5.
Recht auf freien Zugang zur Information
Ein
entscheidendes Kriterium für den Wert von Freiheitsrechten ist ihre
Durchsetzbarkeit vor Gericht und der ergänzende Schutz durch das
Strafrecht. Das Gesetz "Über die Massenmedien" bietet den
Journalisten, insbesondere den Redaktionen, einige rechtliche Ansprüche,
um ihr Recht auf Information durchsetzen zu können. Hinzu kommt ein
Strafgesetz, das die böswillige "Behinderung der gesetzlichen,
professionellen Tätigkeit der Journalisten" kriminalisiert. Der
Tatbestand dieser Strafvorschrift wurde allerdings im Jahr 1996
erheblich revidiert.[1]
Strafrechtliche Konsequenzen drohen nunmehr nur noch bei einigen
besonders schwerwiegenden Rechtsverletzungen, nicht aber bei einfacher
Informationsverweigerung. Beide Gesetze beziehen sich zudem auf die
Angehörigen der Presse, ohne das allgemeine Informationsrecht des Bürgers
zu beachten. Das Informationsrecht des Art. 29 Abs. 4 Verf RF steht
jedoch jedem zu. Seit einigen Jahren plante man daher, ein spezielles
Gesetz für das Bürgerrecht auf Information zu schaffen.[2]
Das vom Präsidenten der RF unterbreitete und im Herbst 1997 vorläufig
in erster Lesung angenommene Gesetzesprojekt "Über das Recht auf
Information" (Zakon RF "O prave na informaciju") ist
jedoch so kritisiert worden, dass seine Verabschiedung in dieser Form
zweifelhaft erscheint. Es enthält außerdem ebenso wie das Gesetz
"Über die Massenmedien" für die unbegründete
Informationsverweigerung keine speziellen Sanktionsmöglichkeiten, die
über die allgemeine Gesetzgebung hinausgehen.[3]
Im folgenden wird daher zunächst das Instrumentarium des Gesetzes
"Über die Massenmedien" dargestellt, das den Redaktionen der
Massenmedien zur Durchsetzung ihres Rechts auf Information verhelfen
soll. a) Auskunftsanspruch der Redaktion Art.
38 schreibt vor, dass staatliche und öffentliche Stellen den
Redaktionen auf Anfrage über ihre Tätigkeit Auskunft erteilen,
Pressekonferenzen geben, statistische Materialien verschicken usw. Die
Bestimmung des Art. 39 besagt, dass der Redaktion das Recht zusteht, über
die Tätigkeit staatlicher Organe und öffentlicher Organisationen
Informationen zu verlangen. Auskunftspflichtig sind die Leiter der
besagten staatlichen Organe und öffentlichen Stellen, ihre
Stellvertreter sowie die Mitarbeiter der Pressedienste und die zur
Auskunftserteilung bevollmächtigten Mitarbeiter und Angestellten. Die
zuständigen Befragten sind gegenüber den Redaktionen bzw.
redaktionsangehörigen oder von diesen beauftragten Journalisten dazu
verpflichtet, die Anfrage zu bescheiden. Den besonderen
Auskunftsanspruch der Medien bezieht das Gesetz "Über die
Massenmedien" also allein auf die Redaktionen. Der Bürger hat das
Recht auf "operativen Erhalt" von Informationen durch die
Medien. Hierdurch werden auch die in Art. 47 aufgezählten besonderen
Rechte des Journalisten relativiert, insbesondere das Recht, im
Zusammenhang mit einer Anfrage von Amtsträgern empfangen zu werden und
bei ihnen Dokumente einzusehen.[4] Das
Privilegium der Redaktionen besteht darin, dass jede Anfrage, sei sie mündlich
oder schriftlich gestellt worden, in einem bestimmten Verfahren form-
und fristgerecht beschieden werden muss. Für den Fall, dass die Anfrage
einer Redaktion nicht beantwortet wird, schreibt Art. 40 vor, dass die
zuständige Stelle innerhalb von drei Tagen schriftlich mitteilt:
Die
Dreitagesfrist braucht nicht eingehalten zu werden, wenn die Information
nicht innerhalb von sieben Tagen gewährt bzw. beschafft werden kann. Für
diesen Fall schreibt Art. 40 vor, dass die zuständige Stelle innerhalb
von drei Tagen nach Erhalt der schriftlichen Anfrage schriftlich
mitteilt:
Die Redaktion soll also auf jeden Fall nach spätestens drei Tagen wissen, ob sie die verlangte Information bekommt oder nicht, wobei von der zuständigen Stelle gefordert wird, dass sie sich im Falle der Informationsverweigerung auf ein Staatsgeheimnis, ein Geschäftsgeheimnis oder ein anderes gesetzlich besonders geschütztes Geheimnis beruft. b) Besondere Rechte des Journalisten Neben
dem Auskunftsanspruch der Redaktion bestehen die besonderen Rechte des
Journalisten, die Art. 47 aufzählt. Danach wird jedem Journalisten das
Recht gewährleistet
Das
Gesetz behandelt also Redaktionen und Journalisten als privilegierte
Informationsträger der Gesellschaft. Die Stellung der Redaktion wird
zusätzlich gestärkt: Nur der Redaktion wird der Auskunftsanspruch des
Art. 39 gewährt, und nur der Redaktion wird ein vor Gericht gültiges
Zeugnisverweigerungsrecht zuerkannt, mit dem sie ihre Informanten
wirkungsvoll zu schützen vermag (Art. 41 Abs. 2). Der einzelne
Journalist nimmt also seinem gesetzlichen Status entsprechend eine
Position zwischen dem Bürger und der Redaktion ein. Als Journalisten,
denen die Sonderrechte des Gesetzes "Über die Massenmedien"
zustehen, bezeichnet Art. 52 alle ständig angestellten Mitarbeiter
einer Redaktion, die sich mit dem Redigieren, Schreiben, Sammeln und
Vorbereiten von Mitteilungen und Materialien beschäftigen, die für
auflagenstarke Zeitungen und andere Massenmedien bestimmt sind, deren
Ausgaben durch ein Unternehmen, eine Organisation oder eine Einrichtung
verbreitet werden. Nicht bei einer Redaktion fest angestellte oder
vertraglich beschäftigte Autoren erlangen den gesetzlichen Status des
Journalisten, wenn sie von der Redaktion als freischaffende Mitarbeiter
anerkannt sind oder als unabhängige Korrespondenten im Auftrag einer
Redaktion arbeiten. Das
detailliert geregelte Anfragerecht der Redaktion und das umfassende
Besuchs- und Aufnahmerecht des Journalisten verschaffen den Massenmedien
gegenüber staatlichen und öffentlichen Stellen eine starke Position.
Es bleibt somit zu fragen, welche Rechtsmittel zur Verfügung stehen,
wenn sich eine Behörde zum Beispiel zu Unrecht auf das Staatsgeheimnis
beruft oder die Informationsverweigerung mit dem Dienstgeheimnis begründet.
c) Schadensersatzklage als einziges Rechtsmittel Art.
58 ("Verantwortlichkeit für die Schmälerung der Freiheit der
Massenmedien") besagt, dass die Verletzung des Anfrage- und
Auskunftsrechts der Redaktion entsprechend der Gesetzgebung der RF
strafrechtliche, administrative, disziplinarische oder andere
Verantwortlichkeit nach sich ziehen kann. Die Vorschrift enthält aber
keine genaueren Vorgaben hinsichtlich der Voraussetzungen und Folgen von
Rechtsverletzungen im einzelnen. Art.
61 eröffnet den Zivilrechtsweg gegen Informationsverweigerung oder
-verzögerung sowie die Nichtbeachtung der Form- und
Verfahrensvorschriften des Art. 40 (unter Punkt 3). Die Regelung sieht
vor, dass neben der Beseitigung der Rechtsverletzung der wirtschaftliche
Verlust einschließlich des entgangenen Gewinns des Herausgebers oder
der Redaktion eingeklagt werden kann. Zum Anspruchsgegner, zur
Schadensbemessung sowie zum Problem der Rechtzeitigkeit einer
gerichtlichen Entscheidung sind keine genaueren Bestimmungen enthalten. Eine gewöhnliche zivilrechtliche Schadensersatzklage stellt jedoch keine geeignete Reaktion auf die Informationsverweigerung eines Beamten dar. Entsprechende Gerichtsverfahren sind daher höchst selten.[6] Durch die Anfrage einer Redaktion bei einer staatlichen oder öffentlichen Stelle wird eher eine öffentlich-rechtliche als eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung begründet.[7] Die Darlegung einer zivilrechtlichen Schadensersatzforderung begegnet Schwierigkeiten. Mangels genauerer Bestimmungen können sowohl Anspruchsgegner als auch Bemessungsgrundlage zweifelhaft sein. Falls der zuständige Beamte oder die Behörde sich auf ein gesetzlich besonders geschütztes Geheimnis beruft, müsste der Kläger vor Gericht außerdem die anspruchsbegründende Tatsache darlegen und notfalls beweisen, dass die verlangte Information mit dem angegebenen, im Detail der Geheimhaltung unterliegenden Fragenkreis nichts zu tun hat. Hinreichende Aussicht auf Erfolg hätte die Klage demnach nur bei Informationen, die durch das Staatsgeheimnisgesetz von staatlicher Geheimhaltung ausdrücklich ausgenommen worden sind. Selbst in diesem Fall könnte sich eine Behörde noch versucht sehen, einen Zusammenhang der an sich freien Information mit gesetzlich besonders geschützten Geheimnissen zu behaupten, was nach dem Wortlaut des Gesetzes für ihre Geheimhaltung ausreichend sein kann (Art. 40 Satz 2 Nr. 1 präzisiert insofern Art. 40 Satz 1). Ein obsiegendes Urteil im gewöhnlichen Gerichtsverfahren wird außerdem meist zu spät kommen. Das Gesetz "Über die Massenmedien" gibt den Redaktionen also keine geeigneten, ausreichenden Mittel an die Hand, ihr Recht auf Information vor Gericht durchzusetzen. [1]
Art. 140 des früheren Strafgesetzbuches verbot allgemein jede
Behinderung der gesetzlichen professionellen Tätigkeit der
Journalisten. Der subjektive Tatbestand setzte hierbei jedoch die
Absicht des Täters voraus, die Freiheit der Presse oder anderer
Massenmedien einzuschränken - ein aus irdischeren Motiven
handelnder Täter konnte demnach auf Straffreiheit hoffen. [2]
Vgl. Pojasnitel´naja zapiska k proektu Federal´nogo zakona "O
prave na informaciju", in: ZiP 38 (Okt. 1997). [3]
Vgl. Art. 13 des genannten Gesetzesprojekts, der zur
Verantwortlichkeit für Verletzungen des Rechts auf Information
keine Stellung nimmt, sondern lediglich auf die Gesetzgebung der RF
verweist. [4]
Vgl. außerdem Art. 52 ("Spezieller Status des
Journalisten"), der die besonderen, über die allgemeinen Bürgerrechte
hinausgehenden Rechte der Journalisten davon abhängig macht, daß
der betreffende Journalist entweder festangestellter Mitarbeiter
einer Redaktion ist oder aber als freier Mitarbeiter geführt wird
und im Auftrag einer Redaktion arbeitet. [5]
Art. 42 Abs. 1 des Gesetzes "Über die Massenmedien"
besagt, daß die Redaktion dazu verpflichtet ist, die Autoren- und
Herausgeberrechte und die sonstigen Rechte am geistigen Eigentum der
von ihr verbreiteten Werke zu beachten. Der Autor oder der jeweilige
Rechtsinhaber dieser Rechte darf sich Art und Weise ihres Gebrauchs
ausbedingen und den Charakter der Darstellung mit der Redaktion
abstimmen. [6]
A. Voinov, "Zakonodatel´stvo o SMI Rossii, problemy,
medunarodnyj informacionnyj obmen", in: Medunarodnyj seminar
"Koncepcija Zakonodatel´stva o sredstvach massovoj informacii
dlja posttotalitarnich gosudarstv". [7]
Vgl. die deutsche Regelung: Der Anspruch der Medien auf
Auskunftserteilung ist in der Regel vor den Verwaltungsgerichten im
Wege der Leistungsklage geltend zu machen, weil er sich aus den
Landespressegesetzen ergibt.
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