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7. Zusammenfassung

 

Nachdem man die Verfassung der Rußländischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik von 1978 mehrmals geändert und reformiert hatte, war sie zu einer eklektischen Verfassungsurkunde geworden, die sowohl rechtsstaatliche Elemente als auch Kernelemente der früheren Sowjetverfassungen enthielt.[1] Mit dem Verfassungsreferendum am 12. Dezember 1993 gelang schließlich die Annahme einer neuen Verfassung, die Rußland zum demokratischen, föderativen Rechtsstaat erklärt und deren Grundrechtsteil den Anforderungen an moderne demokratische Verfassungen entspricht. Im Unterschied zu früher wird die überwiegende Zahl der Grundrechtsartikel nunmehr als Menschen­rechte formuliert. Auch die Freiheitsrechte des Art. 29 Verf RF werden ohne Einschränkung jedem, also nicht nur den Bürgern Rußlands, sondern auch Ausländern und Staatenlosen, gewährt. Ihre Fassung geht hinsichtlich der Informationsfreiheit, der Freiheit der Massenmedien und des Zensurverbots über den Wortlaut der entsprechenden Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskon­vention hinaus. Insbesondere ergibt sich aus der Garantie der Freiheit der Massenmedien der Grundsatz der Staatsfreiheit der Massenmedien. Diesem Grundsatz kommt in Anbetracht der im ersten Kapitel geschilderten früheren Organisation der Massenmedien in der Sowjetunion besondere Bedeutung zu. Er wird durch Art. 13 Verf RF verstärkt, der die Anerkennung der Vielfalt der Ideologien und das Verbot der Staatsideologie zur Grundlage der Verfassungsordnung erklärt, sowie durch den speziellen Verfassungsvorbehalt des Art. 29 Abs. 2 Verf RF, der sozialen, ethnischen oder religiösen Minderheiten das Recht gibt, sich gegen scharfe Formen der Propaganda oder Agitation zur Wehr zu setzen. Der Gesetzesvorbehalt, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und nicht zuletzt der Vorrang und die unmittelbare Geltung der Verfassung stellen außerdem zugunsten eines jeden sicher, dass die Freiheitsrechte des Art. 29 Verf RF nicht ohne gesetzliche Grundlage, willkürlich, übermäßig oder zu verfassungswidrigen Zwecken eingeschränkt werden dürfen.

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[1] T. Schweisfurth (1994), Die Verfassung Rußlands vom 12. Dezember 1993, in: EuGRZ 94, 473 (476).