Inhalt dieses Kapitels
2.2. Signal-Noise-Verhältnis der Meßdaten
2.3. Prinzipien der Generatorlokalisation
2.4. Generatorlokalisation durch Brain Electrical Source Analysis
Zugrunde lagen Daten schmerzevozierter Potentiale von insgesamt zehn freiwilligen männlichen Medizinstudenten im Alter von 20 bis 30 Jahren. Die Probanden waren neurologisch unauffällig und hatten eine Einverständniserklärung gemäß der Deklaration von Helsinki (World Medical Association 1983) unterschrieben. Das Elektroenzephalogramm (EEG) wurde kontinuierlich in 31 Kanälen mit dem linken Ohrläppchen als Referenz aufgezeichnet.
Schmerzhafte Laserreize wurden in zwei unterschiedlichen Sitzungen auf die rechte Stirnhälfte der Probanden und auf den rechten Handrücken appliziert. Im folgenden wird daher stets von einer Reizung des Nervus trigeminus oder des Nervus radialis gesprochen. Für die Reizung des Nervus trigeminus hatte jeder Proband an drei identischen Versuchssitzungen im Abstand von einer Woche teilgenommen. Während jeder Sitzung wurden vier Reizblöcke appliziert, diese bestanden jeweils aus 40 Hitzereizen. Für die Reizung des Nervus radialis war für jeden Probanden eine Versuchssitzung durchgeführt worden. Das Design der Studie ist an anderer Stelle im Detail beschrieben (Kazarians et al. 1995, Kazarians 1996). Im Gegensatz zu den Untersuchungen, bei denen der bekannte CO2-Laser verwandt wurde (Bromm und Treede 1991), wurde hier ein neuer Thulium-dotierter Yttrium-Aluminium-Granat-(YAG)-Laser eingesetzt (Kazarians 1996). Abbildung 1 zeigt die damit gewonnenen laserevozierten Potentiale am Vertex nach Trigeminusreizung. Die Reizintensitäten, mit denen stimuliert worden war, betrugen 310 mJ, 340 mJ, 370 mJ und 400 mJ, die Reizdauer betrug 2 ms, die stimulierte Fläche hatte eine Größe von 20 mm2. Alle Reizungen lagen im schmerzhaften Bereich (Kazarians 1996).
Abbildung 1: Laserevozierte Potentiale über dem Vertex (Cz) nach Trigeminusreizung rechts
Legende zu Abbildung 1: Übereinander dargestellte LEPs der 10 untersuchten Probanden, über dem Vertex abgeleitet. Jeweils 12 LEPs bei 3 Sitzungen mit je 4 Reizblöcken. (nach Kazarians 1996).
Alle Daten lagen als digitale 32-Kanal-Aufzeichnungen vor, wobei der 32. Kanal das Triggersignal und der 31. Kanal das Elektrookulogramm (EOG) enthielt. Das Aufzeichnungsintervall begann 400 ms vor dem Stimulus und endete 800 ms danach. Die Digitalisierung erfolgte online mit einer Abtastfrequenz von 500 Hz.
Die evozierten Potentiale für die Stirnreizung waren von Kazarians (1996) einer Artefaktkontrolle unterzogen worden. Für die entsprechenden Daten der Radialisreizung lagen Aufzeichnungen vor, die noch nicht weiter aufbereitet worden waren. Insgesamt existierten für die Radialisreizung Daten von 7 Versuchssitzungen an 6 Probanden. Für diese Daten wurde eine entsprechende Artefaktkontrolle vorgenommen.
Aufgrund des schlechten Signal-Noise-Verhältnisses (vgl. Abschnitt 2.2) wurden die laserevozierten Potentiale nach Trigeminusreizung von zwei Probanden nicht untersucht; nur für einen dieser zwei ausgeschlossenen Datensätze lagen auch laserevozierte Potentiale der Radialisreizung vor. Für einen einzigen Probanden waren zwei Sitzungen für die schmerzhafte Reizung der Hand durchgeführt wurden, daher wurde der Datensatz mit besserer Datenqualität gewählt. Insgesamt standen für einen Lokalisationsvergleich der zerebralen Quellen Daten von 5 Versuchspersonen zur Verfügung.
2.2 Signal-Noise-Verhältnis der Meßdaten
Für jeden Probanden wurden die vorliegenden digitalisierten Daten für jeden der beiden Reizorte gemittelt. Da im Falle der Trigeminusreizung zwölfmal mehr Versuche in diese Mittellung eingingen, war für die Trigeminusreizung ein besseres Signal-Noise-Verhältnis zu erwarten als für die Radialisreizung. Bei EEGs mit höherem Rauschanteil ist jedoch eine höhere Abweichung des durch BESA berechneten Signals vom gemessenen Signal tolerabel, weil der Rauschanteil im EEG nicht durch Generatoren erklärt zu werden braucht. Für die Beziehung zwischen dem Signal-Rausch-Verhältnis und der Abweichung des gemessenen vom berechneten Signal, die aufgrund des Rauschens hingenommen werden muß, wird unten eine Näherungsformel angegeben. Die Begriffe Signal-Noise-Verhältnis und Signal-Rausch-Verhältnis werden im folgenden synonym verwandt.
Für jeden Probanden und für jeden Reizort wurde für die jeweils gemittelten Daten das Signal-Rausch-Verhältnis SNR als Quotient der Signalstärke S und einem Rauschanteil R bestimmt als:
tpre ist der Beginn des Prestimulusintervalls, tb der Beginn des Signalintervalls und te ist das Ende des Signalintervalls. fs ist die Abtastfrequenz, die in die Berechnung von SNR nicht mehr eingeht. Der die Signalstärke schätzende Parameter S ist abhängig von der Wahl des untersuchten Signalintervalls [tb :te ].
MGPP(t) ist die mean global potential power. Dies ist die Wurzel aus der mittleren Leistung, definiert als geometrischer Mittelwert der Signalstärken A(k,t) über alle Kanäle k, k=1,...K:
Die Maßzahl für die Abweichung des in BESA berechneten Signals vom gemessenen Signal ist die residuale Varianz RV, definiert als Verhältnis der mittleren quadratischen Differenz zwischen berechneten Signalen A' (k,t) und gemessenen Signalen A(k,t) zu der mittleren Varianz der Meßwerte, summiert über alle Kanäle und Zeitpunkte:
Im BESA-Programm ist ein Zeitintervall, über das die RV bestimmt werden soll, frei wählbar (Scherg 1989). Die physikalische Interpretation der RV ist, daß die residuale Varianz die Abweichung der Energie der Felder mißt. Dahingegen mißt die Deviation dev den normierten euklidischen Abstand zwischen gemessenem und berechnetem Feld. Wird für den Rauschanteil des EEG weißes Rauschen angenommen, so kann die noch akzeptierte Deviation dev in Abhängigkeit vom SNR geschätzt werden als:
So ist beispielsweise bei einem Signal-Rausch-Verhältnis von 10 (bzw. 5) eine Deviation von 0,1 (bzw. 0,2) akzeptabel, denn etwa 10 % (bzw. 20 %) des Signals sind durch Beimischung von Rauschen erklärt, so daß dieser Anteil durch das BESA-Modell unerklärt bleiben darf. Die Umrechnung auf die üblicherweise verwendete residuale Varianz ergibt:
wenn die RV in Prozent angegeben wird.
Die Komponentendarstellung der laserevozierten Potentiale ist in den Arbeiten von Kazarians (1996, Kazarians et al. 1995) für die Reizung des Nervus trigeminus dargestellt worden, wobei das Vertexpotential zugrunde gelegt worden war.
In der vorliegenden Arbeit sind diese Komponenten für jeden Probanden und für jeden Reizort sowohl in der Cz-Ableitung als auch im Gesamtsignal, repräsentiert durch die MGPP, identifiziert worden. Hieraus wurden Mittelwert und Standardabweichung der späten schmerzrelevanten Komponente N150 sowie die individuelle und die mittlere Latenzdifferenz zwischen Trigeminusreizung und Radialisreizung errechnet. Das Signal-Rausch-Verhältnis ist für jeden Probanden und für jeden Reizort berechnet worden.
Schließlich sind für jeden Reizort Grand Means berechnet worden, zum einen als arithmetischer Mittelwert, zum anderen als latenzkorrigierter Mittelwert derart, daß die N150-Peaks, in Cz gemessen, durch Verschiebung der Zeitachse zur Deckung gebracht wurden (modifizierter Woody-Filter). Von dieser Filterung ist eine Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses im Grand Mean von evozierten Potentialen zu erwarten (Purves und Boyd 1993; Vincent 1992; Woody 1967).
Die Grand Means für die Trigeminusreizung zeigt Abbildung 2, für die Radialisreizung Abbildung 3. Die entsprechenden Signale für die einzelnen Probanden sind im Anhang dargestellt.
Die artefaktkontrollierten Daten wurden in ein für das BESA-Programm lesbares Format überführt. Alle Hilfsprogramme wurden in der Programmiersprache PERL (Wall 1991) geschrieben. Der innerhalb des BESA-Programms zu setzende Bandpaß-Filter wurde auf eine Untergrenze von 1 Hz und auf eine Obergrenze von 20 Hz eingestellt.
Abbildung 2: Grand Mean der Potentialverteilung des laserevozierten Potentials über der Kopfoberfläche nach Trigeminusreizung rechts (30 Kanäle; 8 Probanden)
Legende zu Abbildung 2: Grand Mean des laserevozierten Potentials nach Trigeminusreizung rechts in 30 EEG-Ableitungen an verschiedenen Stellen der Kopfhaut (erweitertes internationales 10/20-System). Analyseintervall 600 ms.
Abbildung 3: Grand Mean der Potentialverteilung des laserevozierten Potentials über der Kopfoberfläche nach Radialisreizung rechts (30 Kanäle; 5 Probanden)
Legende zu Abbildung 3: Grand Mean des laserevozierten Potentials nach Radialisreizung rechts in 30 EEG-Ableitungen an verschiedenen Stellen der Kopfhaut (erweitertes internationales 10/20-System). Analyseintervall 600 ms.
2.3 Prinzipien der Generatorlokalisation
Da das inverse Problem nicht eindeutig lösbar ist, wird mit dem BESA-Programm iterativ nach einer Lösung gesucht, die die auf der Kopfhaut gemessenen Potentiale erklärt. Als Anfangsbedingung ist die Zahl der Dipole zu setzen und ihre anfängliche, grob vermutete, Lokalisierung anzugeben. Mit Hilfe einer Iterationsprozedur wird eine möglichst gute Anpassung der berechneten an die gemessenen Potentiale durch Variation der Dipollokalisationen und Dipolorientierungen vorgenommen. In der mathematischen Formulierung von Scherg (1989) wird dies als überbestimmtes algebraisches Problem formuliert, das mit Methoden der linearen Optimierung lösbar ist.
Eine optimale Lösung ist gefunden, wenn sich die residuale Varianz in nachfolgenden Iterationsschritten nicht oder nur noch in sehr engen Grenzen ändert. In BESA ist die residuale Varianz jedoch nicht das ausschließliche Optimierungskriterium. Die Methode bietet die Möglichkeit, zusätzlich Kriterien der minimalen Varianz, der minimalen Energie und der maximalen Separation von Dipolen zu definieren und zu gewichten.
Das Varianzkriterium (VC) bewirkt die Minimierung der Varianz für die Potentiale ausgewählter Quellen außerhalb benutzerdefinierter Zeitintervalle. Es dient dazu, den Einfluß von Quellen außerhalb von Zeitintervallen, in denen sie nicht als aktiv vermutet werden, minimal zu halten.
Das Energiekriterium (EC) beinhaltet die Minimierung der Energie des gesamten elektrischen Feldes, mit dem Effekt, daß Lösungen vermieden werden, bei denen nahe beieinander liegende Dipole interagieren.
Das Separationskriterium (SC) beschreibt mathematisch die Minimierung der Summe der Wurzeln der Dipolstärken. Da für positive Zahlen stets gilt, daß die Wurzel aus der Summe kleiner der Summe der Wurzeln ist, wird durch Minimierung des Separationskriteriums eine Lösung vorgezogen, bei der zu einem gegebenen Zeitpunkt eine einzige Quelle aktiv ist und nicht mehrere Quellen, die dieselbe Potentialverteilung erklären könnten.
Mathematisch läßt sich das gesamte und gewichtete Kriterium, das in BESA für die Erreichung einer optimalen Lösung benutzt wird, formulieren als:
Hierbei sind r, v, e und s die Gewichte der Kriterien der minimalen residualen Varianz, des Varianzkriteriums, des Energiekriteriums und des Separationskriteriums. Zusätzlich existiert ein Term PB, der vom Benutzer nicht parametrisierbar ist und der Lösungen außerhalb der BESA-Kugel vermeidet.
Mathematische Optimierung und physiologische Interpretation sind daher strikt zu trennen. Das folgende Vorgehen für eine Quellenlokalisation mittels der Brain Electrical Source Analysis erlaubt eine Abgrenzung des rein formalen Verfahrens von darauf basierenden physiologisch begründeten Schlußfolgerungen:
(1) Aufstellen einer testbaren ("BESA"-) Fragestellung, die mittels BESA beantwortet werden kann, eventuell unter Zuhilfenahme anderer mathematischer Verfahren.
(2) Aufstellen einer physiologischen Hypothese; im Idealfall sollte die Hypothese durch die Beantwortung der BESA-Frage in Kombination mit Vorbefunden plausibel bestätigt oder abgelehnt werden.
(3) Nutzung von Plausibilitätsüberlegungen, die auf der Basis physiologischen und neuroanatomischen Vorwissens bestimmte BESA-Modellansätze in Schritt (1) entweder favorisieren oder aber als physiologisch unplausibel ausschließen.
Zu beachten ist, daß sich die testbare Fragestellung (Schritt (1)) ohne Rückgriff auf neurophysiologische Fakten beschreiben lassen muß, denn es handelt sich hierbei ausschließlich um die Formulierung eines mathematischen Problems. Die im Schritt (2) aufzustellende physiologische Hypothese wiederum muß ohne Bezug auf ein BESA-Kugelmodell formuliert werden. Die zusätzlichen Vorbefunde, die für oder gegen die physiologische Hypothese sprechen, müssen beschrieben werden. Im logischen Schritt (3) sind alle Argumente und Methoden zu erwähnen, die als Plausibilitätsüberlegungen bestimmte BESA-Modelle ausschließen oder als initiale Modellansätze favorisieren; diese hier so genannten "Plausibilitätsüberlegungen" müssen unterschiedlich von allen Überlegungen aus Schritt (2) und allen formalen Verfahren aus Schritt (1) sein.
2.4 Generatorlokalisation durch Brain Electrical Source Analysis (BESA)
Die Rechnungen erfolgten mit dem kommerziell erhältlichen Programm BESA (Version 2.0) von Scherg (Berg und Scherg 1994b) auf einem IBM-kompatiblen Personal Computern unter dem Betriebssystem MS-DOS 6.2.
Es wurden die das evozierte Potential repräsentierenden Kanäle 1 bis 30 ausgewertet; die Lokalisation der Elektrodenpositionen auf der äußersten Schale des BESA-Modells zeigt Abbildung 4. Die konzentrischen Kreise repräsentieren Großkreise mit konstantem Azimuthwinkel in einem Polarkoordinatensystem. In üblichen Kugelkoordinaten entspricht der innere Kreis einem Azimuth von 45°, der mittlere von 90° und der äußere von 118°.
Abbildung 4: Elektrodenpositionen auf der BESA-Kugel
Legende zu Abbildung 4: Die konzentrischen Kreise sind Großkreise mit konstantem Azimuthwinkel in einem konventionellen Polarkoordinatensystem. Der innere Kreis entspricht einem Azimuth von 45°, der mittlere von 90° und der äußere von 118°. Die Elektrodenposition 31 repräsentiert das vertikale Elektrookulogramm (EOG) des rechten Auges.
In BESA wird der Ort eines Dipols durch die drei Parameter Ekzentrizität, Azimuth J und Längengrad j bestimmt. Der Längengrad j wird im folgenden auch Polarwinkel genannt. Die Ekzentrizität ist der Abstand des Dipols vom Kugelmittelpunkt.
Die vom BESA-Programm verwendeten Koordinaten sind jedoch nicht identisch mit konventionellen Kugelkoordinaten. Definiert man ein kartesisches Koordinatensystem (x, y, z) mit Ursprung im Mittelpunkt des Kopfes beziehungsweise der BESA-Kugel, wobei die z-Achse zum Vertex zeigt und durch Cz verläuft, die x-Achse von links nach rechts durch T3 und T4 zeigt und die y-Achse von okzipital nach frontal durch Oz und Fpz verläuft, so sind J und j folgendermaßen definiert:
J ist der Azimuthwinkel mit der z-Achse, wobei in BESA vereinbart wird, daß negative J -Werte Orte in der linken Hemisphäre und positive J -Werte rechtshemisphärielle Punkte beschreiben. Der Azimuth J ist also der Winkel zwischen einer radial verlaufenden Achse und der z-Achse.
Der Längengrad j ist ein Winkel in der horizontalen x-y-Ebene, nämlich der Winkel zwischen x-Achse und der Projektion der radialen Achse in die x-y-Ebene. In BESA gilt die Konvention, daß negative Werte für j einen durch Drehung im Uhrzeigersinn (von der x-Achse) erreichbaren Längengrad beschreiben, und daß positive j -Werte einer Drehung gegen den Uhrzeigersinn entsprechen. Zusammenfassend ergeben sich die folgenden Lokalisationen in der BESA-Kugel in Abhängigkeit vom Vorzeichen von J und j :
wobei "links" und "rechts" für die jeweiligen Hemisphären stehen und "vorne" und "hinten" jeweils Lokalisationen mit positiver bzw. negativer y-Komponente (okzipitofrontal) im entsprechenden kartesischen Koordinatensystem (Abbildung 4) bezeichnen. Die Tabelle I zeigt die Koordinaten der einzelnen Elektrodenpositionen im BESA-Koordinatensystem.
Die Berechnung erfolgte mit dem Dreischalen-Modell mit folgenden Parametern: Kugelradius 85 mm, Dicke der Kopfschwarte 6 mm, Dicke der Schädelkalotte 7 mm, Leitfähigkeit der Kopfschwarte 0,33 mW m, Leitfähigkeit der Schädelkalotte 0,0042 mW m, Leitfähigkeit des Liquors 1,0 mW m. Die Leitfähigkeit des Gehirns kann im BESA-Programm nicht angegeben werden, da alle anderen Leitfähigkeiten als relativ zur Leitfähigkeit des Gehirns gesetzt werden. Innerhalb des BESA-Programms wird das Dreischalen-Modell nach der von Ary et al. (1981) angegebenen Methode berechnet.
Initial wurde ein Vier-Dipol-Modell mit den von Bromm und Chen (1995) beschriebenen Lokalisationen angenommen. Als Maß für die Gültigkeit des Modells wurden mittels des Verfahrens der regionalen Quellen ("regional sources", Berg und Scherg 1994b) weitere Dipole in den Oktanten der BESA-Kugel hinzugefügt. Diese sog. Test-Dipole waren nur beizubehalten, wenn sich die residuale Varianz durch die Hinzufügung der Test-Dipole deutlich änderte. Zusätzlich wird durch die Methode der regionalen Quellen gefordert, daß eine physiologische Interpretation für die zusätzlichen Dipole existiert, oder daß zumindest die neuen Dipole für alle Probanden etwa dieselbe Lokalisierung zeigen.
Tabelle I: Elektrodenpositionen in BESA-Koordinaten
Kanal |
Elektrode |
J [° ] |
j [° ] |
||||
1 |
FP1 |
-90 |
-72 |
||||
2 |
FP2 |
90 |
72 |
||||
3 |
T5 |
-90 |
-36 |
||||
4 |
F3 |
-62 |
-57 |
||||
5 |
Fz |
45 |
90 |
||||
6 |
F4 |
62 |
57 |
||||
7 |
F8 |
90 |
36 |
||||
8 |
T3 |
-90 |
0 |
||||
9 |
C3 |
-45 |
0 |
||||
10 |
Cz |
0 |
0 |
||||
11 |
C4 |
45 |
0 |
||||
12 |
T4 |
90 |
0 |
||||
13 |
T5 |
-90 |
36 |
||||
14 |
P3 |
-62 |
57 |
||||
15 |
Pz |
45 |
-90 |
||||
16 |
P4 |
62 |
-57 |
||||
17 |
T6 |
90 |
-36 |
||||
18 |
O1 |
-90 |
72 |
||||
19 |
O2 |
90 |
-72 |
||||
20 |
FPFz |
68 |
90 |
||||
21 |
FC5 |
-72 |
-23 |
||||
22 |
FC1 |
-31 |
-40 |
||||
23 |
FC2 |
31 |
40 |
||||
24 |
FC6 |
72 |
23 |
||||
25 |
CP5 |
-72 |
23 |
||||
26 |
CP1 |
-31 |
40 |
||||
27 |
CP2 |
31 |
-40 |
||||
28 |
CP6 |
72 |
-23 |
||||
29 |
Poz |
68 |
-90 |
||||
30 |
A1 |
-118 |
0 |
||||
31 |
EOG |
129 |
68 |
||||
32 |
A1 (Ref.) |
-118 |
0 |
Legende zu Tabelle I: Für die Aufzeichnungskanäle 1 bis 31 sind die Elektrodenpositionen in der Nomenklatur des erweiterten 10/20-Systems und die Lokalisation der Elektrode auf der BESA-Kugel im BESA-Koordinatensystem angegeben. Kanal 32 der Rohdaten enthielt das Triggersignal, welches von BESA nicht ausgewertet wird. Aufgrund der Ohrläppchen-Referenz ist in BESA aus formalen Gründen die Mitführung einer "verbundenen Referenz" als Kanal 32 nötig.
Wie oben beschrieben, lassen sich die einzelnen Optimierungskriterien in BESA gewichten. Für alle Berechnungen wurde das Kriterium der Energieminimierung mit einem Gewicht von 20 % und das Separationskriterium mit 40 % angenommen. Aufgrund der vorbeschriebenen und der eigenen Ergebnisse der BESA-Analyse wurden relevante Intervalle für die Berechnung der SNR definiert, für die Trigeminusreizung [70 ms : 300 ms] und für die Radialisreizung [130 ms : 360 ms].
Die Berechnung der Dipole (der sog. Fit) erfolgte nach einem iterativen Verfahren, in dem die im initialen Modell von Bromm und Chen (1995) beschriebenen Dipole schrittweise angepaßt wurden. Die Dipole des initialen Modells wurden für die Trigeminusreizung für jeden Probanden als Ausgangswerte angenommen. Die beiden etwa symmetrischen Dipole, die sich ipsilateral und kontralateral befinden, wurden symmetrisch in Lokalisation und Orientierung gesetzt. In einem ersten Schritt erfolgte ein Fit für dieses Dipolpaar über das Zeitintervall der Aktivität dieses Dipolpaares, approximiert durch die Zeit, während der der Peak von Dipol 1 negativ war. Der nächste Fit betraf den als schmerzrelevant vorbeschriebenen Dipol 4, das Intervall, für das der Fit durchgeführt wurde, begann zu Beginn der Negativität des Dipols und endete bei maximaler Positivität. Danach wurde der Dipol 3 über den Zeitabschnitt seiner ersten positiven Aktivität angepaßt. Nach der Methode der regionalen Quellen wurde ein fünfter Dipol gesetzt und das Modell auf eine mögliche Verbesserung der RV untersucht. Schließlich erfolgte im Fall von fünf Dipolen ein abschließender Fit der Dipole 3 und 5 über das gesamte Intervall von 70 ms bis 300 ms.
Für die Radialisreizung wurde entsprechend vorgegangen. Als Ausgangsmodell wurde für jeden Probanden das für die Trigeminusreizung gefundene Modell benutzt. Alle Fit-Prozeduren wurden analog durchgeführt, auf die Untersuchung eines fünften Dipols wurde jedoch aufgrund des schlechteren Signal-Rausch-Verhältnisses verzichtet.
Zusätzlich wurden für beide Reizorte Quellenlokalisationen für die Grand Means und die latenzkorrigierten Grand Means (modifizierter Woody-Filter) berechnet.
Die RV wurde für den Fall der Trigeminusreizung für das Intervall [70 ms : 300 ms] berechnet, für die Daten der Radialisreizung wurde das entsprechend latenzkorrigierte Intervall benutzt.
Die Dipollokalisationen wurden in kartesischen Koordinaten, in BESA-Polarkoordinaten und in konventionellen sphärischen Koordinaten dargestellt. Das kartesische BESA-Koordinatensystem liegt mit seiner x-Achse transversal im Kopf, die y-Achse befindet sich in okzipitofrontaler Richtung, und die z-Achse folgt der kraniokaudalen Achse.
Ergebnisse wurden dargestellt als Mittelwert ± Standardabweichung.
Für diejenigen Probanden, für die laserevozierte Potentiale für beide Reizorte vorlagen, wurden die Lokalisationsdifferenzen der Dipole in den drei Raumrichtungen beim Übergang vom Reizort Stirn (Trigeminusreizung) zum Reizort Hand (Radialisreizung) berechnet. Entsprechend wurden die Differenzen der Dipolmomente und der Dipolorientierungen errechnet.
Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Programm SYSTAT für Windows (Blankenberger 1995). Für jeden Dipol wurde die Lokalisationsdifferenz in den verschiedenen Raumrichtungen mittels des t-Tests für verbundene Stichproben auf statistische Signifikanz untersucht. Nach Transformation in konventionelle Kugelkoordinaten wurde dieser Test ebenfalls für die Azimuthwinkel J und die Polarwinkel j durchgeführt. Für die Lokalisation in kartesischen Koordinaten wurde zusätzlich ein multivariater Test (Hotellings T) durchgeführt.
Schließlich wurde ein rotiertes kartesisches
Koordinatensystem derart definiert, daß die ursprünglich
transversal verlaufende (die Ohren verbindende) x-Achse
auf eine neue x'-Achse gedreht wurde, die sich aus der
mittleren vektoriellen Verschiebung des jeweils untersuchten
Dipols ergab. Für jeden Probanden und jeden der untersuchten
Dipole wurde ein Verschiebungsvektor berechnet,
wobei p der Probandenindex ist. Eine Mittelwertbildung
über alle Probanden ergibt dann den mittleren
Verschiebungsvektor D
R. In Polarkoordinaten wird dieser Vektor
dargestellt als D R = (|D R|, Q
, F ). Wenn dieser mittlere
Verschiebungsvektor eine physiologische Vorzugsrichtung
definiert, ist eine Koordinatentransformation des konventionellen
kartesischen BESA-Koordinatensystems in ein rotiertes
kartesisches Koordinatensystem sinnvoll, und zwar derart, daß
das ursprüngliche Koordinatensystem und seine z-Achse und
um seine x-Achse so rotiert wird, daß die neue y-Achse
parallel zu D R ist.
Wenn ex, ey, ez die Einheitsvektoren des ursprünglichen Koordinatensystems sind, so errechnet man die Einheitsvektoren ex', ey', ez' des rotierten Koordinatensystems als:
In dem rotierten (x',y',z')-Koordinatensystem wurde die Verschiebung der Lokalisationen beim Übergang von der Trigeminusreizung zur Radialisreizung berechnet und für jeden Dipol mit Hilfe des t-Tests für verbundene Stichproben untersucht. Die Dipolmomente und Dipolorientierungen der jeweiligen Dipole wurden im Vergleich der Reizorte ebenfalls dem t-Test für verbundene Stichproben unterzogen.