c) Vergleichsweise freies GUS-Mitglied (Lange) Der
im Mai 1997 veröffentlichte Bericht von Yasha Lange "Medien in
der GUS, Eine Studie über die politischen, rechtlichen und sozialökonomischen
Rahmenbedingungen" (Europäisches Medieninstitut, Düsseldorf)
untersucht und vergleicht das Maß an Pressefreiheit, das die Mitglieder
der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) ihren Massenmedien gewährleisten.
Zusammenfassend stellt Lange fest: Für die GUS insgesamt gilt, dass die
Behörden die Kontrolle über wichtige staatliche Massenmedien nicht aus
der Hand gegeben haben. Wenn sie unabhängige oder oppositionelle
Massenmedien nicht gesetzlich ächten wie in Uzbekistan und
Turkmenistan, oder wenn sie keine strikte Kontrolle ausüben wie in
Azerbajdžan
und Tadžikistan,
dann haben sie zumindest wichtige Hebel behalten: Sie können
Subventionen zurücknehmen, die Miete von Redaktionsgebäuden erhöhen,
Druck und Verbreitung von Zeitungen ablehnen, die Registrierung hinauszögern,
einem Sender die Lizenz oder Frequenz verweigern, die Tarife für
Dienstleistungen und Produkte hinaufsetzen, den Zugang zur Information
beschränken oder Beleidigungs- und Verleumdungsprozesse anstrengen.[1] Der
Bericht stuft die Rußländische Föderation zusammen mit der Ukraine
als freieste Bereiche für Massenmedien in der GUS ein. Der größte
Unterschied zu den anderen Staaten der GUS wird vor allem darin gesehen,
dass das private Fernsehen eine ernste Herausforderung für die
nationalen Programme ist. In beiden Staaten sind zahlreiche nominell
unabhängige Sender, Produzenten, Zeitungen, Magazine usw. anzutreffen,
die eine lobenswerte Vielfalt unter Beweis stellen. Politische Zensur
oder direkte Einmischung von staatlicher Seite ist demzufolge nicht
vorhanden. Wenn Druck ausgeübt wird, dann indirekt mittels der
staatlichen Kontrolle über technische Einrichtungen, Registrierung und
Lizenzierung oder mit Hilfe ökonomischer Hebel von Seiten des Staates
sowie der Privatunternehmen.[2]
Nach Langes Darstellung wurde der TV-Sektor Rußlands zu gleichen
Anteilen zwischen staatlichen und privaten Kanälen aufgeteilt, obgleich
sich, wie sie einräumt, die Grenze zwischen staatlichem und privatem
Eigentum nicht immer eindeutig bestimmen lässt. Die erfolgreichen
kommerziellen Sender NTV und TV-6 arbeiten Seite an Seite mit den
regierungskontrollierten Schwergewichten ORT und RTR. Demgegenüber ist
die Reichweite der zentralen Moskauer Printmedien zwar in den letzten
zehn Jahren geschrumpft, eine Reihe von Zeitungen hat jedoch eine hohe
Auflage und landesweite Verbreitung halten können und einige unter
ihnen werden von der politischen Elite in Moskau als einflussreich
angesehen. Das Angebot an regionalen Zeitungen ist nahezu stabil
geblieben, obgleich sich viele Ausgaben umregistrieren ließen, andere
eingingen und neue gegründet wurden.[3]
Trotz der vergleichsweise günstigen Bilanz für Rußland sind einige ungelöste Probleme bestehen geblieben, die die Pressefreiheit beeinträchtigen. Die geringe Kaufkraft der Bevölkerung, die hohen Produktions- und Verbreitungskosten sowie die bisher noch zu geringen Einkünfte aus der Werbung führen dazu, dass nur eine Handvoll von Massenmedien ohne Sponsoren auskommen, seien es nun staatliche Hilfen oder private Unterstützungsmaßnahmen durch Fremdfirmen. Dabei beklagt Lange vor allem die selektiven staatlichen Subventionen, das staatliche Druckmonopol, die Regierungskontrolle der staatlichen Sender und die Lizenzvergabe ohne gesetzliche Grundlage. Wie der Bericht ferner mitteilt, sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Massenmedien umfassende Freiheiten vor und fördern in gewisser Weise sogar den Pluralismus. Das Fehlen eines Fernseh- und Rundfunkgesetzes sowie eines Gesetzes für den freien Zugang zur Information sind aber als schmerzliche Lücken im Rechtssystem anzusehen. Betrachtet man außerdem das Zusammenwirken staatlicher Behörden, die ökonomischen Druck ausüben, und großer privater Gesellschaften und Banken, die die wichtigsten Massenmedien unter sich aufgeteilt haben und nicht selten gute Verbindungen zu den staatlichen Organen pflegen, dann muss nach der Ansicht von Lange bezweifelt werden, ob den "unabhängigen" Massenmedien überhaupt noch ein nennenswerter Spielraum zur Verfügung steht.[4] [1]
Y. Lange (1997), Media in the CIS, S. 21. [2]
Y. Lange, aaO., S. 25 / 27. [3]
Y. Lange, aaO., S. 196. [4]
Y. Lange, aaO., S. 197.
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