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3. Weitere Änderungsentwürfe: Korrekturen und Ergänzungen

 

a) Streichung einschränkender und grundrechtswidriger Bestimmungen

 

Etwa 50 Stellungnahmen und Gutachten, und zwar nicht nur die des Präsidenten und der Regierung der RF, sondern auch viele aus den Regionen Rußlands, legten eine grundlegende Überarbeitung des ersten Änderungsentwurfs nahe. Eine aus Experten gebildete Arbeitsgruppe brachte über dreihundert Verbesserungsvorschläge in das Komitee für Informationspolitik und Nachrichtenwesen ein. Zu Beginn der zweiten Lesung über das Änderungsgesetz[1] stellte R. G. Gabidullin von der Fraktion der KPRF eine lange Liste zurückgenommener Änderungsvorschläge vor, die zu unrecht in die Freiheitsrechte des Gesetzes "Über die Massenmedien" eingegriffen hätten.

 

Die Einschränkung der Gründungsfreiheit, die Klagebefugnis für jedermann gegen die Massenmedien und die Einengung der Definition der Zensur wurden gestrichen. Adressaten des Zensurverbots sollen neben den staatlichen und kommunalen Organen auch "beliebige juristische Personen und gesellschaftliche Vereinigungen von Bürgern" sein. Herausgeber kann wieder "eine natürliche oder juristische Person, unabhängig von ihrer eigentums- und organisationsrechtlichen Form" sein. Der Herausgeber "soll", wie Gabidullin es formulierte, lediglich später, nachdem das Massenmedium registriert wurde und seine Tätigkeit aufgenommen hat, als Einzelunternehmer registriert werden.

 

Die Einstellung oder vorübergehende Aussetzung der Tätigkeit eines Massenmediums dürfen neben dem Herausgeber bzw. Sender selbst nur die zuständigen staatlichen Kontrollorgane beantragen, also nicht mehr jeder interessierte Bürger und auch nicht mehr die Organe der Staatsanwaltschaft, die der frühere Entwurf zur Aufsicht über die Einhaltung der Gesetze durch die Massenmedien aufrief. Als Antragsbegründung kommt ausschließlich die wiederholte Verletzung der Anforderungen des Art. 4 des Gesetzes "Über die Massenmedien" in Frage, alle im früheren Entwurf neu eingeführten zusätzlichen Begründungen sind entfallen.

 

Gleichfalls unverändert blieb die bisher geltende Vorschrift über die gesetzlich zulässigen Fälle der Entziehung der Akkreditierung von Journalisten bei staatlichen Organen oder gesellschaftlichen Einrichtungen und Vereinigungen. Die besonderen gesetzlichen Anforderungen an den Vertrag zwischen dem Herausgeber und der Redaktion wurden aufgegeben. Die rechtliche Regelung computergetragener Informationen soll nunmehr einem besonderen Gesetz vorbehalten bleiben. Schließlich wurden sogar sämtliche Übergangsvorschriften fallengelassen, mit deren Hilfe der frühere Entwurf die Umsetzung der rechtlichen Neuregelung erzwingen wollte. Nur die Bestimmung des Herausgebers zum alleinverantwortlichen Eigentümer eines Massenmediums wurde beibehalten. Gabidullin verkündete:

 

"Nach der Annahme des Gesetzes wird Schluss sein mit dieser Verwirrung, in der drei "Pravdas" herausgegeben werden, mehrere Prätendenten eine Ausgabe beanspruchen oder jemandem auf unverschämte Weise die Rechte des Herausgebers von einem anderen genommen werden. Auch wird es nicht mehr möglich sein, dass jemand als wahrer Eigentümer über die von einem anderen gegründete Ausgabe verfügt." [2] 

 

b) Sonderstellung "staatlicher Massenmedien"

 

Um die Folgen der vorgesehenen Neuregelung der Figur des Herausgebers und Eigentümers eines Massenmediums für die kommunalen Zeitungen und das staatliche Fernsehen zu modifizieren, wurde bereits im Entwurf vom November 1998 der Begriff des "staatlichen Massenmediums" eingeführt.[3] Staat und Kommunen sollen fortan die Kontrolle über "ihre" Massenmedien ausüben, indem sie mittels des "Kollegiums der staatlichen Repräsentanten" (Kollegija predstavitelej gosudarstva) bzw. eines entsprechenden kommunalen Gremiums die Oberaufsicht führen und die wichtigsten Entscheidungen über das Massenmedium selbst treffen. Dazu gehören die Ernennung des "ausführenden Direktors" und des Chefredakteurs, die Bestätigung der Satzung des Herausgebers, der Programmgrundsätze und der geplanten Entwicklung des Unternehmens, die Zustimmung zum Jahresabschluss sowie die Entscheidung über Liquidation oder Umwandlung des Unternehmens. Das "Kollegium der staatlichen Repräsentanten" fällt außerdem ganz allgemein die "Entscheidungen über die Informationspolitik und andere Fragen der Ausgabe des Massenmediums, die für den Chefredakteur und den ausführenden Direktor verbindlich sind" (Art. 22 des Gesetzesprojektes, November 1998). Die Einführung dieser Sonderaufsicht über staatliche Massenmedien kommt einer Generalbevollmächtigung für jede direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Redaktion gleich. Das Kollegium der staatlichen Repräsentanten würde so die Aufgaben des Chefredakteurs und des ausführenden Direktors zum großen Teil selbst übernehmen.

 

Auch die Frage der Zusammensetzung der neuen staatlichen Aufsichtsorgane war im Novemberentwurf schon entschieden worden. Die betreffenden Kollegien föderaler staatlicher Massenmedien sollten gemäß ihrer politischen Bedeutung in paritätischer Besetzung aus Vertretern des Präsidenten der RF, der Regierung der RF, der Staatsduma und des Föderationsrats der RF gebildet werden. Ebenso sollten die staatlichen Unternehmen der Föderationssubjekte von Kollegien geführt werden, die zu gleichen Anteilen aus Vertretern der Legislative und der Exekutive bestehen, und die kommunalen Unternehmen von Kollegien, deren Mitglieder von den Organen der kommunalen Selbstverwaltung bestimmt werden.

 

Diese Regelung hätte unter anderem das bisherige Übergewicht von Regierung und Präsidialadministration bei der Führung der VGTRK beseitigt. Das Komitee für Informationspolitik und Nachrichtenwesen schuf einen neuen Streitpunkt, der die spätere Verabschiedung des Änderungsentwurfs als föderales Gesetz  grundsätzlich in Frage stellte. Der nächste Entwurf zur Änderung des Gesetzes "Über die Massenmedien" vom 22. Dezember 1998 [4] klammert daher die Bestimmungen über die Zusammen­setzung der "Kollegien staatlicher Repräsententen" zunächst aus und überlässt die gesetzliche Ausgestaltung der Leitung staatlicher Massenmedien, insbesondere die Beteiligung des Parlaments, einem zukünftigen, eigenen Gesetz (Art. 22 des geänderten Gesetzesprojekts, Dezember 1998).

 

Auch die Definition "staatlicher Massenmedien" bedarf noch der Klärung: "Unter einem staatlichen Herausgeber und einem staatlichen Sender ist ein Herausgeber oder Sender zu verstehen, der eine juristische Person darstellt, deren Vermögen dem Eigentumsrecht der RF oder eines Subjektes der RF unterfällt." (Art. 2 des Gesetzesprojektes, Februar 1999). Bei dieser Formulierung bleibt zunächst unentschieden, ob auch solche Massenmedien, die nicht ausschließlich dem Staat gehören, wie zum Beispiel ORT, als "staatliche Massenmedien" gelten sollen.

 

Die Einführung des Begriffs "staatliche Massenmedien" ist mithin zunächst als Ergänzung zur geplanten Einführung der Figur des Herausgebers und Eigentümers zu sehen. Sie stellt zugleich aber auch schon die Weichen für eine unterschiedliche Geltung der Freiheitsrechte des Art. 29 Verf RF und eine entsprechende Ausformung des Gesetzes "Über die Massenmedien", je nachdem, ob es sich um ein privates oder ein staatliches Massenmedium handelt. Die Wirkung des Art. 19 des Gesetzes "Über die Massenmedien" könnte bei den staatlichen Massenmedien stark relativiert oder sogar völlig ausgehöhlt werden. Den Journalisten staatlicher Massenmedien könnte eine Art Sonderrechtsverhältnis drohen, in dem sie den besonderen Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten des Staates unterworfen werden.

 

c) Vorschriften zur Konzentrationsbeschränkung

 

Die Einführung des Begriffs der "staatlichen Massenmedien" stellte nicht das entscheidende Hindernis für die Verabschiedung des Änderungsentwurfs dar. Alle möglichen Streitfragen, die sich aus der beabsichtigten gesetzlichen Sonderstellung staatlicher Medien und der Beteiligung der gesetzgebenden Gewalt bei ihrer Aufsicht und Leitung ergeben können, wurden beiseite gelassen und der Entscheidung durch das in Aussicht gestellte Fernsehgesetz oder ein weiteres Gesetz über staatliche Massenmedien und ihre "Kollegien staatlicher Repräsentanten" vorbehalten. Als unglücklicher Streitpunkt erwiesen sich hingegen die Vorschriften gegen die Monopolisierung privater Massenmedien (Art. 4-1 des Gesetzesprojektes). In der Fassung vom 22. Dezember 1998 lauten sie:

 

"Ein Sender darf nicht zugleich auch als Herausgeber von mehr als einer periodischen Druckausgabe auftreten, die politische und gesellschaftliche Informationen enthält und auf dem Territorium der Sendelizenz mindestens ein Mal pro Woche erscheint.

 

Ein Sender darf nicht über mehr als eine Sendelizenz verfügen, falls die Sendegebiete der Fernseh- oder Radioprogramme, für die seine Sendelizenzen gelten, sich zu mehr als 30 % überschneiden.

 

Eine juristische Person oder eine Gruppe von Personen, die auf dem Markt der Waren und Dienstleistungen eine dominierende Stellung einnehmen, Finanz-Industrie-Gruppen und Kreditorganisationen dürfen nicht Herausgeber periodischer Druckausgaben oder Sender sein, und sich ebenso nicht unmittelbar oder mittelbar am Satzungskapital eines Herausgebers oder Senders beteiligen, falls sie auf diese Weise die Möglichkeit erlangen, die Entscheidungsfindung bei der Vorbereitung und Ausgabe des Massenmediums zu bestimmen. Diese Beschränkung findet keine Anwendung auf Personen und Organisationen, die periodische Druckausgaben herausgeben, deren Thematik ausschließlich mit der hauptsächlichen Tätigkeit der besagten Personen und Organisationen befasst ist.

  

In dem Fall, dass die Fernseh- und Radioprogramme eines Senders auf den Territorien von mehr als zehn Föderationssubjekten der RF verbreitet werden, dürfen einer juristischen oder natürlichen Person weder unmittelbar noch mittelbar mehr als 25 % der Aktien (Anteile) des Senders gehören.

 

Eine juristische oder natürliche Person, die mehr als 15 % der Aktien (Anteile) eines Senders besitzt, dessen Fernseh- oder Radioprogramme auf den Territorien von mehr als zehn Subjekten der RF verbreitet werden, darf nicht mehr als 15 % der Aktien (Anteile) eines anderen Senders besitzen, dessen Fernseh- oder Radioprogramme gleichfalls auf  den Territorien von über zehn Subjekten der RF ausgestrahlt werden.

 

Im Falle der Verletzung der Anforderungen des ersten bis fünften Absatzes dieses Artikels werden die Registrierungsbescheinigung des Massenmediums sowie die Sendelizenz im Gerichtsverfahren annulliert.

 

Im Falle des Wechsels des Herausgebers oder Senders oder im Falle, dass eine juristische oder natürliche Person ein Aktienpaket (einen Anteil) des Herausgebers oder Senders erwirbt, das der besagten Person die Möglichkeit eröffnet, die Entscheidungen zu bestimmen, die der Herausgeber oder Sender bei der Vorbereitung und Ausgabe des Massenmediums trifft, muss innerhalb eines Monats nach dem Wechsel des Herausgebers oder Senders oder dem Abschluss des betreffenden Geschäftes eine Mitteilung hierüber im Massenmedium des Herausgebers oder Senders veröffentlicht werden, die unbedingt den Besitzer des Aktienpaketes (Anteils) und die Anzahl der Aktien im betreffenden Paket (Anteil) angibt (Übers. d. Verf.)"

 

Diese Konzentrationsbeschränkungen wurden durch eine zusätzliche Bestimmung ergänzt, die Mehrheitsbeteiligungen von ausländischen Personen untersagt (Art. 7 am Ende): "Ein Massen­medium herausgeben dürfen nicht: (...) ausländische Bürger oder Personen ohne Staats­angehörig­keit; eine juristische Person, an deren Satzungskapital einer ausländischen juristischen Person oder einem ausländischen Bürger ein Aktienpaket (Anteil) gehört, das ihm die Möglichkeit gibt, die Entscheidungen zu bestimmen, die bei der Vorbereitung und Ausgabe des Massenmediums getroffen werden (Übers. d. Verf.)."

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[1] Vgl. Sitzungsprotokoll der zweiten Lesung über das Gesetzesprojekt "Über Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes der RF `Über die Massenmedien´" am 17. Februar 1999, unter: http://www.duma.gov.ru/infocom/, download 28.3.99.

[2] R. G. Gabidullin zur Vorstellung des Änderungsprojektes, Sitzungsprotokoll vom 17. Februar 1999, aaO.

[3] Vgl. Änderungsentwurf vom 4. November 1998, unter: http://www.duma.gov.ru/infocom/, Gesetzesprojekte des Komitees für Informationspolitik und Kommunikationsmittel, download 1.7.99.

[4] Zu finden unter: http://www.duma.gov.ru/infocom/, Gesetzesprojekte des Komitees für Informationspolitik und Kommunikationsmittel, Download 1.7.99.