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Inhalt dieses Kapitels

3. Ergebnisse

3.1. Latenzdifferenz

3.2. Nozizeptoraktivierungszeit

3.3. Signal-Noise-Verhältnis der Meßdaten

3.4. Identifikation von schmerzrelevanten Gehirngeneratoren

3.5. Somatotopie der Generatoren

3. Ergebnisse

3.1 Latenzdifferenz

Die Komponenten des laserevozierten Potentials für die Reizung des Nervus trigeminus sind in den Arbeiten von Kazarians (19951996) beschrieben; es handelt sich um Negativitäten bei 150 ms, 300 ms und 480 ms und Positivitäten bei 230 ms und 360 ms. In den nach Radialisreizung ermittelten evozierten Potentialen konnten die entsprechenden Komponenten ebenfalls identifiziert werden. Sie weisen eine mittlere Latenzdifferenz von 57,3 ± 11,2 ms auf, wenn der Signalverlauf in Cz für die Negativität N150 zugrunde gelegt wird.

Setzt man für die vom Nervus-Radialis-Signal zusätzlich zurückgelegte Entfernung 80 cm an, ergibt sich bei der aus dem Kurvenverlauf in Cz abgeschätzten Latenzdifferenz von 57,3 ± 11,2 ms eine Nervenleitgeschwindigkeit von im Mittel 14,9 ± 3,2 m/s. Im Falle der Ermittlung der Latenzdifferenz aus der Mean Global Potential Power ist die Latenzdifferenz 60,0 ± 16,7 ms, die Nervenleitgeschwindigkeit beträgt 14,8 ± 5,2 m/s. Tabelle II faßt diese Ergebnisse zusammen. Diese Werte stehen in guter Übereinstimmung mit dem bekannten Bereich der Nervenleitgeschwindigkeit für Ad -Fasern von 12 m/s bis 30 m/s (Bromm und Treede 1991; Kakigi und Shibasaki 1991; Kakigi et al. 1991). Tabelle III zeigt die entsprechenden Latenzdifferenzen für die Komponente P230.

Die nach Radialisstimulation zusätzlich zurückzulegende Entfernung ergibt sich aus den folgenden Abschätzungen: Die Trigeminuswurzel geht in das Ganglion trigeminale über, das sich an der Spitze der Felsenbeinpyramide über der Arteria carotis interna befindet (Neuhuber 1985). Die Entfernungsdifferenz zwischen den beiden Reizorten entspricht also der Differenz der durch Nervenleitung zurückzulegenden Distanzen zwischen Schläfe und Hirnstamm bzw. Handrücken und Hirnstamm.

Tabelle II: Latenzdifferenzen bei Identifikation der Komponente N150 (bzw. N210 für Radialisreizung) aus dem Vertexpotential (Cz) und der Mean Global Potential Power

Reizort, Nervus  

Trigeminus

radialis

Differenz

NLG

Komponente  

N150

N210

 

(m/s)

           
Mittelwert [ms] (aus MGPP)

147,50

210,00

60,00

14,75

Std.-Abw. [ms] (aus MGPP)

14,52

22,58

16,67

5,21

           
Mittelwert [ms] (aus Cz)

146,00

205,33

57,33

14,85

Std.-Abw. [ms] (aus Cz)

7,42

15,26

11,23

3,17

Legende zu Tabelle II: Nach Identifikation der N150-Komponente im laserevozierten Potential für die Trigeminusreizung und die Radialisreizung ergeben sich anhand der Signalverläufe am Vertex und der MGPP die jeweiligen Mittelwerte in ms. Für die Berechnung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) wird eine mittlere Entfernung von 80 cm zugrunde gelegt. Für die Radialisreizung lag eine kleinere Stichprobe vor.

Tabelle III: Latenzdifferenzen bei Identifikation der Komponente P230 (bzw. P310 für Radialisreizung) aus dem Vertexpotential (Cz)

Reizort, Nervus  

Trigeminus

Radialis

Differenz

Komponente  

P230

P310

 
         
Mittelwert [ms] (aus Cz)

228,00

305,00

69,00

Std.-Abw. [ms] (aus Cz)

19,65

5,39

21,00

Legende zu Tabelle III: Nach Identifikation der P230-Komponente im laserevozierten Potential für die Trigeminusreizung und die Radialisreizung ergeben sich anhand der Signalverläufe am Vertex die jeweiligen Mittelwerte in ms. Auf die Berechnung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) wurde verzichtet. Für die Radialisreizung lag eine kleinere Stichprobe vor.

Die Annahme erscheint gerechtfertigt, daß die Entfernung vom Handrücken zum Hirnstamm 100 cm beträgt. Für die Distanz von der Schläfe zum Ganglion trigeminale werden 20 cm angenommen, so daß eine Differenz von 80 cm resultiert. Diese Differenz beschreibt den Unterschied der im peripheren Nervensystem zurückzulegenden Wege im Vergleich zwischen Trigeminusreizung und Radialisreizung.

Auf eine Berechnung der Nervenleitgeschwindigkeit für die Positivität P230 (Trigeminusreizung) bzw. P320 (Radialisreizung) wurde verzichtet, da bekannt ist, daß diese Positivität im laserevozierten Potential später auftreten kann als es aufgrund der in der Negativität gefundenen Signallatenzen erklärt wäre (Bromm und Treede 1991).

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3.2 Nozizeptoraktivierungszeit

Der Vergleich der Latenzen der beiden oben beschriebenen Komponenten ermöglicht eine Abschätzung der Nozizeptoraktivierungszeit für den Thulium-YAG-Laser. Die Wellenlänge dieses Lasers liegt im Bereich eines der Energieabsorptionsmaxima von Wasser (Bortfeld und Kramer 1991). Daher wird der Hitzereiz des Thulium-YAG-Lasers ohne Hautreflexion in den obersten Hautschichten absorbiert, in denen die nozizeptiven Fasern enden (Munger und Halata 1983; Bromm und Treede 1991). Die Rezeptoraktivierungszeit für schmerzhafte Laserreize ist definiert als das Zeitintervall vom Beginn des Reizes bis zum Erreichen der maximalen Temperatur am Nozizeptor. Für den CO2-Laser fanden Bromm und Treede (1984; 1983) Rezeptoraktivierungszeiten von 40 ms. Im Vergleich der schmerzevozierten Potentialen durch intrakutane elektrische Reize und laserevozierte (CO2-Laser) Reize bestätigte sich eine Rezeptoraktivierungszeit von 40 ms bis 50 ms (Bromm und Treede 1991). Tabelle IV stellt die jeweiligen Latenzen für die erste späte Negativität und die erste späte Positivität für elektrische Reizung und die beiden verschiedenen Laserreizungen dar.

Tabelle IV: Latenzdifferenzen bei Vergleich der drei Reizarten elektrische Stimulation, Laserreiz (CO2-Laser) und Laserreiz (Thulium-YAG-Laser)

Komponente  

N

P

Reizort Reizart

[ms]

[ms]

       
N. trigeminus Thulium-YAG-Laser

146

228

N. radialis Thulium-YAG-Laser

205

305

Latenzdifferenz für Thulium-YAG-Laser

59

77

       
Komponente  

N

P

Reizort Reizart

[ms]

[ms]

       
N. radialis Intrakutan elektrisch

140

265

N. radialis CO2-Laser

249

390

Latenzdifferenz zw. Elektrisch und CO2

109

125

Komponente  

N

P

Reizort Latenzdifferenz

[ms]

[ms]

       
N. radialis Thulium / CO2

44

85

N. radialis Elektrisch / Thulium

65

40

N. radialis Elektrisch / CO2

109

125

Legende zu Tabelle IV:

N: Negativität der späten Komponente des schmerzevozierten Potentials.
P: Positivität der späten Komponente des schmerzevozierten Potentials.
Oben
: Latenzdifferenzen zwischen Trigeminusreizung und Radialisreizung für den Thulium-YAG-Laser.
Mitte
: Latenzdifferenzen für Radialisreizung zwischen elektrischer und CO2-Laser-Reizung (Bromm und Treede 1991).
Unten
: Latenzdifferenzen für Radialisreizung im Vergleich von je zwei der drei Reizmodalitäten.

Die Latenzdifferenz zwischen dem negativen Peak (N) der schmerzevozierten späten Negativität nach Radialisreizung betrug im Vergleich zwischen CO2-Laserreizung und intrakutaner elektrischer Reizung 109 ms. Etwa die Hälfte dieser Latenzdifferenz ist durch die Nozizeptoraktivierungszeit erklärt, die verbleibende zeitliche Verschiebung kommt durch die verschiedenen Nervenleitgeschwindigkeiten der Ab - und Ad -Fasern zustande (Bromm und Treede 1991). Für die entsprechende Positivität (P) war eine Latenzdifferenz von 125 ms gefunden worden. Diese Zunahme der Latenzdifferenz wird durch eine stochastische Verteilung der Nervenleitgeschwindigkeit – mit dem Effekt der Aufspreizung des Peaks – erklärt (Bromm und Treede 1991).

Die durch den Thulium-YAG-Laser nach schmerzhafter Radialisreizung evozierte Negativität ist 65 ms später zu finden als die der elektrischen Stimulation, und sie ist 44 ms früher meßbar als die entsprechende Negativität, die durch eine CO2-Laser-Stimulation zu evozieren ist. Daraus folgt, daß für die Hitzereizung durch den Thulium-YAG-Laser eine vernachlässigbar kurze Nozizeptoraktivierungszeit angenommen werden muß.

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3.3 Signal-Noise-Verhältnis der Meßdaten

Durch die verschiedenen Stichprobengrößen unterscheidet sich das Signal-Noise-Verhältnis intraindividuell zwischen den beiden Reizorten. Theoretisch ist zu erwarten, daß das SNR um etwa einen Faktor = 3,46 für die Daten der Trigeminusreizung besser ist, weil der Zähler in der Formel, mit der die SNR abgeschätzt wird, beim Übergang zu einer N-fach größeren Stichprobe um den Faktor N, der Nenner jedoch nur um einen Faktorwächst (Stearns und Hush 1994).

Aufgrund der vorbeschriebenen und der eigenen Ergebnisse der BESA-Analyse wurde für jeden Reizort ein relevantes Intervall für die Berechnung der SNR definiert, nämlich [70 ms:300 ms] für die Trigeminusreizung und [130 ms:360 ms] für die Radialisreizung. Für die Trigeminusreizung ist der Beginn dieses Intervalls mit dem Zeitpunkt des Aktivitätsbeginns des zum Reiz kontralateralen hemisphäriellen Dipols identisch. Zum Zeitpunkt 300 ms ist die Aktivität des zentralen Dipols beendet. Im Falle der Radialisreizung sind die entsprechenden Intervalle um 60 ms verschoben. Die Ergebnisse zeigt die Tabelle V.

Aus den SNR lassen sich diejenigen anzustrebenden residualen Varianzen errechnen, die aufgrund der Datenqualität noch sinnvoll sind. Für die Trigeminusreizung ergibt sich, daß eine RV von 2,8 % angestrebt werden darf, für den Probanden mit sehr hoher SNR gilt formal eine mögliche SNR von 0,4 %. Für die Radialisreizung ist die beste anzustrebende RV 6,25 %, im Fall der schlechtesten SNR jedoch nur 14,8 %.

Für die Grand Means wurde jeweils für den Fall der Trigeminus- und der Radialisreizung eine Hauptkomponentenanalyse durchgeführt, die die formale Erklärbarkeit des Signals durch N Dipole zeigte (N=1,2,3, …). Tabelle VI zeigt die Ergebnisse.

Die in der Hauptkomponentenanalyse gefundenen Komponenten sind nicht identisch mit den kortikalen Generatoren, doch erlaubt die Hauptkomponentenanalyse eine Abschätzung der mindestens zu erwartenden Anzahl der verschiedenen Generatoren (Berg und Scherg 1994b).

Tabelle V: Signal-Noise-Verhältnis für laserevozierte Potentiale nach schmerzhafter Reizung des Nervus trigeminus oder des Nervus radialis

 

Intervall

Trigeminusreizung

[70:300]

Proband

SNR

HK

9,0

HU

6,3

MG

12,6

MK

7,5

RB

5,9

RK

8,2

SC

16,1

SR

7,5

 

Intervall

Radialisreizung

[130:360]

Proband

SNR

HK

4,0

MK

3,6

RK

3,1

SC

3,1

SR

2,6

Legende zu Tabelle V: Signal-Noise-Verhältnis probandenspezifisch und in Abhängigkeit vom Reizort. Für die Stimulation des Nervus trigeminus waren für jeden Probanden 10 Reizblöcke appliziert worden, für die Reizung des Nervus radialis 1 Reizblock. Die Wahl der Intervalle ist durch die hier vorliegende Fragestellung und die oben berechnete Latenzdifferenz gegeben.

Tabelle VI: Hauptkomponentenanalyse für die Grand Means

 

(Trigeminus)

(Radialis)

Dipole

Aufgeklärte

Aufgeklärte

 

Varianz [%]

Varianz [%]

1

73,50

83,68

2

89,04

92,46

3

95,00

95,90

4

97,12

98,53

5

98,63

99,28

6

99,13

99,53

Legende zu Tabelle VI: Aufgeklärte Varianz für die Grand Means für die jeweiligen Reizorte in Abhängigkeit von der Anzahl der angenommen Dipole.

In der Literatur werden residuale Varianzen (RV) von 1 % für simulierte Daten (Miltner et al. 1994) und von 3 % bis 5 % für gemessene Daten angegeben (Scherg und Ebersole 1993; Scherg 1992). Deutlich bessere RV beziehen sich in der Regel auf sehr kurze Zeitintervalle (Chen und Bromm 1995).

Aufgrund des Signal-Rausch-Verhältnisses und der Hauptkomponentenanalyse wurden für die Trigeminusreizung Vier-Dipol-Modelle und Fünf-Dipol-Modelle untersucht, für die Radialisreizung lediglich ein Vier-Dipol-Modell, welches sich durch Anpassung des beim selben Probanden gefundenen Vier-Dipol-Modells der Trigeminusreizung ergab.

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3.4 Identifikation von schmerzrelevanten Gehirngeneratoren

Für die oben beschriebenen laserevozierten Potentiale (LEP) nach schmerzhafter Reizung des ersten Astes des Nervus trigeminus bzw. nach Reizung des Nervus radialis wurden in BESA Quellen lokalisiert. Es wurde von dem von Bromm und Chen (1995) beschriebenen Vier-Dipol-Modell ausgegangen. Während in ihrem Modell die Dipole mit I (kontralateral), II (ipsilateral), III (frontal) und IV (Vertex) beschrieben worden waren, werden die Dipole in der vorliegenden Arbeit mit den Ziffern 1 (kontralateral), 2 (ipsilateral), 3 (frontal) und 4 (Vertex) numeriert. Die in der Untersuchung von Bromm und Chen etwa spiegelsymmetrisch gelegenen Dipole I und II wurden hier als fixiert spiegelsymmetrische Dipole 1 und 2 angenommen. Für beide Reizorte wurden für jeden Probanden Lösungen mit Hilfe des oben beschriebenen iterativen Verfahrens gefunden (vgl. Abschnitt 2.4).

3.4.1 LEP in Antwort auf schmerzhafte Reizung des Nervus trigeminus

Durch Hinzufügen von weiteren regionalen Quellen zum vorbeschriebenen Vier-Dipol-Modell wurde der Einfluß eines fünften Dipols getestet. Dieser lag für eine jeweils optimale Modellaufklärung in drei Fällen kontralateral frontal, in zwei Fällen kontralateral temporal, einmal kontralateral parietotemporal, einmal kontralateral parietal und schließlich einmal ipsilateral zentrofrontal. Alle residualen Varianzen sinken durch Hinzufügung des fünften Dipols, jedoch nur in der Hälfte der Fälle um mehr als einen Prozentpunkt. Tabelle VII zeigt die residualen Varianzen probandenspezifisch für 4 und 5 Dipole. Selbst wenn die hohe residuale Varianz für den Probanden MK als "Ausreißer" gewertet würde, würde sich für ein Modell mit fünf Dipolen der Mittelwert der RV nur auf 5,0 % ändern (Standardabweichung 1,1 %). Der entsprechende Wert für ein Vier-Dipol-Modell wären eine RV von 6,2 % mit einer Standardabweichung von 1,4 %.

Tabelle VII: Residuale Varianzen für ein Vier-Dipol-Modell und ein Fünf-Dipol-Modell für LEPs bei Trigeminusreizung

 

4 Dipole

5 Dipole

Proband

RV [%]

RV [%]

HK

4,33

3,56

HU

7,10

4,62

MG

5,57

3,87

MK

10,80

10,20

RB

4,83

4,38

RK

5,87

5,74

SC

8,20

6,23

SR

7,72

6,60

     
Mittelwert

6,80

5,65

Std.Abw.

1,98

2,00

GM

11,50

11,30

GM, cor.

5,02

4,95

 

Legende zu Tabelle VII: Residuale Varianz (RV) probandenspezifisch jeweils für ein Vier-Dipol-Modell und ein Fünf-Dipol-Modell für laserevozierte Potentiale bei schmerzhafter Reizung des Nervus trigeminus.

GM: RV der Quellenlokalisation für den Grand Mean.
GM, cor. RV der Quellenlokalisation für den latenzkorrigierten Grand Mean.

Eine physiologisch plausible Hypothese für den fünften Dipol, der nur mit großer interindividueller Variabilität zu lokalisieren war, erscheint nicht möglich. Die geringe Verbesserung der RV rechtfertigt deshalb die Existenz des fünften Dipols nicht. Im folgenden wird daher ein Vier-Dipol-Modell beibehalten werden.

Dipol 1 befindet sich kontralateral zum Reiz in einem Hirnareal, in dem der sekundäre somatosensorische Kortex anzusiedeln ist. Dipol 2 ist symmetrisch zum Dipol 1 in der ipsilateralen Hemisphäre gelegen. Der frontale Dipol 3 variiert um den Interhemisphärenspalt ohne erkennbare Präferenz für eine Hemisphäre. Der zentral gelegene Dipol 4 liegt für die meisten Probanden im Rahmen der Schwankungsbreite im Interhemisphärenspalt mit einer Ekzentrizität von etwa 1/3 d.h. z = 0,36 r (wobei r den Radius der BESA-Kugel bezeichnet).

Tabelle VIII zeigt die Koordinaten der vier Dipole als Mittelwert ± Standardabweichung und die Dipolkoordinaten der Lösung für den Grand Mean und den latenzkorrigierten Grand Mean.

Die spiegelsymmetrischen Dipole 1 und 2 befinden sich in kartesischen Koordinaten (für Dipol 1) bei (-53,3 ±  3,1 mm, 13,4 ±  14,8 mm, 5,8 ±  11,4 mm). Dipol 2 ist spiegelsymmetrisch in der zum Reiz ipsilateralen Hemisphäre lokalisiert. Insgesamt ist dies eine laterale, tendenziell frontale und temporale Lokalisation.

Dipol 3 ist nahezu stets frontal. Nur für einen Probanden befindet er sich kaudal des Kugelmittelpunktes. Für vier von zehn Probanden ist die optimale Lokalisation von Dipol 3 ipsilateral, für alle anderen kontralateral.

Einen Überblick über Lage und Wellenform dieser Dipole für den Grand Mean der Daten aus der Trigeminusstimulation und für einen einzelnen Probanden geben die folgenden Abbildungen 5 und 6.

 

Tabelle VIII: Mittlere Dipollokalisationen für die Quellenlokalisation bei schmerzhafter Reizung des Nervus trigeminus

 

Dipol

x [mm]

y[mm]

z[mm]

Mittel

1

-53,3

13,4

5,8

 

2

53,3

13,4

5,8

 

3

4,0

27,7

20,0

 

4

-3,1

8,5

31,0

         
Std.Abw.

1

3,1

14,8

11,4

 

2

3,1

14,8

11,4

 

3

7,3

15,6

27,2

 

4

0,6

5,3

5,4

         
GM

1

-62,2

18,0

-0,5

 

2

62,2

18,0

-0,5

 

3

9,6

36,8

9,1

 

4

0,0

8,7

43,0

         
GM, cor.

1

-49,9

30,0

6,6

 

2

49,9

30,0

6,6

 

3

5,7

10,0

66,8

 

4

-0,5

8,1

31,7

 

Legende zu Tabelle VIII: Mittelwert und Standardabweichung der kartesischen Koordinaten der Quellen des LEP nach schmerzhafter Reizung des Nervus trigeminus. Der Radius der BESA-Kugel beträgt 85 mm.

GM: Grand Mean.
GM, cor.: Latenzkorrigierter Grand Mean.

Abbildung 5: Lösung für die Generatoren des LEP bei schmerzhafter Reizung des
Nervus trigeminus (Grand Mean)

Legende zu Abbildung 5: Vier-Dipol-Modell in BESA für den Grand Mean der LEP nach schmerzhafter Reizung des Nervus trigeminus.

 

Abbildung 6: Lösung für die Generatoren des LEP bei schmerzhafter Reizung des
Nervus trigeminus (Proband HK)

Legende zu Abbildung 6: Vier-Dipol-Modell in BESA für das gemittelte LEP eines Probanden (HK) nach schmerzhafter Reizung des Nervus trigeminus.

Dipol 4 befindet sich innerhalb der Schwankungsbreite in x-Richtung von 0,6 mm in unmittelbarer Nähe zum Interhemisphärenspalt. Dieser Dipol ist mit geringer Schwankungsbreite mit einer Ekzentrizität von 0,36 r und mit einer z-Komponente von 31,0 ±  5,4 mm lokalisiert.

Dipole 1 und 2 zeigen für nahezu alle Probanden in eine frontale, vertikale und laterale Richtung. Die einzige Ausnahme ist Proband RK, für den dieser Dipol nach kaudal zeigt. Der zentrale Dipol 4 zeigt mit nur geringer interindividueller Variation zum Vertex. Tabelle IX zeigt die Orientierung der Dipole 1 und 4 in den BESA-Polarkoordinaten thori (Azimuthwinkel) und phori (Polarwinkel). Die Mittelwerte und Standardabweichungen dieser Winkel werden in konventionelle Polarkoordinaten ori_th und ori_ph umgerechnet, weil in BESA besondere Konventionen gelten (vgl. Abschnitt 2.4). Die nach BESA-Konvention numerisch repräsentierten Winkel thori und phori nehmen einen unstetigen Verlauf bei einem Azimuth thori=180° oder bei einem Polarwinkel phori= –90°.Dreht man nämlich den Azimuth von 180° um einem zusätzlichen Winkel D thori, so resultiert ein Wet von –180°+D thori. Dreht man einen Polarwinkel von –90° in Richtung der ursprünglichen Drehung um einen Winkel D phori, so ergibt sich ein neuer Winkel von +90°–D phori.

Der laterale Dipol 1 zeigt einen negativen Peak bei im Mittel 132 ms, eine spätere Positivität ist nicht für alle Probanden reproduzierbar. Der spiegelsymmetrische Dipol 2 erreicht sein Aktivitätsmaximum bei 148 ms. Der frontale Dipol 3 erreicht seinen Peak im Schnitt vor dem Dipol 1 bei 127 ms. Der zentrale Dipol 4 hat seine erste Negativität bei 151 ms und eine Positivität bei 227 ms. Die Aktivitätsmaxima der Dipole für den Grand Mean und den latenzkorrigierten Grand Mean weichen nur unwesentlich von diesen Mittelwerten ab.

Tabelle IX: Orientierung der Dipole 1 und 4 bei Reizung des Nervus trigeminus

Proband

Dipol

thori [°]

phori [°]

ori_th [°]

ori_ph [°]

HK

1

-50,4

-35,1

50,4

144,9

HU

1

-38,1

-24,4

38,1

155,6

MG

1

-75,5

27,8

75,5

207,8

MK

1

48,1

-7,6

48,1

352,4

RB

1

-59,8

-40,2

59,8

139,8

RK

1

-124,8

39,6

124,8

219,6

SC

1

-74,8

26,5

74,8

206,5

SR

1

-80,6

-0,1

80,6

179,9

           
Mittel

1

   

69,0

200,8

Std.Abw.

1

   

25,4

64,0

           
HK

4

-23,7

73,6

23,7

253,6

HU

4

-34,9

-80,5

34,9

99,5

MG

4

14,7

67,1

14,7

67,1

MK

4

48,1

-7,6

15,6

281,2

RB

4

17,7

-49,1

17,7

310,9

RK

4

-17,1

-75,1

17,1

104,9

SC

4

-11,4

-37,5

11,4

142,5

SR

4

11,1

-64,6

11,1

295,4

           
Mittel

4

   

18,3

194,4

Std.Abw.

4

   

7,3

94,0

 

Legende zu Tabelle IX:
thori
: Azimuthwinkel der Orientierung in BESA-Polarkoordinaten.
phori
: Polarwinkel der Orientierung in BESA-Polarkoordinaten.
ori_th
: Azimuthwinkel in konventionellen Polarkoordinaten.
ori_ph
: Polarwinkel in konventionellen Polarkoordinaten.

Alle Winkel sind in Grad angegeben. Die Berechnung von Mittelwert und Standardabweichung ist nur für die in konventionellen Polarkoordinaten berechneten Winkel sinnvoll.

Das bilateral symmetrische Dipolpaar 1/2 und der anatomisch zentral liegende Dipol 4 sind in anderen BESA-Analysen bereits untersucht worden (Bromm und Chen 1995, Chen und Bromm 1995). Für den Dipol 3 war postuliert worden, daß es sich hierbei um ein Korrelat einer willkürlichen Unterdrückung von Augenbewegungen nach schmerzhafter Reizung der Schläfenhaut handeln könnte. Andere als auf BESA basierende Untersuchungen, die physiologische Hypothesen über diesen Dipol 3 bestätigen oder widerlegen könnten, sind nicht bekannt.

Für die Dipole 1, 2 und 4 wurde im t-Test für verbundene Stichproben untersucht, ob signifikante Abweichungen der Latenzen zwischen je zwei Dipolen bestanden. Diese waren für Dipol 1 im Vergleich zu Dipol 4 zu finden (p<0,05). Hiermit wird die Hypothese gestützt, daß der kontralaterale und der zentrale Dipol verschiedene Komponenten des laserevozierten Potentials erklären. Der Latenzunterschied zwischen den Dipolen 1 und 2 war ebenfalls signifikant (p<0,05), so daß davon ausgegangen werden kann, daß die kontralaterale Komponente signifikant früher (rund 16 ms) aktiviert wird als die ipsilaterale Komponente.

Zur Untersuchung des Beitrages der Dipolaktivität des Dipolpaares 1/2 und des zentralen Dipols 4 zum Vertexpotential, das als gutes Maß für die schmerzbedingte zerebrale Aktivität gilt, sind die Latenzdifferenzen des Cz-Peaks und des MGPP-Peaks auf signifikante Abweichungen zu den jeweiligen Aktivitätsmaxima N1;1 und N4;1 untersucht worden. Signifikante Unterschiede zwischen diesen Latenzen bestanden nicht. Tabelle X zeigt die Latenzen der jeweiligen Dipolkomponenten.

Tabelle X: Latenzen der Dipolkomponenten bei schmerzhafter Reizung des Nervus trigeminus

Proband

N1,1

N2,1

P3,1

N4,1

P4,1

HK

132

174

138

156

237

HU

147

159

120

138

201

MG

141

162

123

150

237

RB

153

171

147

168

255

RK

126

126

117

153

225

SC

114

132

129

144

234

SR

114

114

117

147

201

           
Mittelwert

132,4

148,3

127,3

150,9

227,1

Std.Abw.

14,3

22,1

10,6

8,9

18,5

           
GM

132

149

129

150

231

GM, cor.

132

141

129

159

228

Legende zu Tabelle X:
N
1,1: Erste Negativität des kontralateralen Dipols 1.
N
2,1: Erste Negativität des ipsilateralen Dipols 2.
P
3,1: Erste Positivität des frontalen Dipols 3.
N
4,1: Erste Negativität des zentralen Dipols 4.
P
4,1: Erste Positivität des zentralen Dipols 4.
GM: Grand Mean.
GM, cor.: Latenzkorrigierter Grand Mean.
Alle Latenzen sind in ms angegeben. Daten des Probanden MK wurden wegen schlechter Signalqualität und daher nicht eindeutiger Peak-Identifikation von der Analyse der Latenzen ausgeschlossen.

Im t-Test für gepaarte Stichproben bestanden signifikante Unterschiede der Latenzmaxima zwischen N1,1 und N4,1 sowie zwischen N1,1 und N2,1 (p<0,05).

Die Mittelwerte hier gefundenen Dipollokalisationen sind nicht mit den Dipollokalisationen für den Grand Mean oder denjenigen für den latenzkorrigierten Grand Mean identisch. Sie sind stimmen auch nicht mit den von Bromm und Chen (1995) vorbeschriebenen Lokalisationen überein. Daher wurde in einem zweiseitigen Einstichproben-t-Test (Sachs 1996) die Abweichung der Mittelwerte in kartesischen Koordinaten von den entsprechenden Koordinaten der Lösung für den Grand Mean, den latenzkorrigierten Grand Mean und für die Lösung von Bromm und Chen (1995) überprüft. Signifikante Unterschiede wurden nicht gefunden.

In einer Simulationsstudie (Miltner et al. 1994) über die untersucherabhängige Variabilität der mit BESA gefundenen Quellenlokalisationen wird beschrieben, daß Lokalisationsdifferenzen von bis zu 20 mm auftreten können. Die Differenz der hier gefundenen Dipolkoordinaten zu denen von Bromm und Chen (1995) liegt für alle Koordinaten und alle Dipole unterhalb dieser Grenze.

3.4.2 LEP in Antwort auf schmerzhafte Reizung des Nervus radialis

Für den Fall der Radialisstimulation wurde ebenfalls eine Lösung mit Hilfe des oben beschriebenen iterativen Verfahrens gefunden (vgl. Abschnitt 2.4). Für jeden Probanden bestand die initiale Hypothese aus dem Dipolmodell, welches für die Trigeminusreizung gefunden worden war. Die Dipole 1 (kontralateral) und 2 (ipsilateral) wurden wie zuvor als spiegelsymmetrisch fixiert. Auf einen fünften Dipol als Test-Dipol wurde verzichtet, da eine bessere Modellaufklärung bei niedrigem Signal-Rausch-Verhältnis nicht sinnvoll ist (vgl. Abschnitt 2.2).

Dipol 1 befindet sich kontralateral zum Reiz in etwa demselben Hirnareal, in dem dieser Dipol auch im Falle der Trigeminusstimulation zu finden war. Dipol 2 ist symmetrisch zu Dipol 1 in der ipsilateralen Hemisphäre gelegen. Die spiegelsymmetrischen Dipole 1 und 2 befinden sich in kartesischen Koordinaten (für Dipol 1) bei (-44,3 ±  14,3 mm, 11,4 ±  8,9 mm, 17,1 ±  21,6 mm). Insgesamt ist dies eine laterale und tendenziell frontale Lokalisation.

Der frontale Dipol 3 variiert um den Interhemisphärenspalt ohne erkennbare Präferenz für eine Hemisphäre und ohne erkennbare Verschiebungstendenz im Vergleich zur Trigeminusreizung. Für die meisten Probanden liegt Dipol 3 im Fall der Radialisreizung frontal in der Nähe des Interhemisphärenspalts, für einen Probanden liegt er ipsilateral frontal. Für diesen Dipol war – für die Trigeminusreizung – in der Studie von Bromm und Chen (1995) angenommen worden, daß er möglicherweise durch einen unterdrückten Blinkreflex nach Schläfenstiumulation erklärt sein könne. Dann wäre ein entsprechender frontaler Dipol für die Radialisreizung entbehrlich. Da aber für den frontalen Dipol 3 ähnliche Wellenformen und relative Latenzen (s.u.) vorlagen, wurde dieser Dipol beibehalten.

Der zentral gelegene Dipol 4 liegt für die meisten Probanden im Rahmen der Schwankungsbreite im Interhemisphärenspalt mit einer Ekzentrizität von etwa 2/5 d.h. z = 0,4 r, wobei r den Radius der BESA-Kugel bezeichnet. Dieser Dipol ist gegenüber der Trigeminusreizung in okzipitofrontaler Richtung (im BESA-Koordinatensystem: in y-Richtung) nach frontal verschoben. Dipol 4 befindet sich innerhalb der Schwankungsbreite in von 3,5 mm in x-Richtung in unmittelbarer Nähe zum Interhemisphärenspalt (Lokalisierung für x: -1,6 ±  3,5 mm). In okzipitofrontaler Richtung befindet sich dieser Dipol zentral bei y = -0,7 ±  6,9 mm. In z-Richtung ist der Dipol 4 bei 34,0 ±  13,2 mm lokalisiert.

Tabelle XI zeigt die Koordinaten der vier Dipole als Mittelwert ± Standardabweichung und die Dipolkoordinaten der Lösung für den Grand Mean und den latenzkorrigierten Grand Mean.

 

Tabelle XI: Mittlere Dipollokalisationen für die Quellenlokalisation bei schmerzhafter Reizung des Nervus radialis

 

Dipol

x [mm]

y[mm]

z[mm]

Mittel

1

-44,3

11,4

17,1

 

2

44,3

11,4

17,1

 

3

6,2

23,4

29,3

 

4

-1,6

-0,7

34,0

         
Std.Abw.

1

14,3

8,9

21,6

 

2

14,3

8,9

21,6

 

3

11,5

26,3

23,8

 

4

3,5

6,9

13,2

         
GM

1

-47,0

24,6

28,4

 

2

47,0

24,6

28,4

 

3

-5,2

64,6

-34,3

 

4

-4,8

-3,0

35,4

         
GM, cor.

1

-52,8

19,3

25,7

 

2

52,8

19,3

25,7

 

3

23,5

49,6

-13,8

 

4

-4,0

1,5

36,5

Legende zu Tabelle XI:
Mittelwert und Standardabweichung der kartesischen Koordinaten der Quellen des LEP nach schmerzhafter Reizung des Nervus radialis. Der Radius der BESA-Kugel beträgt 85 mm.
GM: Grand Mean.
GM, cor.: Latenzkorrigierter Grand Mean.

Einen Überblick über Lage und Wellenform dieser Dipole für den Grand Mean der Daten aus der Radialisstimulation und für einen einzelnen Probanden geben die folgenden Abbildungen 7 und 8.

Für die Probanden RK und SR zeigt Dipol 1 nach frontal und kaudal, für die anderen Probanden in eine frontale, vertikale und kraniale Richtung. Dipol 4 zeigt mit nur geringer interindividueller Variation zum Vertex. Tabelle XII zeigt die Orientierungen der Dipole 1 und 4 in den BESA-Polarkoordinaten thori (Azimuthwinkel der Dipolorientierung) und phori (Polarwinkel der Dipolorientierung) sowie in konventionellen Polarkoordinaten.

Abbildung 7: Lösung für die Generatoren des LEP bei schmerzhafter Reizung des
Nervus radialis (Grand Mean)

Legende zu Abbildung 7: Vier-Dipol-Modell in BESA für den Grand Mean der LEP nach schmerzhafter Reizung des Nervus radialis.

Abbildung 8: Lösung für die Generatoren des LEP bei schmerzhafter Reizung des
Nervus radialis (Proband HK)

Legende zu Abbildung 8: Vier-Dipol-Modell in BESA für das gemittelte LEP eines Probanden (HK) nach schmerzhafter Reizung des Nervus radialis.

Tabelle XII: Orientierung der Dipole 1 und 4 bei Reizung des Nervus radialis

Proband

Dipol

thori [°]

phori [°]

ori_th [°]

ori_ph [°]

HK

1

-57,5

-7,8

57,5

172,2

MK

1

-60,3

-12,1

60,3

167,9

RK

1

140,6

-83,7

140,6

276,3

SC

1

-97,3

34,4

97,3

214,4

SR

1

-110,9

-32,7

110,9

147,3

           
Mittel

1

   

93,3

195,6

Std.Abw.

1

   

31,4

45,9

           
HK

4

-23,2

38,2

23,2

218,2

MK

4

-60,3

-12,1

23,4

266,3

RK

4

-9,5

-3,1

9,5

176,9

SC

4

-2,5

66,5

2,5

246,5

SR

4

-7,1

42,1

7,1

222,1

           
Mittel

4

   

13,1

226,0

Std.Abw.

4

   

8,6

30,1

Legende zu Tabelle XII:
thori
: Azimuthwinkel der Orientierung in BESA-Polarkoordinaten.
phori
: Polarwinkel der Orientierung in BESA-Polarkoordinaten.
ori_th
: Azimuthwinkel in konventionellen Polarkoordinaten.
ori_ph
: Polarwinkel in konventionellen Polarkoordinaten.

Alle Winkel sind in Grad angegeben. Die Berechnung von Mittelwert und Standardabweichung ist nur für die in konventionellen Polarkoordinaten berechneten Winkel sinnvoll.

Die residualen Varianzen für die probandenspezifischen Vier-Dipol-Modelle für die Radialisreizung waren 7,35 % ± 1,78 %, für das Modell für den Grand Mean betrug die RV 5,98, für den latenzkorrigierten Grand Mean 6,59 %.

Das bilateral symmetrische Dipolpaar 1/2 zeigt im Mittel einen positiven Peak bei 166 ms. Der zentral lokalisierte Dipol 4 hat bei allen Probanden eine initiale Positivität, die im Mittel bei 214 ms liegt, gefolgt von einer Negativität bei 311 ms.

Da der zentrale Dipol 4 und der kontralaterale Dipol 1 verschiedene Qualitäten der Schmerzverarbeitung beschreiben (Bromm und Lorenz 1998), wurde untersucht, ob sich die Latenzdifferenzen für die Peaks der Dipole 1 und 4 im Vergleich von Trigeminusreizung und Radialisreizung unterschieden. Ein signifikanter Unterschied dieser Latenzdifferenzen bestand nicht. Tabelle XIII zeigt die Latenzen der jeweiligen Dipolkomponenten.

Tabelle XIII: Latenzen der Dipolkomponenten bei schmerzhafter Reizung des Nervus radialis

Proband

N1,1

N2,1

P3,1

N4,1

P4,1

HK

159

207

174

213

297

MK

168

168

186

219

319

RK

153

180

195

228

316

SC

162

174

198

183

288

SR

189

186

189

225

337

           

Mittel

166,2

183,0

188,4

213,6

311,4

Std.Abw.

12,4

13,4

8,4

16,1

17,3

           

GM

168

177

204

201

328

GM, cor.

177

174

231

192

325

 

Legende zu Tabelle XIII:
N
1,1: Erste Negativität des kontralateralen Dipols 1.
N
2,1: Erste Negativität des ipsilateralen Dipols 2.
P
3,1: Erste Positivität des frontalen Dipols 3.
N
4,1: Erste Negativität des zentralen Dipols 4.
P
4,1: Erste Positivität des zentralen Dipols 4.
GM: Grand Mean.
GM, cor.: Latenzkorrigierter Grand Mean.
Alle Latenzen sind in ms angegeben.

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3.5 Somatotopie der Generatoren

Die Untersuchung der Lokalisationsdifferenzen erfolgte für den zentral gelegenen Dipol 4 und Dipol 1 des bilateral symmetrischen Dipolpaares 1/2 . Insbesondere war zu fragen, ob Hinweise auf eine Somatotopie beim Übergang von der Trigeminusreizung zur Radialisreizung zu beobachten waren. Alle Verschiebungen sind als Differenz der jeweiligen kartesischen Koordinate zwischen Trigeminusreizung und Radialisreizung berechnet. Eine in z-Richtung positive Differenz D z =  zTrigeminus – zRadialis entspricht daher einer Verschiebung zu zahlenmäßig kleineren z-Komponenten beim Übergang vom Reizort Stirn zum Reizort Hand. Eine positive Differenz D z bezeichnet also eine Verschiebung nach kaudal. Entsprechend bedeutet eine positive Differenz D y eine Verschiebung nach okzipital. In transversaler Richtung bezeichnet ein positives D x eine Verschiebung nach links, d.h. in eine laterale Richtung, wenn die x-Komponente des untersuchten Generators der Trigeminusreizung in der linken Hemisphäre lag. Liegt der Generator rechtshemisphäriell, so bedeutet ein positives D x eine Verschiebung in eine mediale Richtung.

In transversaler Richtung wird Dipol 1 im Mittel um D = -9,0 mm (nach medial) verschoben. In okzipitofrontaler Richtung errechnet man eine Differenz von D = 2,0 mm (nach okzipital). Die Verschiebung nach kranial beträgt D z = 11,3 mm. Insgesamt wird Dipol 1 daher bei Radialisreizung mehr kranial, medial und okzipital lokalisiert. Tabelle XIV zeigt die Lokalisationsänderung für die einzelnen Probanden in kartesischen und konventionellen sphärischen Koordinaten. Signifikante Ortsveränderungen in den einzelnen Koordinaten waren nicht festzustellen.

Für den zentral lokalisierten Dipol 4 findet man in transversaler Richtung im Mittel eine Verschiebung um D = –1,5 mm (Verschiebung zwischen Trigeminus- und Radialisreizung nach medial). In okzipitofrontaler Richtung errechnet man eine Differenz von D = 9,2 mm (nach okzipital). Die Verschiebung in z-Richtung beträgt D z = –3,0 mm (nach kranial). Insgesamt wird Dipol 4 daher bei Radialisreizung mehr okzipital und etwas mehr nach kranial und medial lokalisiert. Lediglich die Verschiebung in okzipitofrontaler Richtung war signifikant (t-Test für verbundene Stichproben, p<0,05).

Für die Lokalisationsdifferenz in konventionellen kartesischen Koordinaten wurde zusätzlich ein multivariater Test (Hotelling’s T) durchgeführt. Hier zeigte sich kein signifikanter Unterschied. Dieses Ergebnis ist nicht im Widerspruch zu den oben beschriebenen univariaten Untersuchungen, da für den hier benutzten multivariaten Test eine geringere Teststärke zu erwarten ist (Blankenberger 1995).

Tabelle XIV: Lokalisationsdifferenzen für Dipole 1 und 4

   

D x

D y

D z

D q

D j

Proband

Dipol

         
HK

1

-0,2

-11,3

-5,3

6,3

12,8

MK

1

-4,6

0,7

0,2

-1,2

0,8

RK

1

-36,0

11,8

-19,6

43,8

5,6

SC

1

-7,3

4,5

-36,7

33,5

-1,1

SR

1

2,9

4,3

4,8

-4,4

-3,9

Mittel  

-9,04

2,02

-11,33

15,60

2,85

Std.Abw.

13,94

7,56

15,11

19,42

5,84

   

D x

D y

D z

D q

D j

Prob.

Dipol

         
HK

4

-4,2

14,3

-13,2

23,0

-217,7

MK

4

-6,8

3,6

10,2

2,6

79,9

RK

4

4,3

13,6

-14,3

-13,4

-60,5

SC

4

0,3

7,9

-5,4

11,1

-11,2

SR

4

-1,1

6,4

7,7

10,1

-27,9

Mittel  

-1,52

9,17 (*)

-3,00

6,69

-47,48

Std.Abw.

3,81

4,15

10,25

12,00

97,03

Legende zu Tabelle XIV:
D x: Lokalisationsdifferenz in x-Richtung;
D y: Lokalisationsdifferenz in y-Richtung;
D z: Lokalisationsdifferenz in z-Richtung;
D J : Lokalisationsdifferenz im Azimuthwinkel;
D j : Lokalisationsdifferenz im Polarwinkel.
Angaben für
D x, D y und D z in mm.
Angaben für die Winkeldifferenzen
D J und D j in Grad.

(*) Im t-Test für gepaarte Stichproben bestanden signifikante Lokalisationsunterschiede nur für die y-Komponente (okzipitofrontale Richtung) für den zentralen Dipol 4 (p<0,05).

Es wurden zwei Koordinatentransformation (vgl. Abschnitt 2.5) durch Drehungen des ursprünglichen Koordinatensystems derart durchgeführt, daß die jeweils neue x-Achse parallel zum mittleren Verschiebungsvektor für Dipol 1 beziehungsweise Dipol 4 lag. Für Dipol 1 ist der mittlere Verschiebungsvektor:

D R = (0,113; -0,024; 0,133) * rk

wobei rk den Kugelradius der BESA-Kugel bezeichnet.

Die Drehwinkel sind F  = -11,8° und Q  = -40,9°. Daher hat die Drehmatrix den Wert:

Für Dipol 4 ist der mittlere Verschiebungsvektor:

D R = (0,018; -0,108; 0,035) * rk

In diesem Fall sind die Drehwinkel F  = -80,6° und Q  = 72,1°. Daher hat die Drehmatrix (für die Rotation des ursprünglichen Koordinatensystems in Richtung der mittleren Verschiebung für Dipol 4) den folgenden Wert:

Tabelle XV zeigt die in rotierten Koordinaten berechnete Lokalisationsdifferenz für Dipole 1 und 4. Eine signifikante Verschiebung war nur für Dipol 4 in Richtung der neuen x'-Achse zu finden (p<0,05).

Tabelle XV: Lokalisationsdifferenz für Dipole 1 und 4 in rotierten Koordinaten

   

D x'

D y'

D z'

Proband

Dipol

     
HK

1

-1,2

-10,3

-5,3

MK

1

-3,4

1,4

-2,8

RK

1

-41,6

19,8

-43,2

SC

1

-29,9

10,5

-41,5

SR

1

2,2

3,6

4,8

         
Mittel  

-14,79

4,99

-17,63

Std.Abw.

17,61

9,99

20,47

   

D x'

D y'

D z'

Proband

Dipol

     
HK

4

-16,4

16,0

-17,2

MK

4

-2,3

-6,9

3,7

RK

4

-15,4

14,3

-10,2

SC

4

-8,6

6,3

-5,2

SR

4

-5,2

-5,9

6,7

         
Mittel  

-9,59 (*)

4,77

-4,44

Std.Abw.

5,53

9,69

8,80

Legende zu Tabelle XV:
D x': Lokalisationsdifferenz in x'-Richtung (rotiertes Koordinatensystem);
D y': Lokalisationsdifferenz in y'-Richtung (rotiertes Koordinatensystem);
D z': Lokalisationsdifferenz in z'-Richtung (rotiertes Koordinatensystem);
Angaben für
D x', D y' und D z' in mm.

(*) Im t-Test für gepaarte Stichproben bestanden signifikante Lokalisationsunterschiede nur für die x'-Komponente (Richtung der mittleren Verschiebung) für den zentralen Dipol 4 (p<0,05).

Die signifikante Lokalisationsdifferenz in Richtung der rotierten x‘-Achse, welche in Richtung des mittleren Verschiebungsvektors zeigt, bietet jedoch keine zusätzliche Information. Nur im Fall von signifikanten Effekten für mindestens zwei der drei Ortskordinaten des rotierten Koordinatensystems wäre ein zusätzlicher Effekt zu sichern gewesen, der im ursprünglichen Koordinatensystem nicht nachweisbar gewesen wäre.

Schließlich wurden die Dipolmomente der Dipole 1 und 4 und ihre Orientierungen auf Veränderungen bei Änderung des Reizortes untersucht. Für die Dipolmomente der untersuchten Dipole 1 und 4 wurden keine signifikanten Effekte festgestellt.

Die Orientierung der Dipole im Raum wird in BESA durch einen Azimuthwinkel thori und durch einen Polarwinkel phori beschrieben. Die Differenzen der Orientierung der Dipole wurden für die in konventionelle Polarkoordinaten umgerechneten Winkel ori_th und ori_ph berechnet (vgl. Darstellung der BESA-Konventionen in Abschnitt 2.4 und Diskussion in Abschnitt 3.4.1).

Für die Orientierung des kontralateralen Dipols 1 war ein signifikanter Unterschied zu finden: Der Azimuthwinkel der Richtung dieses Dipols änderte sich signifikant von einer kranial-lateralen in eine laterale Richtung, insgesamt dreht sich die azimuthale Richtung des Dipols 1 beim Übergang von der Trigeminusreizung zur Radialisreizung signifikant nach kaudal (vgl. Abbildungen 5 und 7). Tabelle XVI faßt die Ergebnisse zusammen.

Tabelle XVI: Differenz der Dipolmomente und Orientierungen für Dipole 1 und 4

   

D DM

D thori

D phori

Proband

Dipol

     
HK

1

0,03

-7,0

-137,0

MK

1

0,08

-12,2

4,5

RK

1

-0,14

-15,8

-56,7

SC

1

0,00

-22,6

-7,9

SR

1

0,01

-30,3

32,6

         
Mittel  

0,00

-17,55 (*)

25,07

Std. Abw.

0,07

7,41

77,46

   

D DM

D thori

D phori

Proband

Dipol

     
HK

4

-0,24

0,4

35,5

MK

4

0,18

-7,9

14,9

RK

4

-0,03

7,6

-72,0

SC

4

0,00

8,9

-104,0

SR

4

-0,25

4,0

73,3

         
Mittel  

-0,07

2,63

-10,47

Std. Abw.

0,15

5,5

60,97

 

Legende zu Tabelle XVI:
D DM: Differenz der Dipolmomente;
D
thori: Differenz des Azimuthwinkels der Orientierung des entsprechenden Dipols; D phori: Differenz des Polarwinkels der Orientierung des entsprechenden Dipols;
Angaben für
D DM in nAm.
Angaben für die Winkeldifferenzen
D thori und D phori in Grad.
D
thori ist die Differenz der in konventionellen Polarkoordinaten ausgedrückten Azimuthwinkel.
D phori ist die Differenz der in konventionellen Polarkoordinaten ausgedrückten Polarwinkel.

(*) Im t-Test für gepaarte Stichproben bestanden signifikante Unterschiede für den Azimuthwinkel des Dipols 1 (p<0,05).

Insgesamt hat sich ergeben, daß eine signifikante Lokalisationsdifferenz nur in okzipitofrontaler Richtung für den zentralen Dipol 4 besteht. Dieser Dipol 4 ist der hauptsächliche Generator des Vertexpotentials und kann daher als schmerzrelevanter Generator angenommen werden. Dieser Generator liegt in einem Areal, das am ehesten dem Gyrus cinguli entspricht (vgl. Kapitel 4).

Signifikante Differenzen für die Dipolorientierungen bestanden für die Richtung des Azimuthwinkels des lateralen Dipols 1. Die Änderung der Dipolorientierung weist auf eine Somatotopie hin, wie sie im sekundären somatosensorischen Kortex zu finden ist (vgl. Kapitel 4).

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