntnisse oder die neuen
Verstehensbilder können als eine höhere Stufe im hermeneutischen Zirkel
betrachtet werden.
Nachdem
nun die reformpädagogischen Konzepte ausgewählt waren, wurden sie mit
Leitfragen genauer unter die Lupe genommen: Wo sprechen die Reformpädagogen von
einem Phänomen, das mit flow vergleichbar
ist? Nennen sie in diesem Zusammenhang einen oder mehrere Auslöser? Oder stehen
diese implizit irgendwo im Text? Wie formulieren sie das? Wie viele Kriterien
scheinen sie umzusetzen? Was bedeutet die Anzahl von Kriterien für die
Wahrscheinlichkeit, dass das flow-Phänomen
ausgelöst wurde? Wie verhalten sich die Kriterien zu anderen wesentlichen
Aspekten eines Reformkonzepts? Gibt es Kriterien, die gegen flow sprechen? Wollen die Pädagogen
überhaupt explizit so etwas wie das flow-Phänomen
auslösen? Wenn ja, welchen Stellenwert hat flow
in ihrer Konzeption und Praxis? Ist flow
Mittel oder Erziehungsziel? Welches Menschenbild steht dahinter? Diese
Horizontverschmelzung kann in drei Schritten beschrieben werden:
Schritt
1:
Da
ich die Reformer in ihren pädagogischen Grundzügen verstanden habe, habe ich
auch entdeckt, dass es möglich ist, sie aus einer bestimmten Perspektive zu
beschreiben, nämlich aus einer Sichtweise heraus, die mit einem Kriterium der flow-Theorie übereinstimmt. Die
Kriterien sind jeweils explizit in den Konzepten angesprochen und auch weiter
implizit in anderen Elementen eines Ansatzes enthalten. Das jeweilige Konzept
kann allein aus diesem Standpunkt heraus sinnvoll beleuchtet werden, ohne die
Grundgedanken des jeweiligen pädagogischen Ansatzes zu verfremden. Sie gelten
deshalb jeweils als Hauptkriterium eine Reformansatzes, das mit einem Element
der flow-Theorie besonders stark
übereinstimmt.
Hier
beginnt also ein erster Ansatzpunkt zur Verschmelzung reformpädagogischer
Horizonte mit der flow-Theorie. Aus diesem
Grund beziehen sich in der vorliegenden Arbeit die Kapitelüberschriften jeweils
auf das Konzept sowie auf das spezielle Kriterium, unter welchem die
pädagogischen Ansätze vorwiegend betrachtet werden (z.B. „Montessori:
Konzentration“ oder „Makarenko: Ziele“[33]).
Dies
war im hermeneutischen Vorgehen ein erster hermeneutischer Schritt, der die
Horizonte „flow“ und
„Reformpädagogik“ durch eine bestimmte Betrachtungsweise verbindet.
Abbildung 2.2. Ein erster
hermeneutischer Schritt: Charakteristische Aspekte eines reformpäda-gogischen
Ansatzes werden aus der Sicht eines flow-Elements
betrachtet (hier am Beispiel der Makarenko-Pädagogik), schematische
Darstellung.
Schritt
2:
Im
zweiten hermeneutischen Schritt wurden einzelne reformpädagogische Aspekte aus
der Sicht der flow-Theorie (bzw.
ihrer einzelnen Ebenen) betrachtet. Das Ergebnis dieses hermeneutischen
Schrittes findet sich als Gesamtheit von Kästen an den entsprechenden Stellen
im Text der vorliegenden Arbeit wieder. Damit wird aus der Sicht der flow-Theorie dargestellt und erklärt,
warum charakteristische Aspekte bzw. pädagogische Situationen eines
reformpädagogischen Ansatzes flow-förderlich
wirken können.
Ein
Beispiel: die Ausgangssituation der Makarenko-Pädagogik zeigt sich aus der
Sicht der flow-Theorie als Zustand
von Anomie, ein als sinnlos empfundener Zustand ohne Richtung und Ziel. Da
Menschen in einem anomischen Zustand nach Sicherheit und Zielen suchen und
Makarenko diese Suche mit der Aufnahme von Jugendlichen in eine Arbeitskolonie
befriedigt, ist die chaotische Situation des Landes aus der Sicht der flow-Theorie ein bedeutender Ansatzpunkt
für die Betrachtung der Makarenko-Pädagogik. In dem dazu gehörigen Kasten wird
erklärt, warum Makarenkos Pädagogik an diesem Punkt flow-förderlich wirken kann, weil er die anomische ziellose
Ausgangssituation und den anomischen Zustand der verwahrlosten Jugendlichen mit
seiner Pädagogik ein Stück weit aufheben kann. Diese Verringerung der Anomie
ist damit aus dem Blickwinkel des Themas „Ziel“ eine erste Basis, die für die Förderung von flow-Erlebnissen sinnvoll ist. Innerhalb der Textkästen werden also
jeweils untereinander stimmige Aspekte des reformpädagogischen Ansatzes aus der
Sicht der flow-Forschung beschrieben
(und wenn möglich mit empirischen Befunden untermauert und erläutert), was
einzelne reformpädagogische Elemente (die untereinander in einem stimmigen
Zusammenhang stehen) aus der Sicht von flow
bedeuten.
Aufgabe
der regelmäßig eingestreuten Kästen ist, in ihrer Gesamtheit zu zeigen, dass
ein Reformkonzept viele Aspekte aufweist, die flow-förderlich (oder -hinderlich) sein können. Auf Methodenebene
ausgedrückt: Die Themen in den Kästen sind der zweite hermeneutische Schritt,
der den ersten differenziert.
Abbildung 2.3. Zweiter
hermeneutischer Schritt: Die im Blickpunkt stehenden Aspekte eines
reformpädagogischen Ansatzes (vgl. Abb. 2.2) werden einzeln aus der Sicht der flow-Theorie näher betrachtet. In den
einzelnen Kapiteln über die Reformpädagogen sind diese Sichtweisen jeweils in
Kästen dargestellt. Ausschnitt, schematisch.
Den
jeweiligen Bezug einzelner Reformpassagen mit dem flow-Konzept ist hergestellt worden, indem die Reformkonzepte und flow-Theorie jeweils „überkreuz“ gelesen
wurden. Nachdem im ersten hermeneutischen Schritt den Blickwinkel festgelegt
wurde, ist hier im zweiten hermeneutischen Schritt in der flow-Literatur nach übereinstimmenden Inhalten gesucht worden, wie
wesentliche Reforminhalte aus der Sicht von flow
erklärt werden könnten (auf diese Weise las ich auch noch einmal die flow-Literatur unter neuen
Gesichtspunkten). Hier ergab sich die flow-Literatur
als äußerst fruchtbare Quelle von Parallelen. Um dabei nicht den Sinn der
Befunde über flow aus dem
Zusammenhang zu reißen, war manches mal eine längere Auseinandersetzung mit
Erkenntnissen aus der flow-Forschung
notwendig. Auf diese Weise sind dann Darstellungen der reformpädagogischen
Ansätze entstanden, die jeweilige pädagogische Kriterien als Äquivalente zu flow-Elementen aus der Sicht von flow deuten.
Ein
Bezug zwischen der Darstellung eines reformpädagogischen Ansatzes und einem
dazugehörigen „flow-Kasten“ wird
jeweils auf einer von drei Ebenen der flow-Theorie
hergestellt: entweder (1.) aus der Sicht des flow-Zustandes, (2.) aus der Sicht flow förderlicher Elemente oder (3.) aus der Sicht eines
Menschenbildes.
Schritt
3:
Zum Abschluss eines
Kapitels werden weitere flow
auslösende Elemente, die Nebenkriterien der Reformpädagogen, beschrieben. Für
das Suchen und Finden bin ich genauso vorgegangen wie oben beim Hauptkriterium
beschrieben. Dieser Schritt ist notwendig, um aufzuzeigen, dass die
reformpädagogischen Konzepte mehr als nur ein Hauptkriterium für das Evozieren
von flow umsetzen. Denn erst durch
die Verwirklichung anderer Elemente erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass
die Reformpädagogen das flow-Phänomen
ausgelöst haben. Allerdings ist zum derzeitigen Forschungsstand über das
Auslösen von flow nicht klar, wie
viel Elemente vorhanden sein müssen, um in einen flow-Zustand für eine längere Zeit einzutreten (vgl. Einleitung).
Schritt
4:
Abschließend wird
jedes reformpädagogische Konzept daraufhin beleuchtet, inwieweit es allein
durch das Auslösen (oder Verhindern) von flow
erzieherisch wirksam gewesen sein könnte. Dafür werden vier zentrale
Erziehungskriterien (vgl. Einleitung) herangezogen. Unter dem Blickwinkel
dieser vier Kriterien deutet sich an, dass die Reformpädagogen nur allein durch
das Evozieren von flow eine wichtige
Bedeutung für die Erziehung hatten und heute wieder bekommen können. Mit dieser
Synthese schließen die Darstellungen der einzelnen Kapitel über die
Reformpädagogen.
Festgehalten werden
soll für Schritt 1 bis 4: Ein Zusammenhang zwischen flow-Theorie und reformpädagogischen Ansätzen wird wie folgt
hergestellt: (1) Ein reformpädagogischer Ansatz wird aus einer Sicht
betrachtet, die mit einem Element des flow-Zustandes
übereinstimmt. (2) Zentrale reformpädagogische Charakteristika werden mit
Ergebnissen der flow-Forschung
erklärt. (3) Es werden neben dem Hauptkriterium weitere flow-förderliche Elemente eines Reformansatzes aufgezeigt. (4) Ein
pädagogisches Konzept wird schließlich aus erzieherischer Sicht betrachtet, ob
es allein durch das Evozieren von flow
erzieht.
Schritt
5:
In
einem fünften hermeneutischen Schritt werden die wichtigsten Erkenntnisse
(Kapitel 4) aus einer Vogelperspektive dargestellt. Dieser Schritt fügt die
hermeneutischen Schritte 1 bis 4 per Abstraktion und Verstehensleistungen zu
einer höheren Einheit zusammen: Zum einen werden praxisrelevante Schlüsse
bezüglich der flow auslösenden Kriterien gezogen, zum
anderen werden die reformpädagogischen Konzepte zueinander ins Verhältnis
gesetzt — es wird die Anzahl ihrer flow-förderlichen
Elemente verglichen. Dieser hermeneutische Schritt soll die hier durchlaufenen
hermeneutischen Zirkel zu einem Abschluss bringen. Möglicherweise als eine neue
Plattform für weitere Untersuchungen.
Eine
heuristisch-hermeneutische Herangehensweise hat das Ziel, den Blick auf neue
Verstehenshorizonte freizumachen, um so neue Erkenntnisse hervorzubringen. Hier
geht es darum aufzudecken, ob die Reformpädagogen das flow-Phänomen ausgelöst haben, ob sie es auslösen wollten und wenn ja,
warum. Man kann von der Methode nicht erwarten, dass sie Antworten darauf gibt,
wie oft sich Kinder damals in einem Zustand befanden, der heute flow genannt wird, wie lange sie in
diesem Zustand verweilten, was genau der Auslöser war und ob ein Transfer
dieser Erfahrung in den Alltag erfolgt ist. Eine Antwort darauf könnte in der
heutigen Praxis, z.B. in Montessorischulen, Produktionsschulen oder in der
hahnschen Erlebnispädagogik (Plöhn 1998, 62 ff.) mit empirischen Methoden[34]
versucht werden.
Um
neue Verstehenshorizonte zu erschließen, ist ein Gesamtzusammenhang wichtig und
keine detaillierte Untersuchung reformpädagogischer Konzepte. Obwohl es bei dem
Studium der reformpädagogischen Ansätze immer weitere spannende Aspekte gab,
die aus der Sicht der flow-Theorie
interessant erschienen, musste hier auf eine tiefere und detailliertere
Betrachtung verzichtet werden, damit eine erste Brücke zwischen traditionellen
Reformansätzen und Motivationspsychologie gefunden werden konnte. So wurden die
pädagogischen Ansätze nur mit ihren wichtigsten Elementen skizziert. Weitere,
detailliertere Betrachtungen der reformpädagogischen Ansätze können daher für
weitere Untersuchungen fruchtbar sein.
Die
reformpädagogischen Konzepte sind vorwiegend aus der Primärliteratur heraus
betrachtet worden, um eine Verbindung zwischen ursprünglichen
reformpädagogischen Gedanken und dem flow-Konzept
herzustellen. Da sich die Konzepte bis heute durch den Alltag der pädagogischen
Umsetzung möglicherweise verändert haben, sind die Ergebnisse dieser Arbeit
dann jedoch nicht ohne Weiteres auf die heutige pädagogische Praxis
übertragbar. Allerdings können die Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem flow-Phänomen an eine ursprüngliche
Bedeutung bestimmter pädagogischer Aspekte (rück-) erinnern.
Das
Aufdecken flow-förderlicher
Bedingungen hat in dieser Arbeit auch seine Grenzen: die Pädagogen selbst
beschreiben pädagogische Situationen die mit flow auslösenden Bedingungen übereinstimmen und deshalb wohl mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit flow-Erlebnisse
initiiert haben. Jedoch war und ist letztendlich immer die subjektive
Wahrnehmung der Kinder und Jugendlichen entscheidend, ob pädagogische
Bedingungen flow auslösen oder nicht.
Das heißt, die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit fassen pädagogische
Bedingungen zusammen, die aus konzeptioneller Sicht der jeweiligen Autoren flow-nah eingeordnet werden können.
Daraus können dann Vermutungen angestellt werden, ob ein bestimmtes Konzept
wohl auch in der praktischen Umsetzung flow
auslösende Wirkung hatte. Ob beschriebene pädagogische Bedingungen flow auslösen, weil Kinder und
Jugendliche sie tatsächlich als flow-förderlich
wahrnehmen, kann man erst weiterführend mit empirischen Methoden prüfen.
Zum vorhergehenden Kapitel: Einleitung
[1]
Ein Ergebnis: Hahn stellte bestimmte Anforderungen an pädagogische Situationen,
die genau mit den Elementen übereinstimmen, die gemeinsam den flow-Zustand definieren. Damit wollte er
das auslösen, was heute als flow-Erlebnis
bekannt ist.
[2]
Dieser Begriff stammt von Habermas (1973, 234).
[3]
Vorläufige Definition: Prinzipien zum Finden von etwas Neuem.
[4]
Vorläufig: Kunst des Auslegens.
[5]
Diese Bedeutung hat das Wort in der Psychologie. In den Ingenieurswissenschaften wird es z.B.
im Zusammenhang mit Strömungsdynamik benutzt (z.B. Ockendon, H. & Ockendon
J.R. (1995). Viscous flow. Cambridge: Cambridge University
Press). Eine andere Bedeutung hat das Wort im
betrieblichen Rechnungswesen, in Rahmen Volkswirtschaftlicher Theorien (z.B.
Skonietzi, H. (1996). Cash flow und
Zins als Zeittransformation. Berlin: Verbum-Dr.- und Verl.-Ges.).
[6]
Vgl. z.B. die Entwicklung des Begriffs in Csikszentmihalyi (1991, 15 ff.). In
Csikszentmihalyi 1999 (S. 47, 196) wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass
sich die These über das Verhältnis von Anforderungen und Fähigkeiten infolge
von empirischen Untersuchungen geändert hat. Menschen empfinden demnach
Langeweile bei niedrigen Anforderungen und niedrigen Fähigkeiten und
Entspannung bei niedrige Anforderungen und hohen Fähigkeiten. Folglich ändert
sich auch das Begriffsumfeld von flow.
Dieses Beispiel hat allerdings für diese Arbeit, für die Einordnung des flow-Phänomens in die Reformpädagogik,
keine Bedeutung.
[7]
In meiner früheren Untersuchung (Plöhn 1998) habe ich die Unterscheidung aus
leserfreundlichen Gründen nicht gemacht, sondern die Begriffe „flow“ und „schöpferische Leidenschaft“
„als Synonym gebraucht, da beide Begriffe den gleichen emotionalen Zustand
beschreiben“ (Plöhn 1998, 13). Dort habe ich also die von Hahn beschriebene
„schöpferische Leidenschaft“ (die ich als flow-Phänomen
interpretiert habe), mit dem Wort flow
betitelt. Wissenschaftlich betrachtet ist dieses „In-einen-Topf-werfen“ nicht
zulässig. Der Unterschied soll mit der Unterscheidung von Phänomen, Wort und
Begriff klargestellt und hiermit für meine erste Arbeit korrigiert werden.
[8]
Dazu ist zu ergänzen, „dass Bilder die Vehikel des verstehenden Denkens sind
und nicht wie beim Erfahren die Erlebnisse bzw. wie beim Begreifen die
Begriffe“ (Lauff 1984, 79).
[9]
Das Subjektive, die „Einbildungsbilder“ oder Vorbilder können in einem
Verstehensprozess sogar überhand nehmen, oder ausschließlich „produziert und
bewegt“ werden, wenn der Verstehensprozess nicht an Anschauungsbilder anknüpfen
kann. Diese Bilder von den Vorbildern machen den Menschen „überhaupt
verstehens-, denk- und lernfähig“ (Lauff 1984, 79).
[10]
Für mich ist die flow-Theorie das
Einbildungsbild oder Vorbild, weil ich es als Bild von der flow-Theorie in mir hatte (vgl. Lauff 1984, 78) und mit neuen
reformpädagogischen „Anschauungsbildern“ ausgewählte Reformpädagogik zu einem
neuen Verstehensbild geformt habe. Für einen Leser kann Anschauungsbild und
Einbildungsbild umgekehrt sein. Wenn sich jemand in der Reformpädagogik gut
auskennt, mag die flow Theorie vielleicht
ein Anschauungsbild sein, das sein Einbildungsbild über die Reformpädagogik
möglicherweise zu einem neuen Verstehensbild formt. Dies unterscheidet sich von
meinem Verstehensbild.
[11]
Von Cube (1977) bemängelt als Kybernetiker: „Subjektive Vorstellungen und
Zielsetzungen werden als wissenschaftliche Erkenntnisse ausgegeben“ (ebd. 135).
[12]
Bollnow (41970, 63) spricht von der „wesensmäßigen Subjektivität“
und schreibt, dass sie „notwendig zum unzerreißbaren Wesen der Erkenntnis gehört,“
weil die Subjektivität „diese erst ermöglichen hilft.“ Die „innerste Tiefe“ des
Interpreten geht „als konstitutiver Bestandteil mit in die Erkenntnis ein“
(ebd.).
[13]
Vgl. Kleining 1995, 262, 264.
[14]
Hier überschneidet sich im Suchprozess das heuristische Dialogverfahren mit dem
hermeneutischen zirkulären Verstehensprozess (vgl. weiter unten den Abschnitt
über den hermeneutischen Zirkel).
[15]
Archimedes soll beim Finden des Auftriebsgesetzes „heureka!“ ausgerufen haben,
was so viel heißt wie: „Ich hab’s gefunden!“ „Heuristik“ beschreibt also den
Weg, während „heureka“ als eine Art Aha-Erlebnis, quasi als Abschluss, als
„Beweis“ des (vorläufigen) Findeprozesses gelten kann (auch hier wird wieder
die Bedeutung der Subjektivität im Forschungsprozess deutlich).
[16]
„Praktisches Erfahrungswissen ist auf eine ihm eigentümliche Art bewußtes und
gekonntes Wissen. Darin besteht die Dignität gegenüber der Theorie“ (Lippitz
1993, 78).
[17]
Das Produktionsschulkonzept ist eine Ausnahme. Es lebt als funktionierendes
Beispiel arbeitsschulischer Wirkungsgeschichte.
[18]
Ob dadurch dann tatsächlich flow
erlebt wird, können heutige Untersuchungen zum Beispiel mit der
Experience-Sampling Form (ESM) zeigen (vgl. Plöhn 1998). Dafür müsste vorab
jedoch noch geprüft werden, ob die Elemente so, wie sie damals beschrieben
wurden, heute überhaupt noch mit der gleichen Gewichtigkeit umgesetzt werden.
[19]
Ich wählte auch nach Sympathie aus, schließlich wollte ich einige Beispiele für
die pädagogische Umsetzung des flow-Phänomens
finden.
[20]
Angenommen, dieses eine wichtige Kriterium (z.B. Konzentration bei Montessori)
löst das flow-Phänomen aus, so kann
sich ein Kriterium in einer jeweiligen praktischen Konzeption langfristig als
konzeptionell bedeutsam herauskristallisieren. Vielleicht ist dies auch ein
Grund, weshalb einige Reformer dominante Kriterien (die heute besonders mit
einem flow-Element übereinstimmen) in
ihrer Konzeption im Laufe der Zeit erfolgreich etablieren konnten.
[21]
In dem Kapitel über Makarenko komme ich beispielsweise genauer auf den
Zusammenhang zwischen „Ziel“ und „Perspektive“ zurück.
[22]
Das heißt, wenn man ein pädagogisches Konzept aus der flow-Perspektive betrachtet, kann ein Element jeweils als zentraler
Kern eines reformpädagogischen Ansatzes gelten. Die Elemente könnten nicht
gelten, wenn ich die Konzepte aus einer anderen Fragestellung, etwa aus einer
psychoanalytischen, heraus untersucht hätte.
[23]
Dissertation Abstracts International Vol. 58 No. 09A, (1998): 3410.
[24]
Es verhält sich hier also möglicherweise ähnlich wie bei Produkten oder
Dienstleistungen, die erst zur richtigen Zeit am Markt „einschlagen“.
[25] Vermutlich unabhängig von einander, ich habe z.B. Fischer
1999b und das Abstract über die Dissertation erst entdeckt, als ich das Kapitel
über Montessori schon fertig geschrieben hatte.
[26]
Die ausgewählten Pädagogen erfüllen jeweils auch andere „Elemente“, so bietet
Freinet durch Arbeitspläne auch Ziele, oder Montessori bietet den Kindern auch
Herausforderungen. Die Auswahl der Reformpädagogen soll als Beispiel dienen, wie
die jeweiligen Praktiker mit bestimmten Kriterien, die mit der flow-Theorie übereinstimmen, in ihrer
Praxis umgehen.
[27]Beide
Ebenen befassen sich mit den zentralen Elementen: eindeutige Ziele,
Herausforderung, Struktur, Konzentration, Feedback, Kontrolle, Freiheit.
[28] Lat. inter-pres, zusammengesetzt aus ‘zwischen’ und
‘zeigen’, ‘meinen’, also eigentlich der Zwischensprecher, der Mittler.
[29]
Etymologische Bedeutung in Klammern, bei Seiffert 1992, 9 ff.
[30]
Hier bahnt sich schon das Thema Subjektivität an, auf das ich weiter unten
eingehe.
[31] Hermeneutischer Zirkel, vgl. Danner 41998, 55 ff.
[32]
Die Differenz zwischen Vorverständnis des Interpreten und dem vom Autor
gemeinten Sinn. Die Differenz kann nie auf Null gehen, da Autor und Interpret
sich beide mit der Zeit verändern.
[33] Aus der
Sicht der flow-Theorie (Ebene der
Auslöser) stellen die „Perspektiven“ bei Makarenko ein zentrales pädagogisches
Element dar. Die Perspektiven in der Makarenko-Pädagogik entsprechen Zielen in
der flow-Theorie (vgl. dazu
ausführlich im Kapitel über Makarenko).
[34]
z.B. mit der Experience-Sampling Form
(ESM), vgl. z.B. Csikszentmihalyi 1991, 278 ff.; Csikszentmihalyi & Larson
1987, 535 f.; Plöhn 1998, 141 f.