8.
Widerrufs- und Gegendarstellungsrecht
Nach
Art. 43 des Gesetzes "Über die Massenmedien" kann ein Bürger
oder eine Organisation von der Redaktion den Widerruf von
Tatsachenmitteilungen verlangen, die nicht der Wahrheit entsprechen und
ihre Ehre oder Würde verletzen. Ist die Redaktion nicht dazu in der
Lage, die Richtigkeit der von ihr verbreiteten Behauptungen zu beweisen,
dann ist sie dazu verpflichtet, im entsprechenden Massenmedium einen
Widerruf zu veröffentlichen. Legt der Bürger oder die Organisation
einen eigenen Widerrufstext vor, so muss dieser Text veröffentlicht
werden, sofern er nicht den Anforderungen des Gesetzes "Über die
Massenmedien" widerspricht. Die Redaktion eines Radio- oder
Fernsehprogramms kann dem Bürger oder Vertreter der Organisation hierzu
die Gelegenheit geben, den eigenen Text für die Aufzeichnung
vorzulesen. Die
Durchführung des Widerrufs ist in Art. 44 genauer geregelt: Im Widerruf
sind die Tatsachen zu bezeichnen, die nicht der Wahrheit entsprechen,
sowie wann und wie sie durch das betreffende Massenmedium verbreitet
wurden. Der gedruckte Widerruf soll unter der Überschrift
"Widerruf" an derselben Stelle und mit derselben Schriftgröße
veröffentlicht werden, wie die widerrufenen Tatsachenbehauptungen. Der
ausgestrahlte Widerruf soll zur gleichen Sendezeit und möglichst in der
gleichen Sendung wie die dementierten Mitteilungen erscheinen (Prinzip
der Waffengleichheit). Der Umfang des Widerrufs darf denjenigen des
betreffenden Fragmentes, das die widerrufenen Tatsachen oder Materialien
enthielt, nicht um das Doppelte übersteigen. In jedem Fall darf nicht
verlangt werden, dass der Text des Widerrufs kürzer ist als eine
gedruckte oder vorgelesene Standardseite in Schreibmaschinenschrift. Zu
veröffentlichen ist der Widerruf im Falle von Massenmedien, die
mindestens einmal pro Woche erscheinen, innerhalb einer Frist von zehn
Tagen nach Erhalt der Widerrufsaufforderung, andernfalls in der
vorbereiteten oder nächsten geplanten Ausgabe. Außerdem ist die
Redaktion dazu verpflichtet, binnen eines Monats nach Erhalt des
Widerrufsverlangens oder des Widerrufstextes die Betroffenen darüber zu
informieren, ob und wann sie den Widerruf vornimmt. Art.
45 zählt schließlich zugunsten der Redaktionen die Weigerungsgründe
auf: Ein Widerruf darf nicht ergehen, wenn er einen Missbrauch der
Freiheit der Masseninformation nach Art. 4 darstellen würde, wenn er
einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung widerspricht oder wenn er
anonym ist. Die Redaktion darf den Widerruf auch verweigern, wenn
Tatsachenbehauptungen widerrufen werden sollen, die im betreffenden
Massenmedium bereits widerrufen wurden, oder wenn seit ihrer Verbreitung
mehr als ein Jahr vergangen ist. Ebenso muss die gerichtliche Anfechtung
der Weigerung oder die Verletzung der genannten Widerrufsregeln
innerhalb eines Jahres erfolgen. Auf
das Recht des Bürgers bzw. einer Organisation, unabhängig von der
Rechtswidrigkeit der in Frage stehenden Behauptungen im betreffenden
Massenmedium eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, sollen die
Regeln über den Widerruf entsprechende Anwendung finden. Hierbei ist zu
beachten, dass eine etwaige Antwort auf die Gegendarstellung erst in der
nächsten Ausgabe gegeben werden darf (Glossierungsverbot), es sei denn,
es handelt sich um einen Redaktionskommentar. Bei der Regelung des
Widerrufs und der Gegendarstellung gelten somit die Prinzipien der
Waffengleichheit und das Glossierungsverbot. Das außergerichtliche Verfahren nach dem Gesetz "Über die Massenmedien" wird in der Praxis oft umgangen, um den Anspruch sogleich auf dem Klagewege zu verfolgen.[1] Denn Art. 152 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der RF (Graždanskij kodeks, abgekürzt GK RF) sieht zum Schutz der Ehre, der Würde und des geschäftlichen Rufes nicht nur Gegendarstellung und Widerruf vor, sondern bietet unter Punkt 5 auch die Möglichkeit, den Ersatz des erlittenen immateriellen Schadens zu verlangen (vgl. Art. 1099 ff. GK RF). Die Höhe des Schadensersatzes bestimmt der Richter nach eigenem Ermessen, wobei er Art und Ausmaß der erlittenen physischen und "moralischen" Schmerzen, ggf. auch die Schuld des Verletzers zu berücksichtigen hat (Art. 1101 Punkt 2 GK RF). Vielen Klägern geht es mit ihrer Klage vorrangig darum, Schadensersatz einzustreichen, und weniger um einen unverzüglichen Widerruf. Das Mittel der Gegendarstellung wird nach der Darstellung eines neueren Untersuchungsberichts kaum in Anspruch genommen (vgl. siebtes Kapitel, 2. b). [1] Vgl. Postanovlenie Plenuma Verchovnogo Suda RF, 18. August
1992 Nr. 11: Da in Art. 152 Punkt 1 und 7 GK RF festgestellt wird,
daß der Bürger den Widerruf vor Gericht erstreiten darf, ist für
die gerichtliche Verfolgung nicht Voraussetzung, daß der Anspruch
zuvor außergerichtlich nach den Regeln des Gesetzes "Über die
Massenmedien" geltend gemacht wurde.
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