4. Rechtliche Aspekte

 

4. 1. Einführung und Überblick

Dieses Kapitel untersucht die Rolle, die das Recht bei der Entstehung und Vermarktung innovativer Kunst spielt. Es geht also nicht um eine Darstellung der derzeitigen Gesetzeslage im Bereich Urheberrecht und Internetrecht, sondern um eine Analyse der gesellschaftlichen Funktion des Rechts und dessen innovationshemmende oder –fördernde Auswirkungen. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt deshalb nicht bei der juristischen Dogmatik des formellen Rechts, sondern bei der gesellschaftlichen Funktion des Rechts als praktischem Instrument, mit dem die Beteiligten ihre Beziehungen untereinander gestalten und fixieren. Wie die Bereiche der Ökonomie und der Informatik soll auch das Recht quasi von außen betrachtet bzw. als "black box" behandelt werden.

Deshalb soll der Begriff des "Rechts" im Folgenden nicht auf das staatliche, gesetzlich kodifizierte Recht beschränkt bleiben. Er soll vielmehr weiter gefasst werden, so dass alle Arten von verbindlichen, einforderbaren Vereinbarungen und Konfliktlösungen darunter fallen, die ein Akteur allein oder gemeinsam mit anderen Akteuren entwickelt, um durch eine ausgewogene und damit langfristig stabile Verhaltenspolitik übergeordnete Gemeinwohlziele oder die scheinbar gegensätzlichen Ziele anderer Akteure mit den eigenen Zielen in Einklang zu bringen. Darauf, ob diese Konfliktlösungen gerichtlich durchsetzbar sind, soll es im Rahmen dieser Arbeit nicht ankommen. Erfasst werden also nicht nur formellrechtliche Verträge, sondern auch Maßnahmen der freiwilligen Selbstkontrolle und andere informelle Vereinbarungen wie beispielsweise soziale Tabus, die von den Beteiligten als verbindlich gedacht sind und einen einforderbaren Konsens schaffen sollen.

Dabei soll es – anders als üblicherweise in der juristischen Diskussion um "Selbstkontrolle" – nicht primär um nicht-staatliche Regulierungsstrukturen und –organisationen gehen, sondern vor allem um die psychologisch-kommunikativen Seiten von Recht, die bei seiner Betrachtung als objektiv-starres System gelegentlich vernachlässigt werden und manchmal sogar als unseriöse Sentimentalität abgetan werden. Denn das Behaupten oder Bestreiten von Rechten, das Abschließen von Verträgen, das Aufstellen und Brechen von Regeln sind soziale Kommunikationsprozesse, die für die Beteiligten meist emotionsgeladen sind. Im Interesse juristischer Objektivität wird diese intrasubjektive Seite des Rechts meist vernachlässigt bzw. verdrängt.

Aber es ist für die Akzeptanz und Funktionstüchtigkeit von Recht entscheidend, wie es von den Beteiligten emotional erlebt wird. Rechtliche Regelungen bringen die hiervon Betroffenen in die Rolle des Klägers und Beklagten, des Richters und Anklägers. Es ist naheliegend, dass es für die Art und Weise, wie das Recht von den Mitgliedern einer Gesellschaft gebraucht wird und wie es sich konkret als gesellschaftliches Gestaltungsinstrument auswirkt, höchst wichtig ist, ob sich die Betroffenen in diesen Rollen wohl oder unwohl fühlen und was sich dabei auf einer kommunikativ-sozialen Ebene zwischen ihnen abspielt. Das Recht als Gesellschaftsvertrag weist den Akteuren nun einmal bestimmte Rollen in der Gesellschaft zu.

Diese Ausdehnung des Rechts über die Grenzen staatlicher Normen hinaus ist durchaus im Einklang mit dem juristischen Begriff des Rechts, der ebenfalls nicht nur staatliche Normen, sondern auch Gewohnheitsrecht und andere Arten ungeschriebenen Rechts umfasst. Eine klare Grenze zwischen formellen und informellem Recht gibt es nicht. Informelles und formelles Recht sind keine konkurrierenden Alternativen, sondern gehen nahtlos ineinander über. Fasst man den Begriff des Rechts so weit, ist es allerdings nicht mehr die alleinige Domäne der Juristen. Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler, Psychologen, Politologen, Ethiker und andere Geisteswissenschaftler befassen sich ebenfalls mit dieser Materie. Informelles Recht ist ein derart grundlegender Baustein menschlicher Beziehungen, dass ein Versuch, ihn für eine bestimmte Wissenschaftsdisziplin zu vereinnahmen bzw. zu monopolisieren, zwangsläufig scheitern muß. Informelles Recht lässt sich nur aus einer interdisziplinären Sicht heraus wirklichkeitsnah erfassen.

Diese Funktion von Recht als informeller, d. h. nicht einklagbarer Konsens, der zwischen den Beteiligten gleichwohl verbindlich ist und dessen Verletzung nicht durch staatlichen Hoheitsakt - möglicherweise aber auf andere Weise - sanktioniert wird, ist in der juristischen Literatur früher nur wenig beachtet worden, wird aber in letzter Zeit verstärkt diskutiert. In der sozialwissenschaftlichen Literatur hingegen ist die stabilisierende Rolle informellen Rechts innerhalb von Austauschbeziehungen schon seit langem anerkannt. Linda D. Molm befasst sich in ihrem Werk "Coercive Power in Social Exchange" mit den Einflüssen, welche die Verletzung (formellen oder informellen) Rechts auf das Verhalten der Akteure in längerfristigen Austauschbeziehungen hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Entzug von Belohnungen oder die Verhängung von Sanktionen von den Betroffenen dann besonders wenig akzeptiert wird, wenn hierbei gegen einen als verbindlich angesehenen Konsens verstoßen wird. Die Betroffenen neigen dazu, sich gegen derartige, als ungerecht und willkürlich empfundenen Eingriffe auch dann zur Wehr zu setzen, wenn dies für sie selbst mehr Nachteile mit sich bringt, als für denjenigen, gegen den sie sich wehren. Es ist deshalb auch für denjenigen Akteur, der über mehr Tauschmacht oder Drohmacht verfügt und deshalb mächtiger ist, wichtig, einen derartigen Konsens nicht unnötig zu verletzen und seine Mitmenschen nicht unnötig gegen sich aufzubringen. Deshalb ist auch informelles Recht keineswegs unverbindlich.

Charakteristisch für Recht in diesem Sinne ist, dass es die Akteure zum Kompromiss zwingt und ihnen so multipolare Entscheidungs- bzw. Handlungsmaßstäbe vorgibt. Es versucht nicht, ein bestimmtes Ziel auf Kosten aller anderen Ziele so weit wie möglich zu maximieren, sondern einen optimalen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Zielen zu finden. Ein derartiger Ausgleich gerät natürlich leicht in den Verdacht, dass er einen Kompromiss im Sinne eines "kleinsten gemeinsamen Nenners" darstellt, bei dem aus Rücksicht auf die gegenläufigen Ziele kein Ziel mehr mit ganzer Kraft verfolgt wird - ihm haftet leicht die Aura der Gefälligkeit und der Schwerfälligkeit an. Jedoch besteht die große Herausforderung des informellen Rechts gerade in der Suche nach kreativen Lösungen, bei denen der Interessenkonflikt nicht nur verwaltet, sondern positiv aufgelöst wird, so dass sich die scheinbar gegenläufigen Ziele nicht mehr gegenseitig blockieren. Angesichts des drängenden gesellschaftlichen Gestaltungsbedarfs in vielen Bereichen einerseits und der Schwerfälligkeit staatlicher Gesetzgebungsverfahren andererseits richten sich in der derzeitigen politischen Diskussion viele Hoffnungen auf die Schaffung nichtstaatlicher Selbstregulierungsstrukturen – auch wenn es den Initiatoren hierbei oft weniger um die Lösung der Probleme als um die Abwehr als lästig empfundener staatlicher Eingriffe geht. Recht in diesem weiteren Sinne muß nicht die Erstarrung im Kompromiss bedeuten, sondern kann auch ganz im Gegenteil die Freisetzung von Dynamik sein: Es bedeutet im Idealfall die Überwindung des hemmenden Interessenkonflikts durch die Entdeckung bislang ungedachter Handlungsalternativen und die Entschärfung von Konflikten als latenten Entwicklungshindernissen.

Aufgabe der Selbstkontrolle kann es nicht sein, die Priorität bzw. die Wertigkeit, die den widerstreitenden Zielen jeweils im Verhältnis zueinander zukommt, zu bestimmen. Diese Wertigkeit ergibt sich in der Praxis de facto aus dem Einfluss bzw. aus der wirtschaftlichen und der gesellschaftlichen Macht der Akteure, die diese Ziele verfolgen. Anders als staatliches Recht kann es gesellschaftliche Macht nicht umverteilen. Aufgabe des informellen Rechts kann es lediglich sein, neue Wege zu finden, wie der Interessengegensatz zwischen den gegenläufigen Zielen weitestmöglich entschärft werden kann. Dazu gehört auch, klar festzustellen, inwieweit die Ziele trotz aller Kreativität miteinander unvereinbar sind. Es geht also einerseits um die Kunst, bei der Verfolgung der eigenen Ziele möglichst nicht mit den Zielen Anderer in Konflikt zu geraten; andererseits darum, klar zu erkennen, wo ein derartiger Konflikt unvermeidbar ist.

Praktische Beispiele für Recht in diesem weiteren Sinn finden sich überall dort, wo Unternehmen oder andere Akteure bewusst darauf verzichten, ihre kurzfristigen Ziele zu maximieren, weil sie sich hiervon einen langfristigen Nutzen versprechen bzw. die Mühe der Konsensfindung auf sich nehmen, um ein Kapital an Vertrauen aufzubauen und diesen Konsens nach außen bekannt machen und sich damit verbindlich auf dieses Verhalten festlegen lassen. Etwa wenn Fluggesellschaften sich verpflichten, die gesetzlichen Sicherheitsstandards überzuerfüllen, weil sie wissen, dass das Vertrauen der Passagiere in die Sicherheit ihrer Flugzeuge ein Kapital ist, das sie nicht durch ein Zuviel an kurzfristiger Profitorientierung verspielen dürfen. Oder wenn die Tabakindustrie intern ihre Zigarettenwerbung durch einen Kodex der freiwilligen Selbstkontrolle einschränkt, um keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf entstehen zu lassen. Firmen, die in Streitfällen "aus Kulanz ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" zahlen, sind ein weiteres Beispiel. Häufig entsteht so zwischen den Vertragsparteien ein Konsens darüber, dass eine Seite zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist, selbst, wenn dieser Konsens nicht gerichtlich durchgesetzt werden kann oder soll. Die Nichterfüllung dieser Verpflichtungen wird dann auf andere Weise sanktioniert, etwa durch den Abbruch der Geschäftsbeziehungen. Die Frage, ob in einem bestimmten Punkt eine informelle Vereinbarung besteht, erlangt besondere Bedeutung, wenn größere Unternehmen miteinander in Geschäftsbeziehung treten. Hier ist es für die Unternehmensleitung nicht immer leicht, nachzuvollziehen, ob ein Misserfolg bei der Zusammenarbeit auf ein Fehlverhalten des Geschäftspartners oder auf ein Fehlverhalten der eigenen Belegschaft bzw. auf ein Missverständnis bei den Absprachen zurückzuführen ist. Die Frage, wo der Fehler liegt, muß dann nicht nur deswegen geklärt werden, um gegebenenfalls die Kosten und die Verantwortung auf den Vertragspartner abzuwälzen, sondern auch, um die Fehlerquelle dauerhaft zu beseitigen.

Je stärker sich das Verhalten eines Akteurs auf die Umwelt auswirkt, und je stärker die Auswirkungen seines Verhaltens von der Gesellschaft wahrgenommen und kritisch diskutiert werden, desto wichtiger ist es für diesen Akteur, dass er sich um Konfliktvermeidung bzw. -bewältigung bemüht, indem er auf Recht in diesem weiteren Sinne zurückgreift.

Die Unternehmen, die die technische und soziale Infrastruktur im Netz gestalten oder Inhalte anbieten, bestimmen, welche Handlungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten das Publikum hat, wenn es das Netz als Marktplatz, Arbeitsplatz, Diskussionsforum und als öffentlichen Raum zur Selbstdarstellung und Informationsbeschaffung nutzt. Die Entscheidungen, die die Unternehmen hierbei treffen, sind für das Publikum von so großer Bedeutung, dass es oft verärgert reagiert, wenn es seine Interessen nicht für angemessen berücksichtigt hält. Themen wie die Datenschutzproblematik oder Zensur im Internet stoßen bereits jetzt auf großes öffentliches Interesse. Dieses Interesse wird vermutlich in dem Maß anwachsen, in dem das Internet im beruflichen und privaten Alltag immer unverzichtbarer und prägender wird. Während der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens, das die Netzinfrastruktur mitgestaltet, derzeit noch in allererster Linie von der technischen Qualität seiner Produkte abhängt, wird daneben in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit die soziale Problemlösungskompetenz des Unternehmens als erfolgsentscheidendes Kriterium an Bedeutung gewinnen.

In der Informationsgesellschaft ist ein Unternehmen, das mit seinen Produkten ein möglichst breites Publikum erreichen will, darauf angewiesen, dass es andere dazu motivieren kann, mit ihrer eigenen Arbeit aktiv auf den Produkten des Unternehmens aufzubauen und sich die Gedankenwelt des Unternehmens anzueignen. Wenn beispielsweise eine neue Programmiersprache entwickelt wird, dann entscheidet über ihren Erfolg in erster Linie, ob es genug Programmierer gibt, die sich freiwillig die Mühe machen, die neue Sprache zu lernen und Software in ihr zu schreiben. Oder wenn beispielsweise ein neues Online-Computerspiel auf den Markt kommt, hängt sein Erfolg davon ab, ob eine kritische Masse von Konsumenten dazu gebracht werden kann, an das Spiel und seinen kommerziellen Erfolg zu "glauben" und dessen Regeln zu lernen, so dass das Spiel zum Hit wird. In dem Maß, in dem Kunst interaktiver wird, wandelt sie sich - ein Stück weit - vom Produkt zur Gemeinschaft. Damit eine Gemeinschaft lebt und wächst, müssen ihre Mitglieder dazu gebracht werden, aktiv mitzuarbeiten und Zeit und Energie in die Gemeinschaft zu investieren. Zu dieser notwendigen Mitarbeit kann ein Unternehmen seine Kunden nur motivieren, wenn es aufgrund stabiler formeller und informeller Regeln über die "friedensschaffende Kraft" verfügt, die widerstreitenden Interessen aller Beteiligten unter einen Hut zu bringen. Bereits heute sind viele erfolgsentscheidende Produkteigenschaften in Wahrheit keine technischen Eigenschaften, sondern soziale Konfliktlösungen: Open Source als Erfolgsrezept bei Software ist nur ein Beispiel hierfür.

Vom Aufbau her wird an das letzte Kapitel angeknüpft: Ausgegangen wird von den Konflikten, die es zumindest potentiell zwischen den verschiedenen Akteuren gibt. Dieses Konfliktpotential ergibt sich aus der (teilweise widerstreitenden) Interessenlage der Akteure, die im zweiten Kapitel dargestellt wurde. Nach der Darstellung dieser Konflikte wird ausgeführt, zu welchen Regelungen es zwischen den Akteuren kommt. Während die konkrete Ausgestaltung der Regelungen natürlich eine Frage des Einzelfalls ist, gibt es doch typische Fragen mit typischen Lösungsansätzen, die im Verhältnis zwischen den Akteuren immer wieder auftauchen. Sie sollen im Folgenden dargestellt werden. Es soll auch darauf eingegangen werden, ob die Regelung für alle Beteiligten faktisch und vor psychologisch befriedigend ist, oder ob ein Akteur sein Verhandlungsziel so wenig durchsetzen kann, dass er sein Gesicht verliert, sich unterdrückt fühlt, das Verhandlungsergebnis folglich nur gezwungenermaßen und nicht freiwillig mitträgt und deshalb bei der ersten Gelegenheit auf Veränderung sinnen wird. Es geht also um die Frage, wie stabil die Regelung ist. Anschließend soll untersucht werden, inwieweit die Regelung innovationshemmend oder -fördernd wirkt.

Die Ähnlichkeit dieses Aufbaus zum Aufbau des vorigen Kapitels erklärt sich daraus, dass die Grenzen zwischen der technischen Infrastruktur und der sozialen bzw. rechtlichen Infrastruktur immer unschärfer werden: Deshalb kann ein technisches Feature - beispielsweise ein Werkzeug zur Identifizierung des Absenders einer Mail oder umgekehrt, zur Anonymisierung einer Mail - etwas ganz Ähnliches sein wie eine Regelung. Die Art und Weise, wie die technische Infrastruktur gestaltet wird, schreibt soziale Machtverhältnisse fest. Umgekehrt wird die Gestaltung der Infrastruktur immer mehr politisiert und damit Gegenstand eines sozialen Verhandlungsprozesses.

Der Technik kommt also in zunehmendem Maß die Rolle zu, formelles und informelles Recht zu implementieren und durchsetzbar zu machen. Die Beispiele im letzten Kapitel dafür, dass die Technik die sozialen Beziehungen zwischen den Akteuren gestaltet und hierdurch die kommunizierten Inhalte beeinflusst, zeigen, wie eng Technik und Recht miteinander verzahnt sind. Die Ergebnisse des letzten Kapitels hinsichtlich der Entwicklungstendenzen der technischen Infrastruktur - Personalisierung des Netzes, nachfrageorientierte Informationsverteilung, weitgehende Automatisierung der Informationsbeschaffung und der rechtlichen Transaktionen, künstliche Knappheit von digitalen Daten - beeinflussen deshalb die rechtlichen Regelungen, die zwischen den Beteiligten entstehen.

 

4. 2. Verhältnis zwischen Künstler und Zwischenhändler

Das Verhältnis zwischen Künstler und Zwischenhändler hängt in hohem Maß davon ab, welches Finanzierungsmodell die Beteiligten verwenden. Im Fall von Werbefinanzierung ist die Interessenlage der Akteure eine völlig andere, als beispielsweise bei Finanzierung durch Micropayments oder Abonnements.

Die Leistung des Künstlers besteht darin, ein innovatives Werk zu erschaffen. Wegen seiner persönlichen Nähe zum Werk tut er sich allerdings häufig schwer damit, die richtige Zielgruppe für sein Werk zu erkennen und es bei ihr so anzupreisen, dass sie sich dafür zu interessieren beginnt. Deshalb braucht er, wie oben dargestellt, den Zwischenhändler als (teilweise) neutralen Garanten für die Qualität seiner Arbeit. Die Leistung des Zwischenhändlers besteht also in der professionellen Vermarktung des Werkes.

Aus dieser Aufgabenteilung ergeben sich teilweise gleiche, teilweise gegensätzliche Interessen: Zwischenhändler und Künstler sind beide daran interessiert, dass das Werk ein möglichst großes Publikum erreicht und positiv anspricht - egal, ob das Werk durch Werbung oder durch Zahlungen des Publikums finanziert wird. Denn auch bei der Werbefinanzierung ist die Größe der Zielgruppe zwar nicht der einzige, aber doch ein wichtiger Faktor zur Bestimmung des finanziellen Wertes eines Werbeträgers. Allerdings ist ein maximal großer Wirkungskreis nie der einzige Erfolgsfaktor.

Vor allem für den Künstler ist die Qualität des angesprochenen Publikums und das Image, das in der Öffentlichkeit von ihm entsteht, wichtig. Denn diese Faktoren bestimmen seinen langfristigen Erfolg über den Absatz des einzelnen Werks hinaus. Es geht dem Künstler also nicht primär um das "wie viel" der Bekanntheit bzw. Aufmerksamkeit, sondern vor allem darum, "als was" man bekannt wird, und "bei wem". Auch der Zwischenhändler hat ein gewisses Interesse daran, den Künstler als langfristig erfolgreiche Einnahmequelle aufzubauen. Er hat zudem ein Interesse daran, dass sein Label ein langfristig gutes Image beim Publikum erwirbt. Aber da ein Zwischenhändler die Werke vieler verschiedener Künstler gleichzeitig vermarktet, neigt er eher als der Künstler selbst dazu, dieses langfristige Interesse am Imagegewinn hinter das kurzfristige Profitinteresse zurückzustellen. Hieraus ergibt sich ein Interessengegensatz: Für den Zwischenhändler haben ökonomische Belange Vorrang vor ästhetischen Belangen; für den Künstler hingegen ist es langfristig gesehen durchaus auch ökonomisch vernünftig, den ästhetischen Belangen den Vorrang vor dem kurzfristigen Profit einzuräumen. Der Zwischenhändler hat primär das einzelne Werk und dessen unmittelbaren Erfolg am Markt im Auge; der Künstler hingegen sieht sein einzelnes Werk als Teil seiner langfristigen persönlichen Karriere.

Ein unbekannter Künstler hat eine extrem schwache Verhandlungsposition gegenüber dem Zwischenhändler: Da es eine unüberschaubare Vielzahl unbekannter Kunstwerke gibt, steht ein unbekannter Künstler vor der schweren Aufgabe, den Zwischenhändler davon zu überzeugen, dass das in ihm verborgene Erfolgspotential so außergewöhnlich groß ist, dass es sich lohnt, gerade in ihn zu investieren und ihn im Bewusstsein des Publikums als Bekanntheit aufzubauen. Je innovativer der Künstler ist, desto schwerer ist sein Erfolgspotential auf den ersten Blick für den Zwischenhändler erkennbar.

Wenn es dem Künstler allerdings gelingt, den Zwischenhändler von seinem Potential zu überzeugen, dann können die gemeinsamen Anstrengungen von Künstler und Zwischenhändler dazu führen, dass der Künstler bekannt wird und damit einen hohen finanziellen Wert in sich akkumuliert. Denn ein Künstler mit einem großen Fanpublikum ist eine verlässliche Einnahmequelle; der Markterfolg seiner Werke ist nicht mehr von besonderen Vermarktungsleistungen des Zwischenhändlers abhängig. Dementsprechend groß ist die Verhandlungsmacht des bekannten Künstlers gegenüber dem Zwischenhändler. Das Machtverhältnis zwischen Künstler und Zwischenhändler kehrt sich also im Verlauf einer erfolgreichen künstlerischen Karriere zu Ungunsten des Zwischenhändlers um; dies gerade auch aufgrund der erfolgreichen Marketinganstrengungen des Zwischenhändlers.

Aus diesem Interessengegensatz ergibt sich ein Bedürfnis des Zwischenhändlers, das Verhältnis zum Künstler so auszugestalten, dass sichergestellt ist, dass der Künstler nicht gerade dann zu einem anderen Zwischenhändler abwandert, wenn der Künstler hinreichend bekannt geworden ist und sich die Investitionen in seinen Ruf finanziell auszuzahlen beginnen.

Der Zwischenhändler will den Künstler also langfristig an sich binden, um nicht nur am kurzfristigen Erfolg des einzelnen Werks zu partizipieren, sondern auch an der langfristigen Marktwertsteigerung des Künstlers insgesamt. Diese langfristige Bindung kann für den Künstler zur Fessel werden, da er die Freiheit verliert, seinen vollen Wert am Markt zu realisieren, indem zu demjenigen Zwischenhändler abwandert, der ihm die günstigsten Konditionen bietet. Hinzu kommt, dass ein unbekannter Künstler häufig auch inhaltliche Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung seiner Werke in Kauf nehmen muß, damit sich ein Zwischenhändler darauf einlässt, ihn zu vermarkten. Diese inhaltlichen Vorgaben können den Zweck verfolgen, Bedenken des Zwischenhändlers hinsichtlich der Erfolgschancen des Werks am Markt auszuräumen; sie können aber auch dazu dienen, das Werk des Künstlers besser in die "Corporate Identity" des Zwischenhändlers und seines Labels einzupassen.

Im ersten Fall kann sich die inhaltliche Einflussnahme durch den Zwischenhändler durchaus positiv auswirken; im Idealfall wird ihm der Künstler später sogar dankbar dafür sein, dass er das Werk aus einer kritischen Distanz heraus von Fehlern und Missverständlichkeiten befreit hat – auch wenn der Künstler selbst die Arbeit des Zwischenhändlers wohl eher als unerwünschte Einmischung von außen und Kommerzialisierung seines Werks ansehen wird. Im zweiten Fall allerdings dient die Anpassung an das ästhetische Grobraster des Zwischenhändlers weder dem Künstler, noch seinem Werk. Gerade innovative Künstler trifft der Zwang, sich in ein "redaktionelles Konzept" oder eine "Produktlinie" einzufügen, besonders hart, da sich eine derartige "Corporate Identity" naturgemäß innerhalb der etablierten ästhetischen Formensprache bewegt. Letztlich geht es hierbei nur um den Zwang, sich in eine vordefinierte Schublade einzusortieren. Diese Kategorisierung von Kunst dient allerdings dem ökonomischen Interesse der Zwischenhändler, das Risiko eines Misserfolges am Markt dadurch zu minimieren, dass sie die Werke so exakt wie möglich auf eine bestimmte vordefinierte Zielgruppe zuschneiden und den Absatz der Werke so exakt im voraus kalkulierbar wie möglich zu machen. Diesem betriebswirtschaftslichen "Urbedürfnis" nach optimaler Kalkulierbarkeit wohnt natürlich eine gewisse innovationsfeindliche Tendenz inne. Es ist deshalb verständlich, wenn sich ein Künstler von derartigen inhaltlichen Vorgaben so bald und so umfassend wie möglich befreien möchte. Dieses Bedürfnis nach künstlerischer Freiheit kollidiert mit dem Interesse der Zwischenhändler an einer möglichst langfristigen Bindung der Künstler.

Dieser Interessenkonflikt soll durch ein Zusammenspiel von formellen und informellen rechtlichen Bindungen aufgelöst werden: Das geltende (deutsche) Urheber- und Verlagsrecht hält eine Übertragung des Nutzungsrechts an zukünftigen, bei Vertragsschluss noch nicht existierenden Werken oder eine Option auf den Erwerb dieses Nutzungsrechts nicht generell für unzulässig. Aufgrund der Gefahr einer unangemessenen Benachteiligung des Künstlers bedürfen derartige Verträge aber der Schriftform. Außerdem sind sie nach Ablauf von 5 Jahren nach Vertragsschluss unter Einhaltung einer sechsmonatlichen Frist kündbar. Ferner können derartige Verträge sittenwidrig sein, wenn sie den Künstler unangemessen benachteiligen. Der ideellen Beziehung zwischen Künstler und Werk trägt das kontinentaleuropäische Urheberrecht zudem dadurch Rechnung, dass es dem Urheber ein grundsätzlich unveräußerliches Urheberpersönlichkeitsrecht an seinem Werk zuerkennt.

Das Urheberrecht versucht also, eine Balance zwischen dem Interesse des Zwischenhändlers an langfristiger Bindung des Künstlers und dem Interesse des Künstlers an größtmöglicher Freiheit zu finden. Diese gesetzlichen Schranken des Urheberrechts sind in der Praxis äußerst wichtig: Da urheberrechtliche Verträge in der Regel bei Beginn der Zusammenarbeit zwischen Künstler und Zwischenhändler geschlossen werden, ist die Verhandlungsmacht des Künstlers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in der Regel noch so gering, dass kaum Einfluß auf die Vertragsgestaltung nehmen kann und sein Interesse nicht im Vertrag realisieren kann. Deshalb werden derartige Verträge in der Praxis meist eine so enge Bindung des Künstlers vorsehen, wie es innerhalb der gesetzlichen Grenzen zulässig ist.

Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung derartige Verträge als Gestaltungsinstrument der tatsächlichen Beziehungen zwischen Künstler und Zwischenhändler haben; in welchem Maß also die rechtswissenschaftliche Theorie zur sozialen Wirklichkeit wird.

Das Vertragsrecht stimmt in vielen Bereichen der Gesellschaft oft nicht mit der ökonomischen Praxis überein. Das gilt insbesondere dort, wo die realen Austauschbeziehungen zwischen den Beteiligten einigermaßen kurzfristig angelegt sind. Innerhalb derartiger Vertragsverhältnisse erbringen beide Seiten ihre Leistung vor allem deswegen, damit die andere Seite auch weiterhin leistet. Deshalb werden derartige Verträge im Konfliktfall nicht gerichtlich durchgesetzt, sondern dadurch, dass man mit einem Abbruch der Geschäftsbeziehungen droht. Wie derartige Verträge aussehen, richtet sich deshalb nicht in erster Linie nach dem geltenden Vertragsrecht, sondern danach, in welchem Maß die Parteien auf die Leistung des Vertragspartners angewiesen sind. Ist die Abhängigkeit einer Vertragspartei von der Gegenseite groß, kann die reale Austauschbeziehung durchaus die Grenzen der vertragsrechtlichen Sittenwidrigkeit überschreiten - beispielsweise bei den Arbeitsverträgen für niedrig qualifizierte Dienstleistungstätigkeiten. Derartige Arbeitsverträge sind arbeitsrechtlich oft nicht zulässig; die hierdurch Benachteiligten berufen sich aber in vielen Fällen nicht auf ihre Rechte, um ihren Job nicht zu verlieren.

Dieses Implementierungsdefizit gibt es aber nur bei kurzfristigen Austauschbeziehungen. Bei langfristigen Beziehungen - beispielsweise bei Krediten oder Versicherungsverträgen - bleibt den Parteien nichts anderes, als sich auf die gerichtliche Durchsetzbarkeit des Vertrages zu verlassen. Diese Durchsetzbarkeit ist bei den (langfristigen) Verträgen zwischen Künstler und Zwischenhändler in der Regel auch gegeben: Zwar kann der Zwischenhändler nicht verhindern, dass der Künstler seine Werke unter einem Pseudonym oder dem Namen eines Dritten veröffentlicht und die vertragliche Bindung an den Zwischenhändler so umgeht. Hieran hat der Künstler aber in der Regel kein Interesse, da er hierdurch ja gerade das Kapital verlieren würde, das er gemeinsam mit dem Zwischenhändler aufgebaut hat: Den guten Ruf seines Namens beim Publikum. Damit gewinnt das Vertragsrecht an praktischer Relevanz. Zwischen Künstler und Zwischenhändler besteht eine langfristige Beziehung. Wenn der Künstler schließlich bekannt geworden ist, kann der Zwischenhändler keinen Druck mehr auf ihn ausüben, indem er ihm mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehung droht. Ihm bleibt deshalb nur das Mittel der gerichtlichen Durchsetzbarkeit. Deshalb hängt tatsächlich so viel von der konkreten Ausgestaltung des Urheberrechts ab, insbesondere davon, dass ein angemessener Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien durch das Recht auch dann sichergestellt ist, wenn die Verhandlungsmacht einer Partei bei Vertragsschluss gering ist. Die oben genannten formellrechtlichen Bindungen gestalten also tatsächlich das Vertragsverhältnis.

Gibt es über das geschriebene Recht hinaus informelle Regelungen zwischen Künstler und Zwischenhändler, die das staatliche Recht ergänzen bzw. modifizieren? Gleichgültig, ob derartige Regelungen beidseitig ausgehandelt oder einseitig aufdiktiert sind, es handelt sich bei ihnen um Recht im Sinne dieser Arbeit, wenn sie bezwecken, das Verhältnis zwischen den Beteiligten auszubalancieren und langfristig zu stabilisieren.

Geprägt wird das Verhältnis zwischen Künstler und Zwischenhändler meist vom (ausdrücklich vereinbarten oder stillschweigend vorausgesetzten) Leitgedanken, dass sich der Künstler nur eines einzigen Zwischenhändlers zur Vermarktung seiner Werke bedienen darf, während der Zwischenhändler seinerseits durchaus mehrere miteinander konkurrierende Künstler gleichzeitig vermarkten darf. Das gilt für bekannte und unbekannte Künstler gleichermaßen. Schriftsteller bringen ihre Bücher in der Regel bei einem Verlag und nicht bei verschiedenen Verlagen heraus, Musiker bleiben bei ein- und derselben Plattenfirma u. s. w. Nur bei sehr kurzfristiger Zusammenarbeit - etwa bei der Veröffentlichung eines einzigen Zeitschriftenartikel oder einem einzelnen Auftritt im Fernsehen - gibt es eine derartige Bindung nicht und der Künstler bleibt frei, seinen nächsten Artikel in einer anderen Zeitschrift zu veröffentlichen. Diese Bindung des Künstlers an einen einzigen Zwischenhändler erklärt sich daraus, dass der Zwischenhändler zunächst Geld und Arbeit investieren muß, bevor die kritische Masse überwunden ist und der Künstler rentabel geworden ist. Der Zwischenhändler muß sich davor schützen, dass diese Investitionen der Konkurrenz zugute kommen. Deshalb muß er den Künstler an sich binden. Vor allem kleinere Labels, die mit ihren Künstlern keine juristisch "wasserdichten" Verträge machen, drohen andernfalls zu Zulieferbetrieben der großen Medienkonzerne zu werden, die die finanziellen Mittel haben, um alle erfolgreichen Künstler abzuwerben. Das gelingt ihm am Besten, indem er ein Vertrauensverhältnis zum Künstler aufbaut und ihm das Gefühl gibt, dass er seine Interessen versteht und wahrnimmt.

Zudem setzt die Entwicklung und Umsetzung eines Marketingkonzepts - die Leistung des Zwischenhändlers - voraus, dass man weitestmögliche Kontrolle über das Erscheinungsbild des Künstlers in der Öffentlichkeit hat. Diese Kontrolle würde fehlen, wenn verschiedene Zwischenhändler gleichzeitig unterschiedliche Marketingkonzepte verfolgen würden. Sie würden sich gegenseitig stören, was auch für den Künstler schädlich wäre. Natürlich kann dies nur unter der Voraussetzung gelten, dass der Zwischenhändler sich in angemessenem Umfang für die Belange des Künstlers einsetzt und dessen Werke auch tatsächlich vertreibt.

Umgekehrt gibt es eine derartige Bindung nicht: Der Zwischenhändler trägt das unternehmerische Risiko, dass der Künstler niemals bekannt genug werden kann, um die Investitionen, die in ihn getätigt wurden, wieder "einzuspielen". Dieses Risiko kann er nur minimieren, indem er es auf eine Vielzahl verschiedener Künstler verteilt. Außerdem garantiert der Zwischenhändler mit seiner teilweise neutralen Stellung die Qualität des Künstlers. Die Glaubwürdigkeit des Zwischenhändlers als Garanten ergibt sich nur aus der Qualität der anderen Künstler, die von ihm betreut werden. Der einzige Weg für den Zwischenhändler, um ein Label mit klarem Profil aufzubauen, ist, viele stilistisch miteinander verwandte Künstler unter Vertrag zu nehmen.

Während die Zwischenhändler als Wirtschaftsunternehmen unmittelbar miteinander am Markt konkurrieren, besteht eine vergleichbare Konkurrenzsituation zwischen den Künstlern, die von ein- und demselben Zwischenhändler betreut werden, nur in weitaus geringerem Maß. Denn ein Künstler bedient - wie oben dargestellt - nicht eine bereits vorhandene Nachfrage, sondern schafft das Bedürfnis nach seinen Werken erst selbst. Deshalb muß es nicht so sein, dass verschiedene, stilistisch miteinander verwandte Künstler, die vom selben Zwischenhändler betreut werden, sich gegenseitig Konkurrenz machen und einander das Publikum wegnehmen. Es kann - ganz im Gegenteil - auch so sein, dass sie sich gegenseitig fördern - etwa, indem sie einen Trend, eine ästhetische Schule bzw. eine Szene entstehen lassen.

Hieraus erklärt sich, dass eine Bindung des Künstlers an einen Zwischenhändler selbst dann von den Beteiligten vorausgesetzt wird, wenn sie nicht formell rechtlich bindend vereinbart wurde. Ein Künstler, der diesen informellen Verhaltenskodex verletzt, riskiert, dass ihn kein Zwischenhändler mehr unter Vertrag nimmt. Denn durch seine fehlende Berechenbarkeit wird er als "Investitionsobjekt" unattraktiv. Da jeder Verstoß des Künstlers gegen diese informelle Regelung in einem öffentlichen Raum erfolgt und damit bei allen Zwischenhändlern publik wird, setzt sich dieses Tabu ganz von selbst durch. Ein Künstler könnte diese Regelung nur umgehen, indem er gleichzeitig unter verschiedenen Pseudonymen schöpferisch tätig ist. Eine derartige Aufspaltung seiner schöpferischen Kräfte ist aber zumindest für unbekannte Künstler nicht interessant, da sie alle ihre Kräfte darauf konzentrieren müssen, sich einen Ruf aufzubauen. Außerdem wäre es für den Zwischenhändler auch gar nicht von Nachteil, wenn ein von ihm betreuter Künstler unter einem anderen Namen bei der Konkurrenz in Erscheinung treten würde. Dann käme die Aufbauarbeit des Zwischenhändlers nicht der Konkurrenz zugute, da der gute Ruf des Künstlers den Absatz der Werke, die unter Pseudonym veröffentlicht wurden, nicht steigern kann.

Wie wirken sich diese Regelungen nun auf die künstlerischen Inhalte aus? Wird künstlerische Innovation hierdurch eher gefördert oder gehemmt?

Die genannten Regelungen ermöglichen aus Sicht des Zwischenhändlers erst die Rentabilität langfristiger Investitionen in einen Künstler. Sie sind deshalb notwendige Voraussetzung für eine gezielte Veränderung des ästhetischen Erwartungshorizonts des Publikums und damit für eine Überwindung der kritischen Masse. Ohne die genannten Regelungen könnten nur solche Künstler am Markt bestehen, die zum bereits existierenden ästhetischen Erwartungshorizont des Publikums weitgehend konform sind. Wenn Kunst sich nicht nur an den bereits vorhandenen Publikumsgeschmack anpassen will, sondern ein neuartiges ästhetisches Ziel definieren und gleichzeitig verwirklichen will, braucht sie dafür Zeit. Deshalb kann sie nur dann am Markt überleben, wenn sie vom Zwang zur kurzfristigen Rentabilität befreit wird. Eine derartige langfristige Kalkulation unter Verzicht auf kurzfristige Rentabilität ist dem Zwischenhändler nur möglich, wenn er den Künstler formell oder informell dauerhaft an sich binden kann. Dies wird durch die dargestellten Regelungen ermöglicht. Sie wirken deshalb innovationsfördernd.

Andererseits wurde bereits erwähnt, dass der Künstler unter Umständen auch inhaltliche Vorgaben des Zwischenhändlers beachten muß. Derartige inhaltliche Vorgaben müssen sich keineswegs zwangsläufig negativ auf die Qualität des Kunstwerks auswirken. Denn die innovative Qualität eines Kunstwerks ist nicht automatisch gleichzusetzen mit kompromissloser Selbstverwirklichung des Künstlers; ebenso wenig ist affirmative, marktkonforme Kunst stets gleichzusetzen mit einem Zuviel an Publikumsorientierung: Kunst ist Kommunikation; sie ist folglich nur in dem Maß innovativ, in dem es gelingt, diese Innovation auch dem Publikum zu vermitteln. Aus diesem Grund muss es keinesfalls nachteilig für die ästhetische Qualität des Werks sein, wenn der Zwischenhändler aus der kritischen Distanz des Außenstehenden auf den Künstler einwirkt, damit dieser Schwachstellen oder schwer verständliche Passagen am Werk nachbessert. Wenn der Zwischenhändler ihn dazu anhält, erfüllt er nur seine legitime Funktion als Mittler zwischen Künstler und Publikum. Eine derartige Einflussnahme muß nicht innovationshemmend sein, sondern kann ganz im Gegenteil auch sicherstellen, dass die künstlerische Innovation beim Publikum ankommt und dadurch intrasubjektiv real wird.

Wenn die inhaltlichen Vorgaben durch den Zwischenhändler aber darauf abzielen, das Werk des Künstlers besser in das Label des Zwischenhändlers einzupassen, dann geht das zwangsläufig zu Lasten der innovativen Qualität des Kunstwerks. Denn die "Corporate Identity" des Zwischenhändlers verlässt naturgemäß nicht die etablierte ästhetische Formensprache, sondern ist innerhalb dieser durch die bisherige Arbeit des Zwischenhändlers und sein Bild in der Öffentlichkeit definiert. Die innovative Qualität des Kunstwerks wird durch eine derartige Anpassung also zwangsläufig verwässert. Aus Sicht des Zwischenhändlers mag vieles dafür sprechen, einen unbekannten Künstler mittels inhaltlicher Vorgaben in sein "redaktionelles Konzept" einzupassen: Die Erfolgsaussichten des Werkes am Markt werden besser kalkulierbar, da sich die Zielgruppe, die mit dem Werk angesprochen werden soll, so besser umreißen lässt. Und die Wirkung des Werks auf diese Zielgruppe lässt sich so besser berechnen. Als Träger des unternehmerischen Risikos hat der Zwischenhändler natürlich ein starkes Interesse an einer optimalen Kalkulierbarkeit des Markterfolges.

Die kalkulatorische Unsicherheit, die mit der Vermarktung eines völlig unvergleichbaren und neuartigen Werks verbunden ist, will er so weit wie möglich vermeiden. Umgekehrt wird es für die angesprochene Zielgruppe natürlich auch leichter, auf das Werk aufmerksam zu werden, wenn es sich in ein Label, eine bestimmte Edition bzw. ein redaktionelles Konzept einfügt. Eine "Corporate Identity" kann den legitimen Zweck haben, dem Publikum die Orientierung in der Informationsflut zu erleichtern und so das Werk und das Publikum zusammenzuführen. Der Zwischenhändler muß sich aber darüber im klaren sein, dass die inhaltlichen Vorgaben, die bei der Herausbildung einer derartigen "Corporate Identity" unter Marketinggesichtspunkten getroffen werden, den künstlerischen Freiraum für Innovation verengen.

Die innovationshemmenden Zwänge, die hieraus in der Praxis resultieren, sind massiv. Sie lassen sich zwar nicht empirisch-zwingend beweisen, aber tagtäglich beobachten: Der Großteil der Medienprodukte - seien es nun Kinofilme, Popmusik, Romane oder Fernsehsendungen - fügt sich in ein bestimmtes, fest umrissenes Genre ein. Durch die Einhaltung vorgegebener Schemata befriedigen sie die wohlbekannten Bedürfnisse fest umrissener Konsumentenschichten. Wegen ihrer mangelnden Originalität werden diese Medienprodukte bereits nach kurzer Zeit langweilig und werden in der Gunst des Publikums von anderen Produkten abgelöst, die nicht weniger kurzlebig sind.

Kein Unternehmen kann es sich leisten, die Bedeutung "weicher" intrasubjektiver Faktoren wie etwa seines Images in der Öffentlichkeit oder seines Betriebsklimas zu vernachlässigen. Ebenso wenig kann es sich ein Medienunternehmen leisten, die ästhetische Qualität seiner Produkte deshalb für bedeutungslos und quasi nicht existent zu halten, weil diese nicht objektiv messbar und letztlich Geschmackssache ist. In der Medien- und Kulturbranche resultiert der ökonomische Erfolg aus dem kommunikativen bzw. ästhetischen Erfolg. Ein allgemein empfundenes Defizit auf der ästhetischen Seite wird sich deshalb früher oder später auch auf der ökonomischen Seite niederschlagen. Wenn sich beispielsweise ein immer größerer Teil der Fernsehzuschauer nicht mehr auf das Fernsehprogramm konzentriert, sondern gleichzeitig allen möglichen anderen Aktivitäten nachgeht, ist das ein Indiz dafür, dass das Programm eher zu affirmativ als zu kontrovers ist und, um es vorsichtig auszudrücken, das Publikum nicht gerade mit seiner Originalität vor den Kopf stößt. Dieser Mangel an künstlerischer Innovation führt zu einer schwindenden Aufmerksamkeit des Publikums: Es schaut vielleicht noch mehrheitlich hin, aber es ist nicht mehr bewegt und fasziniert von dem, was es sieht. Diese schwindende Aufmerksamkeit wird über kurz oder lang auch die Bereitschaft der Werbewirtschaft schwinden lassen, für Fernsehwerbung zu zahlen. Dem Fernsehen droht eine Banalisierung seiner Inhalte, ähnlich wie dies im Radio bereits weitgehend geschehen ist.

Für das Internet wäre eine derartige Banalisierung tödlich: Die technische Infrastruktur des Netzes bedingt, dass dort nur solche Inhalte wahrgenommen werden, die vom Publikum aktiv verlangt werden. Schwindende emotionale Anteilnahme des Publikums schlägt sich deshalb im Internet anders als in anderen Massenmedien unmittelbar in sinkenden Zugriffszahlen nieder. Ein Unternehmen, das mit der Vermarktung von Inhalten im Internet Geld verdienen will, muß deshalb sicherstellen, dass es die Leute mit seinen Produkten bewegt, und nicht nur einlullt. Es darf nicht nur auf affirmative Mainstreamprodukte setzen, sondern muß im Interesse langfristigen Erfolgs den schweren Weg gehen und nachhaltig wirtschaften, d. h. zumindest teilweise auch auf spektakuläre, innovative Werke setzen, auch wenn deren betriebswirtschaftlicher Erfolg schwerer kalkulierbar ist. Nur so kann es als Medium für Kunst und Kultur ein markantes Profil gewinnen, mit dem es sich in der Informationsflut behaupten kann. Der Boom des Internets wurde dadurch ausgelöst, dass es wegen seiner Neuheit und seiner unbegrenzten Möglichkeit fasziniert.

 

4. 3. Verhältnis zwischen Zwischenhändler und Publikum

Auch das Verhältnis zwischen dem Zwischenhändler und dem Publikum ist in hohem Maß davon geprägt, was für ein Finanzierungsmodell der Zwischenhändler benutzt. Bei Werbefinanzierung wird in der Regel keinerlei formellrechtliche vertragliche Beziehung zwischen den Akteuren entstehen. Bei Micropayments ist sie so kurzfristig, dass die Akteure der einzelnen Transaktion so wenig Aufmerksamkeit wie nötig schenken wollen und versuchen werden, den Vertragsschluss so weit wie möglich zu automatisieren. Bei größeren Werkeinheiten, Abonnements und Sammlerstücken hingegen kann die Beziehung entweder so langfristig oder finanziell so bedeutsam sein, dass die Aufmerksamkeit, die beide Parteien in den Vertragsschluss investieren, relativ groß ist.

Aus Sicht des Publikums besteht die Leistung des Zwischenhändlers darin, dass er ihm wertvolle Inhalte nahe bringt. Der Zwischenhändler ist ein Filter, der dem Publikum die Auswahl in der Informationsflut erleichtert. Und er ist ein Mittler, der den besonderen Wert eines zunächst nur schwer zugänglichen Kunstwerks leichter erfassbar macht. Er erfüllt aus Sicht des Publikums also eine wichtige positive Funktion. Es ist aber – vor allem im Werbefinanzierungsmodell - keineswegs selbstverständlich, dass der Zwischenhändler sich bei der Auswahl und Aufbereitung der Inhalte stets allein vom Publikumsinteresse leiten lässt. Aufgrund seiner Mittlerstellung zwischen Künstlern, Werbetreibendem und Publikum können sich für ihn hier Interessenkonflikte ergeben, die er durchaus auch zum Nachteil des Publikums und zum Vorteil eines anderen Akteurs auflösen kann. Da er vor dem Publikum einen Informationsvorsprung hat, kann dieses die Qualität der Arbeit des Zwischenhändlers nicht selbst beurteilen, sondern muß ihm - ein Stück weit - blind vertrauen. Das Publikum würde es also nicht - oder jedenfalls nicht sofort - merken, wenn der Filter des Zwischenhändlers nicht mehr die wertvollsten und interessantesten Inhalte auswählt bzw. für es herausfiltert, sondern nur noch solche, die besonders wirksame Werbeträger sind oder die mit besonders viel Marketingaufwand ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrückt werden sollen. Wessen Interessen der Zwischenhändler nun tatsächlich verfolgt, richtet sich in erheblichem Maße nach dem Finanzierungsmodell.

Bei Werbefinanzierung ist die Position des Publikums gegenüber dem Zwischenhändler am schwächsten, da es hier keine unmittelbare Gegenleistung für das Zugänglichmachen der Inhalte erbringt. Deshalb wird der Zwischenhändler in allererster Linie die Interessen des Werbetreibenden oder unter Umständen auch diejenigen des Künstlers verfolgen. Die Interessen des Publikums hingegen sind für ihn nur von sekundärer Bedeutung. Allerdings ist selbst in diesem Finanzierungsmodell das Publikum nicht ganz ohne jede Verhandlungsmacht: Der Preis, den der Werbetreibende an den Zwischenhändler zu zahlen bereit ist, ist davon abhängig, wie groß das Publikum ist, das der Werbetreibende über den Zwischenhändler erreichen kann und welche demoskopische Zusammensetzung es hat. Verspielt der Zwischenhändler das Vertrauen des Publikums, weil er sich offensichtlich nicht von dessen Interessen, sondern ausschließlich von den Interessen des Werbetreibenden leiten lässt, wird er für den Werbetreibenden wertlos. Deshalb gilt: Wenn der Zwischenhändler Interessenkonflikte zwischen Publikum und Werbetreibendem zum Nachteil des Publikums auflöst, muß er dies auf eine Weise tun, die das Publikum aufgrund seines Informationsdefizits nicht nachvollziehen kann. Anderenfalls gräbt er sich selbst das Wasser ab. Da es aber gerade die Funktion des Zwischenhändlers ist, das Informationsdefizit des Publikums zu kompensieren, stehen die Chancen für ihn gut, eine gezielte Manipulation des Publikums diesem gegenüber zu verbergen.

Anders ist die Lage, wenn das Publikum durch Micropayments die Herstellung und den Vertrieb des Kunstwerks finanziert. Hier hat es naturgemäß eine stärkere Stellung. Aber auch hier wird der Zwischenhändler nicht notwendigerweise allein das Publikumsinteresse im Auge haben: Wie oben dargestellt, ist der Zwischenhändler darauf angewiesen, langfristige Beziehungen zu bestimmten Künstlern bzw. Künstlergruppen aufzubauen, um seine Informationsfunktion gegenüber dem Publikum besser als die Konkurrenz erfüllen zu können. Aus diesen Beziehungen ergeben sich natürlich auch Verpflichtungen und Abhängigkeiten, die zur Folge haben können, dass der Zwischenhändler bei einem Konflikt zwischen dem Vermarktungsinteresse eines Künstlers und dem Informationsinteresse des Publikums keineswegs immer dem Publikumsinteresse den Vorrang geben muß.

Bei Abonnements investiert das Publikum verglichen mit den Micropayments relativ viel Aufmerksamkeit in die Entscheidung, ob es für die Wahrnehmung eines bestimmten Abonnementdienstes zu zahlen bereit ist, oder nicht. Bei Micropayments wird es in der Regel seinem ersten Impuls folgen, bei Abonnements überlegt es sich die Sache genauer. Für den Zwischenhändler, der als der redaktionelle Filter eines Abonnementdienstes fungiert, kommt es deshalb darauf an, eine ausgewogene Mischung aus herkömmlichen und innovativen Inhalten anbieten zu können. Da bei Abonnements nicht für den einzelnen Inhalt, sondern für das Gesamtangebot gezahlt wird, muß sich nicht jeder einzelne Teil des Angebots als selbständiges Produkt am Markt behaupten. Das befreit künstlerische Innovation von ihrem wirtschaftlichen Risiko und erleichtert sie hierdurch. Andererseits erhöht sich hierdurch auch die Macht des Zwischenhändlers im Verhältnis zum Künstler und zum Publikum.

Bei Sammlerstücken ist das Vertrauen, dass der Sammler dem Zwischenhändler entgegenbringt, noch größer, da es hier um erhebliche wirtschaftliche Werte gehen kann oder um das Prestige des Sammlers. Deshalb müssen Zwischenhändler auf dem Sammlermarkt besonders darauf bedacht sein, unter allen Umständen glaubwürdig zu bleiben und sich niemals in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten zu setzen. Deshalb ist hier die Hürde für Innovationen noch höher, als bei den Abonnementdiensten. Andererseits ist der Sammlermarkt auf ständige Bewegung und neue Trends angewiesen; je früher ein Zwischenhändler neue Trends erkennt, desto weitergehend kann er das Wertsteigerungspotential der (noch) unbekannten Kunstwerke ausschöpfen.

Welche Rolle spielt hierbei das Recht? Da es im Falle von Werbefinanzierung nicht zu einem formellen Vertragsschluss und auch nicht zu einer direkten Austauschbeziehung zwischen Publikum und Zwischenhändler kommt, ist die Rolle des Rechts in diesem Verhältnis stark eingeschränkt – das gilt jedenfalls für das formelle Recht. Beide Akteure können allenfalls informellen Druck auf die andere Seite ausüben, indem sie die Vertragsbeziehung abbrechen: Wenn der Zwischenhändler seine Funktion nicht erfüllt und keine interessanten Inhalte liefert, wird das Publikum ihm seine Aufmerksamkeit entziehen. Wenn andererseits das Publikum seine Funktion nicht erfüllt und mit seiner Aufmerksamkeit keinen hinreichenden Anreiz für Werbetreibende zur Finanzierung der Inhalte liefert, wird der Zwischenhändler seine Tätigkeit einstellen.

Da das Abbrechen der Vertragsbeziehung weit weniger mühselig und aufwendig ist, als ein Gerichtsprozess, besteht bei den Akteuren kein Bedürfnis danach, das Vertragsverhältnis zwischen ihnen formellrechtlich auszugestalten. Werbung will verführen, und nicht verpflichten. Sie will unverbindlich sein. Deswegen gibt es bei der Austauschbeziehung zwischen Publikum und Werbetreibendem bei der Werbefinanzierung kein Bedürfnis der Beteiligten, die Interessen der einen Seite gegenüber der anderen Seite festzuschreiben und durchsetzbar zu machen.

Es ist aber nicht so, dass hier jede Verbindlichkeit fehlen würde: Das Publikum hat gegenüber dem Zwischenhändler ein Informationsdefizit. Es kann deshalb nur in eingeschränktem Maße beurteilen, ob der Zwischenhändler seine Aufgabe erfüllt und das Publikum informiert, oder ob er anstatt qualitativ hochwertiger Information lediglich getarnte Werbung liefert. Aufgrund dieses Informationsgefälles kann das Publikum die Beziehung zum Zwischenhändler nicht immer dann abbrechen und auf einen anderen Zwischenhändler ausweichen, wenn dies eigentlich seiner Interessenlage entsprechen würde. Es kann nicht kontrollieren, ob der Zwischenhändler seine Interessen angemessen berücksichtigt, sondern muß ihm blind vertrauen. Dieses Informationsdefizit führt zu einer ungleichen Machtverteilung zwischen den Akteuren. Der Gesetzgeber hat versucht, dieses Ungleichgewicht zu kompensieren und die Position des Publikums zu stärken: Ähnlich, wie die Pressegesetze, Landesmediengesetze und Rundfunkstaatsverträge für die herkömmlichen Massenmedien eine klare Trennung von Werbung und redaktionell gestaltetem Inhalt vorsehen, ist diese Trennung auch für das Internet in §9 Abs. 2 Satz 1 MDStV festgeschrieben. Auch Selbstkontrollorganisationen sehen diese Trennung vor.

Dies wird in der Praxis aber nur in sehr eingeschränktem Maß umgesetzt. Die juristische Dogmatik weist erhebliche Implementierungsdefizite auf. Das gilt bereits in den herkömmlichen Massenmedien. Dort haben vor allem im Kino und Fernsehen, aber auch im Radio und in der Presse unerlaubtes Sponsoring und Product Placement zu einer faktischen Vermischung von Werbung und redaktionellem Inhalt geführt. Es ist dabei nicht ungewöhnlich, dass der Sponsor bzw. die Firma, deren Produkt im Film platziert wird, dem Gesponsorten konkrete inhaltliche Vorgaben macht. Denn die Wirkung, die das Erscheinen eines Produktes in einem Film auf das Publikum hat, ist in hohem Maße von dem inhaltlichen Kontext, in dem dieses Produkt auftaucht, abhängig.

Es macht einen großen Unterschied, ob beispielsweise ein Produkt des täglichen Bedarfs wie etwa ein bestimmtes Lebensmittel in einem affirmativen Umfeld oder einem realistischeren und damit eventuell auch problembelasteten Umfeld präsentiert wird. Programmliche Inhalte, die sich mit einer unangenehmen Thematik befassen und schwierig sind, eignen sich schlechter für Product Placement als solche, die eine stark stilisierte heile Welt präsentieren. Deshalb wirken sich unerlaubtes Sponsoring und Product Placement auch in den herkömmlichen Medien mehr oder weniger stark auf die kommunikativen Inhalte aus. Da diese Werbeformen im konkreten Einzelfall kaum beweisbar sind, sind sie formellrechtlich auch kaum sanktionierbar. Informelle Sanktionen kommen ebenfalls nicht in Betracht, solange das Publikum nicht beurteilen kann, in welchem Umfang die Inhalte durch die Werbung beeinflusst werden.

Das gilt vor allem auch im Internet: Zwar sind auf vielen Webseiten Anzeigen und redaktioneller Inhalt klar voneinander abgegrenzt, wie dies gesetzlich gefordert wird. Aber allein durch derartige direkte (Banner-) Werbung kann sich nur ein verschwindend geringer Teil der Angebote im Netz finanzieren. Nur extrem massenattraktive Angebote, beispielsweise Suchmaschinen, können ihre Kosten allein auf diese Weise hereinholen. Alle Angebote, die auf ein kleineres, fachspezifisches Publikum ausgerichtet sind, müssen andere Wege gehen, um rentabel zu bleiben. Solange die Angebote im Netz für das Publikum kostenlos sind, kann das nötige Geld nur von den Werbetreibenden kommen. Ein Großteil der derzeit existierenden Webseiten ist ohnehin niemals etwas anderes gewesen, als direkte Werbung: Sein enormes quantitatives Wachstum verdankt das Internet in allererster Linie der Tatsache, dass praktisch jede Firma inzwischen ihre eigene Internet-Adresse hat, unter der sie ihre Produkte bewirbt und Öffentlichkeitsarbeit macht. Bei diesen Webseiten handelt es sich selbstverständlich um nichts anderes als Werbung; dies ist auch für jeden Besucher auf den ersten Blick erkennbar. Aber die technischen Bedingungen des Internets zwingen die werbetreibende Firma, ihre Webseiten so attraktiv zu gestalten, dass sie trotz der millionenfachen Konkurrenz anderer Webseiten die Umworbenen dazu motivieren können, die Seiten gezielt anzusteuern und dabei auch noch die Telefon- und Providerkosten zu zahlen. Webseiten, die nicht mit einem erheblichen redaktionelle Aufwand gestaltet wurden, werden in der Informationsflut also unbeachtet untergehen.

Während es in den herkömmlichen Massenmedien die programmlichen Inhalte sind, die immer stärker von Werbung durchsetzt und beeinflusst werden, ist es im Internet genau umgekehrt: Hier war die Werbung - jedenfalls auf einem Großteil der Webseiten - vor den Inhalten da. Sie nähert sich in dem Maß immer stärker den programmlichen Inhalten an, in dem der Kampf der Werbetreibenden um die Aufmerksamkeit der Netzteilnehmer immer intensiver wird. Dieser Trend wird dadurch verstärkt, dass es inzwischen Software gibt, mit denen die Netzteilnehmer direkte Werbung abblocken können (so etwa der "Webwasher" oder das Programm "Junkbuster"). Falls ein großer Teil der Internet-Nutzer derartige Programme verwenden würde, wären sie nur noch durch indirekte Werbung und nicht mehr durch direkte Werbung erreichbar. Bei einem Großteil der derzeit existierenden Angebote im Internet ist es für das Publikum sogar durchaus klar und deutlich erkennbar, dass sie nicht nur redaktioneller Inhalt, sondern gleichzeitig auch Werbung sind. Aber auch, wenn die werbliche Absicht eines Inhaltsanbieters im Internet für das Publikum klar erkennbar ist, besteht dennoch die Gefahr, dass es zu Zielkonflikten zwischen dem Informationsinteresse des Publikums und dem Interesse des Informationsanbieters, für ein bestimmtes Produkt zu werben, kommt.

Beispielsweise: Auch wenn das Publikum weiß, dass sich Suchmaschinen und Indizes durch Werbung finanzieren, wird es größtenteils nicht damit rechnen, dass das Suchergebnis gezielt vom Betreiber der Suchmaschine verfälscht wird, um bestimmten Anbietern einen Vorsprung vor der Konkurrenz zu verschaffen. Auch wenn das Publikum weiß, dass ein bestimmter Brancheninformationsdienst oder Wirtschaftsnachrichtendienst durch Werbung finanziert wird, wird es größtenteils nicht damit rechnen, dass es der Redaktion nicht primär darum geht, objektiv zu informieren, sondern darum, Kauf- bzw. Investitionsentscheidungen mit ihren Nachrichten zu beeinflussen.

Als Ausweg bleibt wohl nur ein gesundes Nebeneinander der verschiedenen Finanzierungsmodelle. Solange das Publikum nicht alle seine Informationen, sondern nur einen Teil hiervon aus werbefinanzierter Quelle bezieht, kann es die werbefinanzierten Informationen mit anderen Informationen vergleichen, für die es selbst bezahlt hat. So kann es sich ein Bild von der Qualität der werbefinanzierten Informationen machen. Wie ein solches Nebeneinander verschiedener Finanzierungsmodelle aussehen kann, sieht man in den herkömmlichen Massenmedien am Beispiel der dualen Rundfunkordnung: Die duale Rundfunkordnung ist mit ihrem Nebeneinander von privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern so angelegt, dass das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender das Programm der privatrechtlichen Sender ergänzt - und umgekehrt. Hierdurch soll eine staatliche Kontrolle bzw. Einflussnahme auf das Gesamtprogramm ebenso erschwert werden, wie eine Kontrolle bzw. Einflussnahme durch private Interessengruppen. Ähnlich könnte auch im Internet ein Nebeneinander der verschiedenen Finanzierungsmodelle dafür sorgen, dass ein Maximum an Vielfalt dadurch entsteht, dass jedes Finanzierungsmodell jeweils die Schwächen der übrigen Finanzierungsmodelle kompensiert. Das Vorhandensein kostenpflichtiger Informationen beseitigt langfristig gesehen erst die Defizite des Werbefinanzierungsmodells und ermöglicht es hierdurch, beide Modelle stehen zueinander nicht in Konkurrenz.

Innerhalb des Micropayment-Finanzierungsmodells hat das formelle Recht im Verhältnis zwischen Publikum und Zwischenhändler wegen des geringen Wertes bei jeder einzelnen Transaktion keine große Bedeutung. Die Schrankenregelungen des formellen Urheberrechts haben allerdings die wichtige Funktion, den Schutzumfang von Kopierschutzmechanismen zu begrenzen und ein gewisses Maß an freiem Informationsfluß sicherzustellen. Bei Abonnements und Sammlerwerken hingegen haben sowohl der Zwischenhändler wie auch das Publikum ein relativ großes Interesse daran, dass sie für ihre Leistung eine adäquate Gegenleistung erhalten. Bei Sammlerwerken gilt dies um so mehr: Hier investiert der Sammler häufig erhebliche finanzielle Werte. Wenn er hierbei eine falsche Entscheidung trifft, weil er vom Zwischenhändler falsch beraten wurde, oder wenn das Kunstwerk gefälscht ist, wird er seine Rechte notfalls auch gerichtlich durchsetzen. In diesem Bereich hat das formelle Recht also eine relativ große Bedeutung.

Das Verhältnis zwischen Publikum und Zwischenhändler wird bei allen Fianzierungsmodellen primär durch das informelle Recht bestimmt. Formellrechtliche Bindungen haben eine geringe Bedeutung, sind aber bei allen Finanzierungsmodellen außer dem Micropayment-Modell und Werbefinanzierungsmodell ein unverzichtbares Rückrad der Geschäftsbeziehung. Das sollte man bei der Vertragsgestaltung in diesem Bereich berücksichtigen, und den Schwerpunkt auf die informelle Seite legen: Wenn einzelne Inhalte (z. B. Softwareprodukte, Computerspiele, digitale Filme oder Bücher) als alleinstehende Produkte vermarktet werden, oder der Nutzer Mitglied eines Abonnementdienstes wird, wird zwischen dem einzelnen Nutzer und dem Zwischenhändler in der Regel ein Lizenzvertrag geschlossen, der einseitig vom Zwischenhändler gestaltet wird. In diesen Lizenzverträgen wird geregelt, in welchem Umfang der Nutzer das Produkt verwenden darf. Die Lizenzverträge konkretisieren also die Balance zwischen Informationskontrolle und freiem Informationsfluss im jeweiligen Verhältnis Anbieter - Nutzer. Diese Balance ist bei den gegenwärtig üblichen Lizenzverträgen in der Regel ziemlich unausgewogen, weil sich der Lizenzgeber so gut wie möglich gegen potentielle formellrechtliche Risiken absichern will: Vertragsgestaltung wird von Medien- und Softwareanbietern in der Regel als eine Form von Risikoabsicherung erlebt; sie gestalten die Lizenzverträge deshalb so, dass sie sich die Urheberrechte weitestmöglich vorbehalten.

Das Urheberrecht wird deshalb so weit überdehnt, dass ein normaler Nutzer beim alltäglichen Gebrauch des Produktes kaum anders kann, als irgendwann gegen den Lizenzvertrag zu verstoßen, z. B. indem er die Software auf seinem neugekauften Computer installiert. Diese Verstöße werden von den Zwischenhändlern vorausgesehen, einkalkuliert und in gewissem Umfang informellrechtlich toleriert. Denn ein Zwischenhändler, der seine eigenen Lizenzverträge strikt durchsetzt, würde sich das Publikum zum Feind machen und wäre nicht konkurrenzfähig. Der Nutzer trägt allerdings das (in Wahrscheinlichkeit und Schwere unkalkulierbare) Risiko, dass er wegen des Verstoßes gegen den Lizenzvertrag verklagt werden könnte.

Es würde im Interesse von Künstlern, Nutzern und Zwischenhändlern gleichermaßen liegen, wenn die Zwischenhändler die Ausgestaltung der Lizenzverträge nicht mehr als Absicherung für den alltagsfernen formellrechtlichen Eventualfall verstehen würden, sondern als grundlegende Gestaltung des eigenen informellrechtlichen Geschäftskonzeptes: Für den Erfolg von Zwischenhändlern im Internet ist es essentiell, dass sie die richtige Balance zwischen freiem Informationsfluss bzw. Eigenwerbung und Kontrolle ihres geistigen Eigentums finden. Dies sieht man besonders deutlich am Beispiel der Shareware-Versionen kommerzieller Softwareprodukte; auch dort ist eine Lockerung der urheberrechtlichen Kontrolle durchaus geschäftsfördernd. Wenn die Zwischenhändler diese Balance in ihren Lizenzverträgen wiedergeben, können sie die Nutzer auf diese Weise ermuntern, die Produkte im Rahmen des lizenzvertraglich Erlaubten weiterzuverbreiten und hierdurch den Bekanntheitsgrad der Produkte zu steigern.

Die Gestaltung von Lizenzverträgen lässt sich deshalb nicht mehr von der grundlegenden Gestaltung des Geschäftskonzeptes einer Firma trennen; hier geht es um weit mehr als um Risikoabsicherung. Lizenzverträge sollten im langfristigen Interesse beider Seiten informellrechtlich ausgewogen, nicht nur formellrechtlich vorteilhaft für den Lizenzgeber sein. Sie sollten in erster Linie als ein Mittel zur Identitäts- und Profilbildung und zur Lenkung der Anwendergemeinschaft bzw. der Fangemeinde verstanden werden und erst in zweiter Linie als Mittel zur Risikoabsicherung. Auch bei den gegenwärtigen Versuchen der Zwischenhändler – insbesondere der großen Musikfirmen – das Urheberrecht im Internet durchzusetzen, ist zu beobachten, dass viel zu sehr auf die formellrechtliche Seite, also auf das Unterbinden von Raubkopien mittels juristischem Zwang, gesetzt wird. Informellrechtliche Aspekte bleiben dagegen weitgehend unberücksichtigt. Zwar wird das Urheberrecht beansprucht und geltend gemacht, aber es wird kaum versucht, es ethisch gegenüber dem Publikum zu rechtfertigen. Ethisch rechtfertigen läßt es sich aber nur als Gesellschaftsvertrag, als ausgewogener Kompromiß zwischen Kontrolle und Knappheit und nicht als Privileg der wirtschaftlich Mächtigen.

Dabei wäre es höchst wichtig, darauf zu achten, in welche Rolle man das Publikum bei der Durchsetzung der eigenen Interessen bringt, und wie der Streit um das geistige Eigentum subjektiv von diesem erlebt wird. Das Urheberrecht wird zunehmend nicht mehr durch zentralisierte Dienste wie Napster bedroht, sondern durch dezentrale Netze wie Gnutella. In diesen dezentralen Netzen ist es das Publikum selbst, das das Urheberrecht verletzt. Es scheint kaum ein aussichtsreicher Weg zur Bewältigung dieses Problems, das eigene Publikum in eine quasi-kriminelle Rolle zu bringen und es als Gegner im Kampf um das geistige Eigentum anzusehen, der so gut wie möglich überwacht und kontrolliert werden muß. Das gilt insbesondere deswegen, weil Mund-zu-Mund-Propaganda und der dazugehörige private Austausch urheberrechtlich geschützter Werke durchaus ein nützliches Marketinginstrument für die Musikindustrie sein könnten.

4. 4. Verhältnis zwischen mehreren Zwischenhändlern

Mehrere Zwischenhändler sind im Verhältnis zueinander konkurrierende Unternehmen, sie treten im Normalfall nicht in eine direkte Geschäftsbeziehung zueinander. Denkbar ist allerdings, dass es zwischen Künstler und Publikum nicht nur einen Zwischenhändler gibt, sondern dass die Marktlandschaft komplexer ist: Ähnlich, wie es in der Musikindustrie eine fein ausdifferenzierte Aufgabenteilung zwischen Plattenlabels, Musikeragenturen, Musikverlagen, Vertrieben, Verwertungsgesellschaften, Plattenläden und Konzertagenturen gibt, ist es denkbar, dass es auch im Internet ein symbiotisches Zusammenspiel mehrerer Zwischenhändler auf verschiedenen Ebenen bzw. Stufen der Wertschöpfungskette zwischen Künstler und Publikum geben wird.

Ein Zwischenhändler, der seine Marktstellung gegenüber der Konkurrenz verbessern will, hat hierbei die Wahl zwischen zwei grundsätzlichen Strategien, die auch miteinander kombiniert werden können: Entweder kann er sich darauf konzentrieren, früher als die Konkurrenz die neuen Trends in der Kunstszene zu erkennen und unbekannte Künstler mit großem Erfolgspotential früher als seine Mitbewerber ausfindig zu machen, um sie vertraglich an sich zu binden. Wenn es dem Zwischenhändler gelingt, einen Pool an Urheberrechten und Kontakten zur Kunstszene aufzubauen, der dem Pool seiner Konkurrenten überlegen ist, dann hat er gute Chancen, durch sein attraktives Angebot langfristig auch das Publikum bzw. die Werbetreibenden zu sich zu ziehen. Oder er geht den umgekehrten Weg und versucht zunächst, sein Publikum zu vergrößern bzw. möglichst viele Werbetreibende zu akquirieren, um hierdurch für Künstler als Vertriebsweg und Sprachrohr attraktiv zu werden. Denn ein Zwischenhändler, der ein großes Publikum erreicht, verspricht den Künstlern viel Publicity und hohe Einnahmen.

In der Praxis wird der Zwischenhändler natürlich nicht nur entweder den einen oder den anderen Weg gehen, sondern beide miteinander kombinieren. Wo er seinen jeweiligen Schwerpunkt setzt, hängt von der konkreten Marktsituation ab und ist deshalb eine Frage des Einzelfalls.

Wenn der Zwischenhändler seinen Schwerpunkt zunächst auf die Beziehungen zu den Künstlern legt und erst später versucht, sein Publikum zu vergrößern, braucht er relativ viel Kapital. Denn der Aufbau eines Beziehungsnetzes innerhalb der Kunstszene und der Erwerb von Urheberrechten kostet Geld, bringt aber nicht unmittelbar etwas ein. Der Zwischenhändler muß also eine relativ lange Durststrecke überwinden, bis der den "return-of-investment"-Punkt erreicht.

Achtet der Zwischenhändler andererseits zunächst primär darauf, sein Publikum so früh wie möglich zu vergrößern, erzielt er früher Einnahmen. Allerdings hat dieser Weg den Nachteil, dass sich der Zwischenhändler an der gegenwärtigen Publikumsnachfrage orientieren muß und mit seinem Angebot konform zu der gegenwärtigen ästhetischen Formensprache bleiben muß. Diese Konformität kann zu einem Glaubwürdigkeitsverlust beim Publikum führen. Es kann schlecht für das Image des Zwischenhändlers sein, wenn er allzu deutlich auf Ertragsmaximierung abzielt. Wenn der Zwischenhändler den schwereren Weg geht und zunächst einen Pool an Rechten und Beziehungen aufbaut, erhält er hierdurch Gelegenheit, sich von Anfang an ein klares markantes Profil in den Augen des Publikums zu schaffen. Distinktion ist in der Informationsgesellschaft Kapital. Letztlich handelt es sich hierbei um eine Form der Eigenwerbung mit den hierfür charakteristischen Vor- und Nachteilen.

Ob der Zwischenhändler seinen Schwerpunkt nun auf die Beziehungen zum Publikum oder auf die Beziehungen zur Kunstszene legt - in beiden Fällen konkurriert er mit anderen Zwischenhändlern, die ebenfalls versuchen, ihrerseits als Erste die zukunftsweisenden Künstler unter Vertrag zu nehmen und einem größtmöglichen Publikum zu präsentieren. In diesem Konkurrenzkampf setzt sich nicht notwendigerweise der wirtschaftlich Mächtigste durch, sondern derjenige, dessen Urteilsvermögen so scharf ist, dass er früher als seine Konkurrenten erkennt, welche Künstler ein großes Erfolgspotential in sich tragen, das noch unausgeschöpft ist. Wichtig für den Erfolg eines Zwischenhändlers ist, dass er ein klares ästhetisches Konzept bzw. klare ästhetische Wertmaßstäbe hat, die es ihm ermöglichen, einzelne vielversprechende Künstler aus der unübersehbar großen Menge der unbekannten Kunst heraus zu selektieren und sich gezielt für diese zu engagieren. Dieses ästhetische Konzept dient dem Zwischenhändler nicht nur als innerer Entscheidungsmaßstab, er muß es auch nach außen kommunizieren können, um seine eigene Identität innerhalb der Kunstszene für Künstler und Zwischenhändler erkennbar zu machen. Das Konzept darf allerdings nicht so starr sein, dass es dem Zwischenhändler den Blick auf neuartige Inhalte versperrt. Es muß flexibel sein, so dass es den Künstlern genug Freiheit lässt, ihre Identität selbst zu definieren und sich nicht in eine vorhandene Corporate Identity einpassen zu müssen. Ausschlaggebend für den Erfolg des Zwischenhändlers ist also nicht seine Marktmacht, sondern, dass er einerseits eine klare inhaltliche Tendenz bzw. Identität hat, gleichzeitig aber auch für neue künstlerische Trends und Impulse offen ist und die Identität seiner Künstler nicht antastet.

Wirtschaftlich mächtige Zwischenhändler haben vor ihren kleineren Konkurrenten allerdings insoweit einen Vorteil, als sie sich wegen ihres finanziellen Spielraums bei der Suche nach dem richtigen inhaltlichen Konzept mehr Fehlschläge leisten können. Sie können ein breiteres Spektrum abdecken und viele verschiedene Künstler unter Vertrag nehmen, um aus dieser Vielzahl diejenigen herauszusieben, die die breite Masse ansprechen und das Potential zum Hit haben. Eine Strategie, mit der große Zwischenhändler ihre Marktmacht gegenüber den kleineren Konkurrenten ausspielen können, ist Folgende: Sie nehmen eine Vielzahl verschiedener Künstler unter Vertrag und publizieren deren Werke. Dabei kalkulieren sie von Anfang an ein, dass ein Großteil dieser Werke niemals genug Erfolg beim Publikum haben wird, um die Rentabilitätsschwelle zu überschreiten. Der Markt wird auf diese Weise mit einer Vielzahl von Inhalten überflutet.

Während der Großteil der Inhalte unrentabel bleibt, werden einige wenige davon aufgrund der Marketinganstrengungen (und vielleicht auch aufgrund ihrer Attraktivität) zum Bestseller. Denn je unübersichtlicher der Markt für das Publikum wird, desto mehr konzentriert es seine Aufmerksamkeit auf einige wenige Werke, die es in der Informationsflut als markant und einzigartig wahrnimmt - sei es, weil sie inhaltlich tatsächlich etwas Besonderes sind, oder nur, weil sie mit viel Marketingaufwand als etwas Besonderes dargestellt werden. Das Phänomen des Bestsellers ist ein Phänomen der unübersichtlichen Massenmärkte; innerhalb kleiner überschaubarer Szenen konzentriert sich der Publikumsgeschmack hingegen in der Regel nicht auf einige wenige Bestseller, sondern deckt das gesamte ästhetische Spektrum gleichmäßiger ab. Die wenigen Bestseller sind so profitabel, dass sie es den großen Zwischenhändlern ermöglichen, die Verluste auszugleichen, die sie mit den übrigen Werken machen. Da die großen Zwischenhändler eine Vielzahl verschiedener Künstler unter Vertrag genommen haben, werden die Bestseller in der Regel aus ihrem Hause kommen und nicht zu den kleineren Konkurrenten gehören. Dieses "Schrotflintenprinzip" fördert die Marktkonzentration, es ist ein Kampfmittel der marktdominanten Anbieter gegen ihre kleineren Konkurrenten.

Damit sich die kleineren Zwischenhändler gegen die marktdominanten Konkurrenten behaupten können, müssen sie ihrerseits den umgekehrten Weg gehen: Sie müssen sehr sorgfältig auswählen, welche Werke sie publizieren, und darauf abzielen, mit jeder einzelnen Publikation die Rentabilitätsschwelle zu überschreiten. Dies nicht nur, weil ihnen der finanzielle Spielraum fehlt, um eine Vielzahl von Fehlschlägen zu verkraften, bevor sie endlich den Bestseller entdecken, der die Bilanz wieder ausgleicht. Sondern auch, weil es gerade für kleinere Zwischenhändler äußerst wichtig ist, dass ihr Profil aus Sicht des Publikums möglichst markant ist. Jede Publikation, die ihr Label trägt, muß von hoher ästhetischer Qualität sein und für die Zielgruppe, die das Label insgesamt anspricht, auf irgendeine Weise besonders reizvoll sein. Ein kleines Label, das auf Masse anstatt auf Klasse setzt, bringt sich selbst um den einzigen Wettbewerbsvorteil, den es gegenüber den großen Konkurrenten hat: Das Mehr an Orientierung und das Weniger an Beliebigkeit, das es seinen Kunden bietet. Ein kleiner Informationsanbieter kann am Markt nur überleben, wenn er etwas Besonderes, Außergewöhnliches und Einzigartiges ist und jede seiner Publikationen auch etwas Besonderes, Außergewöhnliches und Einzigartiges ist. Mit diesem Anspruch verträgt es sich nicht, wenn er bei seiner Kalkulation davon ausgeht, dass der Großteil seiner Publikationen floppt.

Da mehrere Zwischenhändler miteinander um die Gunst des Publikums und um die Beziehungen zu den erfolgreichen Künstlern miteinander konkurrieren, ist der Konflikt zwischen ihnen der Regelfall. Da unmittelbar miteinander konkurrierende Unternehmen in der Regel nicht in einer direkten oder indirekten Austauschbeziehung zueinander stehen und es in den meisten Fällen überhaupt keine Kommunikationsbeziehung zwischen ihnen gibt, greift zwischen ihnen hauptsächlich formelles Recht ein. Informelles Recht spielt aus diesem Grund eine nicht unwesentliche, aber eher untergeordnete Rolle, es soll deshalb im Folgenden vernachlässigt werden.

Wenn ein Unternehmen seinen Vorsprung vor der Konkurrenz nicht durch überlegene Leistung, sondern durch Behinderung der Anderen oder durch Blockade der Vertriebswege oder sonstige unzulässige Ausnutzung seiner Marktmacht erlangt, kann die Konkurrenz sich dagegen formellrechtlich durch Berufung auf das Wettbewerbsrecht wehren. Formellrechtlich untersagt ist auch, dass ein Unternehmen den Markennamen oder das Firmenzeichen oder -logo eines Konkurrenzunternehmens benutzt oder nachahmt, um von dessen gutem Ruf zu profitieren. Unzulässig ist es ferner, sich in der äußeren Produktgestaltung an die Produkte der Konkurrenz anzulehnen. Ergänzenden Schutz bietet das Urheberrecht. Stile und Ideen schützt es jedoch nicht.

Die Grenze zwischen erlaubtem und unerlaubtem Wettbewerb verläuft also da, wo ein Anbieter seinen Vorsprung vor der Konkurrenz nicht durch positive Leistung erlangt, sondern dadurch, dass er den Konkurrenten behindert, oder die Kundschaft täuscht. Nur, wenn das Publikum eine bestimmte Leistung eindeutig einem bestimmten Anbieter zuordnen kann, und die Vertriebswege allen Anbietern offen stehen, werden die Anbieter ökonomisch motiviert, sich durch einen hohen Qualitätsstandard einen guten Ruf zu erarbeiten.

Einem Unternehmen, dem von der Konkurrenz die Vertriebswege blockiert werden oder das auf andere Weise behindert oder diffamiert wird, bleibt meist nur der Gerichtsweg, um sich hiergegen zu wehren. Dieser wettbewerbsrechtliche Schutz wird besonders wichtig, wenn Zwischenhändler auf mehreren Stufen zwischen Künstler und Publikum miteinander konkurrieren und einer von ihnen alle Unternehmen auf einer Stufe der Wertschöpfungskette kontrolliert, so dass seine Konkurrenten mit ihm zusammenarbeiten müssen (vgl. Abbildung 8, in der das Beispiel dargestellt wird, dass ein Anbieter auf der Vertriebsstufe ein faktisches Monopol hat).Praktische Beispiele für derartige Monopole sind Napster oder Premiere.

Da sich ein Verstoß gegen die genannten Gesetze i. d. R. eindeutig feststellen lässt, weist das formelle Recht insoweit vergleichsweise wenig Implementierungsdefizite auf.

Welche Wirkung haben diese Regelungen auf die Chancen, innovative Kunst zu realisieren? Indem das Wettbewerbsrecht sicher stellt, dass die künstlerische Qualität eines Produktes einem bestimmten Anbieter zugerechnet werden kann, schafft es die Grundlage für einen qualitativen Wettbewerb unter ihnen. Zentrale Aufgabe des Wettbewerbsrechts ist es, faire Rahmenbedingungen für einen inhaltlichen Wettbewerb zu schaffen und so auch den kleineren Anbietern eine Chance zu geben, sich am Markt zu behaupten. Da hierdurch innovationshemmende monopolartige Vermachtungen verhindert werden, wirkt es innovationsfördernd. Das Wettbewerbsrecht hat insoweit Korrektivfunktion, da es dem Bestreben der marktmächtigen Zwischenhändler, das Publikum und die Künstler durch urhebervertragliche Lizenzbestimmungen an sich zu binden und sich so eine Machtstellung zu schaffen, begrenzt. Die Bedeutung des Wettbewerbs im Internet ist deswegen besonders groß, weil die großen Medienkonzerne meist nicht nur Inhaltsanbieter sind, sondern auch die Vertriebswege kontrollieren.

 

4. 5. Verhältnis zwischen mehreren Künstlern

Mehrere Künstler, die nicht direkt miteinander zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Projekt zu realisieren, stehen zueinander meist auch nicht in einer formell oder informell ausgestalteten Geschäftsbeziehung. Sie stehen zueinander aber andererseits auch nicht in einer Konkurrenzbeziehung, die dem Verhältnis zwischen mehreren Zwischenhändler auf der gleichen Wertschöpfungsstufe ähneln würde. Da der ästhetische Wert eines jeden Kunstwerks stets einzigartig ist, ist ein Kunstwerk nur in sehr eingeschränktem Maß durch ein anderes substituierbar. Der Gewinn eines Künstlers ist nur in sehr eingeschränktem Maß der Verlust eines Anderen. Ein unbekannter Künstler kann es sich oft nicht leisten, neidvoll auf die Erfolge der etablierten Künstler zu schielen und ihre Karriere zu behindern, sondern muß mit den Erfolgreichen zusammenarbeiten, um von ihrem Netz aus Kontakten zu profitieren. Wenn er sich andererseits deutlich von den Erfolgreichen abgrenzt und sie kritisiert, dann kann er damit unter Umständen sein eigenes Profil schärfen. Es kommt insoweit zu einer Szenebildung, zu einem spannungsreichen Beziehungsgeflecht, bei der sich die meisten Künstler in ein bestimmtes "Lager" bzw. eine bestimmte ästhetische Schule einordnen.

Ein Kunstwerk ist nicht nur das geistige Produkt eines genialen Individuums, sondern auch das Resultat eines kollektiven Kommunikationsprozesses; nicht nur das Produkt seines individuellen Schöpfers allein, sondern auch das Produkt der Gesellschaft, der dieser entstammt. Es ist nicht nur von der Hand seines Schöpfers geprägt, sondern auch von Moden, von politischen Ereignissen und anderen Faktoren, die das gesellschaftliche Großklima zu der Zeit, der es entstammt, beeinflusst haben. Die Grenze zwischen individueller schöpferischer Leistung und dem kulturellen Hintergrund, der das Kunstwerk als Kontext umgibt und es verständlich macht, lässt sich nicht völlig randscharf ziehen. Der individuelle künstlerische Inhalt wird geformt und definiert durch das kollektive Sprachsystem, aus dem heraus das Werk entsteht. Umgekehrt wird auch das kollektive Sprachsystem geprägt und am Leben erhalten durch individuelle Schöpfungsakte, die die ästhetische Formensprache um neue Ausdrucksmittel bereichern und so verändern: Wenn man ein Kunstwerk als "bedeutend" bezeichnet, meint man damit nichts anderes, als dass es die ästhetische Formensprache und den sprachlichen Kontext, aus dem heraus alle Kunstwerke nach ihm entstanden sind, maßgeblich beeinflusst hat.

Individuelle schöpferische Leistung und umgebender sprachlich-kultureller Kontext sind nicht nur untrennbar miteinander verwoben, sie definieren und bedingen sich sogar gegenseitig. Das Individuum lässt sich nur durch das umgebende Kollektiv definieren, da nur das kollektive Sprachsystem sein Werk verständlich macht. Umgekehrt entsteht und wächst auch das kollektive Sprachsystem nur durch individuelle kreative Versuche, sich gegen den Konsens der Sprache aufzulehnen und ihn zu verändern bzw. zu erweitern. Individueller Schöpfungsakt und der kulturelle Konsens der Gemeinschaft sind gegensätzliche Pole, die auf geradezu paradoxe Weise ineinander verzahnt sind und sich gegenseitig bedingen.

Dieses Spannungsverhältnis gilt es im Auge zu behalten, wenn man den Konflikt zwischen verschiedenen Künstlern untersucht, bei denen der Eine mit seinem Werk auf der früheren Leistung des Anderen aufbaut. In seiner extremsten Form sieht ein derartiger Konflikt so aus, dass ein Künstler die Arbeit eines Anderen als die Seine ausgibt und vermarktet, ohne selbst eine nennenswerte eigene kreative Leistung zu erbringen. Das andere Extrem wäre, dass er nur auf die allgemeinen ästhetischen Muster und Leitgedanken zurückgreift, die durch das ältere Werk im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert wurden, um sein authentisch eigenes Werk zu schaffen. Dazwischen liegt der Fall, dass er Teile des fremden Werks gewissermaßen als Rohstoff und Baumaterial für sein eigenes Werk benutzt. Dieses spannungsreiche Geben und Nehmen zwischen Individuum und Gemeinschaft ist eine Grundproblematik der abendländischen Kultur seit der Aufklärung, der dem Individuum seit jeher eine große Bedeutung zumisst. Das Urheberrecht versucht dieses Spannungsverhältnis positiv aufzulösen, indem es dem künstlerischen Individuum Rechte an seinem Werk gewährt, diese Rechte aber gleichzeitig zugunsten der Allgemeinheit und anderer Künstler begrenzt.

Man kann sich fragen, ob der Gedanke überhaupt zwingend ist, künstlerische Innovation einem bestimmten Individuum zuzurechnen. Andere Kulturen - etwa in Asien - messen dem Individuum im Vergleich zum Kollektiv seit jeher weitaus geringere Bedeutung zu.Ganz belanglos scheint die Person des Schöpfers aber auch etwa in Indien, China oder Japan nie gewesen zu sein. In der Gegenwart wird das Urheberrecht in großen Teilen von Südostasien, Russland oder Afrika gar nicht oder nur in geringem Maße durchgesetzt. Raubkopien von Software oder Tonträgern sind dort vielerorts leichter erhältlich, als legale Kopien. Das Urheberrecht ist auch in Europa erst in der Industrialisierung wichtig geworden, da erst die industrielle Massenproduktion die Herstellung und den Vertrieb von Raubkopien in nennenswertem Umfang ermöglicht hat. Man könnte die geringe Durchsetzung des Urheberrechts in Afrika und Asien damit erklären, dass die Industrialisierung dort nicht kulturell natürlich vollzogen, sondern (gewaltsam) importiert wurde.

Je mehr nicht-westliche Künstler und Medienunternehmen an Bedeutung gewinnen, desto mehr wird sich vermutlich auch eine nicht-westliche Urheberrechtspraxis und -theorie herausbilden. Falls nicht-westliche Künstler ihre Werke aber nur auf unkommerzielle Weise verbreiten wollen, oder doch einen neuartigen Weg finden, wie sie ihre Werke auch ohne urheberrechtlichen Schutz vermarkten können, würden sie hierbei durch die Existenz des Urheberrechts nicht behindert. Für die Künstler einer fremden Kultur ohne Urheberrechtsbewusstsein stellt das westliche Urheberrecht also kein Problem dar, da es ihnen nur zusätzliche Möglichkeiten der Verwertung bietet, die sie aber nicht nutzen müssen, wenn sie nicht wollen. Zwingend ist also zwar vielleicht nicht, dass der Künstler sein Werk und dessen Verbreitung durch das Urheberrecht in gewissem Umfang kontrollieren muss; zwingend ist aber, dass er die Möglichkeit hierzu haben sollte, wenn er dies will.

Es wird also mit Sicherheit auch im globalen Internet Regeln dafür geben, inwieweit ein Künstler bei seiner Arbeit fremde Werke benutzen darf. Das (deutsche) Urheberrechtsgesetz sieht in den §§ 8, 9 eine Regelung für den Fall vor, dass mehrere Künstler ein gemeinsames Werk schaffen. Dieser Fall ist führt in der Regel nicht zu Konflikten, da es bei bewusster Zusammenarbeit formellrechtliche oder informelle Vereinbarungen zwischen den Beteiligten gibt. In den §§ 3, 23, 24 UrhG ist der Fall geregelt, dass ein Künstler ein neues selbständiges Werk unter Verwendung eines bereits vorhandenen Werks eines anderen Künstlers schafft.

Wenn das Gesetz jede Verwendung fremden geistigen Eigentums durch einen schöpferisch tätigen Künstler von einer Genehmigung des Schöpfers des älteren Kunstwerks abhängig machen würde, würde der gemeinsame kulturelle Sprachraum in eine Vielzahl proprietärer Parzellen zerstückelt. Die kulturelle Weiterentwicklung würde durch eine derartige Kapitalisierung der Geisteswelt behindert. Nur noch große Medienunternehmen könnten die finanziellen Mittel aufbringen, die dann nötig wären, um alle Urheberrechte zu erwerben, die ein Künstler zur Erschaffung eines neuen Werks braucht. Kleine Newcomer, die nicht über einen Pool an Rechten verfügen, könnten sich nur schwer auf dem Markt behaupten. Das Urheberrecht würde in diesem Fall den kommunikativen Austausch und die künstlerische Innovation lähmen.

Andererseits würde das andere Extrem, ein vollständiger Verzicht auf urheberrechtliche Kontrolle, gleichfalls Probleme aufwerfen. Wenn jedermann in beliebigem Umfang frei auf den vorhandenen Bestand an existierenden Kunstwerken zurückgreifen könnte, würde das für ihn eine Versuchung darstellen, die eigene kreative Leistung durch vorhandenes Material aus fremder Quelle zu ersetzen. Derjenige, der über die besten und schnellsten Vertriebswege verfügt, könnte das Werk oder Abwandlungen hiervon dem Publikum anbieten, ohne den eigentlichen Schöpfer am Gewinn zu beteiligen. Zwar kann man davon ausgehen, dass jeder Künstler einen inneren Schöpfungsdrang hat, der ihn dazu treibt, ganz von allein neue Ausdruckswege zu suchen und nicht nur zu plagiieren. Jedoch steht jedenfalls der professionelle Künstler oft unter erheblichem zeitlichem und ökonomischem Druck; er lässt sich nicht nur völlig frei von seinen inneren Motiven leiten, sondern will sein ästhetisches und wirtschaftliches Ziel auf dem rationellsten und kürzesten Weg erreichen.

Ein neues Kunstwerk hat oft Produktionskosten in erheblicher Höhe, die sich vor den Geldgebern nur durch betriebswirtschaftliche Kalkulierbarkeit und größtmögliche Effizienz rechtfertigen lassen. Das verleitet dazu, kein neues Werk zu schaffen, wo man auch auf ein bereits vorhandenes Werk zurückgreifen kann. Warum sollte man den Aufwand betreiben, beispielsweise für einen Kinofilm einen neuen Soundtrack komponieren zu lassen, wo es doch einen praktisch unendlich großen Schatz an bereits existierender Musik gibt? Wenn beispielsweise jeder Produzent von Fernsehfilmen frei wäre, etwa das Bedürfnis des Publikums nach Neuigkeiten aus dem Star-Treck-Universum zu bedienen, indem er neue Filme dreht, in denen die Charaktere und Schauplätze dieser Serie vorkommen, wäre dies dem langfristigen Erfolg der Serie sicherlich abträglich, da auch viel qualitativ minderwertiges Material auf den Markt kommen würde und die Gesamtkonzeption des Star-Treck-Universums ihren besonderen Reiz und ihre innere Stimmigkeit verlieren würde, wenn sie aus vielen verschiedenen (begabten und unbegabten) Federn weitergedichtet würde. Innere Widersprüche wären vorprogrammiert. Die Schöpfer von Star-Treck haben sich die Mühe gemacht und das Wagnis auf sich genommen, eine einzigartige Phantasiewelt zu erschaffen. Der Ertrag dieser Mühe ist ein starkes Bedürfnis des Publikums gerade nach Filmen, die in dieser bestimmten Phantasiewelt spielen. Ohne urheberrechtlichen Schutz wäre es eine starke Versuchung, dieses vorhandene Bedürfnis zu bedienen und nicht das Wagnis und die Mühe auf sich zu nehmen, ein originär neues Produkt zu entwickeln und zu hoffen, dass das Publikum ein Bedürfnis hiernach entwickelt.

Wenn ein innovativer Künstler keine Kontrolle mehr darüber hat, in welchem Kontext ein anderer Künstler seine Werke erscheinen lässt und z. B. ein Komponist damit rechnen muß, dass er seine Werke plötzlich als Hintergrundmusik eines Computerspiels oder als Klingelsignal eines Handys wiederentdeckt, würde er die Kontrolle über die Wirkung, die sein Werk auf das Publikum hat, verlieren. Damit entfiele nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das ideelle Motiv für ästhetischen Wagemut und künstlerische Qualität.

Die Lösung kann also weder im einen Extrem - der völligen Kapitalisierung der Geisteswelt - noch im anderen Extrem - dem völlig freien Zugriff auf fremde Schöpfungen - liegen. Es geht darum, einen Interessenausgleich zu finden. Das geltende Urheberrecht versucht diesen Ausgleich, indem es einerseits in §23 UrhG die Veröffentlichung oder Verwertung einer Bearbeitung oder Umgestaltung eines bereits existierenden Werkes von der Einwilligung des Urhebers abhängig macht, andererseits eine derartige Einwilligung ausdrücklich in §24 UrhG dann nicht verlangt, wenn ein neues Werk in freier Benutzung eines existierenden Werks geschaffen worden ist. Was heißt "freie Benutzung"? Dieser Begriff zieht die Grenze zwischen erlaubter und unerlaubter Aneignung von vorhandener Kunst. Oben wurde bereits erwähnt, dass diese Grenze schwer zu ziehen ist, da Inhalt und Sprache, Individuum und Kollektiv sich gegenseitig bedingen und definieren. Die Rechtsprechung hat bislang keine klare Abgrenzungsformel gefunden, sondern orientiert sich an bereichsspezifischen Einzelfällen. Entscheidend für eine freie Benutzung ist, dass die individuellen Züge des benutzten Werks gegenüber der Individualität des neuen Werks verblassen.

Ein denkbares Abgrenzungskriterium wäre möglicherweise, eine freie Benutzung jedenfalls immer dann anzunehmen, wenn das zweite Werk weder mit dem ersten Werk ökonomisch konkurriert, noch dazu angetan ist, dessen ästhetische Wirkung auf das Publikum zu beeinträchtigen oder zu beeinflussen. In diesem Fall sind die beiden Werke offenbar so verschieden, dass der Schöpfer des ersten Werks kein legitimes Interesse an einer Kontrolle über das zweite Werk haben kann.

Inwieweit erlangt diese gesetzliche Regelung praktische Bedeutung? Die Probleme, die sich bei einer freiwilligen Zusammenarbeit mehrerer Künstler hinsichtlich der Gewinnverteilung und der ästhetischen Kontrolle über das Werk ergeben, lassen sich vertraglich regeln. Informelle Regeln reichen insoweit nicht aus, weil die Beteiligten Planungssicherheit auch für den Fall brauchen, dass sie ihre Zusammenarbeit endgültig beenden und getrennte Wege gehen – und deshalb nicht mehr darauf vertrauen können, dass informelle Vereinbarungen auch weiterhin eingehalten werden. Im Falle freier Benutzung gilt: Da zwischen Künstlern in der Regel keine Geschäfts- oder Kommunikationsbeziehung besteht, fehlen informellrechtliche Vereinbarungen. Deshalb gibt es für den ersten Künstler meist keine andere Möglichkeit, den zweiten Künstler an einer Verwendung seiner Werke zu hindern, als seine Rechte gerichtlich durchzusetzen oder zumindest damit zu drohen. Da es für beide Seiten um erhebliche wirtschaftliche und ideelle Interessen geht, stehen Kosten und Mühen eines Gerichtsprozesses häufig nicht außer Verhältnis zum Streitwert. Das formelle Recht ist in diesem Fall also ein wichtiges Instrument.

Schwierigkeiten entstehen allerdings wiederum durch die globale Natur des Internets, das nationalstaatlicher Jurisdiktion nur äußerst beschränkt zugänglich ist. Auf längere Sicht wird sich das Urheberrecht international vereinheitlichen müssen, um funktionsfähig zu bleiben. Kurzfristig können nationale Filter dabei helfen, die verschiedenen Rechts- und Kulturräume voneinander abzugrenzen und eine Nivellierung auf dem kleinsten weltweiten Nenner zu verhindern. Es existiert bereits eine Reihe völkerrechtlicher Verträge, die einen weltweiten Mindeststandard sicherstellen sollen.

Im Bereich des Internets erlangen die Aktivitäten der WIPO in Genf zunehmende Bedeutung. Da die WIPO bei der Neuordnung des Domainnamensystems in die Lage versetzt wurde, einen umstrittenen Domainnamen zu sperren, könnte sie diese Macht auch benutzen, um auf diese Weise einen weltweit einheitlichen Urheberrechtsstandard auch in den Ländern durchzusetzen, in denen die staatlichen Vollstreckungsorgane nicht willens oder in der Lage sind, das Urheberrecht durchzusetzen. Die WIPO könnte die Internetadresse eines Raubkopierers sperren lassen.

Denkbar wäre auch, dass die großen Unternehmen der Medienbranche sich zusammenschließen, um gemeinsam ein nicht-staatliches Urheberrecht im Internet zu schaffen. Derzeit existieren erste Versuche in diese Richtung; ob und wie diese Pläne konkrete Gestalt annehmen, bleibt abzuwarten. Aufgrund der massiven wirtschaftlichen Interessen der Medienindustrie kann allerdings davon ausgegangen werden, dass das derzeitige Vollzugsdefizit des Urheberrechts im Internet in absehbarer Zeit behoben wird. Die Gefahr, dass bei einer "Entstaatlichung" des Urheberrechts dessen Schranken zugunsten der Allgemeinheit beseitigt oder aufgeweicht werden und dass auch kleinere Anbieter benachteiligt zu werden drohen, ist nicht von der Hand zu weisen.

Es ist allerdings die Frage, ob der einzelne (unbekannte) Künstler, hinter dem kein mächtiger Medienkonzern steht, und dessen Werk von einem anderen (möglicherweise bekanntem) Künstler als "Baumaterial" verwendet wird, hiervon überhaupt erfährt. Zweifelhaft erscheint dies nicht nur wegen der unübersehbaren Informationslawine der heutigen Zeit, sondern auch, weil es die Computertechnik ausgesprochen einfach macht, ein Kunstwerk in digitaler Form beliebig weiterzuverarbeiten und in einen anderen Kontext zu integrieren. Zur Lösung dieser Probleme wird auf die Technologien zurückgegriffen werden, die zum Schutz vor unerlaubter Vervielfältigung entwickelt werden: Digitale Wasserzeichen, Mustererkennung und spezialisierte Suchmaschinen. Selbst, wenn diese Verfahren keine hundertprozentige Lösung bringen sollten, können sie das Problem zumindest entschärfen. Eine hundertprozentige Lösung ist möglicherweise auch gar nicht nötig oder wünschenswert: Wenn ein Künstler niemals davon erfährt, dass ein anderer Künstler sein Werk als Arbeitsmaterial benutzt hat, wird er durch diese Benutzung vermutlich weder ideellen noch materiellen Schaden erleiden: Beide Kunstwerke konkurrieren dann vermutlich nicht miteinander am Markt und das Publikum, das sie jeweils ansprechen, unterscheidet sich dann vermutlich auch so stark voneinander, dass das zweite Kunstwerk nicht in der Lage ist, das Image und die Wirkung des ersten Werks zu beeinflussen. Denn sonst hätte der Künstler von der Benutzung seines Werkes auf irgendeine Weise erfahren.

Insgesamt läßt sich für das Verhältnis zwischen formellem und informellem Recht folgendes sagen: Zwischen den verschiedenen Akteuren existieren zahlreiche formelle oder informelle rechtliche Bindungen. Dort, wo die Beteiligten in einer ständigen Geschäftsbeziehung stehen, tritt das formelle Recht meist hinter die informellen Bindungen in den Hintergrund. Das formelle Recht spielt vor allem dann eine praktisch bedeutsame Rolle, wenn die Akteure entweder in gar keiner Geschäftsbeziehung zueinander stehen (z. B. konkurrierende Zwischenhändler), oder der zu regelnde Interessenkonflikt so langfristig ist, dass informelle Bindungen nicht greifen (z. B. vertragliche Bindung des Künstlers an den Zwischenhändler). Meist wirken die Bindungen tendenziell eher innovationsfördernd als hemmend. Die gesellschaftliche Funktion von Recht ist es, Macht zu beschränken und dadurch gleichzeitig zu stabilisieren. Wenn das Recht in der Kunstbranche die Macht des wirtschaftlich Stärkeren beschränkt, kann es Raum für künstlerische Innovation schaffen. Es kann allerdings auch zu einem puren Machtinstrument des wirtschaftlich Stärkeren gegen den Schwächeren degenerieren. Ein Beispiel hierfür ist die Gefahr, dass Zwischenhändler versuchen könnten, den Künstler durch formelle oder informelle Bindungen eine bestimmte inhaltliche Tendenz vorzugeben, die zu ihrer "Corporate Identity" passt. Aufgrund seiner geringen Verhandlungsmacht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kann sich der Künstler hiergegen praktisch nicht wehren.

Seine friedensschaffende Funktion kann das Recht nur erfüllen, wenn es im Konsens entsteht und nicht einseitig aufoktroyiert wird. Insoweit sind die derzeitigen Versuche der Medienindustrie, eigenverantwortlich ein nicht-staatliches Urheberrecht im Internet zu etablieren, ausgesprochen problematisch. Dies nicht nur, weil alles andere undemokratisch wäre, sondern vor allem auch, weil rechtliche Regelungen ausgewogen sein müssen, um langfristig zu funktionieren. Diese Ausgewogenheit dürfte vermutlich fehlen, da Unternehmen stets ihre kurzfristigen Eigeninteressen im Auge behalten müssen und deshalb gezwungen sind, langfristige Gemeinwohlinteressen zu vernachlässigen. Auch die Unternehmen selbst werden langfristig gesehen nicht von einem Urheberrecht profitieren, das ihre Eigeninteressen auf Kosten der anderen Akteure überbetont: Diese Form von Recht dürfte nicht auf Akzeptanz stoßen. Das Recht kann seine Aufgabe, langfristige Stabilität und Planungssicherheit zu gewährleisten, unter diesen Umständen nicht mehr erfüllen. Die obigen Auswirkungen haben gezeigt, dass Recht nicht quantitativ, sondern qualitativ beurteilt werden muß. Während sich die tagespolitische Diskussion derzeit häufig um ein "mehr" oder "weniger" an Regulierung dreht, ist es in Wahrheit viel entscheidender, ob die Regelungen inhaltlich vernünftig oder unvernünftig sind. Recht ist ein kulturelles Gut, dass sich nicht quantifizieren läßt. Auch die oben erörterten Regelungen hatten meist sowohl ein innovationshemmendes wie auch ein innovationsförderndes Potential; was sich im Einzelfall realisiert, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Regelungen ab.

Die Analyse der informellrechtlichen Beziehungen zeigt, dass der Wettbewerb der Informationsanbieter qualitativ und nicht quantitativ ist: Die Ökonomie der Informationsgesellschaft hat - entgegen den Thesen von GOLDHABER -als zentralen Grundstein nicht einen allgemeinen Konkurrenzkampf um quantitativ maximale Aufmerksamkeit, sondern eine allgemeine Anstrengung jedes Einzelnen, sich die gerade für ihn speziell passenden und deshalb für ihn qualitativ optimalen Kommunikationsbeziehungen zu schaffen, einen für ihn passenden und damit für ihn bestmöglichen Platz im Netz zu finden. Die allgemeine Informationsflut der Moderne ändert nichts daran, dass Aufmerksamkeit an sich nicht quantitativ gemessen werden kann, sondern immer nur innerhalb eines bestimmten sozialen Kontextes beurteilt und bewertet werden kann. Information ist nicht quantitativ, sondern nur qualitativ messbar. Das Urheberrecht hat innerhalb der Ökonomie der Informationsgesellschaft eine zentrale Schlüsselstellung, da es den Konflikt zwischen dem Interesse am freien Informationsfluss und dem Interesse des Schöpfers an der Kontrolle und Verwertung seiner Werke reguliert. Ohne dieses Kontroll- und Verwertungsinteresse gibt es keine ökonomische Motivation zur Herstellung qualitativ hochwertiger Informationen. Und auch eine etwaige außerökonomische Motivation würde in vielen Fällen entfallen, wenn ein Werk nicht mehr eindeutig einem bestimmten Schöpfer zugeordnet werden könnte. Für die ökonomische und soziale Stabilität der Informationsgesellschaft ist es deshalb entscheidend, dass das Urheberrecht die richtige Balance zwischen freiem Informationsfluss und künstlicher Knappheit findet. Diese Aufgabe ist so komplex, dass sie nicht zentral (also etwa durch ein Gesetz) gelöst werden kann, sondern nur dezentral. Jeder Betroffene muß dabei mitreden können. Die Netzinfrastruktur muss deshalb so gestaltet werden, dass Informationsanbieter und –nachfrager die Möglichkeit haben, die im Einzelfall jeweils richtige Balance zwischen Kontrolle und Freiheit untereinander auszuhandeln.