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2 Literaturübersicht
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2.1 Geschichte der Composites
Bis in die 40er Jahre dieses Jahrhunderts waren Silikatzemente die einzigen Materialien, die im sichtbaren Bereich ästhetisch annehmbare Füllungen ermöglichten. Diese Werkstoffe zeigten allerdings gravierende Nachteile, wie starke Pulpatoxizität, hohe Wasserlöslichkeit, mangelnde Polierfähigkeit und Sprödigkeit (Bowen et al. 1968).
1947 brachte die Firma Kulzer ein neuartiges, zahnfarbenes Füllmaterial auf der Basis von Methylmethacrylaten (MMA), die schon in der Prothesenherstellung gebräuchlich waren, auf den Markt. Auch dieses Material hatte zunächst deutliche Schwächen. Es wies bei der Abbindung eine ausgeprägte Polymerisationsschrumpfung auf, zeigte nach kurzer Zeit deutlichen Abrieb und das Volumen schwankte stark bei Temperaturänderungen. Im Hinblick auf die Dimensionsstabilität war überdies eine relativ große Wasseraufnahme zu beobachten, die mit Quellung der Füllung und Verfärbungen einherging ( Viohl 1981, Newesely 1988).
Schon Anfang der 50er Jahre wurde daher versucht, durch Beimischung von Keramik- oder Glaspartikeln diese negativen Eigenschaften zu mindern. Diese
Mischungen von Methacrylat und anorganischen Füllstoffen sind als die ersten Versuche der Compositetechnik anzusehen.
Entscheidende Entwicklungen auf dem Weg zum modernen Composite machte schließlich Bowen (1963), der sich sowohl mit dem Kunststoffanteil als auch dem
anorganischen Füllstoffanteil befaßte. Darüber hinaus suchte er nach Möglichkeiten einer Verbindung dieser beiden Stoffanteile. Hierzu entwickelte er das Monomer Bisphenol-A-Glycidyl-Methacrylat (Bis-GMA), das im
Vergleich zum bekannten MMA eine deutlich geringere Polymerisationsschrumpfung sowie eine raschere Polymerisation aufwies. Bowen entwickelte zudem als erster die Idee, zwischen Füllstoff und Kunststoffmatrix mittels
eines Vinylsilans eine chemische Bindung zu schaffen (Bowen 1963).
Bei den ersten verfügbaren Materialien dieser neuen Gruppe zahnärztlicher Werkstoffe handelte es sich ausschließlich um sog. Autopolymerisate, d. h. der Start
der Polymerisationsreaktion erfolgte dabei zunächst durch Initiatoren, die beim Vermischen zweier Pasten miteinander in Reaktion gingen. Als deren Weiterentwicklung sind seit 1978 lichthärtende Composite
(Photopolymerisate) auf dem Markt, bei denen der durch ein bestimmtes Licht initiierte Zerfall eines Photostarters den eigentlichen Reaktionsinitiator freisetzt.
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2.2 Zusammensetzung der Composites
„Composites“ sind begriffs- und definitionsgemäß ´zusammengesetzte´ Stoffe. Moderne zahnärztliche Composites bestehen aus folgenden Bestandteilen:
2.2.1 Monomere
Monomere bilden die organische Phase eines Composites. Das gebräuchlichste Monomer ist bis heute das 1963 von Bowen angegebene Bis-GMA. Daneben werden Urethan-Dimethacrylate (UDMA) verwendet, die gegenüber Bis-GMA eine geringere Viskosität und Wasseraufnahme sowie eine höhere Zugfestigkeit und bessere Polymerisationseigenschaften besitzen. Verschiedene Composites enthalten sowohl Bis-GMA als auch UDMA (Lutz et al. 1983).
Da aufgrund der hohen Viskosität dieser Monomere nur ein relativ geringer Füllstoffanteil möglich wäre, fügt man der Matrix verschiedeneKomonomere „zur Verdünnung“ bei. Diese meist niedermolekularen Dimethacrylate polymerisieren mit den Monomeren und beeinflussen stark die Eigenschaften eines Composites.
Dabei führt ein hoher Komonomergehalt der Matrix zu einer Zunahme der Polymerisationsschrumpfung und der Wasseraufnahme, auf der anderen Seite aber auch zu einem höheren Polymerisationsgrad (Asmussen 1975,
Ruyter und Svendsen 1981, Asmussen 1982). Die genannten Untersuchungsergebnisse sind im Rahmen der vorliegenden Arbeit insofern von Bedeutung, als mit dem höheren Polymerisationsgrad auch ein geringerer
Restmonomergehalt einhergeht. Die Chancen einer chemischen Haftvermittlung auf der Basis der Nutzung verbliebener Doppelbindungen (eben des Restmonomers) werden dadurch wahrscheinlich beeinflusst.
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2.2.2 Füllstoffe
Eingebettet in die Matrix enthalten Composites etwa 35-86% anorganische Füllstoffe. Diese Komponente beeinflusst wesentlich die physikalischen Eigenschaften
eines Composites wie Polymerisationsschrumpfung, thermische Expansion und Kontraktion, Wasseraufnahme, Biege- und Abrasionsfestigkeit. Die Composites werden daher nach Füllerart, -anteil und –größe klassifiziert.
Die heute noch gültige Einteilung wurde 1983 von Lutz et al. vorgeschlagen:
Füllerorientierte Klassifikation der Composites
Bezeichnung
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Füllerart und -zusammensetzung
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Füllerdurchmesser
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Konventionelle Composites
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Makrofüller (Quarz, Glas, Keramik)
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Typ I > 10 µm
Typ II > 10 µm Typ III < 5 µm
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Mikrofüllercomposites
a) homogen
b) inhomogen
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Mikrofüller (feinstteiliges SiO2)
Direkt beigefügte Mikrofüller
Vorpolymerisat (splitter- oder kugelförmig)
und feinstteiliges SiO2
Mikrofüller-Agglomerate und feinstteiliges
SiO2
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0,01 – 0,04 µm
1 – 200 µm 0,01 – 0,04 µm
> 1 µm 0,01 – 0,04 µm
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Hybrid-Composites
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Mikrofüller (feinstteiliges SiO2)
– und – Makrofüller (Quarz, Glas, Keramik)
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0,01 – 0,04 µm
Typ I > 10 µm
Typ II < 10 µm Typ III > 2 µm Typ IV < 2 µm
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Die Füllstoffe der heute gebräuchlichen (makrogefüllten) „konventionellen- Composites“
bestehen aus Keramik-, Quarz- und Glaspartikeln, denen z.T. Barium und Strontium zur Verbesserung der Röntgensichtbarkeit beigefügt sind. Die kristallinen Partikel weisen eine Größe von 1-30 µm auf. Durch die (relative) Größe der Partikel lässt sich ein hoher Volumenanteil an Füllstoffen in diesen Composites erreichen. Die Füllungen sind deshalb sehr druckfest und ihre Wasseraufnahme ist gering. Aus dem gleichen Grund sind diese Füllungen aber nur schlecht polierbar und ihre Abrasionsfestigkeit ist als mangelhaft einzustufen
(Ameye et al. 1981, Lutz et al. 1983).
Neben den radioopaquen Gläsern wird heute häufig chemisch synthetisiertes, feinstteiliges Quarz (SiO2) als Füllstoff verwendet. Die mikrofeinen
Partikel sind mit 0,01-0,04 µm kleiner als die Wellenlänge des sichtbaren Lichtes und deshalb für das menschliche Auge nicht als Partikel zu erkennen. Das ist der Grund für die hervorragende Polierbarkeit und
ästhetische Wirkung der mikrogefüllten Composites. Aufgrund der relativ großen Gesamtoberfläche vieler Mikropartikel ist allerdings nur ein relativ geringer Volumenanteil an Füllstoffen möglich. Die
Füllungen sind damit zwar widerstandsfähig gegen Verschleiß, nachteilig ist dagegen ihre hohe Wasseraufnahme und geringe Biegefestigkeit. Auch die spezielle Zusammensetzung der inhomogen mikrogefüllten Composites
, nämlich zerkleinerte, vorpolymerisierte Partikel mit neuer Kunststoffmatrix versehen, bringt keine bedeutenden Veränderungen der Eigenschaften mit sich (Dennison et al. 1981, Lambrechts et al. 1983).
Um die guten physikalischen Eigenschaften der konventionellen Composites mit den ästhetischen Vorteilen und der Verschleißfestigkeit der mikrogefüllten
Kunststoffe zu vereinen, kombiniert man zunehmend Füllerpartikel in den sog. Hybridcomposites. Diese enthalten hauptsächlich Makrofüller mit einer Partikelgröße von <1 µm, ergänzt um ca. 5%
Mikrofüller. Dadurch läßt sich ein hoher Gesamtfüllstoffanteil erreichen, welcher wiederum gute physikalische Eigenschaften ermöglicht. Der Mikrofülleranteil stellt zudem eine relativ gute Polierbarkeit sicher und
gewährleistet befriedigende optische Eigenschaften (Lutz et al. 1983).
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2.2.3 Silane
Als „Silane“ werden organische Siliziumverbindungen definiert. Als
Vertreter dieser Gruppe von Verbindungen wurde in der vorliegenden Studie 3-Methacryloxypropyl-trimethoxysilan untersucht:
Struktur des 3-Methacryloxypropyl-trimethoxysilan (Abbildung aus Geurtsen 1989)
Silane haben sowohl organische (apolare) als auch anorganische (polare) Anteile
und können auf der einen Seite mit den anorganischen Füllstoffpartikeln eine Esterbindung als auch auf der anderen Seite mit den organischen Monomeren der
Kunststoffmatrix eine Kopolymerisation eingehen (Lutz et al. 1976). Eine eigentlich hydrophile -da anorganische- Fülleroberfläche erhält somit durch die Vorbehandlung
mit Silanen eine hydrophobe, organische Ummantelung und wird dadurch mit Monomer benetzbar (Geurtsen 1989). Durch ein, wie oben beispielhaft
dargestelltes, trifunktionelles Silan kann durch dieses Prinzip eine chemische Verbindung zwischen organischer Matrix und anorganischen Füllstoffen in Composites erreicht werden.
Die Verwendung von Silanen erhöht die Abrasionsfestigkeit von Composites erheblich. Die Verbindung zwischen Füller und Silan ist allerdings geringfügig
wasserlöslich und damit ist die Grenzschicht Füllstoff/Kunststoffmatrix der instabilste Bereich in derartigen Composites (Bowen 1963, Viohl 1984).
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2.2.4 Weitere Zusätze
Composites härten durch die Polymerisation der Kunststoffmatrix aus. Gestartet wird dieser Vorgang durch freie Radikale, die von einem chemisch
oder lichtaktivierbaren Initiatorsystem freigesetzt werden.
- Bei chemisch härtenden Composites besteht das System meist aus Benzoylperoxid als Initiator und einem tertiären Amin als Akzelerator.
- Bei lichthärtenden Composites findet als Photoinitiator alternativ Kampferchinon Verwendung. Dieser Stoff wird durch Licht angeregt und zerfällt dabei in Radikale.
Um unerwünschte Polymerisationsvorgänge während der Lagerung des Composites zu verhindern, werden der Matrix zudem Stabilisatoren
wie 4-Methyloxyphenol beigesetzt. Diese Stoffe fangen spontan entstehende freie Radikale ab (Viohl 1981).
Farbstoffe auf der Basis von Metalloxiden geben den Composites die gewünschte Zahnfarbe.
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2.3 Verarbeitung der Composites
2.3.1 Autopolymerisate / Photopolymerisate
Chemisch härtende Polymerisate werden aus zwei Pasten angemischt. Die Polymerisation findet somit im Zentrum der Füllung genau so statt wie an der Oberfläche.
Die zwangsläufig auftretende Polymerisationsschrumpfung ist dabei zum Masse- bzw. Volumenzentrum der Füllung hin gerichtet. Durch das unvermeidliche Einmischen von Lufteinschlüssen sind diese Composites später
relativ porös und der Polymerisationsgrad durch die inhibierende Wirkung von Sauerstoff geringer als bei Photopolymerisaten (Asmussen 1982). Diese Stoffe finden wegen der Durchhärtung unabhängig vom Lichtzutritt
heute als Aufbaufüllmaterial zum Ersatz verlorengegangener Zahnhartsubstanz unter anderen Restaurationswerkstoffen Verwendung.
Photopolymerisate sind die heute überwiegend als eigentliche Füllungswerkstoffe verwendeten Composites. Sie sollten vorzugsweise in Schichten in Kavitäten
eingebracht und polymerisiert werden. Jene Schichtung ist aus zwei Gründen notwendig:
- Zum einen ist die Eindringtiefe des Lichts begrenzt; in Schichtdicken über 2 mm wäre daher die ausreichende Polymerisation nicht gewährleistet (Swartz et
al. 1983, Forsten 1984, Wirz 1988).
- Zum anderen soll die bei Polymerisation jeder einzelnen Schicht eintretende Polymerisationsschrumpfung durch das Material der folgenden Schicht
weitgehend kompensiert werden.
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Die letztgenannte Eigenschaft, zusammen mit der fast beliebig langen Verarbeitungszeit, hat den Photopolymerisaten zu ihrer heutigen Popularität verholfen.
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2.3.2 Säure-Ätz-Technik
Composites gehen mit den Zahnhartsubstanzen keine wesentlichen chemischen Bindungen ein. Zwar fehlt auch anderen Füllungsmaterialien, wie z. B.
Goldlegierungen und Amalgam, diese Eigenschaft. Im Unterschied zur Verarbeitung jener Werkstoffe sind Makroretentionen zur Verankerung der Füllung an der Zahnhartsubstanz bei Composites aber allein nicht
ausreichend. Der Grund hierfür liegt in den genannten problematischen Eigenschaften wie der Polymerisationsschrumpfung sowie messbaren Volumenschwankungen bei Temperaturänderungen, welche beim Zerkleinern von heißen
und kalten Nahrungsmitteln in der Mundhöhle ständig auftreten. Diese führen zur Bildung von Randspalten, die marginale Verfärbungen oder sogar Sekundärkaries begünstigen.
Buonocore fand schon 1955 eine bis heute verwendete Lösung dieses Problems: Die Schmelz-Ätz-Technik ermöglicht eine Vorbehandlung der marginalen Schmelzareale
mit H3PO4, was eine Retention der Composites ermöglicht, die in der Regel ausreicht, der Polymerisationsschrumpfung und dem ungünstigen thermischen Ausdehnungskoeffizienten standzuhalten.
Die Grundlage hierfür ist die Schaffung eines mikroretentiven Reliefs, das durch unterschiedlich starke Anlösung der Schmelzprismen und der interprismatischen Substanz sowie der nachfolgenden Entfernung der gelösten
Substanzen als auch der Säurereste erreicht wird. Voraussetzung dafür ist, dass zirkulär um die Kavität auch tatsächlich Schmelz vorhanden ist. Bei approximalen Kavitäten oder zervikalen Defekten ist das häufig nicht der Fall. Weiterhin müssen die strahlenförmig vom Zentrum des Zahnes ausgehenden, stäbchenförmigen Schmelzprismen an ihrer Stirnseite von der Säure angegriffen werden. Gelingt dieses, entsteht das gewünschte Mikrorelief und, daraus resultierend, eine um ein Vielfaches vergrößerte Oberfläche.
Als erster Restaurationsschritt kann diese Oberfläche von einem niedrigviskosen Composite, dem Haftvermittler bzw. Schmelzbonding, benetzt werden. Bei der
nachfolgenden Polymerisation entsteht ein extrem fester Haftverbund mittels zweier Mechanismen:
- Zum einen entsteht ein „gegengleiches“ Relief auf dem Composite, dass sich fest mit dem geschaffenen Schmelzrelief (Ätzmuster) verhakt (Mikroretention).
- Zum zweiten schrumpft das Composite bei der Polymerisation um die exponierten Schmelzprismen herum und schließt diese fest in sich ein (Makroretention).
Im Sinne der Schichttechnik kann anschließend hochgefülltes, und damit höherviskoses Composite aufgebracht werden (Buonocore 1955, Castagnola et al. 1975,
Nolden 1979, Prevost 1984, Wirz 1988).
Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt der Säure-Ätz-Technik ist allerdings, dass beim Ätzen oder Konditionieren eine Schmelzschicht von 10-50 µm irreversibel
verloren geht, so dass eine Compositefüllung mit der Säure-Ätz-Technik – angesichts des begrenzten Schmelzmantels – nur in begrenztem Maße wiederholbar ist (Castagnola et al. 1975, Zidan et al. 1986).
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2.3.3 Reparatur
Das Ergänzen bzw. die Reparatur von verfärbten, frakturierten oder abradierten Compositerestaurationen bekommt durch die Tendenz zu einer „minimal invasiven“
Zahnheilkunde neue Aktualität. Die ersten wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema wurden durch die noch sehr unbefriedigende Farbstabilität und Abrasionsfestigkeit der damals marktüblichen Produkte
erforderlich (Godfredsen 1969, Mc Lean et al. 1969). Forsten und Väliaho setzten 1971 als erste nach 6 bzw. 12 Wochen reparierte Compositekörper einer 3-Punkt-Biegebelastung aus und stellten eine ungefähr halb so
große Biegefestigkeit wie bei unreparierten Compositekörpern fest. Reisbick und Brodsky ergänzten in einer Studie im selben Jahr Compositeprüfkörper nach 10 min bzw. nach 24 h Feuchtlagerung ohne
Verwendung eines Haftvermittlers. Sie maßen eine bis zu 2/3 verminderte Biegefestigkeit von reparierten Composites an der Reparaturfuge. Causton versuchte 1975 eine Beantwortung der Frage, ob die verminderte
Scherfestigkeit reparierter Composites klinisch ausreichend sei. Er bezog sich dabei auf eine mathematische Analyse Farahs und Craigs von 1974, die unter Zuhilfenahme des „Finite Element Modells“ bei Kaubelastung
Scherbelastungswerte bis 9 N/mm² auf Prämolaren errechnet hatten. Die von Causton gemessenen Werte lagen deutlich höher und variierten je nach Zeitpunkt der Scherbelastung und nach feuchter oder trockener
Lagerung der Prüfkörper. Er kam aber insgesamt zu dem Ergebnis, dass eine Reparatur in gewissen Fällen klinisch erfolgreich sein kann. Es folgten zahlreiche Untersuchungen mit dem Ziel, den Einfluß verschiedener
Parameter auf den Reparaturerfolg abzuklären. Wichtige Faktoren sind dabei:
- das Alter der zu reparierenden Füllung,
- der Polymerisationsgrad des ausgehärteten Composites,
- die Füllstoffmenge und -größe des Composites,
- die Untergrundbearbeitung zur Vorbereitung der Reparatur,
- die Verwendung von Haftvermittlern,
- die Art des Reparaturcomposites und
- der Zeitpunkt der Überprüfung des Reparaturerfolges.
In vivo sind Füllungen einer Kombination von Scherkräften bei Kaubewegungen, von Zugkräften durch Schrumpfung bzw. Ausdehnung bei Temperaturänderungen und klebriger Nahrung und von Druckkräften beim Zerkleinern von Nahrung ausgesetzt. Um dies unter objektiven Bedingungen nachzubilden, wurden sehr unterschiedliche Versuchsanordnungen entwickelt, die reparierte Füllungen unter besonderer Beachtung einer oder mehrerer der genannten Parameter Prüfkräften aussetzen. Unterschieden nach den verschiedenen Parametern werden nachfolgend diese Untersuchungen detailliert besprochen.
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2.4 Beeinflussende Faktoren des Reparaturerfolges
2.4.1 Alter der Füllung
Der Zeitpunkt der Reparatur hat erheblichen Einfluß auf ihren Erfolg. In den ersten Minuten nach Einbringen einer Füllung läßt sie sich noch mit wenig Qualitätsverlust ergänzen.
Lloydet al. stellten 1980 bei sofort ergänzten Compositefüllungen übereinstimmend mit den Ergebnissen von Hotz (1975) keinen meßbaren Verlust der
Zugfestigkeit fest, nach 2 min Speichelkontamination allerdings schon einen Abfall von 30 %. Boyeret al. maßen 1984 Reparaturen auf unbearbeiteten Compositeoberflächen nach 2, 5, 10 und 20 min und stellten einen
Abfall der Haftkraft um ca. 10 % fest. Chiba et al. maßen 1989 nach 30 s unabhängig von anderen Faktoren eine Zugfestigkeit von ca. 80 % einer homogenen Füllung. Ist die zu reparierende Füllung älter als einige
Minuten, finden sich in der Literatur übereinstimmend signifikant abfallende Werte. Nach 24 h ist die Scherfestigkeit und Zugfestigkeit einer reparierten Compositefüllung um ca. die Hälfte reduziert (Hotz 1975,
Vankerckhoven et al. 1982, Chan und Boyer 1983, Boyer et al. 1984, Kao et al. 1988, Gregory und Moss 1990, Mitsaki-Matsou et al. 1991, Frenzel und Viohl 1994). Über diesen Zeitpunkt hinaus verliert der Faktor
Zeit zunehmend seine Bedeutung als erfolgsbeeinflussender Parameter. Nach 7 Tagen läßt sich eine Scher- und Zugfestigkeit zwischen 30 % und 60 % einer unreparierten Füllung erreichen (Reinhardt und Vahl 1978,
Lloyd et al. 1980, Chan und Boyer 1983, Chiba et al. 1989, Mitsaki-Matsou et al. 1991). Eine nach 1 Jahr ergänzte Füllung weist ca. 25 % der Zugfestigkeit einer homogenen Füllung auf (Mitsaki-Matsou et al.
1991).
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2.4.2 Polymerisationsgrad des zu reparierenden Substrats
Der Polymerisationsgrad und – davon abhängig – der Anteil von Restmonomeren in Composites beeinflusst entscheidend die Eigenschaften einer Füllung wie
Abrasions- und Farbstabilität und auch die Toxizität. Unter diesen Aspekten ist ein Restmonomergehalt nicht wünschenswert. Auf der anderen Seite bieten diese Restdoppelbindungen eine chemische Möglichkeit zur
Verankerung von neuen Composites auf polymerisiertem Untergrund durch Kopolymerisation mit noch nicht vernetzten Restdoppelbindungen des alten Composites. Verschiedene Autoren haben sich mit der wichtigen Frage, ob
und wieviel Doppelbindungen in einem auspolymerisierten Composite vorhanden sind, befasst. Ruyter und Svendsen bedienten sich 1977 als erste des Mittels der Infrared Multiple Internal R
eflection Spectroscopy (MIR), um noch vorhandene Doppelbindungstellen in auspolymerisierten Compositeoberflächen zu quantifizieren. Dieses Verfahren beruht auf der Tatsache, dass eine C=C-Bindung Infrarotlicht
einer Wellenlänge von 1635 mm absorbiert, was sich durch ein Wellenspektrum optisch darstellen läßt. Die Autoren überprüften verschiedene Autopolymerisate und stellten fest, dass die auspolymerisierten Composites
zwischen 25 und 48% Restdoppelbindungen aufwiesen. Diese Ergebnisse wurden mit nur geringfügigen Abweichungen von verschiedenen Untersuchern bestätigt (Asmussen 1982, Vankerckhoven et al. 1982, Ferracane und
Greener 1984,Gregory und Moss 1990, Gregory et al. 1991, Reinhard 1991). Spahl et al. ermittelten 1991 eine noch größere Spannbreite der Werte: Sie fanden in Wasser- und Methanolextrakten von 4 Hybridcomposites
durch Gaschromatographie sogar 23-65% Restdoppelbindungen. Auffallend ist, dass alle Studien übereinstimmend einen ganz erheblichen Streubereich des Polymerisationsgrades feststellen. Bei der Suche nach den
Ursachen für diese große Streubreite wurden von verschiedenen Autoren einzelne Parameter auf deren Einfluss hin untersucht. Ferracane und Greener stellten1984 genauso wie 1982 Asmussen fest, dass ein erhöhter Anteil von Inhibitoren und Kopolymeren den Polymerisationsgrad positiv beeinflusst.
Während Asmussen bei Photopolymerisaten einen höheren Polymerisationsgrad als bei Autopolymerisaten feststellte, konnten andere Autoren keine Relevanz des Polymerisationsmodus erkennen (Ferracane und Greener 1984, Reinhardt 1991).
Einen weiteren wichtigen Aspekt beleuchteten Vankerckhoven et al. 1982. Die Autoren quantifizierten mittels MIR den Polymerisationsgrad nach verschiedenen Zeitintervallen und stellten fest, dass nach 30 min keine relevanten Änderungen mehr stattfinden.
Auch die Bearbeitung der Oberfläche führt laut dieser Untersuchung zu einer gesteigerten Polymerisation, was die Autoren auf die Wärmeentwicklung zurückführten. Sie gehen mit diesen Schlussfolgerungen konform mit Ergebnissen der Untersuchung von Davidson et al. (1981).
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2.4.3 Füllstoffgröße und -anteil des zu reparierenden Substrats
Mit der zunehmenden Verbreitung der mikrogefüllten Composites und des Vergleichs mit den Eigenschaften konventionell makrogefüllter Produkte stellte sich auch die Frage, ob die Möglichkeit der Reparatur ähnlich gut sein würde.
Chan und Boyer bezogen 1983 in ihre Untersuchung über die Zugfestigkeit
von Composites, repariert mit dem gleichen oder einem anderen Material, 3 konventionell makrogefüllte Composites, 2 mikrogefüllte Composites und 2 Hybridcomposites mit ein. Es stellte sich heraus, dass die mikrogefüllten Composites nach der Reparatur im Schnitt 76,4% ihrer ursprünglichen Zugfestigkeit behielten; bei makrogefüllten Composites wurden Werte um 67,6% erreicht.
Boyer et al. kamen 1984 zu stärker divergierenden Ergebnissen. Sie verglichen 4 hochgefüllte Hybrid- oder makrogefüllte Composites mit 7 mikrogefüllten Composites - wie zuvor Chan und Boyer hinsichtlich der
Zugfestigkeit. Die mikrogefüllten Composites erreichten 25-65%, die makrogefüllten bzw. Hybridcomposites 39-69% der Zugfestigkeit der unreparierten Kontrollkörper. Die hochgefüllten Composites wiesen aber absolut
höhere Werte auf. Boyer et al. erklärten dies durch deren höheres Elastizitätsmodul und die bessere Verteilung von Spannungen an der Reparaturfuge bei Zug.
Eliades und Caputo machten mit ähnlichen Produkten 1989 einen Versuch zur Überprüfung der Scherfestigkeit.
Auch ihre Ergebnisse zeigten für die hochgefüllten Hybridcomposites numerisch bessere Werte. Relativ ist der Abfall der Scherfestigkeit bei mikrogefüllten Composites und Hybridcomposites aber vergleichbar. Bemerkenswert ist bei den 3 letztgenannten Untersuchungen die Ähnlichkeit der Eigenschaften von hybrid- und makrogefüllten Composites.
Die Biegefestigkeit reparierter Compositekörper untersuchten Gregory et al. 1992, Swift et al. 1992 und Frenzel und Viohl 1994 jeweils in
3-Punkt-Biegeversuchen. Alle kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen:
- Gregory et al. ermittelten für reparierte, mikrogefüllte, mit sehr unterschiedlichem Füllstoffanteil versehene Composites relativ bessere Werte
(58-78%) als für das an der Untersuchung beteiligte Hybrid (15%).
- In der Untersuchung von Swift et al. wurden Werte zwischen 40 und 60% der Kontrollwerte gemessen, abhängig von der Oberflächenvorbehandlung, aber unabhängig von der Art des reparierten Composites.
- Frenzel und Viohl wiederum ermittelten für Hybridcomposites und makrogefüllte Composites statistisch signifikant bessere Werte als für mikrogefüllte
Composites. Sie betonen, dass die ermittelten Biegefestigkeiten den Normgrenzwert von 80 MPa deutlich überschreiten, was eine klinische Anwendung der Reparatur rechtfertigt.
-
Zusammenfassend muß man auf die sehr stark streuenden Ergebnisse bei der Untersuchung dieses Parameters durch die verschiedenen Autoren hinweisen. Es liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Art, Menge und Größe der Füllkörper des Substrats allein keine Vorhersage des zu erwartenden Reparaturerfolges ermöglichen.
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2.4.4 Untergrundbearbeitung
chemisch
Wird die Reparatur oder Ergänzung einer Combositefüllung notwendig, muss die dem Mundmilieu ausgesetzte Oberfläche dahingehend konditioniert werden, dass sie
einen sauberen Untergrund für neues Composite bieten kann. Sie ist in jedem Falle mit Speichel kontaminiert; bei älteren Füllungen ist zudem die oberflächliche Schicht durch erhöhten Wassergehalt gekennzeichnet
(Viohl 1974,Viohl et al. 1975, Viohlet al. 1979). Häufig finden sich auch Verfärbungen durch Teerkondensat, Tee oder Kaffee. Es ist daher meist notwendig, eine gewisse Schicht der zu reparierenden Füllung abzutragen.
Hinsichtlich des weiteren Vorgehens haben sich verschiedene Autoren unter anderem mit der Frage beschäftigt, ob bei Ergänzung neuerer Füllungen eine Reinigung der Oberfläche mit chemischen Mitteln ausreichend ist, bzw. ob bei älteren Füllungen die chemische Behandlung des Untergrundes zusätzlich zum – bereits angesprochenen – Abtrag der Oberfläche bessere Reparaturergebnisse hervorbringt.
Die Möglichkeit einer Ergänzung auspolymerisierter neuerer Füllungen war einst eine wichtige Fragestellung, als ausschließlich Autopolymerisate zur Verfügung standen (siehe 2.1). Wegen deren kurzer
Verarbeitungszeit war es bei ausgedehnten Restaurationen selbst bei großer manueller Fertigkeit des Behandlers nicht immer möglich, Füllungen „en bloc“ zu legen. Hotz prüfte 1975 bei 6-10 min alten Füllungen ein
Anschleifen, ein Anätzen mit H3PO4, sowie den Auftrag eines Kunststoffhaftvermittlers vor Ansetzen einer neuen Schicht im Vergleich mit einer Ergänzung ohne Vorbehandlung. Er stellte fest, dass das Anätzen zusammen mit der Verwendung eines Kunststoffhaftvermittlers 80-90% der Bruchfestigkeitswerte einer einzeitig gelegten Füllung erreichte; die Werte nach Anschliff waren bedeutend schlechter. Unter Hinweis auf diese und andere Studien empfahlen Lutz et al. ein Jahr später zusammenfassend das Abtragen einer Schicht sowie nachfolgend das Anätzen und zusätzliche Entfetten der Oberfläche mit Methylenchlorid vor Ergänzung einer Füllung (Lutz et al. 1975).
Auch Meeker et al. ergänzten 1983 10 min alte Füllungen und untersuchten nach Lagerung in einem Farbstoff, ob im Grenzbereich zur angesetzen Füllung eine
Penetration des Stoffes optisch nachzuweisen war. Sie stellten fest, dass unabhängig von der Vorbehandlung (Ätzen mit H3PO4, Anschleifen oder Verzicht auf eine Vorbehandlung) ein hermetisch
fester Verbund zustande gekommen war. Im Vergleich zum ausschließlichen Anschleifen zeigten sich bei einer Kombination der Verfahren, also dem Anschleifen der Compositefüllungsoberfläche mit H3PO4 und der
nachfolgenden Verwendung des üblichen Haftvermittlers (Bonding) verbesserte Reparaturergebnisse (Meeker et al. 1984, sowie später auch Söderholm 1986). Beide Autoren bzw. Autorengruppen führten dies auf den
Reinigungseffekt der Säure zurück. Dieser wird so erklärt, dass die Schleifpartikel entfernt werden, ohne dass eine Anlösung des Kunststoffes stattfindet. So wird eine für das Bonding besser benetzbare Oberfläche
geschaffen. Söderholmbelegte diese Annahme mit elektronenmikroskopischen Aufnahmen. 1989 machten Chibaet al. Versuche, Füllungen unterschiedlichen Alters mittels unterschiedlicher Vorbehandlungen zu reparieren.
Sie kamen zu dem Ergebnis, dass abhängig vom Alter der Füllungen unterschiedliche Vorbehandlungen optimal sind:
- Eine neue, nur von Speichel kontaminierte Oberfläche lässt sich nach diesen Ergebnissen mit H3PO4 gut reinigen.
- Bei älteren Füllungen ist vor der Reparatur immer eine mechanische Vorbehandlung der Composite-Oberfläche notwendig. Die zusätzliche Behandlung mit H3PO4 verschlechtert dann die Haftkraft einer neuen Compositeschicht.
Diese Aussage steht allerdings im Gegensatz zu denen von Meekeret al. und Söderholm.
Eliades und Caputo befassten sich 1989 genauso wie Reinhardt 1991 mit der Frage, ob die bei Photopolymerisaten übliche Schichttechnik an der Verbundstelle der einzelnen Schichten zu einer Schwächung des Materials in diesem Bereich führt, und ob es vor Applikation der nächsten Portion Sinn macht, die Sauerstoffinhibitionsschicht zu entfernen. Die Autoren kamen dabei zu gegensätzlichen Ergebnissen. Während Eliades und Caputo zu dem Ergebnis kamen, dass eine Reinigung mit Aceton zu einer verbesserten Scherfestigkeit der Schichten untereinander führt, stellte Reinhardt eine 20% verminderte Biegefestigkeit im Vergleich zu der Überschichtung von völlig unbehandelten Oberflächen fest.
Verschiedene Studien beschäftigten sich mit dem Effekt von Flusssäure (HF) auf die Oberflächen von Füllpartikeln im Rahmen der optimalen Vorbehandlung von laborgefertigten Compositeinlays vor dem adhäsiven Einsetzen. Swift et al. verglichen 1992 verschiedene Kombinationen von Anrauen durch Sandstrahlen, chemischem Anrauen durch 9,5% HF und Silanlösung:
- Sandstrahlen zusammen mit Silanisierung ergab die besten Haftwerte.
- Die Verwendung von HF hingegen verschlechterte die Haftung, egal ob allein oder in Kombination mit den anderen Maßnahmen.
Auch Shortall et al. untersuchten 1995 zwei laborgefertigte Inlaysysteme und ihre Adhäsive unter dem Gesichtpunkt der optimalen Vorbehandlung der
Inlays. Auch sie fanden heraus, dass mechanische Anrauung durch Sandstrahlen die Haftung signifikant verbessert, während die Behandlung mit Fluss- oder Phosphorsäure keine weiteren Verbesserungen brachte.
Die Hypothese beider Untersucher war, dass Flusssäure in der Lage ist, die Oberfläche der Füllerpartikel anzurauen. Dies läßt sich durch ihre Ergebnisse allerdings nicht bestätigen.
mechanisch
Die Frage, ob und warum eine mechanische Bearbeitung einer Compositeoberfläche sinnvoll und notwendig ist, wurde schon zum Teil erörtert. Verschiedene
Untersuchungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass bei der Ergänzung relativ neuer Compositefüllungen eine mechanische Reduktion die Haftkraft des neuen Composites verschlechtert (Hotz 1975, Boyer et al. 1978, Lloyd et al. 1980, Boyer et al. 1984, Eli et al. 1988).
Erst bei der Reparatur älterer Füllungen kehren sich die Ergebnisse der Untersuchungen um und eine Reduktion der kontaminierten Oberfläche erscheint als eine sinnvolle Vorbereitung zu weiteren Behandlung der Oberfläche. (Miranda et al. 1984, Chiba et al. 1988, Swift et al. 1992, Ahlers und Platzer 1995).
In neueren Veröffentlichungen werden neben den klassischen rotierenden Schleifkörpern wie Diamanten, Karborundsteinen oder Schleifscheiben verschiedener Körnung zunehmend Sandstrahlgeräte mit den
unterschiedlichsten abrasiven Mikrogranulaten zur Reduktion der Oberflächen beschrieben. Diese Verfahren hatten sich u.a. bei der Vorbereitung von laborgefertigten Compositeinlays etabliert und finden zudem
klinisch zunehmend Anwendung.
Bouschlicher et al. verglichen in ihrer Untersuchung von 1997 das Anrauen mit Diamanten und verschiedenen Sandstrahlgeräten. Mikropartikel, verwendet unter
niedrigem Druck in einem Sandstrahlgerät, ergaben danach optimal vorbereitete Untergründe. Dagegen stellten Brosh et al. 1997 und Shadad und Kennedy 1998 genauso wie Shortall et al. 1995 fest, dass Sandstrahlgeräte
genauso wie rotierende Verfahren zu guten Ergebnissen führen. Das Abstrahlen bzw. Anschleifen von Compositeoberflächen wird übereinstimmend von allen Autoren nur als Vorbereitung vor dem Auftrag von Haftvermittlern empfohlen. Die entstehende mechanische Retention kann nur dann sinnvoll genutzt werden, wenn anschließend zunächst niedrigvisköses
Material auf diese raue Oberfläche aufgetragen wird und diese benetzt. Deshalb ist in jedem Fall eine weitere Behandlung der angeschliffenen Oberfläche mit Haftvermittlern indiziert. Dabei ist noch zu beachten, dass
durch das Anschleifen Füllstoffe, die ursprünglich in Polymer eingebettet waren, freigelegt werden. Ihre Oberfläche lässt sich mit Monomer kaum benetzen und geht keinerlei chemische Verbindung mit neuem Composite
ein. Auch dieser negative Effekt kann durch Haftvermittler abgefangen werden. In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, ob ein Kunststoffhaftvermittler allein hierzu in der Lage ist, oder ob alternativ die Applikation eines Silans bessere Voraussetzungen schafft.
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2.4.5 Haftvermittler
Wie schon die zuvor genannten Studien zeigen, sind Haftvermittler eine ganz wesentliche Komponente für den Erfolg einer Compositereparatur. Es lassen
sich unter diesem Überbegriff im wesentlichen folgende Stoffe einordnen: Eine große Gruppe sind die Schmelzhaftvermittler (früher auch verallgemeinernd „Bondings“ genannt). Hierbei handelt es sich um
nicht- oder niedriggefüllte Compositemonomere, deren Verwendung seit Einführung der Säure-Ätz-Technik zum Standard moderner hochwertiger restaurativer Füllungstherapie wurde. Jeder Hersteller bietet für seine
Compositeprodukte entsprechende „Bondings“ an. Deren wesentliche Wirkung besteht in ihrem - verglichen mit dem dazugehörigen Composite - relativ niedrigen Füllungsgrad und damit deutlich geringerer Viskosität,
welche eine gute Benetzung rauer Untergründe ermöglicht.
In Erweiterung dieser Gruppe wurden in den letzten Jahren Dentinhaftvermittler („Dentinbondingsysteme“) etabliert. Diese beinhalten Monomere, die neben
ihrem hydrophoben Anteil auch eine hydrophile Gruppe besitzen und deshalb in der Lage sind, in das feuchte Milieu der Dentinkanälchen einzudringen. In den letzten Jahren hat eine Vielzahl neuer Produkte dieser
Gruppe den Markt geradezu „überschwemmt“. Das Prinzip aller Bondings ist die mechanische Verankerung von Composite auf potenziell retentivem Untergrund durch Penetration der Monomere in Mikroretentionen im
Schmelz bzw. in den Dentinkanälchen und die nachfolgende Polymerisation der Monomere. Allen vorgenannten Haftvermittlern gemeinsam ist folglich deren Haftung auf entsprechend vorbereiteten, „konditionierten“
Zahnhartsubstanzen.
Im Gegensatz dazu zielt eine andere Gruppe von Composite- bzw. Reparaturhaftvermittlern
auf die Verbindung neuen Composites mit vorhandenen Composites ab. Derartige auch in der Zahntechnik eingeführte Haftvermittler sind entweder reine Monomere oder aber durch Monomergemische charakterisiert, die extrem niedrigviskos sind. Dieser Haftmechanismus wird durch das hier mit untersuchte Ecusit Composite-Repair (Fa. DMG) repräsentiert. Das hierbei verfolgte Wirkungsprinzip besteht in der Penetration relativ kurzkettiger Monomere in die gereinigte Compositeoberfläche. Die Compositeoberfläche soll dadurch eine gewisse Anquellung erfahren. Durch den Restmonomergehalt auch in polymerisiertem Composite (siehe 2.4.2) finden sich chemische Bindungsstellen. Da die verwendeten Monomere Doppelbindungsstellen besitzen, bietet die infiltrierte Oberfläche nun wieder deutlich mehr chemische Bindungsstellen für nachfolgend aufgebrachtes, höherviskoses Material; die chemische Bindung zwischen alter und neuer Compositematrix wird verbessert.
Betrachtet man den hohen Füllstoffgehalt der meisten heute gängigen Composites, so liegt der Gedanke nahe, bei der Reparatur auch freiliegende
Füllstoffoberflächen wieder möglichst fest mit neuer Compositematrix zu verbinden. Diese Verbindung erfolgt im nichtverarbeiteten Composite dergestalt, dass die Füllstoffpartikel in die Kunststoffmatrix eingebettet
liegen, chemisch mit ihr vernetzt durch einen Silanmantel („Silanisierung“). Wie bereits unter 2.4.4. beschrieben, ist zur Reparatur von Composites ein Anschleifen oder Anrauen der Compositeoberflächen vor der
Reparatur vorteilhaft. Bezogen auf die Füllerpartikel bedeutet dies allerdings ihre Exposition an der Oberfläche des Reparaturuntergrundes. Die Partikel werden mit angeschliffen; die Schliffflächen verfügen aber nicht über die Silanschicht, die zum chemischen Verbund mit dem neuen Composite notwendig ist. An diesem Punkt setzt die dritte Möglichkeit der Haftvermittlung im Rahmen der Compositereparatur an: Durch eine Neusilanisierung der Füllstoffpartikel könnte theoretisch wieder eine chemische Verbindung zu neuer Kunststoffmatrix hergestellt werden. Das in dieser Untersuchung näher betrachtete Monobond S (Fa. Vivadent) stellt als Medizinprodukt eine gebrauchsfertige Silanlösung bereit.
Haftvermittler auf Kunststoffbasis
Die Verwendung von niedrigviskosen, nicht oder wenig gefüllten Monomergemischen als Kunststoffhaftvermittler wird einhellig in allen ausgewerteten
Untersuchungen positiv bewertet, allerdings mit graduellen Unterschieden. Die Kombination von Schaffung einer mechanisch retentiven Oberfläche zusammen mit der Verwendung von Kunststoffhaftvermittlern wird dabei
immer wieder als Erfolgsparameter beschrieben. Verglichen mit unbehandelten Oberflächen erzeugt allerdings die mechanische Anrauung allein schon verbesserten Halt für eine neue Compositeschicht; die
zusätzliche Verwendung eines Haftvermittlers bringt darüber hinaus leichte Verbesserungen. Ahlers und Platzer untersuchten 1995 den von ihnen mitentwickelten Kunststoffhaftvermittler unter zahlreichen
Anwendungsbedingungen. Unter anderem verglichen sie die erreichte Scherfestigkeit der unter Verwendung des Haftvermittlers entstandenen Grenzschicht auf einem polierten Compositeuntergrund mit der auf einem mechanisch angerauten.
Die Scherfestigkeit steigerte sich von 18 MPa auf 26,1 MPa. Das Anschleifen allein ohne Kunststoffhaftvermittler erzeugte Scherfestigkeitswerte von 25,46 MPa. Puckett et al. publizierten 1991 eine Studie
über die Reparatur 3 verschiedener Composites und den zugehörigen Bondings:
- Repariert nach Anschliff entweder mit dem homologen Material ohne Verwendung von Bonding,
- repariert mit dem homologen Material unter Verwendung des zugehörigen Bondings oder
- repariert mit heterologem Composite unter Verwendung der jeweils dem Additiv vom Hersteller zugeordneten Bondings.
In allen Fällen steigerte die Verwendung von Bonding die Zugfestigkeit nach der Reparatur. Ein Produkt schnitt als Additiv deutlich schlechter ab als die
anderen, was Puckett mit der hohen Viskosität und der hierdurch beeinträchtigten Benetzungsfähigkeit dieses Bondings erklärte. Saunders (1990) sowie Frenzel und Viohl (1994) ergänzten angeschliffene
Compositeoberflächen unter drei unterschiedlichen Bedingungen: Entweder ohne Zuhilfenahme jeglicher Haftvermittler, unter Verwendung von Kunststoffhaftvermittlern oder unter Verwendung von Silan.
- Saunders bediente sich eines besonderen Versuchsaufbaus, der sog. „Staircasetechnik“. Mit Hilfe dieser Versuchsanordnung lässt sich eine Ermüdung des
Materials simulieren, d.h. ein Versagen der Reparaturfuge durch ständig wiederholte Belastung, die unterhalb der einmalig ermittelten Belastungsgrenze liegt. Die Reparatur mit Kunststoffhaftvermittlern ergab die
besten Ergebnisse.
- Frenzel undViohl bezogen noch den Aspekt der unterschiedlichen Matrixanteile bei Mikrofüllern und Hybriden mit ein. Sie setzten mikrogefüllte und
hybridgefüllte Composites einer 3-Punkt-Biegebelastung aus, nach Reparatur entweder mit Kunststoffhaftvermittler, Silan oder nach mechanischer Anrauung. Mit Kunststoffhaftvermittlern wurde 70% der
Biegefestigkeit eines unreparierten Kontrollkörpers erreicht, wobei die mikrogefüllten Composites die besten Reparaturergebnisse zeigten. Mit Silanisierung wurde 80% der Biegefestigkeit erreicht, allerdings mit
Hybridcomposites.Die Autoren erklärten die Unterschiede mit dem höheren Matrixanteil von mikrogefüllten Composites.
Die einzige Untersuchung, die einen negativen Einfluß des Anschleifens vor dem Bonding belegt, ist 1988 von Eliet al. durchgeführt worden. Sie
maßen die Scherfestigkeit reparierter Compositekörper, deren Ergänzung 48 h nach Polymerisation des Basiskörpers stattgefunden hatte. Durch die Verwendung von Bonding erreichten die Autoren – umgerechnet – 29,4-31,4
MPa [30-32 kg/mm2] im Vergleich zu 34,3-38,3 MPa [35-39 kg/mm2] Scherfestigkeit von homogenen Kontrollkörpern; ein vorheriges Anschleifen verschlechterte die Werte. Einen Vergleich von 7
unterschiedlichen Haftvermittlern erstellten Arzabalet al. 1986, darunter Schmelzbonding, Dentinbonding und eine Acryl-Polymer-Lösung. Die Prüfkörper wurden vor der Reparatur poliert und danach einer
3-Punkt-Biegebelastung ausgesetzt. Das untersuchte Dentinbonding erreichte die besten Ergebnisse, gefolgt vom Schmelzbonding. Alle anderen Stoffe erzielten eine geringere Haftung als eine Reparatur völlig ohne jeden
Haftvermittler.
Arzabal et al. vermuteten, dass der Erfolg des Dentinbondings darauf beruhte, dass in den untersuchten Bondings sowohl polare als auch apolare Gruppen
vorhanden waren und somit auch eine Haftung zu den anorganischen Füllstoffen erreicht wurde, während das Schmelzbonding ausschließlich an der Kunststoffmatrix haftete.
Mehrere neuere Untersuchungen beschäftigten sich mit der Problematik der Vorbehandlung von laborgefertigten Compositeinlays vor der adhäsiven Befestigung.
Shortall et al. (1995) als auch Shadad et al. (1998) stellten fest, dass die Schaffung von mechanischen Retentionen durch Anschleifen oder Sandstrahlen zusammen mit der Verwendung von Dentinadhäsiven die optimale
Vorbehandlung sind. Shadad et al. erzielten mit dieser Vorbehandlung in einem Scherversuch erstaunliche 99% (sic!) der Kohäsionswerte des verwendeten Inlaycomposites. Shortallet al. stellten heraus, dass die
Biegefestigkeit der Klebefuge durch vorheriges Abstrahlen bedeutend höher wird. Das Auftragen von Bonding allein erzielte diese Biegefestigkeit nicht; beide Vorbehandlungen zusammen ergaben die besten Ergebnisse.
Auch Matsumura et al. befassten sich 1995 mit der Vorbehandlung von indirekt gefertigten Compositeveneers vor der adhäsiven Eingliederung. Sie untersuchten auf angerauten Veneerinnenflächen den Effekt von Bondings
auf verschiedenen Monomerbasen. TEGMA-basiertes Bonding erzielte im Scherversuch deutlich bessere Werte als Bondings auf der Basis von UDMA allein oder MMA-UDMA-Kombinationen . Papazoglou et al. unternahmen 1999
eine Studie zur Ergänzung von Prothesenzähnen unter Verwendung MMA oder VEMA als Haftvermittler und erreichten mit beiden ähnliche Ergebnisse. Sie stellten sich die Frage, ob es zwischen Basiskunststoff und
Reparaturcomposite überhaupt zu einem chemischen Verbund kommt oder ob die Wirkung der niedrigviskosen Monomere viel eher in einer oberflächlichen Anlösung des Untergrundes und damit Schaffung von Retention besteht.
Diese Hypothese wird durch die angeführten Untersuchungen bestätigt, in denen bis auf eine Ausnahme übereinstimmend die Schaffung von mechanischen Retentionen zusammen mit einem niedrigviskösen
Kunststoffhaftvermittler als Erfolgsparameter herausgearbeitet wurde. Schon 1991 suchten Powers et al. ein physikalisches Erklärungsmodell für die Eigenschaften von Bondings. Sie maßen bei verschiedenen Polymer-Oligomerkombinationen die Eigenschaften wie Ausbreitungsgeschwindigkeit des Oligomers auf dem Polymer, den Kontaktwinkel der Oligomere zum Polymeruntergrund, die Oberflächenspannung und die Viskosität. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass niedrigvisköse Oligomere die größte Ausbreitungsgeschwindigkeit, den kleinsten Kontaktwinkel zum Untergrund und die geringste Oberflächenspannung aufweisen. Das liefert eine Erklärung dafür, warum die Benetzung einer Fläche mit niedrigviskosen Stoffen besser ist als mit höherviskosen.
Haftvermittler auf Silanbasis
Die Verwendung von Silanlösungen als Haftvermittler, die an den Füllkörpern der Composites ansetzen, wird in der Literatur im Gegensatz zu den
Kunststoffhaftvermittlern sehr unterschiedlich beurteilt. Die erste Untersuchung, die sich mit der Möglichkeit der Silanverwendung zur Compositereparatur befaßt, wurde 1986 von Söderholm durchgeführt. Er verglich
unter anderem unreparierte Prüfkörper mit reparierten Prüfkörpern, vor der Reparatur entweder angeschliffen und mit Schmelzbonding vorbehandelt oder vor der Reparatur mit einer 2%igen Silan-Toluen-Lösung
vorbehandelt. Verglichen wurde die Biegefestigkeit in einem 4-Punkt-Biegeversuch, durchgeführt 3 bzw. 6 Monate nach der Reparatur. Insgesamt erzielte die Silanisierung bedeutend bessere Werte als das
Kunststoffbonding: Während die Biegefestigkeit der Kontrollkörper nach 3 Monaten 70 MPa und nach 6 Monaten 55 MPa betrug, erreichten die silanvorbehandelten Prüfkörper Werte von 47 bzw. 46 MPa, die
kunststoffbondingvorbehandelten Prüfkörper 27 bzw. 21 MPa. Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigten nach der Behandlung mit Silan-Toluen eine raue Oberfläche frei von Schliffpartikeln — und sie zeigten Mikrorisse,
hervorgerufen wahrscheinlich durch das organische Lösungsmittel Toluen.
Bemerkenswert ist nach Auffassung Söderholms besonders der geringe Abfall der Biegefestigkeit von silanvorbehandelten Reparaturfugen. Dieses Ergebnis wurde in
der Folge von mehreren Untersuchern bestätigt (Marxet al. 1991, Frenzel und Viohl 1994, Matsumura et al.1995). Marx et al. stellten 1991 fest, dass bei der Reparatur von Keramikrestaurationen mit Composite im Mund die Verwendung von Silan vor dem zusätzlichen Bonding zu doppelter Biegefestigkeit der Reparaturfuge führt, verglichen mit der ausschließlichen Verwendung von Bonding. Die Steigerung von 21 auf 42 MPa bewerteten sie aber immer noch als nicht ausreichend für das Mundmilieu. Als positiv hingegen bewerteten sie – wie Söderholm – den geringen Abfall der Werte nach 30, 60 und 150 Tagen. Sie erklärten diese Beobachtung damit, dass bei der Hydrolyse von Silanen, wie sie im Mund stattfindet, hydrophobe Reaktionsprodukte entstehen. Diese erschweren das weitere Eindringen von H2O
in den Reparaturspalt. Frenzel und Viohl betrachteten in ihrer bereits erwähnten Untersuchung 1994 die Biegefestigkeit und das Elastizitätsmodul im 3-Punkt-Biegeversuch von 9 verschiedenen Composites repariert
mit Hilfe von Kunststoffhaftvermittler oder Silan. Die Autoren berichteten über 80% der ursprünglichen Biegefestigkeit nach einer Reparatur mit Silan und 70% bei Einsatz des Kunststoffhaftvermittlers. Im Hinblick
auf die reparierten Composites erzielten Mikrohybride die besten Ergebnisse. Die elektronenmikroskopische Auswertung zeigte nach Silanisierung – wie in den Arbeiten Söderholms – ein ausgeprägtes Oberflächenrelief.
Auch Bouschlicher et al. stellten 1997 in einem Scherversuch fest, dass Hybridcomposites im Vergleich zu mikrogefüllten Composites bessere Reparaturergebnisse nach Silanisierung zusammen mit Dentinbonding
ergeben. Die Autoren führten dies auf den höheren Füllstoffanteil der ersteren zurück. Zusätzlich positiven Einfluß hatte in ihrem Scherversuch die Vorbehandlung mit einem Diamantschleifkörper, der, wie die
elektronenmikroskopische Beurteilung der Schliffflächen vor der Reparatur zeigte, Makroretentionen und deutlich exponierte Füllerpartikel hinterließ. Matsumura et al. verglichen 1995 die
Scherfestigkeit der Klebefuge von Kunststoffveneers, hergestellt aus einem mikrogefüllten Composite, in Abhängigkeit zum einen von der Art der Kunststoffmatrix des verwendeten Bondings, zum anderen auch von der
zusätzlichen Silanisierung. Unabhängig davon, ob UDMA-, MMA-UDMA- oder TEGDMA-basiertes Bonding verwendet wurde, die zusätzliche Verwendung von Silan steigerte die Scherfestigkeit und dieser Effekt wurde nach
längerer Lagerung immer deutlicher. Die besten Ergebnisse erzielten sie mit der Verwendung eines TEGDMA-basierten Bondings zusätzlich zum Silan. Die Scherfestigkeit nach 1 Jahr Wasserlagerung betrug 38 MPa, ohne
Silanisierung 23 MPa. In anderen Untersuchungen wird beschrieben, dass der positive Effekt von Silanen bei der Compositereparatur zwar messbar, statistisch aber nicht relevant ist. In einer Studie von 1991
verglichen Söderholm und Roberts unreparierte Kontrollkörper, angeschliffene Probekörper repariert ohne Haftvermittler, angeschliffene Probekörper repariert mit Dentinhaftvermittler, angeschliffenen Probekörpern repariert mit Dentinhaftvermittler und zusätzlicher Silanisierung und schließlich einer Gruppe gereinigt mit Toluen und repariert mit Silan und Dentinhaftvermittler.
In diesem 4-Punkt-Biegeversuch stellten die Autoren keine relevanten Unterschiede zwischen den einzelnen Methoden fest. Sobald ein Haftvermittler verwendet wurde, war die Biegefestigkeit deutlich besser als bei der
Gruppe ohne Haftvermittler; untereinander unterschieden sie sich nicht statistisch relevant. Söderholmund Roberts interpretierten dieses Ergebnis mit der Annahme, dass die Haftwerte des verwendeten Silans und des
amphiphilen Dentinbondings an den Füllpartikeln vergleichbar sind. Mit dieser Hypothese gaben sie eine mögliche Erklärung für die Ergebnisse, die sich von Söderholms früherer Studie aus dem Jahre 1986
unterschieden. Auch Swift et al. kamen 1992 zu einem ähnlichen Ergebnis. Nach mechanischer Anrauung und nachfolgendem Dentinbonding erreichen sie in einem 3-Punkt-Biegeversuch 62% der Kohäsionswerte von
Kontrollkörpern; zusätzliche Silanisierung brachte statistisch keine relevante Veränderung. Immamura et al. stellten 1996 eine leichte Verbesserung der Scherfestigkeit von Reparaturfugen fest, wenn zusätzlich
zur Mikroabrasion die Verwendung eines Silans erfolgte. Die Scherfestigkeit eines reparierten mikrogefüllten Composites erhöhte sich von 8,7 MPa auf 34,2 MPa durch Mikroabrasion vor Reparatur und 39,8 MPa durch
Mikroabrasion und nachfolgender Silanisierung. Die Untersuchung von Broshet al. 1997 kam zu numerisch anderen, vom Ergebnis her aber ähnlichen Resultaten: Während Prüfkörper, die angeraut und ohne Haftvermittler
repariert wurden, eine Scherfestigkeit von durchschnittlich 7,9 MPa aufwiesen, erreichte die Scherfestigkeit nach zusätzlichem Bonding 10,6 MPa und nach Kombination mit Bonding und Silan 10,71 MPa. Auch sie sahen
den Haupteffekt in der mechanischen Retention. Saunders erkannte nach seinen Ergebnissen 1990 keinen messbaren Effekt von Silanen im Rahmen der Compositereparatur. Er verglich 3 verschiedene Composites mit
unterschiedlich hohen Füllstoffanteilen. Die Reparatur erfolgte nach Anrauung entweder ohne Haftvermittler, mit Scotchbond (einem Dentinbonding) oder mit Scotchprime (einer Silanlösung). Im – weiter oben schon
beschriebenen – Staircaseversuch ergab die Verwendung von Silan keine Veränderung der Ermüdungsbruchgrenze, während durch den Kunststoffhaftvermittler ein meßbarer positiver Effekt erreicht wurde. Der Autor
vermutete, dass der durch das Anschleifen entstehende Oberflächenfilm („Smearlayer“) eine Benetzung der Füllpartikel mit Silan verhindert. Ein mehrzeitiges Vorgehen, bei dem beispielsweise erst Silanlösung und
nachfolgend Bonding verwendet wird, hat Saunders in seiner Untersuchung allerdings nicht berücksichtigt.
Die einzige negative Bewertung von Silan bei der Compositereparatur stammt von Azarbal et al. (1986). Die Autoren behandelten Compositeoberflächen vor deren Ergänzung mit chemisch unterschiedlichen Substanzen wie Schmelzbonding, Dentinbonding, Silanprimer, einem Monomergemisch, Ethyl-acetat und Chloroform. Die Ergebnisse verglichen die Autoren mit je einer Kontrollgruppe kompakter Prüfkörper sowie einer mit ergänzten Prüfkörpern ohne jede chemische Behandlung. Alle Prüfkörper wurden vor der Reparatur mit 600er Sandpapier bearbeitet. Im 3-Punkt-Biegeversuch erreichten nur die mit Schmelz- oder Dentinbonding behandelten Compositeprüfkörper bessere Biegefestigkeiten als die unbehandelte Kontrollgruppe. Alle anderen Substanzen, einschließlich des Silans, verschlechterten die Biegefestigkeit der Reparaturfuge. Diese Ergebnisse waren bei 4 unterschiedlich gefüllten Composites vergleichbar; Füllstoffgröße oder -menge beeinflussten das Ergebnis nicht wesentlich.
Ein wichtiger Aspekt für die Silanisierung eines Composites vor der Reparatur ist die Frage, inwieweit sich die Füllkörper überhaupt mit Silan benetzenlassen, nachdem die Oberfläche angeschliffen und
dementsprechend mit Schliffpartikeln kontaminiert ist. In der weiter oben schon zitierten Studie Söderholms aus dem Jahre 1986 wurde auf den reinigenden Effekt des Lösungsmittels Toluen hingewiesen. Eine sehr
aufschlußreiche Studie in diesem Zusammenhang lieferten Shiraiet al. (2000). Sie befassten sich mit verschiedenen Methoden der Vorbehandlung von Füllkörpern vor Silanisierung bei der Compositeherstellung.
Kohlenstoff- und Sauerstoff-Verunreinigungen, wie sie auch beim Schleifen von Kunststoffmatrix entstehen, verhindern nach Angaben der Autoren die Benetzung der Füllkörperoberfläche mit Silan. Sie ermittelten als
adäquates Reinigungsverfahren in vitro das Kochen der SiO2-Partikel in 5%iger Natriumperoxidlösung und nachfolgender Ultraschallreinigung in Aceton. Daran wird allerdings auch deutlich, dass intraoral eine Reinigung der Compositoberfläche von Schliffpartikeln vermutlich nur sehr bedingt erfolgen kann. Saunders kam 1990 in seiner oben schon zitierten Untersuchung übrigens zu der gleichen Schlußfolgerung, was im Hinblick auf die Bewertung der Ergebnisse dieser Arbeit von erheblichem Interesse ist.
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2.4.6 Kunststoffmatrix des Additivs
Bei der Vielzahl der Compositeprodukte auf dem Markt ist es immer wieder möglich, dass eine Füllung repariert oder ergänzt werden soll, ohne dass bekannt ist,
um welches spezifische Produkt es sich handelt. Die Frage, inwieweit die unterschiedlichen Composites kompatibel sind oder nicht, hat deshalb eine erhebliche Bedeutung.
Die Literatur zu der Frage, inwieweit allein Füllstoffgröße und –menge verschiedener Composites einen Einfluss auf den Reparaturerfolg haben können, wurde
bereits an anderer Stelle besprochen (siehe 2.4.3).
Davon abgesehen verbleiben 2 wichtige Fragen hinsichtlich des Einflusses der Composite-Matrix:
- 1. Sind die verschiedenen gebräuchlichen organischen Anteile wie Bis-GMA,
UDMA und TEGMA miteinander kombinierbar, oder führt die Reparatur mit einem organisch unterschiedlich basierten Composite zu einem
Qualitätsverlust der Reparatur?
- 2. Hat der Polymerisationsmodus eine Bedeutung, lassen sich also
Autopolymerisate und Photopolymerisate miteinander kombinieren?
Die Antworten, die die verschiedenen Untersucher zu diesen Fragen einzeln und in Kombination beider Aspekte gefunden haben, unterscheiden sich nicht
wesentlich:
Pounder et al. kombinierten 1987 in ihren Versuchen 3 verschiedene, Bis-GMA-basierte Composites desselben Herstellers, darunter 2 Autopolymerisate und
ein Photopolymerisat. Sie fanden keinerlei Korrelation zwischen der Kombination der einzelnen Produkte und der erreichten Biegefestigkeit einer Reparatur. Eliet al. machten im darauffolgenden Jahr einen
Scherversuch mit der Kombination zweier Bis-GMA-basierter Photopolymerisate untereinander im Vergleich mit der Reparatur mit jeweils dem homologen Material und kamen zum gleichen Ergebnis wie Pounder et al. Auch
Bubb et al. 1994 und Shadadet al. 1998 konnten beim Vergleich unterschiedlicher Composites auf Bis-GMA-Basis keine Relevanz des spezifischen Produktes erkennen. Miranda et al. publizierten 1984 eine
vergleichende Untersuchung mit zwei unterschiedlich gefüllten Composites, „Adaptic“, einem makrogefüllten, autopolymerisierenden Bis-GMA Composite, und „Silar“, einem mikrogefüllten,
autopolymerisierenden Bis-GMA Composite. Die Reparatur erfolgte entweder mit dem homologen oder dem jeweils anderen Composite. Die bei der Überprüfung der Biegefestigkeit erreichten Werte variierten stark und hingen
von der Oberflächenbearbeitung ab, waren aber besser, wenn Adaptic als Additiv verwendet wurde. Chan und Boyer untersuchten 1983 die Qualität der Reparatur verschiedener Composites hinsichtlich deren
Zugfestigkeit (5 Bis-GMA-basierte Autopolymerisate, 1 UDMA-basiertes Autopolymerisat und 1 Bis-GMA-basiertes Photopolymerisat). Die Autoren stellten fest, dass die einzelnen Composites als Substrat zwar
unterschiedlich gut geeignet waren, die Reparaturwerte sich aber immer um einen Mittelwert in Höhe von 67,6% der Kohäsion eines unreparierten Kontrollkörpers bewegten, der substratbedingt unterschiedlich war, aber unabhängig von
den unterschiedlichen Additiven. Mitsaki-Matsou et al. publizierten 1991 eine sehr umfassende Untersuchung zur Zugfestigkeit reparierter Composites, die sich sowohl im Polymerisationsmodus als auch in der
Kunststoffbasis unterschieden und entweder homolog oder mit jeweils den anderen Materialien repariert worden waren. Auch sie stellten wie vor ihnen Chan und Boyer keine statistisch relevanten Unterschiede der
erreichten Zugfestigkeit in Abhängigkeit vom jeweils verwendeten Additiv fest. Die Composites als Produkte, gekennzeichnet durch die spezielle Kombination von Matrix und Füllstoffen, haben dagegen als Basis eine unterschiedliche Reparaturfähigkeit, die sich dann sowohl homolog als auch heterolog repariert niederschlägt.
Composites unterschiedlicher chemischer Basis sind kompatibel. Zu dieser Aussage kommen sowohl Dhuru und Llloyd 1985, Kao et al. 1988, Gregory et al. 1990 als
auch Sau et al. 1999. Alle Autoren untersuchten Kombinationen von Bis-GMA- und UDMA-basierten Composites; die beiden ersteren zusätzlich Auto- und Photopolymerisate. Keiner konnte statistisch relevante Unterschiede
bei der Verwendung der verschiedenen Compositekombinationen feststellen.
Puckett et al. kamen 1991 dagegen bei einer ähnlichen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass UDMA-basiertes Composite alsReparaturmaterial schlechter geeignet ist als Bis-GMA-basiertes, beide aber als Basismaterial gleichermaßen geeignet sind. Er empfiehlt deshalb ein Reparaturcomposite auf Bis-GMA-Basis.
Auch Tjan et al. hatten 1988 im Rahmen der Schichttechnik Bis-GMA und UDMA miteinander kombiniert, die Zugfesigkeit überprüft und fanden heraus, dass UDMA als Additiv weniger geeignet ist als Bis-GMA. Diese
Aussage ist die einzige, die klinisch eine gewisse Relevanz haben könnte. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Composites unterschiedlicher chemischer Basis ausreichend kompatibel sind, und zwar sowohl Auto-
und Photopolymerisate als auch die unterschiedlichen Matrixmonomere. Da wenige Untersuchungen zu dem Ergebnis kommen, dass UDMA-basiertes Composite als Reparaturmaterial schlechtere Ergebnisse zeigt als Composite
auf Bis-GMA-Basis, erscheint es allerdings günstiger, zur Reparatur von Compositefüllungen Bis-GMA-basierte Stoffe zu verwenden, um diese mögliche Mißerfolgsursache auszuschließen.
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2.4.7 Zeitpunkt der Belastung und Dauerhaftigkeit der Reparatur
Um den Erfolg einer Compositereparatur oder der adhäsiven Befestigung eines laborgefertigten Compositeinlays oder -veneers als klinisch erfolgversprechend
beurteilen zu können, ist die Frage nach der Dauerhaftigkeit ein wichtiger Aspekt. Eine Untersuchung, die die Scherfestigkeit von Compositeveneers nach adhäsiver Befestigung am längsten verfolgte, ist die von Matsumuraet al. 1995. Sie führten Scherversuche nach 24 Std., 3 Monaten, 6 Monaten und 1 Jahr nach der Verklebung durch. Die Compositeprüfkörper wurden mit unterschiedlichen Haftvermittlern vorbehandelt, mit Composite ergänzt und entweder trocken oder in H2O
37° C gelagert. Neben der Messung der Scherfestigkeit wurde der Frakturspalt unter dem Lichtmikroskop beurteilt. Nach Luftlagerung war kein signifikanter Abfall der Scherfestigkeit feststellbar, unter Wasserlagerung
fand ein leichter Abfall bei der Verwendung von Kunststoffbonding statt; die Brüche erfolgten an der Grenzfläche. Die Verwendung von Silan verbesserte die Werte unter Wasserlagerung nach einem Jahr, es fand zum Teil
sogar eine Steigerung der Haftwerte statt. Die Bruchflächen stellten sich hier nie als glatte Abscherungen dar, sondern waren immer mit Craquelierungen oder Fragmentverlusten der Grenzflächen verbunden. Alle
Scherfestigkeitswerte, ob mit Kunststoffbonding oder Silan, waren nach 1 Jahr klinisch akzeptabel.
In seiner Studie 1986 maß auch Söderholm nach 3 bzw. 6 Monaten Lagerung in Wasser einen Abfall der Haftwerte im 4-Punkt-Biegeversuch, der je nach
Haftvermittler unterschiedlich ausfiel. Auch seine Ergebnisse waren signifikant am besten nach zusätzlicher Verwendung von Silan. Während er den Abfall der Haftwerte von 27 auf 20 MPa nach Verwendung eines
Kunststoffhaftvermittlers auf hydrolytische Vorgänge zurückführt, erklärt er die Werte von 48 bzw. 47 MPa nach Silanisierung als Folge von guter mechanischer Verankerung. Marx et al. formulierten 1991 die
Hypothese, dass bei der Hydrolyse von Silanen hydrophobe Reaktionsprodukte entstehen, die das weitere Eindringen von Wasser in den Reparaturspalt erschweren und somit stabilisierend auf die Reparaturfuge wirken. Die
vorausgehende Untersuchung befasste sich allerdings nicht mit der Compositereparatur, sondern mit der Reparatur von Keramik. Andere Autoren sehen keinen messbaren Abfall der Haftwerte nach Compositereparatur.
Ahlerset al. testeten 1996 einen neuartigen Kunststoffhaftvermittler im Vergleich mit etablierten Produkten. Um die Alterung des reparierten Composites zu simulieren, unterzogen sie die Hälfte der Prüfkörper dem
Thermocycling, wechselhaftes Eintauchen der Prüfkörper über je 1 min in 5° und 55°C temperiertem Wasser über 1000 Zyklen, während die andere Hälfte vor der Durchführung des Scherversuchs 100 h in H20
gelagert wurde. Nach dem Thermocycling wurde kein signifikanter Abfall der Haftwerte festgestellt. Auch Shadad und Kennedy konnten 1998 nach 48 h, 7 d und 28 d keine Veränderung der Scherfestigkeit feststellen.
Ältere Untersuchungen von Causton 1975, der über 8 Wochen die Scherfestigkeit verfolgte und Chanet al. 1983, die über 7 Tage die Entwicklung der Zugfestigkeit überprüften, waren im wesentlichen zu den
gleichen Ergebnissen gekommen.
Chan stellte sogar einen Anstieg der Haftwerte fest. Seine Erklärung liegt in dem im Versuch verwendeten Autopolymerisat Concise. Er nimmt an, dass in den
ersten Tagen noch Nachpolymerisationsvorgänge stattfinden. Zusammenfassend ist nach diesen Ergebnissen davon auszugehen, dass die anfangs erreichten Haftwerte einer Compositereparatur weitgehend stabil sind.
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