7. Gesetz "Über das Staatsgeheimnis" a) Tradition des schrankenlosen staatlichen Geheimnisschutzes Eine
wichtige Aufgabe jedes Staates ist die Sicherung der Informationen, die
staatliche Geheimnisse darstellen. Die Geheimhaltung solcher
Informationen wird gewöhnlich durch umfangreiche
Sicherheitsvorkehrungen gewährleistet, ihre Verbreitung strafrechtlich
geahndet. Die Sowjetunion verfügte über besonders viele Instrumente,
sie hatte ein umfassendes System der Staatssicherheit aufgebaut. Die
kommunistische Partei und ihre staatlichen Organe unterlagen dabei nicht
derselben rechtsstaatlichen Begrenzung durch die Grundrechte und
Freiheiten der Staatsbürger wie die Regierungen der westlichen
Demokratien. Die gesellschaftliche und politische Kontrolle der
Staatspartei, die Überwachungstätigkeit des Komitees für staatliche
Sicherheit und die militärische und staatliche Präventivzensur sorgten
dafür, dass so gut wie niemand sicherheitsgefährdende Informationen
veröffentlichen konnte. Man unterschied zwischen Staats- und
Parteigeheimnissen, und letztere wurden sogar höher eingeschätzt.[1]
Zudem gab es unter den zahlreichen staatlichen Kontrollinstanzen zwar
eine gewisse Aufgabenteilung, aber keine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten.
Man errichtete ein möglichst vollständiges Kontrollsystem mit
teilweise sich überschneidenden Kompetenzen und weitreichenden
Eingriffsbefugnissen der Parteiführung und des KGB. Im Auftrag der
Staatspartei übten die Moskauer Zensurbehörden außer der militärischen
und staatlichen Sicherheitszensur auch die rein politische Zensur aus.
Wirtschaftliche und soziale Statistiken des Landes waren kaum zugänglich.
Diese aufwendige Geheimhaltungspraxis war politisch bequem, aber sehr
teuer und unökonomisch. Für
die neuen Staatsschutzbehörden der RF gilt nunmehr das rechtsstaatliche
Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 10 Verf RF) und die Bindung aller
staatlichen Strukturen an das Gesetz (Art. 15 Abs. 2 Verf RF).
Gleichwohl besteht die Gefahr, an den Traditionen festzuhalten,[2]
die sich in den sowjetischen Sicherheitsorganen im Laufe langer Jahre
herausgebildet haben: 1998
verpflichtete der Föderale Sicherheitsdienst der RF (FSB) die
russischen Internet-Service-Provider dazu, auf eigene Kosten (ca. US-$
20.000,-) "Hotlines" einzurichten, die eine ständige Überwachung
der von ihnen verwalteten Informationsströme ermöglichen (SORM-2).[3]
Hierdurch erlangen die Mitarbeiter des FSB den uneingeschränkten
Zugriff auf geschützte Daten sowie private e-mails, ohne auf einen förmlichen
Gerichtsbeschluss angewiesen zu sein, der zur Legitimation derartiger Überwachungsmaßnahmen
üblicherweise notwendig ist. Obgleich das Justizministerium am 31. Mai
1999 seine Zustimmung erteilte, bleiben hinsichtlich der Legitimität
der untergesetzlichen Akte, mit denen der FSB im Zusammenwirken mit dem
Ministerium für Staatssicherheit und dem Telekom-Ministerium das
SORM-Instrumentarium einführte,[4]
noch einige Fragen offen. Abgesehen von der fragwürdigen Berechtigung,
die Provider finanziell in die Pflicht zu nehmen, legen diese
Bestimmungen nicht hinreichend genau fest, dass der FSB - in Übereinstimmung
mit dem Gesetz „Über die Ermittlungstätigkeit“ - nur zu einzelnen
Überwachungsmaßnahmen und nicht zu einer generellen Überwachungstätigkeit
ermächtigt ist, ferner, in welchem Umfang FSB-Forderungen zu
Lizenzvoraussetzungen gemacht werden dürfen, welchen Beweiswert die
durch SORM erlangten Informationen haben und vor allem inwieweit die
staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die Anwendung von SORM gewährleistet
werden kann.[5] Der
anfängliche Protest der Internet-Service-Provider, die sich gegen
diesen Eingriff in die Privatsphäre ihrer Kunden - in Rußland gilt ein
striktes Kryptographie-Verbot[6]
- zur Wehr setzen wollten, verstummte jedoch bald, nachdem der FSB damit
gedroht hatte, ihre Geschäftsstellen andernfalls zu schließen.[7]
Die "St. Petersburg Times" berichtete im Mai 1999, dass sich
einzig und allein die Bayard-Slavia-Communications aus Volgograd nach
wie vor weigerte, den Forderungen des FSB zu entsprechen, und sich trotz
massiver Drohungen anschickte, vor ein Zivilgericht zu gehen.[8]
Der
Sachverhalt zeigt, dass sich der FSB kaum an rechtliche Vorgaben
gebunden hält, wenn es um eine für notwendig erachtete Erweiterung
seiner Kontrollmöglichkeiten geht - hierin ähnelt er vermutlich den
Staatssicherheitsorganen vieler Länder - und dass er darüber hinaus
nicht davor zurückscheut, auch die rechtswidrigen Vorhaben offen und
notfalls mit Gewalt durchzusetzen - hier offenbart sich ein ganz
besonderes Selbstverständnis.[9]
Und das Fazit Levenčuks lautet: „SORM
stellt auch keine eigentliche Gefahr dar, jedenfalls nicht fürs
Internet. Eine Gefahr ist SORM eher für die Gesellschaft. Und zwar
deswegen, weil SORM das Paradebeispiel dafür ist, wie die Staatsgewalt
sich als völlig außer Kontrolle geraten erweist. Die
Kryptographie-Tools erlauben es, SORM im Internet gänzlich zu umgehen,
aber eine Gesellschaft, die sich solche Phänomene bieten lässt, begründet
selbst eine Gefahr.“[10]
Die
Bindung aller Staatsgewalt an Gesetz und Verfassung scheint somit noch
nicht zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein. Ebenso sind die
Pressefreiheit und das Zensurverbot neue, bis vor wenigen Jahren
unbekannte Einrichtungen der Demokratie. Für ihre Verwirklichung ist
die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze eine wichtige
Voraussetzung. So bedürfen zum Beispiel die Begriffe "staatliche
Sicherheit" und "Staatsgeheimnis" einer möglichst
eindeutigen gesetzlichen Klärung, denn viele Informationen, die für
die Öffentlichkeit von Bedeutung sind, berühren den weiten Bereich
staatlicher Sicherheitsinteressen, und nicht alle können oder dürfen
geheimgehalten werden. Im Zusammenhang mit diesen beiden Begriffen ist
zunächst kurz auf den Sicherheitsrat der RF einzugehen, der als
oberstes Staatssicherheitsorgan gilt. b) Sicherheitsrat der RF Im
Jahr 1991 ereigneten sich nach der Abschaffung der Vorzensur und der
Auflösung der zentralen Zensurbehörde einschneidende Ereignisse, die
eine grundlegende Neuorganisation der staatlichen Sicherheitsorgane
notwendig machten. Der gescheiterte Augustputsch der Kabinettsmitglieder
Präsident Gorbačevs beendete die Verhandlungen über den neuen
Unionsvertrag der UdSSR. Am 22. Oktober 1991 löste der Staatsrat das
sowjetische KGB auf, und im Dezember 1991 wurde die Sowjetunion
insgesamt für beendet erklärt. Die „Rußländische Föderation - Rußland”
nahm ihre staatlichen Aufgaben fortan nahezu ausschließlich mit der
Staatsverwaltung der russischen Republik (RSFSR) wahr. Die
Unionsverwaltung hingegen wurde zunächst reorganisiert und dann
schrittweise weitgehend abgebaut.[11]
Zusätzlich wurden neue staatliche Organe geschaffen, die anstelle
kommunistischer Strukturen den Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates
fördern sollten. Zu den Organen der Staatssicherheit zählen nunmehr
das Verteidigungsministerium der RF, der Föderale Sicherheitsdienst
(FSB), die Föderale Agentur regierungsamtlicher Nachrichten- und
Informationsbeschaffung beim Präsidenten der RF (FAPSI), der Dienst für
die Auslandsaufklärung der RF, die Überbehördliche Kommission für
den Schutz des Staatsgeheimnisses, die Staatliche technische Kommission
beim Präsidenten der RF sowie die örtlichen Vertretungen der genannten
Organe (vgl. auch Schaubild 2).[12]
Hinzu
tritt der Sicherheitsrat der RF (Sovet bezopasnosti RF),[13]
den Art. 13 des föderalen Gesetzes „Über die Sicherheit” als
Verfassungsorgan bezeichnet und dem es obliegt, die Entscheidungen des
Präsidenten der RF im Bereich der Staatssicherheit vorzubereiten.[14]
Als beratendes Gremium wurde der Sicherheitsrat nach amerikanischem
Vorbild geschaffen. Er steht im System der staatlichen Einrichtungen der
RF neben der Präsidialadministration, dem Gehilfendienst und dem persönlichen
Sicherheitsdienst des Präsidenten. 1995 / 1996 gehörten ihm als ständige
Mitglieder von Amts wegen der Präsident der RF, der Sekretär des
Sicherheitsrates, der Ministerpräsident, die Minister insbesondere der
Gewaltenministerien, die Vorsitzenden der Duma und des Föderationsrates
sowie die Direktoren des Grenzdienstes, der Auslandsaufklärung und des
Föderalen Sicherheitsdienstes an. Zu den möglichen weiteren
Teilnehmern ohne Stimmrecht zählten der Erste Gehilfe des Präsidenten
und der Leiter der Präsidialadministration [15].
Die
Zusammensetzung des Sicherheitsrates veranschaulicht sein potentielles
Gewicht. Es verfügt über einen eigenen, aus interministeriellen
Kommissionen gebildeten Apparat, dem auch die "Interministerielle
Kommission für informationelle Sicherheit" angehört.[16]
Seine Beschlüsse können durch präsidentielle Dekrete verbindlich
gemacht werden.[17]
Hierdurch wächst das Gremium über ein bloßes Konsultativ- und
Koordinationsorgan des Präsidenten hinaus. Anfangs war der
Sicherheitsrat nur mit strategischen Fragen befasst. Im Verlauf seines
Bestehens entwickelte er sich je nach Stärke und Einfluss seines Sekretärs
und der in ihm vertretenen ständigen Mitglieder zu einem politisch
bedeutungsvollen Organ, das besonders in Krisenzeiten aktiv wurde. Die
problematische Stellung des Sicherheitsrates im politischen System der
RF zeigt sich zum Beispiel bei der Frage nach der parlamentarischen
Kontrolle seiner Tätigkeit. Solange keine Vertreter der
Bundesversammlung der RF (Federal´noe sobranie RF) zu den Sitzungen des
Sicherheitsrats eingeladen wurden, war dieser Einrichtung vorzuwerfen,
dass sie in keiner Weise vom Parlament kontrolliert und zur
Verantwortung gezogen werden konnte. Nach der Hinzuziehung der
Vorsitzenden der beiden Kammern des Parlaments während der Verhängung
des faktischen Ausnahmezustandes über die Republik Tschetschenien lag
dagegen der Verdacht nahe, in der Russischen Föderation solle die durch
Art. 10 Verf RF garantierte Gewaltenteilung aufgehoben werden. Der
Sicherheitsrat wird deshalb mal als „unkontrollierte Nebenregierung”
bezeichnet,[18]
mal als „neues Politbüro”.[19]
Die Funktion des Sicherheitsrates könnte indessen nicht so sehr in der
Ausarbeitung einer konsequenten Sicherheitspolitik zu sehen sein, als
vielmehr in der gemeinsamen Entscheidungsfindung in wichtigen
innenpolitischen Fragen. Nach der Auffassung von H.-H. Schröder spielt
der Rat die „Rolle einer Clearingstelle", „in der die
Vertreter der einflussreichsten Apparate an einem Tisch sitzen und
widerstreitende Interessen abgleichen können.”[20]
Soweit hierdurch die öffentliche Diskussion von politischen Fragen
zentraler Bedeutung von der Staatsduma in die Sphäre eines unter
Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Gremiums verlagert wird,
widerspricht diese Einrichtung dem Art. 100 Abs. 2 Verf RF.[21]
Nachdem die Vertreter der Bundesversammlung seit dem März 1996 nicht
mehr in den Sicherheitsrat kooptiert wurden, ist der Einwand der
Gewaltenteilung indessen entfallen, und die Stellung des Sicherheitsrats
nähert sich wieder der eines geheimen Exekutivgremiums an.[22]
Nach der Ansicht von E. Schneider ist der Vergleich mit dem sowjetischen
Politbüro "insofern nicht ganz abwegig, als die Regierung mehr
eine Art Wirtschaftskabinett ist und die sonstigen politischen Fragen
offensichtlich im Sicherheitsrat behandelt werden."[23] Ein
weiteres Problem stellt der umfassende, durch die gesetzliche Definition
der Sicherheit kaum eingegrenzte Aufgabenbereich des Sicherheitsrates
dar. Art. 1 des Gesetzes „Über die Sicherheit” lautet: „Sicherheit
ist der Zustand des Schutzes und der Bewahrung der für das Leben
wichtigen Interessen der Person, der Gesellschaft und des Staates vor
Gefahren, die im Land oder aus dem Ausland drohen. Für das Leben
wichtige Interessen bestehen in der Gesamtheit aller Voraussetzungen,
deren Erfüllung zuverlässig die Existenz und die Möglichkeit der
fortschreitenden Entwicklung der Person, der Gesellschaft und des
Staates gewährleistet. Zu den hauptsächlichen Objekten der Sicherheit
zählen: die Person, ihre Rechte und Freiheiten; die Gesellschaft, ihre
materiellen und geistigen Werte; der Staat und seine verfassungsmäßige
Ordnung, seine Souveränität und territoriale Integrität.” [24] Der
Sekretär des Sicherheitsrates O. I. Lobov legte diese
Sicherheitsdefinition weit aus und formulierte den Aufgabenbereich des
Gremiums so: „Der Sicherheitsrat Rußlands beschäftigt sich mit
Fragen der russischen Innen- und Außenpolitik in der Sphäre der
Sicherheit, mit strategischen Problemen der staatlichen,
wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, Verteidigungs-, Informations-, ökologischen
und anderer Formen der Sicherheit, dem Schutz der Volksgesundheit, der
Prognose und Abwendung von Ausnahmezuständen, der Überwindung ihrer
Folgen, der Gewährleistung der Stabilität und der Rechtsordnung. Auf
dem Sicherheitsrat liegt die Verantwortung für den Schutz der
lebenswichtigen Interessen des Individuums, der Gesellschaft und des
Staates vor äußeren und inneren Bedrohungen.” [25]
Angesichts
der praktizierten weiten Auslegung des Aufgabenbereichs ist fraglich, ob
die Tätigkeit des Sicherheitsrates mit der Verfassung der RF von 1993
in Übereinstimmung steht. Auch wenn man im Sicherheitsrat kein starkes
Verfassungsorgan, sondern lediglich ein bei Bedarf zusammentretendes
Organ der Beratung und des Interessenausgleichs sieht, wäre eine
genauere Positionsbestimmung innerhalb des Verfassungsgefüges
erforderlich. Die Teilnahme der wichtigsten Verfassungsorgane an den
Sitzungen und die Möglichkeit, die Beschlüsse sogleich mit präsidentiellen
Dekreten auszufertigen, verleihen dem Sicherheitsrat eine
unvergleichliche Vorrangstellung. Sowohl Art. 10 Verf RF, der die
Aufteilung der Staatsgewalt vorschreibt, als auch Art. 11 Abs. 1 Verf
RF, der die staatlichen Gewalten aufzählt, sprechen gegen ein weiteres
ranghohes staatliches Organ, das keinen eingrenzbaren Zuständigkeitsbereich
hat und die in der Verfassung vorgesehene politische
Entscheidungsfindung abändert. Im
vorliegenden Zusammenhang interessiert jedoch mehr die Frage, welche Möglichkeiten
der Sicherheitsrat und die übrigen zum Geheimnisschutz beauftragten
staatlichen Stellen haben, Informationen zu Staatsgeheimnissen erklären
zu lassen. Grundsätzlich dürfen nicht nur militärische, sondern auch
politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Informationen als
Staatsgeheimnisse eingestuft werden, sofern ihre Preisgabe die
staatliche Sicherheit gefährden würde. Obgleich sich Journalisten in
der Regel nicht der Preisgabe von Staatsgeheimnissen schuldig machen können,
da sie für gewöhnlich keine besonders verpflichteten Geheimnisträger
im Sinne des Strafgesetzbuches sind (vgl. Art. 283 UK RF), wirkt sich
der Geheimnisschutz auf ihre Arbeit aus. Informationen mit großem
Interesse für die Öffentlichkeit können leicht tabuisiert werden,
wenn man sie dem Geheimnisschutz unterwirft. Informanten lassen sich
dann kaum noch finden, und das Thema verschwindet schnell aus der täglichen
Berichterstattung. Im folgenden sind daher der Begriff des
Staatsgeheimnisses, die Regeln der Sekretierung und die Praxis des
Schutzes der Staatsgeheimnisse näher zu untersuchen. c) Zu den Begriffen "Staatsgeheimnis" und "Dienstgeheimnis" Die
Definition der staatlichen Sicherheit bestimmt nicht nur den
Aufgabenbereich des Sicherheitsrates, sondern auch den Begriff des
Staatsgeheimnisses. Art. 2 des Gesetzes „Über das Staatsgeheimnis”
bezeichnet als staatliches Geheimnis „staatlich geschützte
Informationen und Nachrichten auf dem Gebiet seiner militärischen, außenpolitischen
und ökonomischen Tätigkeit, im Bereich der Spionage und Gegenspionage
und bei der operativ ermittelnden Fahndung zur Verbrechensbekämpfung,
deren Verbreitung der Sicherheit der Russischen Föderation Schaden zufügen
kann.” [26]
Diese
Definition nimmt ausdrücklich auf die Sicherheit des Staates Bezug, und
nicht auch auf die Sicherheit der Person und der Gesellschaft. Eine
Vermischung staatlicher und privater Sicherheitsinteressen erscheint
ausgeschlossen.[27]
Aus der Formulierung folgt außerdem, dass der formelle Akt der Erklärung
zum Staatsgeheimnis (Sekretierung) nicht ausreicht, damit aus einer
Information ein Staatsgeheimnis wird. Hinzukommen muss wenigstens die Möglichkeit
eines Schadenseintritts zum Nachteil der Sicherheit der RF. Ob der
Schaden erheblich zu sein hat, oder ob irgendein geringer Nachteil für
die Sicherheit der RF ausreichen kann, um eine Information als
Staatsgeheimnis zu qualifizieren, wird jedoch nicht gesagt. Insofern können
also Zweifel entstehen. Unbestimmt wird die Definition des
Staatsgeheimnisses außerdem dadurch, dass sie auf die weite
Sicherheitsdefinition des Gesetzes "Über die Sicherheit"
Bezug nimmt. Dort werden die Sicherheitsobjekte des Staates sehr
allgemein genannt, und der Sicherheitsbegriff wird sogar auf den Schutz „aller
Voraussetzungen, deren Erfüllung zuverlässig die Existenz und die Möglichkeit
der fortschreitenden Entwicklung (...) des Staates gewährleistet”
ausgedehnt (Art. 1 des Gesetzes "Über die Sicherheit", s.o.).
Beriefe man sich zur Begründung des Staatsgeheimnisses auf diese
Klausel, so würde man sich von dem Erfordernis eines drohenden Schadens
für die staatliche Sicherheit weit entfernen. Zudem werden offenkundige
oder einem unbestimmten Kreis von Personen bereits bekannte Tatsachen
nicht ausdrücklich ausgenommen.[28]
Selbst Vorveröffentlichungen haben also keine rechtfertigende
Wirkung. Die
Sekretierungsregeln des Gesetzes „Über das Staatsgeheimnis” (siehe
unten e) führen im übrigen dazu, dass nicht der gesetzlich
festgelegte, materielle Geheimnisbegriff maßgeblich ist, sondern dass
Informationen durch ihre Aufnahme in die Verzeichnisse der Geheimnisschutzbeauftragten
zu Staatsgeheimnissen werden und so lange als strafrechtlich geschützte
Staatsgeheimnisse gelten, bis sie durch den formellen Akt der
„Desekretierung” wieder zu Informationen erklärt worden sind, die
der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen. Die
entsprechenden Strafvorschriften[29]
enthalten keine Präzisierungen des Staatsgeheimnisbegriffes, die
einen Ausschluss der Strafbarkeit oder eine Strafmilderung ermöglichen
würden. Damit nähert man sich dem rein formellen Begriff des
Staatsgeheimnisses, der gerichtlich kaum überprüfbar ist und bei dem
die tatsächliche Geheimhaltungsbedürftigkeit und die konkrete Gefahr
eines Schadens für die Sicherheitsinteressen der RF unerheblich sind.[30] Schließlich
ist eine zweifelsfreie begriffliche Abgrenzung der Staatsgeheimnisse von
den Dienst- oder Amtsgeheimnissen bisher nicht möglich, denn der
Begriff des Dienstgeheimnisses ist noch weniger geklärt als der des
Staatsgeheimnisses. Das föderale Gesetz „Über Information,
Informatisation und den Schutz der Information” unterscheidet
lediglich zwischen Staatsgeheimnissen einerseits und vertraulichen
Informationen andererseits (Art. 10 Punkt 2). Die vertrauliche
Information wird definiert als „dokumentierte Information, zu der
entsprechend der Gesetzgebung der RF der Zugang eingeschränkt wird” (Art.
2).[31]
Dem Oberbegriff der
vertraulichen Information unterfallen also sowohl das Dienstgeheimnis
als auch das Geschäftsgeheimnis, das Bankgeheimnis, das Arztgeheimnis
usw. Auch
Art. 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches der RF macht keine begriffliche
oder qualitative Unterscheidung zwischen Dienstgeheimnissen und Geschäftsgeheimnissen:
„Eine Information ist ein Dienst- oder Geschäftsgeheimnis, falls die
Information aufgrund der Unkenntnis Dritter einen tatsächlichen oder
potentiellen Geschäftswert darstellt, auf gesetzlicher Grundlage kein
freier Zugang zu ihr besteht und der Besitzer der Information Maßnahmen
zur Geheimhaltung vornimmt. (...) Die Information, die ein
Dienst- oder Geschäftsgeheimnis darstellt, wird durch Verfahren geschützt,
die in diesem Kodex oder in anderen Gesetzgebungsakten vorgesehen sind.
(...)” [32]
Auch
das präsidentielle Dekret vom 6. März 1997,[33]
das ein Verzeichnis von Nachrichten und Informationen vertraulichen
Charakters aufstellt, nimmt Bezug auf andere Gesetze. Es behandelt das
Dienstgeheimnis als „dienstliche Angaben, zu denen der Zugang durch
die Organe der Staatsgewalt in Übereinstimmung mit dem Bürgerlichen
Gesetzbuch der RF und anderen föderalen Gesetzen eingeschränkt
wird.” Ein
Gesetz, das anhand materieller Kriterien eine genauere Bestimmung des
Dienstgeheimnisses zuließe, ist bisher noch nicht verabschiedet worden.
Die von der Regierung bestätigte „Verfügung über den Umgang mit
Dienstgeheimnissen mit eingeschränkter Verbreitung in den föderalen
Organen der vollziehenden Gewalt” vom 3. November 1994 zählt zum
Dienstgeheimnis die nicht sekretierte Information, die die
Tätigkeit der Organisation betrifft und deren eingeschränkte
Verbreitung von dienstlicher Notwendigkeit diktiert wird. A. Fat´janov
kommt hinsichtlich der hier aufgeführten Normen zu dem Schluss: "Die
inhaltliche Analyse dieser Bestimmungen legt vor allem die Abwesenheit
einer sinnvollen inneren Verbindung zwischen ihnen offen, als deren
Grundlage ein einheitlicher Begriffsapparat und ein geschlossener
konzeptueller Ansatz für die Rolle und den Platz dieses Rechtsinstituts
im System des Informationsschutzes dienen müsste. (...) Auf diese Weise
droht aus dem Institut des Dienstgeheimnisses ein bequemes Instrument
der Bürokratie für die Vertuschung unschöner Taten zu werden, wobei
es nicht einmal für den Schutz der Informationen zu gebrauchen ist, für
die es tatsächlich zwingend eine Zugangsbeschränkung geben muss."[34] Die
vorhandenen Definitionen des Staatsgeheimnisses und der
Dienstgeheimnisse sind somit aufgrund ihrer Unbestimmtheit und weiten
Auslegungsfähigkeit bedenklich.[35]
Es fragt sich daher, ob die gesetzlichen Regeln der Sekretierung von
Informationen als Staatsgeheimnisse diese Unzulänglichkeit
kompensieren. d) Einschränkung der Sekretierung durch die Verfassung der RF von 1993 Die
Verfassung der RF von 1993 enthält einige Vorgaben hinsichtlich der
rechtlichen Regelung des Staatsgeheimnisschutzes. Art. 29 Abs. 4 Verf RF
gewährt jedem das Recht, auf rechtmäßige Weise frei Informationen zu
suchen, zu erhalten, weiterzugeben, zu erzeugen und zu verbreiten. Das
Verzeichnis der Informationen, die Staatsgeheimnis sind, ist durch ein föderales
Gesetz festzulegen. Die verbindliche Festlegung erfolgte jedoch
durch das präsidentielle Dekret „Über die Bestätigung des
Verzeichnisses der als Staatsgeheimnis einzustufenden Informationen”
vom 30. November 1995,[36]
das die sicherheitsrelevanten Informationen in 87 Positionen
konkretisiert und den zum Geheimnisschutz bevollmächtigten staatlichen
Organen im einzelnen zuordnet. Erst 1997 wurde der allgemeine Rahmen der
Sekretierung, den das Gesetz "Über das Staatsgeheimnis" mit
Art. 5 vorgab ("Informationen, die zum Staatsgeheimnis erklärt
werden dürfen"), umbenannt in "Art. 5. Verzeichnis der
Informationen, die ein Staatsgeheimnis darstellen". Hierdurch wurde
das per Dekret verkündete Verzeichnis nachträglich durch föderales
Gesetz für verbindlich erklärt. Diese
Vorgehensweise entspricht zwar dem Gesetz „Über das
Staatsgeheimnis” (Art. 4 Punkt 2), aber sie widerspricht der
Verfassung.[37]
Denn obgleich das per Präsidialdekret bestätigte Verzeichnis der Veröffentlichung
unterliegt und als abschließende Aufzählung aller möglichen
Staatsgeheimnisarten bezeichnet gilt,[38]
lässt es sich anders als ein föderales Gesetz jederzeit durch ein
weiteres präsidentielles Dekret abändern oder erweitern. So geschah es
bereits im Januar 1998, dass ein präsidentielles Dekret die
Informationen über die Entwicklung, Produktion, Lagerung und
Endlagerung von nuklearer Munition und sogar Informationen über die
Vorbereitung und den Abschluss internationaler Verträge zur Liste der
Staatsgeheimnisse hinzufügte.[39] Art.
41 Abs. 3 Verf RF fordert ein föderales Gesetz, das Amtsträger zur
Verantwortlichkeit zieht, die Tatsachen und Umstände verheimlichen,
welche eine Bedrohung des Lebens und der Gesundheit der Menschen
darstellen. Dementsprechend sieht das Strafgesetzbuch der RF (UK RF) in
Art. 237 für Staatsbeamte, die diesen Tatbestand erfüllt haben, eine
Geldstrafe oder Freiheitsentziehung von bis zu fünf Jahren vor.[40]
Das bürgerliche Gesetzbuch gewährt außerdem für Verletzungen der
Gesundheit einen Schadensersatzanspruch.[41]
Zusätzlich enthält der Kodex der RSFSR über administrative
Rechtsverletzungen (KoAP) Regelungen zur Verantwortlichkeit der Beamten.[42]
Art.
42 Verf RF gewährt jedem das Recht auf eine gesunde Umwelt, auf zuverlässige
Information über ihren Zustand und auf Ersatz des Schadens, der seiner
Gesundheit oder seinem Vermögen durch ökologische Rechtsverletzung
zugefügt worden ist. Dem entspricht Art. 7 des Gesetzes "Über das
Staatsgeheimnis", der bestimmte Arten von Informationen von der
Sekretierung überhaupt ausnimmt: Informationen über
Ausnahmesituationen und Katastrophen, die die Sicherheit und die
Gesundheit der Bürger bedrohen, Informationen über den Zustand der
Umwelt, über das Gesundheitswesen, die Demographie, Bildung, Kultur und
Landwirtschaft, über Grundrechtsverletzungen des Menschen und Bürgers,
über den Gesundheitszustand höchster Amtsträger der RF usw. Die
gesetzeswidrige Sekretierung solcher Informationen führt dazu, dass die
Bürger gerichtlich hiergegen vorgehen und die verantwortlichen
Entscheidungsträger verklagen können. Art.
55 Abs. 3 Verf RF schreibt vor, dass die Rechte und Freiheiten des
Menschen und Bürgers durch ein föderales Gesetz in dem Maße eingeschränkt
werden können (Gesetzesvorbehalt), wie dies für den Schutz der
Grundlagen der Verfassungsordnung, der Moral, der Gesundheit, der Rechte
und gesetzmäßigen Interessen anderer Personen sowie für die Sicherung
der Landesverteidigung und der Staatssicherheit notwendig ist (Verhältnismäßigkeitsgebot).
Diesen Anforderungen der Verfassung sollen die Prinzipien der
Gesetzlichkeit, der Begründetheit und der Rechtzeitigkeit entsprechen,
die bei der Sekretierung nach Art. 6 des Gesetzes "Über das
Staatsgeheimnis" gelten. Mit
der Gesetzlichkeit der Sekretierung ist die Einhaltung des gesetzlichen
Rahmens gemeint, der mit dem Verzeichnis der Staatsgeheimnisarten in
Art. 5 des Gesetzes "Über das Staatsgeheimnis" vorgegeben
ist. Unter der Begründetheit der Sekretierung ist die sachverständige
Feststellung zu verstehen, dass die Einstufung bestimmter Informationen
als Staatsgeheimnis zweckentsprechend ist, wobei unter Einbeziehung möglicher
wirtschaftlicher und anderer Folgen die Interessen des Staates, der
Gesellschaft und des Bürgers gegeneinander abzuwägen sind. Das Prinzip
der Rechtzeitigkeit der Sekretierung besagt, dass Informationen ab dem
Moment des Erhalts bzw. ihrer Erarbeitung oder auch schon im voraus
sekretiert werden können. Ergänzt
werden diese Grundsätze noch durch das Prinzip der Freiwilligkeit, nach
dem weder ein einfacher Bürger noch ein Staatsbeamter dazu gezwungen
werden kann, zum besonders verpflichteten Geheimnisträger zu werden
(Art. 21). Dieser Status kann nur vertraglich oder kraft Amtes begründet
werden. Die
gesetzliche Ausgestaltung der Sekretierung von Informationen im
einzelnen weist dennoch einige Schwachstellen auf. Um sie zu erläutern,
ist auf das Verfahren der Sekretierung näher einzugehen. e) Sekretierungsregeln des Gesetzes „Über das Staatsgeheimnis” Art.
6 des Gesetzes "Über das Staatsgeheimnis" definiert die
Sekretierung der Informationen und ihrer materiellen Träger als die
diesem Gesetz entsprechende Einführung von Beschränkungen für die
Verbreitung der Staatsgeheimnisse und für den Zugang zu den
entsprechenden Informationsträgern. Bei der Sekretierung sind folgende
Besonderheiten zu beachten: Das
Prinzip der Begründetheit der Sekretierung bedeutet nicht, dass bei
jeder Sekretierung der Rat von Sachverständigen einzuholen oder ein
Gutachten zu erstellen wäre. Art. 9 überträgt die Sekretierung den
durch präsidentielles Dekret bevollmächtigten Leitern der staatlichen
Organe, die persönlich verantwortlich sind. Sie stellen detaillierte
Unterverzeichnisse auf, die das grundlegende Verzeichnis der
Staatsgeheimnisse für ihren Amtsbereich konkretisieren und die
einzelnen Informationen drei Geheimhaltungsstufen zuordnen (Art. 8:
geheim - absolut geheim - von herausragender Bedeutung). Diese
Unterverzeichnisse sind nicht zu veröffentlichen, sondern wie die
Staatsgeheimnisse selbst geheimzuhalten. Aufgrund ihrer gebotenen ständigen
Aktualisierung ist es der Überbehördlichen Kommission für den Schutz
des Staatsgeheimnisses nicht möglich, über den Inhalt der
Unterverzeichnisse einen vollständigen Überblick zu bekommen. Um
dennoch für die Aufstellung der Unterverzeichnisse eine einheitliche
Vorgehensweise der verschiedenen Behörden zu sichern, hat eine
Regierungsverfügung vom 4. September 1995 allgemeine "Regeln der
Zuordnung der Informationen, die Staatsgeheimnisse darstellen, zu den
verschiedenen Geheimhaltungsstufen" bestätigt. Bemerkenswert ist
sicherlich die Flexibilität der Regelung, die es den
unterschiedlichsten staatlichen Sicherheitsorganen erlaubt, ihre
Unterverzeichnisse den sich ständig wechselnden tatsächlichen
Gegebenheiten anzupassen.[43]
Andererseits ist gerade deshalb auch zu beklagen, dass in der
Sekretierungspraxis bisweilen gewöhnliche Informationen zu
Staatsgeheimnissen erklärt werden, deren Verbreitung der Sicherheit der
RF keinen Schaden zufügen kann. Das Recht eines weiten Kreises von
Staatsbeamten, lokale Unterverzeichnisse aufzustellen, begründet eine
besondere Missbrauchsgefahr. Für die Beilegung der häufig auftretenden
Konflikte der Massenmedien mit staatlichen Stellen fordert M. Kudrjavcev
deshalb die Einrichtung eines unabhängigen Expertendienstes, der dazu
bevollmächtigt wäre, Empfehlungen auszusprechen.[44]
Die Koordinierung der Geheimhaltung der Staatsgeheimnisse wäre an und für
sich jedoch die Aufgabe der Überbehördlichen Kommission für den
Schutz des Staatsgeheimnisses. Sie ist durch
Art. 20 des Gesetzes "Über das Staatsgeheimnis" dazu
beauftragt, die Tätigkeit der staatlichen Sicherheitsorgane den
Gesetzen und staatlichen Geheimhaltungsprogrammen entsprechend zu
organisieren. Das
Prinzip der Rechtzeitigkeit erweitert die Rechte der Geheimnisschutzbehörden
gegenüber den Bürgern und begründet eine gesteigerte
Geheimhaltungspflicht der Unternehmen und staatlichen Einrichtungen, die
über geheimzuhaltende Informationen verfügen. Falls sie eine
Information nicht eindeutig einstufen können, sind sie nach Art. 11 zur
vorläufigen Sekretierung verpflichtet. Die Information ist dann
innerhalb eines Monats zur Stellungnahme an denjenigen zu übermitteln,
der das geltende Unterverzeichnis bestätigt hat. Innerhalb von weiteren
drei Monaten muss eine Entscheidung über die endgültige Sekretierung
ergehen, so dass insgesamt vier Monate verstreichen können, bis eine
gewöhnliche Information der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden
darf. Es
kommen weitere gesetzliche Regelungen hinzu, die zeigen, dass die
Geheimhaltung von Informationen immer Vorrang haben soll. Nach Art. 12
unterliegt der materielle Träger von sekretierten Informationen der
Geheimhaltungsstufe, der die geheimste dort aufgeführte Information
angehört. Es ist daher möglich, eine Information allenfalls geringster
Geheimhaltungsstufe mit dem höchsten Geheimhaltungsgrad zu schützen. Für
die Desekretierung von Informationen nennt Art. 13 lediglich zwei Gründe:
die Übernahme internationaler Verpflichtungen über den Austausch von
Informationen, die in der RF ein Staatsgeheimnis darstellen, sowie die
Änderung objektiver Umstände, die zur Begründung gedient haben, dass
die Sekretierung zweckentsprechend gewesen ist. Gerichtsentscheidungen
werden an dieser Stelle nicht ausdrücklich aufgeführt, so dass der
Eindruck entsteht, man wolle es nicht dem Gericht alleine überlassen,
über die Zweckmäßigkeit der Geheimhaltung zu urteilen. Zwar sollen
die Unterverzeichnisse der zur Geheimhaltung Beauftragten mindestens
alle fünf Jahre auf ihre Zweckmäßigkeit hin untersucht werden. Diese
periodische Überprüfung wird jedoch den staatlichen Organen
aufgegeben, die die Unterverzeichnisse selbst erstellt haben. Die
Geheimhaltungsfrist beträgt bis zu 30 Jahren und darf gegebenenfalls
nach Art. 14 verlängert werden. Die
Desekretierung von Staatsgeheimnissen ist durch die staatlichen Organe
vorzunehmen, die die Unterverzeichnisse selbst erstellt haben, wobei sie
der Zustimmung der Überbehördlichen Kommission für den Schutz des
Staatsgeheimnisses bedürfen (Art. 13 am Ende). Das Gesetz "Über
das Staatsgeheimnis" macht keine Ausnahme für die Desekretierung
aufgrund einer Gerichtsentscheidung, so dass es denkbar ist, dass die
genannte Kommission auch gegen Urteile Einspruch erhebt. Art. 15 sagt
hierzu, dass die Begründetheit der Sekretierung vor Gericht angefochten
werden kann und dass die Desekretierung bei einem stattgebenden
Gerichtsurteil in dem Verfahren zu erfolgen hat, das durch das Gesetz
"Über das Staatsgeheimnis" vorgegeben wird. Diese Bestimmung
lässt sich als endgültiges Vetorecht der Überbehördlichen Kommission
für den Schutz des Staatsgeheimnisses gegen Gerichtsentscheidungen
auslegen. Schließlich
gibt Art. 15 dem Bürger das Recht, sich mit einer Anfrage an die für
den Geheimnisschutz zuständigen Unternehmen oder staatlichen
Einrichtungen zu wenden, um die Desekretierung von Informationen zu
erreichen. Diese sind verpflichtet, innerhalb von drei Monaten eine begründete
Antwort zu geben oder aber, falls sie nicht zuständig sind, innerhalb
von einem Monat die Anfrage weiterzuleiten. Ob die vorherige Durchführung
der Anfrage als Klagevoraussetzung zu behandeln ist, wird nicht gesagt. Die
dargestellten Bestimmungen des Gesetzes "Über das
Staatsgeheimnis" sind für den wirksamen Schutz der staatlichen
Sicherheit vorteilhaft, sie benachteiligen aber die Massenmedien, die
auf die Möglichkeit des freien Zugangs zu Informationen mit öffentlichem
Interesse angewiesen sind. Selbst die Informationen, die offensichtlich
keine Staatsgeheimnisse darstellen oder aber nach der Verfassung keine
Staatsgeheimnisse sein dürfen, sind nicht vom gesetzlichen Schutz
ausgenommen. Erst aufgrund der formellen Desekretierung dürfen solche
Informationen wieder verbreitet werden. Die unkoordinierte Sekretierung
durch geheime Unterverzeichnisse und insbesondere die begrenzte Wirkung
der Rechtsbehelfe sind bedenklich. Das Informationsrecht der
Gesellschaft wird zugunsten der Geheimhaltung stark eingeschränkt. Der
Gefahr des Missbrauchs der Geheimhaltungsregeln wirken außer der
Verfassung der RF nur wenige gesetzliche Regulative entgegen. Die
Prinzipien der Gesetzlichkeit, der Begründetheit und der
Rechtzeitigkeit, die das Gesetz "Über die Massenmedien"
aufstellt, reichen nicht aus, um der willkürlichen Sekretierung
entgegenzusteuern. f) Monitoring des "Fonds zum Schutz der Glasnost´" In
ihrem Bericht über Gesetze, Konflikte und Rechtsverletzungen im Bereich
der russischen Massenmedien für das Jahr 1997 haben die Autoren des
"Fonds zum Schutz der Glasnost´" (FZG), A. Ratinov und G.
Efremova, auch die Praxis der Beschränkungen des freien Zugangs zur
Information dargestellt. Das Monitoring des FZG ergibt, dass staatliche
Stellen die Auskunftsverweigerung häufig mit dem geheimen Charakter der
Information begründen. Insgesamt lässt sich ein Trend feststellen, der
von der offenen, konfrontativen Ablehnung jeglicher Kooperation mit den
Massenmedien wegführt und "objektive Hinderungsgründe"
bevorzugt, wie z. B. das "Staatsgeheimnis" oder das
"Amtsgeheimnis". Selbst bei unmotivierter Auskunftsverweigerung
werden gerne Scheinargumente gewählt, um keinen Vorwand zur Kritik zu
bieten. Die angebliche Notwendigkeit der Geheimhaltung wird in der
Gesellschaft Rußlands fast immer akzeptiert. Die Deklarierung einer gewöhnlichen
Information als geheim nimmt daher die unterschiedlichsten Formen an.
Auf vielen Dokumenten finden sich Geheimhaltungsvermerke mit frei
erfundenen Sicherheitsstufen. Die von den Autoren angeführten Beispiele
veranschaulichen, dass die geheimgehaltenen Informationen häufig ganz
eindeutig keine Amts- oder Staatsgeheimnisse darstellen. So wurde z.B.
die Auskunft verweigert über die Zahl registrierter Ehen, über die
Wettervorhersage, über die Behindertenbetreuung, den kommunalen
Haushalt, Unfälle, verstrahlte Hubschrauber usw. Schließlich weisen
die Autoren darauf hin, dass neben der einfachen Auskunftsverweigerung
und der bewussten Dosierung der Informationen auch die
Informationssperre zur Verheimlichung der Korruption oder anderer
krimineller Aktivitäten keine Seltenheit ist.[45]
Diese
Beobachtungen zeigen, dass einerseits Fortschritte hinsichtlich der
Anerkennung des Informationsrechts der Gesellschaft zu erkennen sind.
Die Fälle unkommentierter Auskunftsverweigerung sind seltener
geworden. Andererseits beweisen die Begründungsversuche in den Fällen
rechtswidriger Auskunftsverweigerung, dass die Geheimhaltungspraxis im
Namen der Staatssicherheit ein hohes Missbrauchsrisiko in sich birgt. g) Fallbeispiel: Aleksandr Nikitin, ehemaliger U-Bootkapitän[46] Aleksandr
Konstantinovič Nikitin diente von 1974 bis 1985, u. a. als Kapitän
eines Unterseebootes, in der Nordmeerflotte der UdSSR. 1987 beendete
er ein Zusatzstudium mit dem Thema "Organisation des Gebrauchs und
der Wartung von marinen Nuklearreaktoren" und arbeitete in Moskau
bei der Inspektion für atomare Sicherheit von Nuklearreaktoren beim
Verteidigungsministerium der RF. Als Leiter einer Inspektionsgruppe
erhielt er Zugang zu bestimmten Staatsgeheimnissen. 1992 wurde Nikitin
auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt und zog mit seiner Frau
nach St. Petersburg. Seit 1995 recherchierte Nikitin als Journalist für
"Bellona", einer bereits 1989 in Rußland tätigen
norwegischen Umweltschutzorganisation. Insbesondere beteiligte sich
Nikitin als Co-Autor an der Veröffentlichung eines
"Bellona"-Berichtes mit dem Titel "Die Nordmeerflotte:
Potentielles Risiko radioaktiver Verseuchung der Region". Der
Bericht beschreibt die ökologische Gefahr, die 52 im Hafen von Murmansk
liegende ausgediente Unterseeboote mit nuklearem Antrieb darstellen.
Diese U-Boote rosten und werden durch elektrische Kompressoren am
Schwimmen gehalten. Nach der Schilderung der Autoren drohen sie zu
sinken und könnten eine nukleare Kettenreaktion auslösen, die zu einer
starken, mit dem GAU eines AKW vergleichbaren Explosion führt. Außerdem
enthält der Bericht Angaben über Unfälle und Zwischenfälle auf
Unterseebooten mit nuklearem Antrieb sowie die Verschmutzung des
arktischen Ozeanbodens mit nuklearen Reaktoren der russischen Marine.
Diese Tatsachen waren der Öffentlichkeit allerdings zum größten Teil
bereits bekannt. 1994 veröffentlichte der Umweltschutzbeauftragte des
Präsidenten der RF, A. Jablokov, dass die sowjetische Marine in den
letzten 20 Jahren mehr als 17 nukleare Reaktoren und flüssige nukleare
Abfälle ins Karameer nördlich von Murmansk versenkte. Nikitin
wurde am 6. Februar 1996 von Beamten des FSB unter dem Vorwurf des
Staatsverrats festgenommen und monatelang in Untersuchungshaft gehalten
und verhört. Zunächst verweigerte der FSB dem Beschuldigten einen
Rechtsanwalt eigener Wahl, da das Verfahren Staatsgeheimnisse
betreffe und nur ein Rechtsanwalt, der sich gemäß Art. 21 des Gesetzes
"Über das Staatsgeheimnis" als Geheimnisträger besonders
verpflichtet und von den staatlichen Sicherheitsorganen den Zugang zu
Staatsgeheimnissen erhalten habe, zur Teilnahme am Strafprozess
berechtigt sei. Das Verfassungsgericht der RF entschied jedoch auf die
Klage Nikitins und dreier weiterer Bürger hin, dass die Erstreckung der
genannten Vorschrift auf Rechtsanwälte in Strafprozessen der Verfassung
der RF widerspricht.[47]
Art. 48 Verf RF garantiere jedem Beschuldigten das Recht auf
qualifizierten juristischen Beistand. Danach stehe jedem das Recht zu,
sich in allen Stadien des Strafprozesses der Hilfe eines Rechtsanwalts
zu bedienen. Hierin sei gemäß Art. 14 des Internationalen Paktes über
bürgerliche und politische Rechte das Recht inbegriffen, sich durch
einen Verteidiger eigener Wahl verteidigen zu lassen.[48]
Dieses Recht sei nach Art. 55 Abs.3 Verf RF unter keinen Umständen,
also auch nicht durch föderales Gesetz, einschränkbar. Außerdem
verstoße es gegen Art. 123 Abs.3 Verf RF (Grundsatz der Waffengleichheit
vor Gericht), für die freie Wahl des Verteidigers die Bedingung
aufzustellen, dass dieser ein dem Staat besonders verpflichteter
Geheimnisträger sein müsse. Zur Bewahrung des Staatsgeheimnisses stünden
andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung, wie etwa die
geschlossene Gerichtsverhandlung oder die etwaige Heranziehung der
Verfahrensbeteiligten zu strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Nikitin
konnte somit etwa zwei Monate nach seiner Verhaftung den Juristen Jurij
Schmidt für sich gewinnen, einen für die Verteidigung der
Menschenrechte bekannten Rechtsanwalt. Dieser verlangte zunächst die
vorläufige Freilassung gegen Kaution. Das Gesuch wurde fünfmal
abgelehnt, obgleich die Ermittlungsbehörde erst einige Monate nach
seiner Verhaftung die formelle Anklage gegen Nikitin erhob. In der
Anklageschrift war von der Verletzung geheimer Dekrete des
Verteidigungsministeriums die Rede, die selbst der leitende
FSB-Ermittler nicht kannte, ferner von der Verletzung eines präsidentiellen
Dekrets, das erst geraume Zeit nach der Verhaftung Nikitins in Kraft
getreten war. Zehn Monate nach der Verhaftung Nikitins räumte die
Staatsanwaltschaft ein, dass den Ermittlungsbehörden Fehler unterlaufen
seien und beauftragte den Staatsanwalt M. Katušev damit, den Fall zu überprüfen.
Dieser kam zu dem Schluss, dass in der Ermittlungsakte keine
Anhaltspunkte für Landesverrat oder Preisgabe von Staatsgeheimnissen
ersichtlich seien. Nikitin wurde schließlich im Dezember 1996 auf Geheiß
des Generalstaatsanwalts J. Skuratov gegen Kaution freigelassen. Die
Menschenrechtsorganisation amnesty international bezeichnete den
inhaftierten Umweltschützer als den "ersten Häftling aus
Gewissensgründen" des post-sowjetischen Rußland. Im Europarat war
von einem politisch motivierten Verfahren die Rede. Und der Vorsitzende
einer bekannten Petersburger Bürgerrechtsorganisation, J. Vdovin,
kommentierte, dass Nikitin eigentlich wenige Tage nach der Verhaftung hätte
freigelassen werden müssen, wenn die Gesetze befolgt worden wären. Nach
längeren zusätzlichen Ermittlungen präsentierte der FSB im Juni 1998
jedoch eine erneute Anklageschrift gegen Nikitin, in der ihm wiederum
Staatsverrat (Art. 275 UK RF) und Preisgabe eines Staatsgeheimnisses
(Art. 283 UK RF) vorgeworfen wurde.[49]
Am
29. Oktober 1998 entschied das Strafgericht der Stadt St. Petersburg,
dass der Sachverhalt nach Inhalt und Umfang für eine Urteilsfindung
nicht ausreichend geklärt sei und gab den Fall für weitere
Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft zurück.[50]
Hiermit erklärte das Gericht die dreijährige Ermittlungsarbeit des FSB
für wertlos - ein Präzedenzfall in der Geschichte der rußländischen
Jurisprudenz. Das Gericht führte aus, weder Zeit und Ort noch die
weiteren konkreten Umstände des dem Beschuldigten zur Last gelegten
Verbrechens seien hinlänglich bestimmt worden. Zudem seien die
Schlussfolgerungen der Expertengruppe höchst unvollständig begründet
worden und hätten einige Fragen unbeantwortet gelassen, insbesondere
die Frage, welche der von Nikitin gelieferten Informationen zu
Staatsgeheimnissen zählen und wie dem Einwand der allgemeinen Zugänglichkeit
der besagten Informationen begegnet werden könne. Die Klageschrift
entspreche folglich nicht dem Bestimmtheitsgebot der Art. 143, 144 des
Strafprozesskodex (UPK RSFSR) und verletze das Recht des Beschuldigten,
sich gegen die strafrechtlichen Vorwürfe angemessen zu verteidigen. Mit
dieser Gerichtsentscheidung war der Fall Nikitin aber noch lange nicht
abgeschlossen. Beide Seiten protestierten zunächst gegen die
Entscheidung des St. Petersburger Stadtgerichts. Das Richterkollegium
des Obersten Gerichts der RF entschied im Februar 1999 sowohl den
Protest der Staatsanwaltschaft als auch den Antrag der Verteidigung auf
Freispruch abschlägig und hielt die Entscheidung des St. Petersburger
Gerichts aufrecht. Die Staatsanwaltschaft konnte also ihre Ermittlungen
in der Sache fortführen. Hierzu schrieb V. Kostjukovskij von der
"Novye izvestija": "Das
Verfahren gegen A. Nikitin wurde auf die weitere Irrfahrt im
geschlossenen Kreis geschickt und bestätigte eine frühere Äußerung
der Verteidigung: Das rußländische Prozessrecht verhindert faktisch
den Freispruch aus Mangel an Beweisen. Um Nikitin zu rechtfertigen, muss
das Gericht jeden Anklagepunkt entkräften, und dieses ist fast unmöglich,
da sich die Anklageschrift wie der ganze Fall in Unordnung befinden. Das
Oberste Gericht konnte oder wollte nicht der alten sowjetischen
Gerichtspraxis ein Ende setzen, die Sache zur Nachuntersuchung zu geben,
anstatt einen Freispruch aus Mangel an Beweisen zu gewähren. Diese
Praxis verletzt aber das grundlegende Prinzip der Unschuldsvermutung,
nach der jeder Angeklagte als unschuldig zu gelten hat, solange seine
Schuld vor Gericht nicht bewiesen ist. So regeln es jedenfalls Art. 49
Verf RF und Art.6 (2) der Europäischen Menschenrechtskonvention."[51]
Erst
am 29. Dezember 1999 wurde Nikitin auf die wiederholte Anklage der
Staatsanwaltschaft hin von dem St. Petersburger Stadtgericht unter dem
Vorsitz des Richters S. Golec vom Vorwurf des Staatsverrats und der
Preisgabe von Staatsgeheimnissen freigesprochen. Das Gericht begründete
seine Entscheidung nunmehr nicht mehr allein mit dem Mangel an Beweisen,
sondern vor allem damit, dass es zur Tatzeit (bis September 1995) in der
RF noch keine gültigen rechtlichen Grundlagen für die strafrechtliche
Verurteilung Nikitins gab. Dieser Beurteilung schloss sich am 17. April
2000 auch der Oberste Gerichtshof in Moskau an, der die Berufung der
Staatsanwaltschaft für unbegründet erklärte. Zur
Tatzeit lautete Art. 5 noch: "Zu Staatsgeheimnissen können
folgende Informationen erklärt werden: (...)", und es gab
keine veröffentlichten Konkretisierungen hinsichtlich der geheimnisrelevanten
Bereiche. Die Verfassung der RF bestimmt jedoch, dass alle Rechtsakte,
die die Rechte der Bürger einschränken oder ihnen Verpflichtungen
auferlegen, zu ihrer Wirksamkeit der Veröffentlichung bedürfen (Art.
15 Abs. 3 Verf RF). Zudem gilt der Verfassungsgrundsatz "keine
Strafe aufgrund eines späteren, zur Tatzeit unbekannten Gesetzes"
(lat. "nulla poena sine lege") auch für die Ermittlungsarbeit
der staatlichen Sicherheitsorgane (vgl. Art. 54 Verf RF). Eine rechtmäßige
Anklage Nikitins hätte deshalb zumindest die - erst nach der Tat per Präsidialdekret
veröffentlichte - Liste der Staatsgeheimnisse zur Voraussetzung gehabt.
Die damalige Rechtslage ist inzwischen zugunsten des
Staatsgeheimnisschutzes korrigiert worden. Erstens existiert eine
verbindliche Festlegung der Staatsgeheimnisse durch das präsidentielle
Dekret vom 30. November 1995. Zweitens wurde das Gesetz „Über das
Staatsgeheimnis“ am 6. Oktober 1997 geändert. Art. 5 bestimmt nunmehr
dem präsidentiellen Verzeichnis entsprechend: "Ein
Staatsgeheimnis stellen dar: (...)". Anhand des Prozessverlaufs ist festzustellen, dass der FSB für Umweltschützer, die es wagen sollten, etwas zur Problematik ökologischer Folgeschäden militärischer Einrichtungen zu veröffentlichen, ein abschreckendes Exempel statuiert hat. Fasst man zusammen, so wurden nahezu alle klassischen Rechte des Angeklagten verletzt: Zunächst klagte man Nikitin vor einem Militärgericht an und verweigerte ihm einen Rechtsverteidiger eigener Wahl. Dabei stützte man die Anklage auf teils geheime und teils erst nach der Tat erlassene Dekrete. Sodann beachtete der FSB nicht die Anweisung der Staatsanwaltschaft, die nach der Tatbegehung erlassenen sowie die geheimen Dekrete als Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit fallen zu lassen. Nikitin musste, ohne dass es hierfür eine zutreffende Begründung gegeben hätte, eine unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft erdulden.[52] Schließlich reichte man eine Anklageschrift ein, die dem Angeklagten aufgrund der Unbestimmtheit der ihm vorgeworfenen Taten und der Unklarheit der rechtlichen Grundlagen für die Strafbarkeit die Möglichkeit nahm, sich angemessen zu verteidigen. Auf ersichtlich entlastende Umstände des Falles (Vorveröffentlichungen, Umweltschutz) ging die Anklage zudem überhaupt nicht ein.[53] h) Schlussfolgerungen und Ausblick Der
Fall des ehemaligen U-Bootkapitäns Nikitin hat gezeigt, dass die
staatlichen Sicherheitsorgane dazu neigen, den Staatsgeheimnisbegriff
sehr weit auszulegen und den Umweltschutz zugunsten der staatlichen
Sicherheit zu vernachlässigen, wenn nicht gar zu behindern. Ein ähnliches
Schicksal wie Nikitin erlitt der Marineoffizier der Pazifik-Flotte und
Journalist Grigorij Pasko, der sich ebenfalls aufgrund von Veröffentlichungen,
die das Problem nuklearer Abfälle betrafen, über eineinhalb Jahre in
Vladivostok in Untersuchungshaft befand.[54]
Das Gesetz "Über das Staatsgeheimnis" wirkt dieser Praxis
nicht in ausreichendem Maße entgegen. Die Regel, dass Informationen über
Umweltschäden und Gesundheitsgefahren nicht zu Staatsgeheimnissen erklärt
werden dürfen, ist wertlos, falls diese Informationen dennoch
sekretiert werden und bis zu ihrer umständlichen
"Desekretierung" der strafrechtliche Schutz der staatlichen
Sicherheit fortbesteht. Anhand
des geschilderten Falles wird deutlich, dass die Geheimhaltung in Rußland
Tradition hat und auch nach der Annahme der demokratischen,
rechtsstaatlichen Verfassung der RF im Jahr 1993 weiterhin von den
Gewohnheiten und Gepflogenheiten der früheren sowjetischen
Staatsordnung geprägt wird. Im Fall des Aleksandr Nikitin half die
Berichterstattung der Presse und insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit
ausländischer Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen, ein
Gegengewicht zur Anklage des FSB zu bilden. Erst aufgrund der
internationalen Aufmerksamkeit schritt die Generalstaatsanwaltschaft der
RF ein und lenkte die Ermittlungstätigkeit des FSB wieder in
rechtsstaatliche Bahnen. Im Fall des ehemaligen Zentralbankchefs V. Gerašenko gab es jedoch kein solches Gegenmittel. Im Zusammenhang mit der Restrukturierung des Bankensystems der RF nach dem 17. August 1998 sollte die Zentralbank der RF vor allem den regionalen Banken Rußlands Kredite gewähren, am meisten erhielten jedoch wieder zentrale Moskauer Großbanken. Den Auditoren des Rechnungshofes, die der Sache nachgehen wollten, enthielt Gerašenko die wichtigsten Informationen vor, indem er die betreffenden Akten der Zentralbank kurzerhand zum Staatsgeheimnis erklärte.[55] [1]
A. A. Fat´janov (1998), Tajna kak social´noe i pravovoe javlenie. Ee
vidy, in: Gosudarstvo i pravo, 1998, No. 6, S. 5 (7). [2]
B. Whitmore (1998), The Reluctant Dissident, in: Transitions
Vol. 5 No. 5 (Mai ´98), S. 68 (73), zitiert den Rechtsanwalt Jurij
Schmidt: „The problem (...) is that the FSB is a body that has
inherited the infrastructure, role, and attitude of the KGB. The FSB
does not want to occupy its [proper] place in a democratic society.
They were always accustomed to being a state within a state and
living by their own laws.” [3]
FSB und Goskomsvjaz führten im Juli 1998 SORM-2 ein (Sistema
techniceskich sredstv po obespeceniju operativno-rozysknych
meropriatij), ein Überwachungssystem, das anders als SORM-1
(Telefon- und Mobilfunküberwachung) ohne besondere richterliche Ermächtigung
den Eingriff in die Daten- und Kommunikationsübermittlung zuläßt.
Nach den Angaben von A. Koreckij ("Segodnja", 22. Juli
1999) wurden die SORM-2-Vorschriften noch vom Justizministerium überprüft,
als die regionalen Abteilungen des FSB das System bereits in die
Praxis einführten. Am 31. Mai 1999 erteilte das Justizministerium
seine Zustimmung. [4]
Prikazy Minsvjazy No. 226 ot 24.06.92 (13.09.95, 30.06.98), No. 112
ot 13.09.95 (22.10.99), No. 135 ot 08.11.95 (30.06.98), No. 9 ot
31.01.96 (30.06.98), No. 145 ot 30.12.96 (30.06.98); Pis´mo
Minsvjazy No. 252-u ot 11.11.94 (30.06.98) “O Porjadke vnedrenija
SORM na VCC RF”; Sovmestnoe resenie Minsvjazy i Minbezopasnosti RF
No. 513, janv. 1993 (22.10.99) „Po ekspluatacionno-techniceskim
trebovanijam k sredstvam i setjam elektrosvjazy dlja obespecenija
operativno-rozysknych meroprijatik“. Vgl. außerdem Ukaz
Prezidenta No. 891 ot 01.09.95, SZRF 14.06.99, N 24, st. 2954. [5]
Vgl.
“Moskovskij Libertarium”, K voprosu o SORM (juridiceskij
kommentarij), 25. Juli 1998, anonymer Verfasser;
http://www.libertarium.ru/libertarium/sorm, download 01.04.00. -
SORM-Dokumente finden sich unter http://www.libertarium.ru/
libertarium/sormlawdocs, download 01.04.00. [6]
Ukaz No. 334 vom April 1995: Für den Einsatz jedweder Kryptographie
ist eine FAPSI-Lizenz notwendig. Der Ukaz wird jedoch offenbar nicht
besonders beachtet. [7] J. Tracy (1999), FSB Sets Sights On Internet Control, in: St. Petersburg
Times Top Story, #441, February 16, 1999. [8]
J. Tracy (1999), Internet Provider Plans To Sue FSB, in: St.
Petersburg Times Top Story, #466, May 18, 1999. [9]
Vgl. O. Judincev (1999), Elektronnyj Feliks, ili Budet li cenzura v
Internete?, in: Novaja gazeta No. 15 (538), S. 1 (24): Judincev
beschreibt das Vorgehen des MVD RF (Innenministerium) und des FSB
gegenüber dem Internet-Provider TOO Chors aus Orechovo-Zuev bei
Moskau. [10]
A.
Levenčuk, Koordinator von „Moskovskij Libertarium“, in
einer Sendung von Radio Liberty, 04.04.00. [11]
Vgl. T. Schweisfurth (1992), Vom Einheitsstaat (UdSSR) zum
Staatenbund (GUS), ZaöRV 52 (´92), S. 541 (631 ff.): Der Abbau der
Unionsorgane hatte bereits im März 1990 mit der Revision des Art. 6
Verf von 1977 begonnen, die den Führungsanspruch der KPdSU und
ihre Stellung als Staatspartei beseitigte. Der zweite Schritt war
Jelzins Dekret vom 20. Juli 1991, das die Grundorganisationen aller
politischen Parteien in der Staatsverwaltung der RSFSR verbot und
zugunsten der Trennung zwischen Staat und Partei bestimmte, daß
Beamte nicht mehr an Parteibeschlüsse gebunden sein sollten. Nach
dem Augustputsch besiegelte Jelzins Dekret vom 6. November 1991 das
Ende der KPdSU, indem er ihre Tätigkeit und die der KP der RSFSR
auf dem Teritorium Rußlands verbot und ihre Auflösung anordnete.
Nach der Entlassung der am Putsch beteiligten Kabinettsmitglieder
reorganisierte das Verfassungsgesetz „Über die Organe der
Staatsgewalt und -verwaltung der UdSSR in der Übergangsperiode”
vom 5. September 1991 die obersten Staatsorgane der UdSSR.
[12]
V. A. Kopylov (1997), Informacionnoe pravo, S. 129. - Das Gesetz
"Über das Staatsgeheimnis" zählt zu den staatlichen
Sicherheitsorganen unter Art. 4 (Vollmachten der staatlichen Organe
und Staatsbeamten auf dem Gebiet der Sekretierung und des Schutzes
der Staatsgeheimnisse) die Bundesversammlung, den Präsidenten und
die Regierung der RF und bestimmt ihre Funktionen beim Schutz der
Staatsgeheimnisse. [13]
Der Sicherheitsrat wurde im Sommer 1992 auf der Basis des Gesetzes
„Über die Sicherheit” vom 5. März 1992 durch präsidentielles
Dekret eingerichtet. Ein weiteres präsidentielles Dekret („Fragen
des Sicherheitsrates der RF”) vom 10. Juli 1996 bestätigt die
Verordnung über den Sicherheitsrat der RF, die genauer die Aufgaben
und die Arbeitsweise des Rates regelt. [14]
Art. 83 lit. Verf RF
lautet: „Der Präsident der RF bildet und leitet den
Sicherheitsrat der RF, dessen Status durch föderales Gesetz
festgelegt wird.” Art. 13 des Gesetzes "Über die
Sicherheit" bezeichnet den Sicherheitsrat also als
Verfassungsorgan ("konstitucionnyj organ"), obgleich die
Verfassung dieses nicht vorsieht. [15]
H.-H. Schröder (1996), Instanzen sicherheitspolitischer
Entscheidungsfindung in der Jelzin-Administration, S. 23. [16]
Die Kommission wurde aufgrund präsidentiellen Dekrets Nr. 1037 vom
19.10.1997 gegründet. Zum Vorsitzenden der Kommision wurde der
Generaldirektor der Föderalen Agentur für regierungsamtliche
Nachrichten und Informationen beim Präsidenten der RF A. V.
Starovojtov bestimmt. [17]
Vgl. E. K. Gluško (1997), in: Naučno-praktičeskij
kommentarij k Konstitutii Rossijskoj Federacii (V. V. Lazarev),
Kommentar zu Art. 83, S. 379: „Entscheidungen des Sicherheitsrates
über wichtigste Fragen werden durch präsidentielle Dekrete
ausgefertigt, die übrigen Entscheidungen durch Protokolle.” [18]
J. von Blumenthal (1995), Der Präsident Rußlands im
Demokratisierungsprozeß, S. 52. [19]
F. Burlackij, Uroki Kavkazskoj kampanii. Sovet
bezopasnosti i idei Montesk´e, in: Nezavisimaja gazeta, 31.1.1995,
S. 2. [20]
H.-H. Schröder (1996), Instanzen sicherheitspolitischer
Entscheidungsfindung in der Jelzin-Administration, S. 27. [21]
Art. 100 Abs. 2 Verf RF lautet: „Die Sitzungen des Föderationsrats
und der Staatsduma sind öffentlich. In den von der Geschäftsordnung
einer Kammer vorgesehenen Fällen ist diese berechtigt, geschlossene
Sitzungen abzuhalten.” [22]
1996 wurde als Beratungsmöglichkeit im kleinen Kreis der sog.
"Vierer-Rat" gebildet, dem der Präsident, der
Regierungschef sowie die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern
angehören. [23]
E. Schneider (1998), Der zentrale politische Entscheidungsprozeß in
Rußland, S. 20 / 21. [24]
Übers. d. Verf.: "Für das Leben wichtige Interessen" =
"žiznenno važnye interesy". [25]
O. I. Lobov, zitiert aus: H. H. Schröder (1996), Instanzen
sicherheitspolitischer Entscheidungsfindung in der
Jelzin-Administration, S. 24. [26]
Übers. d. Verf. [27]
Anderer Ansicht ist O. Baller (1997), Publizität und Geheimhaltung
im Öffentlichen Recht der Russischen Föderation, ROW 3 / 1997, S.
93 (98): „Der Begriff des Staatsgeheimnisses ist vor allem wegen
seiner Teilidentität mit einem die Grenzen der staatlichen und der
privaten Sphäre verwischenden Sicherheitsbegriff von mit
rechtstaatlichen Prinzipien kaum vereinbarter Weite und
Unbestimmtheit.” [28]
J. Tjutina (1996), Kommentarij (zum Änderungsgesetz über
das Staatsgeheimnis), ZiP 26 (Okt. ´96). [29]
Strafmaße: Staatsverrat (Art. 275 UK RF): 12 - 20 Jahre
Freiheitsentziehung; Spionage (Art. 276 UK RF): 10 - 20 Jahre
Freiheitsentziehung, Preisgeben von Staatsgeheimnissen (Art. 283 UK
RF): Freiheitsentziehung von bis zu 4 Jahren, in schweren Fällen
von 3 - 7 Jahren. [30]
Vgl. hierzu die Ausführungen zum deutschen Staatsgeheimnisbegriff
bei W. Janisch (1998), Investigativer Journalismus und
Pressefreiheit: Ein Vergleich des deutschen und amerikanischen
Rechts, S. 107 - 110. [31]
Art. 11 des Gesetzes bestimmt, daß zu dieser Kategorie auch die
persönlichen Daten der Bürger gehören. [32]
Vgl. L. A. Trachtengerc (1997), Kommentar zu Art. 139, in:
Kommentarij k Graždanskomy kodeksy RF, Teil 1 (O. N. Sadikov), S.
290: Er äußert rechtliche Bedenken hinsichtlich der Erstreckung
des Art. 139 auf das Dienstgeheimnis, weil das Dienstgeheimnis nicht
einen Geschäftswert darstellen muß und von anderer Qualität als
das Geschäftsgeheimnis ist. [33]
SZRF 1997 No 10, St. 1127. [34]
A. Fat´janov (1998), aaO. S. 9 / 10. [35]
Vgl. A. Balyberdin / M. Bus (1998), Vnov´ k voprosu o
gosudarstvennoj tajne, ZiP 44 (April ´98): Gesetzgebungsprozeß
"weit entfernt von seiner Vervollkommnung". [36]
SZRF 1995 No. 49, st. 4775. Das Verzeichnis ist gemäß Art. 9 des Gesetzes „Über
das Staatsgeheimnis” von der „Überbehördlichen Kommission für
den Schutz des Staatsgeheimnisses” ausgearbeitet worden. [37]
P. Hübner (1997), Pressefreiheit in Rußland, BIOst Nr. 43 / 1997,
S. 13. [38]
A. S. Pjatkina (1996), Kommentierung zu Art. 29 Verf RF, S. 114, in:
Kommentarij k Konstitucii RF, glav. red. L. A. Okunkov. [39]
Ukas No. 61 ot 24.01.1998 "O perečne svedenij, otnesennych
k gosudarstvennoj tajne". Ebenso wurde die Liste der
Amtspersonen, die zur Sekretierung befugt sind, nach und nach
erweitert: Prezident RF Rasporjaženie No. 226-rp ot 30.05.97;
Prezident RF Rasporjaženie No. 280-rp ot 23.07.98; Prezident RF
Rasporjaženie No. 12-rp ot 23.01.99. [40]
Vgl. auch die weiteren Strafbestimmungen Art. 105-125, 131-135 und
246-262 UK RF. [41]
GK RF Art. 1084-1094. [42]
KoAP RSFSR Art. 41-45, 82-84 und 101-102. [43]
Diesen Vorteil betonen A. Balyberdin / M. Bus (1998), aaO. [44]
M. Kudrjavcev (1998), Analyz: Vzaimootnošenija gosudarstva i ličnosti
v sfere gosudarstvennoj tajny, in: ZiP 41 / 42 (Jan. / Febr. ´98). [45] A. Ratinov / G. Efremova, Mass Media v Rossii, Kapitel III, Nr. 1 - 6. [46]
Vgl. B. Whitmore (1998), The Reluctant Dissident, in:
Transitions, Vol. 5, No. 5 (Mai 1998), S. 68 - 73. [47]
Entscheidung des Verfassungsgerichts der RF im Verfahren über die
Verfassungsmäßigkeit der Art. 1 und 21 des Gesetzes "Über
das Staatsgeheimnis" vom 21. Juli 1993 im Zusammenhang mit den
Klagen der Bürger V. M. Gurdijanc, V. N. Sincov, V. N. Burgov und
A. K. Nikitin vom 27. März 1996 (SZRF 1996, No. 15, Pos. 1768). [48]
Vgl. Art. 14 Nr. 3 d) des Internationalen Paktes über bürgerliche
und politische Rechte vom 19.12.1966. [49]
"Bellona" (1998), The Nikitin Process, Klageschrift vom
29. Juni 1998, zu finden unter:
http://www.bellona.no/e/russia/index.htm. [50]
Kollegialgericht der Stadt St. Petersburg in Strafsachen, Urteil vom
29. Oktober 1998, Fall Nr. 02-1 / 98, zu finden unter:
http://www.bellona.no /e/russia/index.htm. - Vgl. auch T. Artemova /
V. Tereškin, Sud po delu Aleksandra Nikitina, ili kak za 6 dnej
ruchnuli obvinenija, nad kotorymi FSB tružilas´ 3 goda, Posev
11/98, S. 33 ff. [51]
V. Kostjukovskij (1999), "`Špionskoe´ delo Aleksandra
Nikitina otpravleno na dosledovanie", in: Novye izvestija No.
19 (305), 5.2.1999, S. 1 / 7 (Übers. d. Verf.). [52]
Die Dauer der Untersuchungshaft ist gesetzlich auf zwei Monate bzw.
in schwierigen Fällen auf bis zu eineinhalb Jahren begrenzt, Art.
97 Abs. 2 UPK RSFSR. Die frühere Bestimmung, nach der die Zeit, die
der Angeklagte und sein Verteidiger für die Akteneinsicht in
Anspruch nehmen, nicht mehr als Untersuchungshaft gelten sollte, ist
durch das Verfassungsgericht der RF am 13. Juni 1996 für ungültig
erklärt worden (SZRF 1996, No. 26, Pos. 3185).
[53]
Vgl. J. Gauslaa, The Nikitin Trial. Analysis of the Indictment, 17.
Oktober 1998; Ken Uggerud, Evidence Evaluation of the
Nikitin-Indictment, beides zu finden unter:
http://www.bellona.no/e/russia/index.htm. [54]
Vgl. Obščestvennij komitet v zaščitu Grigorija Pasko
(Redaktion), Delo Grigorija Pasko,
http://www.polit.ru/index-dossier/. Das Militärgericht
der Pazifikflotte verhandelte unter Ausschluß der Öffentlichkeit
und sprach Pasko am 20. Juli 1999 vom Vorwurf des Staatsverrats
(Art. 275 UK RF) frei. Pasko wurde für die Weitergabe von
Informationen an die japanische Presse wegen Mißbrauchs seiner
Dienststellung (Art. 285 UK RF) zu drei Jahren Besserungsarbeiten
verurteilt. Man ließ ihn mit der Urteilsverkündung sofort auf
freien Fuß, da er sich bereits zwanzig Monate im Gewahrsam der
Strafverfolgungsbehörden befunden hatte. Urteilsspruch und Amnestie
dienten dazu, eine mögliche Kassation zu vermeiden. - Im Juli 1999
wurde außerdem bekannt, daß der FSB Laboratorium und Wohnung des
Meeresforschers V. Sojfer in Vladivostok in seiner Abwesenheit
durchsucht hatte (vgl. Itogi, 20. Juli 1999, S. 8). [55]
D. Grafov (1999), Sobstvennye grechi Viktor Gerašenko ob´javil
gosudarstvennoj tajnoj, in: Novye izvestija, 19.01.1999, S. 2. - Der
Chef der Zentralbank zählt zur Liste der zur Sekretierung bevollmächtigten
Amtsträger.
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