Intraorale Compositereparatur mittels Haftvermittlern auf Kunststoff- und/ oder Silanbasis in vitro

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5 Diskussion

 

Die vorliegende Studie zielt auf die Weiterentwicklung eines existierenden Verfahrens zur intraoralen Compositereparatur.

 

5.1 Versuchsaufbau

 Die Voralterung bereits „inkorporierter“ Füllungen vor der Reparatur musste in vitro simuliert werden, um den langfristigen Erfolg einer anschließenden Reparatur abschätzen zu können.

Das Interesse war unter dieser Prämisse speziell auf folgende beeinflussende Faktoren des Reparaturerfolges fokussiert: 

  • Findet die Haftvermittlung überwiegend über die Kunststoffmatrix des Substrates statt?
  • Ist es alternativ oder darüber hinaus möglich, über dieFüllkörper des als Substrat fungierenden Composites eine Haftvermittlung zu erreichen, und
  • führt eventuell eine Kombination dieser beiden Möglichkeiten zu einer Verbesserung der Einzelmethoden?

Zu diesem Zweck wurden zwei Haftvermittler unter ansonsten identischen Voraussetzungen verglichen: 

  • Ecusit Composite-Repair (DMG), dessen Wirkweise rein über die Kunststoffmatrix eines Composites definiert ist, und
  • Monobond S (Ivoclar Vivadent), ein handelsübliches Silan, dessen Angriffspunkt die anorganischen Füllstoffanteile eines Composites sind.

Um dabei den Einfluß verschiedener Matrizes und Füllstoffe zu beleuchten, wurden drei unterschiedliche Composite als Substrate verwendet:

  • Ecusit Composite (DMG), ein mikrohybridgefülltes Composite,
  • Superlux Universalhybrid (DMG) und
  • Durafill (Heraeus Kulzer), ein inhomogen mikrogefülltes Composite.

Die Hypothese war, dass bei einer positiven Beantwortung der obigen Frage meßbar unterschiedliche Ergebnisse bei der Reparatur der einzelnen Composites zu erwarten sein müßten, und zwar infolge der unterschiedlichen Volumenanteile von Kunststoffmatrix und Füllstoffen.

Der Versuchsaufbau wurde daher so gestaltet, dass die Faktoren

  • Alter der Füllung,
  • Grad der Polymerisation der Füllung,
  • Untergrundbearbeitung und
  • Zeitpunkt der Belastung der Reparaturfuge

für alle Prüfkörper identisch gehandhabt wurden und somit keine Unterschiede im Reparaturergebnis hervorbringen konnten.

Die Anzahl der Probekörper (10 Probekörper pro Gruppe) wurde nach den Vorgaben für experimentelle Studien, wie sie im bisherigen Normvorschlag zu ISO TR 11405 (Haftung auf Zahnhartsubstanz) angegeben sind, gewählt.

Als Additiv wurde in allenFällen Durafill verwendet. Den Hintergrund für diese Vorgehensweise bildet eine Reihe von Untersuchungen zur Frage der Unterschiede der Reparaturerfolge mit homologen bzw. heterologen Materialien (Dhuru und Lloyd 1885, Kao et al 1988, Gregory et al. 1990, Sau et al. 1999). Diese kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Composites unterschiedlicher chemischer Basis kompatibel sind. Somit war es möglich, auch diesen Faktor zu standardisieren, um einen möglichen Einfluss auf das Ergebnis auszuschließen.

 

5.2 Ergebnisse

Im Ergebnis der Studie stellte sich heraus, dass unter diesen genau eingegrenzten Versuchsbedingungen kein signifikanter Unterschied der erreichten Scherfestigkeit in Abhängigkeit vom gewählten Adhäsivsystem (p<0,05) zu erkennen war.
Auch die 3 untersuchten verschiedenen Composites mit ihren unterschiedlichen Füllstoff-Matrix-Zusammensetzungen erreichten jeweils nach der Reparatur Scherfestigkeitswerte, die unabhängig vom Haftvermittler, aber spezifisch für das jeweilige Composite waren.
Die jeweilige Verwendung der an den einzelnen Komponenten Matrix oder Füllkörper angreifenden  Haftvermittler schlug sich also in keinem messbaren Ergebnis nieder, obwohl die Volumenverteilung von Matrix und Füllkörpern bei den verwendeten Composites sehr unterschiedlich ist. Bei Durafill beträgt diese 60:40, während es sich bei Superlux UH (36:64) und Ecusit Composite (34,3:65,7) fast umgekehrt verhält.
Auch die deskriptiv bessere Scherfestigkeit, erreicht durch Ecusit Composite- Repair in Kombination mit Monobond S im Vergleich mit Ecusit Composite- Repair allein, zeigte sich durchgängig bei allen drei Substraten.
Bemerkenswert ist darüber hinaus die Tatsache, dass die Reihenfolge der Verwendung von Monobond S und Ecusit Composit Repair keine unterschiedlichen Ergebnisse hervorbrachte.

Die vollkommen differente chemische Natur dieser beiden Haftvermittler hat demnach keinen messbar unterschiedlichen Einfluss.
Es stellt sich somit die Frage, wie die relativ gleichen Scherfestigkeiten unabhängig vom Haftvermittler zustande kommen können.

Denkbar ist, dass der Grund in der identischen Vorbehandlung der Probekörper zu suchen ist:
Die Probekörper wurden alle auf die gleiche Weise präpariert, unter anderem durch Anschleifen der Oberfläche und damit Schaffung eines retentiven Untergrundes. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Wirkungsweise der niedrigviskosen Haftvermittler weniger in chemischem Verbund mit dem Untergrund, sondern vielmehr durch mikromechanische Retention mittels Penetration in Rauigkeiten zustande kommt. Diese Annahme wird durch die Ergebnisse verschiedener Untersucher bestätigt (Brosh et al. 1997, Ahlers und Platzer 1995, Swift et al. 1992, Söderholm et al. 1991).
Die fast durchweg positive Beurteilung von Haftvermittlern auf Kunststoffbasis in Kombination mit einer retentiven Oberfläche in der verfügbaren Literatur fügt sich in diese Hypothese ein (Shadad et al. 1998, Shortall et al. 1995, Chibaet al. 1989, Boyer et al. 1984).

Die Vermutung, dass die zusätzliche Verwendung von Silanen das Reparaturergebnis positiv beeinflusst, hat sich in dieser Studie nicht bzw. nur ansatzweise bestätigt. Die unterschiedliche Beurteilung der Silanverwendung anderer Autoren wird aber erklärbarer.
Die unter 2.4.5.2. beschriebenen Versuche Söderholms 1986 beinhalteten u.a. elektronenmikroskopische Aufnahmen der Probekörperoberflächen. Die nach Anschliff auch mit Silan-Toluen vorbehandelten Flächen zeigten ein ausgeprägtes Oberflächenrelief, die nachfolgende Reparatur erreichte signifikant höhere Biegefestigkeiten als bei Probekörpern nach Anschliff und Kunststoffbonding. Die Verwendung von Silan in Kombination mit dem Lösungsmittel Toluen hatte  eine retentive Oberfläche  geschaffen, die überdies weitgehend frei von Schliffpartikeln war. Die elektronenmikroskopischen Aufnahmen in der Studie Frenzels und Viohls 1994 zeigten das gleiche Phänomen, die Silanisierung einer Compositeoberfläche erzeugte ein ausgeprägtes Oberflächenrelief.

Die  Ergebnisse der beiden Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Wirkung von Silan im wesentlichen in der  Schaffung eines Oberflächenreliefs und damit einer Retentionsmöglichkeitbesteht. Der erzielbare chemischeHaftverbund mit den Füllpartikeln des Substratcomposites durch eine Nachsilanisierung ist also eher als gering einzustufen und der Oberflächeneffekt eher vom Lösungsmittelcharakter des Silans abhängig, welches die Kunststoffoberfläche bei der Applikation reinigt und anlöst bzw. anraut.

Die Studie von Söderholm und Roberts aus dem Jahre 1991 bestätigt diese Annahme. Aufrauung des Reparaturuntergrundes - gleich ob chemisch durch Toluen oder mechanisch durch Anschleifen - erhöht in Verbindung mit einem Haftvermittler die Biegefestigkeit nach einer Compositereparatur. Dabei ist es nicht relevant, ob ein Silan oder ein herkömmliches Kunststoffbonding verwendet wird.
Auch das Ergebnis der jüngsten Studie von Shirai (2000), die parallel zu der vorliegenden Untersuchung entstanden ist, bestätigt unsere Schlussfolgerung, dass eine Nachsilanisierung nur wenig erfolgreich sein kann, da der zu erwartende Benetzungsgrad der Füllkörperoberflächen gering und eine chemische Haftung damit nur sehr bedingt erreichbar ist.

Verschiedene Autoren stellen übereinstimmend mit dieser Untersuchung fest, dass die zusätzliche Verwendung von Silan eine zwar messbare, statistisch aber nicht relevante Verbesserung des Reparaturergebnisses erzielt ( Swift et al. 1992, Immamura et al. 1996, Brosh et al. 1997).

Ein sehr interessanter Aspekt der Silanverwendung ist sicherlich die einhellig positive Beurteilung des Langzeiterfolges in der vorliegenden Literatur (Söderholm 1986, Marx et al.1991, Frenzel und Viohl 1994, Matsumura et al. 1995, Beatty et al. 1998). Durch die im Mund stattfindende Hydrolyse von Silan entstehen laut Marx hydrophobe Reaktionsprodukte, die die Reparaturfuge vor weiterer Wassereinwirkung schützen. Dieser Gesichtspunkt, das Alter der Reparaturfuge, wird in dieser Untersuchung nicht weiter beleuchtet, es wäre aber eine interessante Frage, wie sich die Ergebnisse nach längerer Lagerung der Probekörper darstellen, da das Langzeitergebnis große klinische Relevanz hat.

Zusammenfassend lassen die vorliegenden Ergebnisse darauf schließen, dass  für den Erfolg einer Compositereparatur die Schaffung einer retentiven Oberfläche und die Verwendung eines niedrigviskosen Haftvermittlers die entscheidenden Parameter zu sein scheinen.

 

Eine weitere Schlussfolgerung besteht in der Feststellung, dass nach heutigem Stand die zusätzliche Verwendung von Silan den zeitlichen und materiellen Aufwand, gemessen am Ergebnis, in der Klinik nicht gerechtfertigt erscheinen lässt. Bislang nicht geprüft und somit interessant wäre die Entwicklung eines Haftvermittlers, der sowohl Kunststoffanteile als auch Silan enthält und in einem Arbeitsschritt verarbeitet werden könnte. Dem Ergebnis unserer und anderer zitierten Studien zufolge könnten ohne zusätzlichen Zeitaufwand die Reparaturergebnisse, wenn auch nicht statistisch relevant, so doch durchaus messbar positiv beeinflusst und u. U. die Langzeitergebnisse verbessert werden.

 Ein idealer Haftvermittler für die Reparatur von Composites könnte demzufolge nach heutigem Stand die folgenden Eigenschaften aufweisen: 

  • Universalität
  • Niedrigvisköses Haftmonomer für den Verbund von altem und neuem Composite.
  • Silankomponente (?)
  • Langsam verdunstendes, ungiftiges Lösungsmittel, um die Oberfläche der alten Füllung zu reinigen und gleichzeitig anzulösen bzw. anzuquellen.

Es ist an dieser Stelle noch wichtig, auf ein weiteres Untersuchungsergebnis einzugehen, nämlich die Abhängigkeit der Reparaturfähigkeit von dem zu reparierenden Substrat: Durafill als inhomogen mikrogefülltes Composite mit einem relativ niedrigen Füllstoffgehalt (40 Vol%) erreichte signifikant niedrigere Scherfestigkeiten nach Reparatur als Ecusit (Mikrohybrid, 65,7 Vol% Füllstoffgehalt) und Superlux Universalhybrid (64 Vol% Füllstoffgehalt).

Es ist mit Sicherheit ein wichtiger Aspekt, dass Durafill als mikrogefülltes Composite durch seine extrem kleinen Füllpartikel  nach dem Anschliff eine homogenere Oberfläche aufweist als Ecusit oder Superlux UH. Diese weniger retentive Oberfläche ist nach unseren Schlussfolgerungen eine sehr wahrscheinliche Erklärung für die relativ niedrigeren Scherfestigkeiten nach der Reparatur.

 


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