5. Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit werden mit der Methode der Brain Electric Source Analysis Generatoren für das evozierte Potential nach schmerzhafter Laserreizung gefunden. Die Daten der laserevozierten Potentiale (LEP) stammen aus den Arbeiten von Kazarians (1996), der schmerzhafte Hitzereize mit einem Thulium-YAG-Laser auf die Schläfe und den Handrücken freiwilliger Probanden appliziert hatte.
Für das LEP nach Reizung des Nervus trigeminus ist von Bromm und Chen (1995) ein Vier-Dipol-Modell entwickelt worden. Auf der Basis dieses Modells wurden individuelle Lokalisationen dieser vier Dipole gefunden und hinsichtlich der Reizorte Stirn und Hand verglichen. Die Kriterien für die mathematische Optimierung bei der Quellenlokalisation weichen in der vorliegenden Arbeit von den von Bromm und Chen benutzten ab. Die Dipollokalisationen für die Reizung des Nervus trigeminus bleiben jedoch in der hier vorgestellten Lösung im statistisch zu erwartenden Bereich.
Es konnte der bekannte, zentrale, dem Gyrus cinguli zuzuordnende Dipol identifiziert werden. Dieser zeigt eine Lokalisationsänderung nach okzipital beim Übergang von der Trigeminusreizung zur Radialisreizung. Dies entspricht für die Trigeminusreizung einer Aktivierung mehr anterior gelegener Anteile des Gyrus cinguli.
Für das bilateral symmetrisch lokalisierte Dipolpaar wurde ein vom Reizort abhängiger signifikanter Effekt gefunden: Für die schmerzhafte Radialisstimulation waren die Azimuthwinkel der Dipolorientierungen signifikant größer, die Dipole zeigten also weiter nach kaudal. Diese Änderung der Dipolorientierung ist vereinbar mit einer Lokalisation der Dipole im sekundären somatosensorischen Kortex. Für größere Probandenzahlen sind daher auch signifikante Veränderungen der Dipollokalisation zu erwarten.
Die Differenz der Cz-Latenzen der LEP für die verschiedenen Reizorte ist gut durch eine Reizleitung durch Ad -Fasern zu erklären. Aus dem Vergleich der Cz-Latenzen für den CO2-Laser und den Thulium-dotierten Yttrium-Aluminium-Granat-(YAG)-Laser läßt sich eine Nozizeptoraktivierungszeit für den Thulium-YAG-Laser abschätzen, die nahe bei Null liegt.
Da die Quellenlokalisation bereits im Kugelmodell untersucherabhängig sein kann, wurde eine Methode angegeben, die mathematisches Modell, physiologische Fragestellung und physiologische Plausibilitätsüberlegung bei der Modellentwicklung strikt trennt. Es wurde argumentiert, daß eine Zuordnung zu anatomischen Strukturen ausschließlich dann möglich ist, wenn zusätzliche physiologische Information, die nicht in das BESA-Verfahren einfließt, in die Hypothesenüberprüfung eingeht.
Bessere Aufklärungen lassen sich durch eine höhere Zahl an Probanden, den Einsatz der Magnetenzephalographie und durch Verfahren erreichen, die einen Bezug zu probandenspezifischen Kernspintomogrammen herstellen.
Das erste Verfahren, die Erhöhung der Zahl von Probanden unter Beibehaltung der BESA-Methode und ihres Kugelmodells, bietet sich beispielsweise für pharmakologische Studien an. Hier kann ein Analgetikum mit Hilfe etablierter Prozeduren untersucht werden, doch könnte gleichzeitig der Effekt auf den schmerzrelevanten Generator studiert werden.
Magnetenzephalographische Messungen erlauben eine genauere Ortsauflösung, weil ein Mehrkanalmagnetometer wie das 31-Kanal-Gerät der Klinischen Magnetometrie im Physiologischen Institut der Universität Hamburg direkt über dem zu untersuchenden Areal positioniert werden kann.
Eine probandenspezifische Lokalisation ist möglich, wenn Kernspintomogramme vorliegen. Diese werden rechnergestützt in graue und weiße Substanz segmentiert. Eine Quellenlokalisation kann dann für magnetenzephalographische und für elektroenzephalographische Messungen erfolgen. Der Rechenaufwand ist jedoch um ein Vielfaches höher als im Falle der Brain Electric Source Analysis.
Wenn die Quellenlokalisation evozierter Potentiale Eingang in die klinische Praxis findet, ist zu bedenken, daß Quellenlokalisationen mit Bezug zum individuellen Kernspintomogramm wesentlich aufwendiger sind als Verfahren, die Kugelmodelle nutzen. Grundsätzlich ist daher eine Stufendiagnostik denkbar: Mit Hilfe eines Kugelmodells ließe sich die Existenz relevanter Effekte bei normaler oder gestörter Schmerzverarbeitung zeigen. Abhängig von der neurophysiologischen Fragestellung könnte in einem nächsten Schritt eine individuelle Quellenlokalisation erfolgen.