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4. Misserfolg in zweiter Lesung

 

Der Abgeordnete der KPRF[1] R. G. Gabidullin, der dem Unterhaus am 17. Februar 1999 den überar­beiteten und korrigierten Änderungsentwurf zum Gesetz "Über die Massenmedien" für die zweite Lesung präsentierte, obgleich er nicht im Namen des Komitees für Informationspolitik und Nachrichtenwesen insgesamt auftrat, sondern im eigenen Namen und dem seiner Mitstreiter, kam auf die oben wieder­gegebenen Konzentrationsbeschränkungen deutlich zu sprechen:

 

"Verehrte Abgeordnete, ich habe die Positionen des Komitees und der Arbeitsgruppe hinsichtlich der Korrekturen dargestellt, über die eine Einigung erzielt wurde. Über zwei Bestimmungen des Gesetzesentwurfs gingen die Meinungen jedoch auseinander. Als die Korrekturarbeiten schon beendet waren, der Text des Gesetzesentwurfs für die zweite Lesung endgültig vorbereitet war und seine Überprüfung durch die Rechtsabteilung überstanden und insgesamt eine positive Stellungnahme erhalten hatte, da beschloss das Komitee auf den Vorschlag einer Reihe von Abgeordneten hin mit der Mehrheit der Stimmen, den Artikel 4-1 aus dem Text des Entwurfs wieder zu streichen, der den Besitz von Massenmedien einschränkt, also den Antimonopol-Artikel, der die Möglichkeiten der Finanz-Industrie-Gruppen und Banken begrenzt, die Massenmedien in ihren Händen zu Dutzenden zu konzentrieren und die öffentliche Meinung zu manipulieren, und ebenso die Bestimmung des zweiten Teils des Artikel 7 "Recht auf Registrierung von Massenmedien", die all jenen juristischen Personen dieses Recht aberkennt, die vollständig ausländischem Kapital gehören, oder den ausländischen juristischen Personen oder Bürgern, die ein beherrschendes Aktienpaket besitzen. (...) Wir, die Abgeordnetengruppe und Mitglieder des Komitees - Berdnikova, Gabidullin, Sucharev, Toporkov, Čikin, Kravec - halten diese Entscheidung des Komitees für eine Änderung der Konzeption des Gesetzesentwurfs, der in erster Lesung angenommen wurde, die den gesellschaftlichen und staatlichen Interessen widerspricht, und bitten die Abgeordneten darum, für die Einfügung dieser Bestimmungen in den Gesetzestext zu stimmen." [2]   

 

Dieser überraschenden Aufforderung folgten Stellungnahmen weiterer Abgeordneter, Verwirrung und Streit. Insbesondere ärgerte man sich über die merkwürdige Vorgehensweise Gabidullins, zusätzliche Änderungsvorschläge einzubringen, über die einzeln abgestimmt werden musste und über deren jeweiligen Inhalt sich nicht jeder Abgeordnete im Klaren war (V. A. Ryžkov), und man kritisierte, dass Gabidullin anfangs als vortragender  Sprecher des Komitees und plötzlich mitten im Vortrag als dessen heftiger Kritiker aufgetreten war (C. V. Ivanenko, Fraktion "JaBLoko"). Man verlangte die Gründe für die Streichung des Art. 4-1 zu wissen, die Gabidullin nach anfänglicher Weigerung recht widerwillig und ungenau mitteilte. I. L. Lukašev präzisierte daraufhin wenig später:

 

"Verehrte Kollegen, ich glaube, dass unser Gesetz in der Form, in der es vom Komitee zur Abstimmung vorgelegt wurde, wirklich alle zur Verabschiedung nötigen Instanzen durchlaufen kann. Und die Streichung [des Art. 4-1, d. Übers.] bezweckte, dieses Gesetz nicht scheitern zu lassen. Sie wurde vorgenommen, weil die betreffende Bestimmung unserem föderalen Gesetz `Über die Konkurrenz und die Beschränkung monopolistischen Verhaltens auf den Warenmärkten´ widerspricht."

 

Sodann ging man zur Abstimmungsprozedur über, bei der mehrmals über einzelne Bestimmungen gesondert abgestimmt werden musste, einzelne Abstimmungen wiederholt wurden und die logische Abstimmungsreihenfolge missachtet wurde. Der Abgeordnete Ju. M. Nesterov (Fraktion JaBLoko) äußerte sich hierzu wie folgt:

 

"Verehrter Rinat Gindullovič [Gabidullin, d. Übers.], falls mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt, so haben wir uns im Komitee abgesprochen, dass man die Abstimmungsreihenfolge leicht abwandeln muss und unbedingt als erstes die Abstimmung über den Ein- oder Ausschluss des Artikels 4-1 vorgenommen werden muss, sonst macht es keinen Sinn, über Einzelheiten am Text dieses Artikels abzustimmen, obgleich der Artikel aufgrund der Entscheidung des Komitees vollständig zu streichen ist, verstehen Sie? Und wir haben immer noch nicht über diese Grundentscheidung abgestimmt. Deshalb schlage ich vor, zur Ordnung zurückzukehren."

 

Man fuhr jedoch unbeirrt fort, und das Resultat der vielen Abstimmungen war, dass man sich zwar für die Wiedereinfügung des Artikels 4-1 entschied, aber auch nach wiederholter Abstimmung keine Mehrheit dafür erzielt werden konnte, den Staat von diesen Antimonopolregelungen auszunehmen. Ein in dieser Form beschlossenes Änderungsgesetz würde jedoch dazu führen, viele regionale staatliche Fernseh- und Radiogesellschaften (GTRK) zerschlagen zu müssen (vgl. Art. 4-1, zweiter Absatz: Überschneidungen der Sendegebiete zu mehr als 30 %). Nach einigem hin und her wurde das Gesetzesprojekt schließlich von der Tagesordnung genommen, und es erging die Entscheidung pr. 446 "Das Gesetzesprojekt wird zur Überarbeitung an das verantwortliche Komitee zurückgegeben."

 

Ju. M. Nesterov fasste das Ergebnis des Tages zusammen: "Verehrte Kollegen, ich bitte um 30 Sekunden Aufmerksamkeit. Ich will sie nur darauf aufmerksam machen, dass der fundamentale Grund des heutigen Misserfolgs das Beharren auf Artikel 4-1 gewesen ist. Das muss man verstehen. Und nicht etwa deshalb, weil wir in der Fraktion die allgemeine Tendenz nicht teilen würden, das allgemeine Streben, die Monopolisierung der Massenmedien zu begrenzen, sondern darum, weil die Fassung, die das Komitee im Ergebnis zustande brachte, tatsächlich an einigen Fehlern leidet. Daher wird die Kammer dieses Gesetz das nächste Mal nur dann annehmen können, wenn unser Komitee, und vor allem diejenigen, die für die Ausarbeitung Verantwortung tragen, Maßnahmen ergreifen, um statt dieses Artikels ein besonderes Gesetz über die Begrenzung der Monopolisierung der Massenmedien auszuarbeiten und dieses Gesetz mit unseren führenden Akteuren auf dem Gebiet der Massenmedien und den übrigen Beteiligten dieses Prozesses abzustimmen. Das war alles."

 

Die Forderung nach einem speziellen, medienrechtlichen Gesetz zur Konzentrationsbeschränkung auf dem Markt der Massenmedien vertritt auch das Zentrum "Recht und Massenmedien" in seinem Bericht "Rußländische Massenmedien, Staatsgewalt und Kapital: zur Frage der Konzentration und Transparenz der Massenmedien in Rußland" (siehe siebtes Kapitel, 2. d).

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[1] Die Fraktion der Kommunistischen Partei der RF stellt ein Drittel der Abgeordneten der 1995 gewählten Staatsduma und damit die bei weitem stärkste Fraktion des Parlaments. Zusammen mit den Agrariern erreicht die KPRF 40,9% der Abgeordneten, und zusammen mit der LDPR erreichen sie 52,2%.

[2] R. G. Gabidullin zur Vorstellung des Änderungsprojektes, Sitzungsprotokoll vom 17. Februar 1999, aaO (Übers. d. Verf.).