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8. Zusammenfassende Bewertung

 

Die in diesem Kapitel vorgestellten Gesetze und Gesetzesprojekte wurden als Beispiele für die Gesetzgebung nach 1992 ausgewählt. Jedes dieser Regelungswerke berührt mehr oder weniger den Bereich der Massenmedien. Es wird deutlich, dass es wieder einfacher geworden ist, Rechte einzuschränken als zu erweitern. Insbesondere das Recht auf freien Zugang zur Information, das Verbot der Präventivzensur sowie das Gebot, bei der gesetzlichen Einschränkung der Medienfreiheit die Verhältnismäßigkeit zu wahren, sind vom Gesetzgeber nicht hinreichend beachtet worden. Die Gesetzgebung hat die Rechtslage eher zum Nachteil der Massenmedien ausgestaltet, indem sie andere gesetzgeberische Ziele wie z.B. den Schutz der staatlichen Sicherheit, den (Wieder-)aufbau eines "einheitlichen Informationsraumes" oder den Schutz der Jugend und der öffentlichen Moral als vorrangig behandelt hat. Die Freiheitsrechte der Massenmedien, die mit der Verfassung der RF von 1993 garantiert wurden, haben somit ihre rechtliche Durchsetzungskraft und gesamtstaatliche Geltung fast ausschließlich dem föderalen Gesetz "Über die Massenmedien" von 1991 zu verdanken.

 

Das Gesetz "Über das Staatsgeheimnis" vom Juli 1993 stellte insofern noch einen rechtsstaatlichen Fortschritt dar, als hiermit erstmals der große, bisher gerichtlicher Überprüfung so gut wie vollständig entzogene Bereich der Staatssicherheit transparenter wurde und im Hinblick auf grundlegende Rechtsgarantien der Verfassung wichtige gesetzliche Einschränkungen erfuhr.

 

Der Bereich der elektronischen Massenmedien konnte indessen nach der Auflösung des Obersten Sowjets im Herbst 1993 nicht mehr gesetzlich geregelt werden. 1994 bestimmte die Regierung der RF die Lizenzvergabe an die Fernseh- und Radiogesellschaften in eigener Regie.

 

Im Januar 1995 verabschiedete die Staatsduma das Gesetz "Über die Ordnung der Berichterstattung über die Tätigkeit staatlicher Organe durch die staatlichen Massenmedien", das den staatlichen Medien, vor allem der staatlichen Fernsehgesellschaft VGTRK, detaillierte Vorgaben hinsichtlich der Art und des Umfangs der Berichterstattung über staatliche Organe macht. Im Februar 1995 legte der Staat sodann mit dem Gesetz "Über Information, Informatisation und den Schutz der Information" den Grundstein für die Wiedereroberung des "einheitlichen Informationsraums" Rußlands. Der Bereich der nicht uneingeschränkt zugänglichen Informa­tionen, der sich aufgrund des weiten Staats­geheimnisbegriffes und der geheimen Unterverzeichnisse nur schlecht eingrenzen lässt, wurde durch den Begriff der "vertraulichen Information" noch diffuser. Im Namen des Datenschutzes ermöglicht das Gesetz hingegen eine umfassende und flexible staatliche Dokumentenverwaltung und -kontrolle.

 

Im Rahmen der Strafrechtsreform von 1996 nahm man den strafrechtlichen Schutz der journalistischen Tätigkeit weitgehend zurück. Der seit längerem geplante Gesetzentwurf "Über das Recht auf Information" kam auch 1998 / 99 über das Versuchsstadium nicht hinaus. Stattdessen untergrub die Staatsduma mit zahlreichen Änderungsvorschlägen zum Gesetz "Über die Massenmedien" und mit dem Propagieren eines mächtigen Sittenrats für Fernsehen und Rundfunk das Sicherheitsgefühl der russischen Journalisten und weckte Befürchtungen hinsichtlich der Wiedereinführung der Zensur. Die Verabschiedung des dringend benötigten Fernsehgesetzes misslang hingegen abermals. Im Vergleich mit der produktiven ersten Legislaturperiode der RF (siehe Schaubild 5) fällt auf, dass die Staatsduma in der zweiten Legislaturperiode von 1995 - 1999 trotz vieler Gesetzesentwürfe im Bereich der Massenmedien nur wenige Gesetze auf den Weg brachte.

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