5. Urbanes Sprechen: Magma und Struktur des Zukünftigen

5.8. Exkurs über Anomie und Kohäsion in der westlichen Gesellschaft

5.9. Verfestigungen

RaumZeit

Raumzeitliche Reichweiten

Von der Sprechgemeinschaft zur Schriftgemeinschaft

Schrift und Gesellschaft

5.10. Sprachentwicklung


5.8. Exkurs über Anomie und Kohäsion in der westlichen Gesellschaft

Der Einfluss von als wissenschaftlich klassifizierten Untersuchungen auf andere gesellschaftliche Bereiche ist oft nur sehr vermittelt zu beobachten. Während des Untersuchungszeitraums der vorliegenden Arbeit ergab sich aber einer jener seltenen Glücksfälle, in dem die Konzepte einer Untersuchung über "Türken" bzw. "türkische" Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit in den alltäglichen Sprachgebrauch von Journalisten und Politikern Eingang fand und gesellschaftliche Handlungsweisen nach sich zog. "Paralellgesellschaft", "Rückzug in die eigene Gruppe", "Fundamentalismus", u.v.m. dienten als politische Vorlage. Es handelt sich um die 1997 von Heitmeyer et al. Veröffentlichte Studie "Verlockender Fundamentalismus"274. Mit dem bisher in unserer Untersuchung Herausgearbeiteten möchte ich auf die in der Studie von Heitmeyer et al. zentral verwendete Dichotomie von »Anomie« und »Kohäsion« einen etwas anderen Blick werfen, um für den Fortgang unserer Betrachtungen hier weitere Klarheit zu erlangen.

Greifen wir das Motiv der "Rückkehr der Vergangenheit" in der Untersuchung von Heitmeyer et. al. auf.

Die Rückkehr ethnisch-kulturell motivierter Gewalt hat die westlichen Gesellschaften weitgehend unvorbereitet getroffen.275

Die Vorstellung von »Kulturen« als unabhängige, abgeschlossene Systeme wird in dieser Untersuchung zwar kritisiert, aber dennoch werden sie in der Untersuchung als solche behandelt. Die Autoren stellen die "familiären Traditionen" der Herkunftsgesellschaft den "modernen, jugendspezifischen Lebensweisen" der "Aufnahmegesellschaft" entgegen276. Von "Desintegrationserscheinungen" ist ebenso die Rede wie von der "Auflösung einer Verständigung über gemeinsame Wert- und Normvorstellungen"277. Mit einem Rückgriff auf Emile Durkheim, einem der Gründerväter der Soziologie, werden diese Auflösungserscheinungen als "Anomie" gefasst. Den Begriff der "Anomie" entwickelte Durkheim im Zusammenhang mit seiner Studie über den Selbstmord. Seiner Beobachtung nach besteht ein Zusammenhang zwischen der Zunahme der "Anomie" und der Industrialisierung. Elias und Scotson kritisieren in ihrer Untersuchung, dass der Begriff der "Anomie" nichts anderes bezeichnet als mangelnde Kohäsion, dem Gegenbegriff zur "Anomie". "Anomie" ist dann lediglich ein Zustand negativer "Kohäsion"278. Vorindustrielle Gesellschaftsordnungen hat man sich dann logischerweise "ohne Anomie" vorzustellen. Das Gegenteil der "Anomie", die "Kohäsion" wird so zum Merkmal vergangener, wie auch zukünftiger Ordnungen. "Kohäsion" wird zur moralisch positiven und guten Norm. In den Blick gerät so nur die "Anomie" als einer moralisch negativen und schlechten Abweichung279. "Kohäsion" ist der »zivilisiertere« Zustand, d.h.

straffer reguliertes Verhalten (...), verknüpft mit stärkerer Voraussicht, grösserem Selbstzwang (...) und einer Fülle schärfer ausgearbeiteter Tabus280.

Zivilisierung wäre dann, folgen wir Elias und Scotson, die Verteidigung von Macht und Privilegien durch die Gruppe der "Etablierten".

Die in die Rolle von Aussenseitern gedrängten Zuwanderer werden von den Alteingesessenen als Menschen wahrgenommen, die »ihren Platz nicht kennen«; sie verletzen das Feingefühl der Etablierten durch ein Benehmen, das in deren Augen klar das Stigma sozialer Minderwertigkeit an sich trägt, und treten doch häufig, zumindest eine Zeitlang, in aller Unschuld so auf, als ob sie ihren neuen Nachbarn gleichgestellt wären. Diese zeigen Flagge; sie kämpfen um ihren Vorrang und ihre überlegene Macht, um ihre Standards und Glaubensaxiome, und sie gebrauchen in einer solchen Lage fast überall dieselben Waffen, darunter Schimpfklatsch, abschätzige Kennworte, stigmatisierende Glaubensannahmen über die ganze Gruppe, die von Beobachtungen an ihrer schlechtesten Teilgruppe abgeleitet sind, und soweit machbar, Ausschluss von sämtlichen Machtchancen - kurzum, das ganze Arsenal der Techniken, die man gewöhnlich, abgelöst von der Figuration, in der sie vorkommt, als »Vorurteil« oder »Diskriminierung« bezeichnet.281

Wie sind nun die Vorstellungen der "Anomie" und der "Kohäsion" mit den hier vorgelegten Zustandsbeschreibung der "magmatischen" und der "verfestigten"Sprache in Verbindung zu bringen? Auch hier könnte man die jeweiligen Zustandsbeschreibungen als Aspekte des gleichen begreifen und sie wieder als ein Verhältnis von »Vordergrund« und »Hintergrund« anordnen. Je nach Blick kann so ein anderes Bild entstehen und das Verhältnis von »Vordergrund« und »Hintergrund« umspringen. Die Frage, was in den »Vordergrund« tritt und was im »Hintergrund« belassen wird, ist auch ein Frage der Macht. Wir haben in der Untersuchung gesehen, dass in Situationen, in denen eher egalitäre Machtverhältnisse dominieren, die Jugendlichen zwischen einzelnen Varietäten hin und herwechseln: unterschiedliche Personen übernehmen verteilte Rollen und jede/r spricht in einer anderen Varietät. Mehrsprachige Dialoge können hergestellt werden, in dem jede/r Sprecher oder Sprecherin sich an eine monolinguale Struktur hält. Dies wird in der Linguistik als »Code-switching« bezeichnet. Häufiger tritt dies in der Form des Wechsels zwischen den Sprachen im personalen Sprechen einer Person auf. Die Voraussetzung, um an solch einer Form der Kommunikation teilzunehmen, ist, dass die SprecherInnen und HörerInnen zumindest Elemente der beteiligten sozialen Sprache(n) entschlüsseln können und sie benötigen auch rezeptive und expressive Kenntnisse der jeweiligen Sprachen, um diese aktiv zu amalgamieren. Diese so gestalteten »Sprechakte« machen damit eine gruppeninterne Verständigung möglich und konstituieren »Sprechgemeinschaften«. Es wird ein Verhältnis von Vordergrund und Hintergrund zwischen scheinbar verschiedenen Sprachen erzeugt, in dem zum Beispiel die alleinige Kenntnis des »Deutschen« oder des »Türkischen« für eine gelungene Interaktion nicht ausreicht. Durch die Wahl einer spezifischen Interaktionsform werden die an einem Ort anwesenden Personen in diejenigen die Teil der »Sprechgemeinschaften« und diejenigen, die daraus ausgeschlossen sind aufgeteilt. Diese so erzeugte »Heterotopie« (zur Erinnerung: die ferne Ordnung, die ausgeschlossen und gleichzeitig einbezogen ist) gleicht in gewisser Hinsicht der soziologischen "Anomie"282. »Mehrweltler« scheinen mit diesen »Heterotopien« (der Tatsache, dass um sie herum gesprochen wird, ohne dass sie alles verstehen) anders umzugehen als »Einweltler«. Für »Einweltler«, gewohnt in Isotopien (zur Erinnerung: die nahe Ordnung, miteinander vergleichbare Teile eines Raumes, die zueinander sprechen und auf eine Art lesbar werden, die erlaub, sie einander anzunähern283) sich aufzuhalten, scheint die Anwesenheit unverständlicher Sprachen eher auf ein »Geheimnis«, was über sie mitgeteilt wird zu verweisen; die Welt erscheint ihnen als bedrohlich, weil sie unverständlich ist. Die Bedrohung, die das Fehlen rezeptiver Fähigkeiten in anderen relevanten Varietäten als der »Normsprache« erzeugt, verweist auf ihr Gegenbild, nämlich die Fähigkeit zur Herstellung von situativen Sprechgemeinschaften durch gestalterische Sprechakte. Dies kann man im Sinne von Goffman als »Stigma-Managment« bezeichnen. In unserer Untersuchung hatten wir verschiedene Strategien des »Stigma-Managment« in Bezug auf die deutsche und türkische Sprache herausgearbeitet:

Das Verhältnis zwischen der »Normsprache Deutsch« und der »Herkunftssprache Türkisch« ist ambivalent. Während es in der Bundesrepublik einer Beziehung zwischen Herr und Knecht gleicht, gilt dies ebenfalls für die Beziehung der »Normsprache Türkisch« und der »Herkunftssprache Kurdisch« in der Türkischen Republik. Der Doppelcharakter des »Deutschen« und des »Türkischen«, nämlich einerseits »Normsprache« und andererseits »Herkunftssprache« spezifischer Minderheiten zu sein und dann noch gleichzeitig die Funktion einer »Lingua franca« zu erfüllen, macht die Sprechakte in diesen Sprachen zu einem komplexen Unterfangen innerhalb der jeweiligen Herrschaftszusammenhänge. Das »Türkische« in der Rolle als »Normsprache« wird mit aller Macht gegenüber der »Herkunftssprache Kurdisch« (aber auch gegenüber anderen »Herkunftssprachen« in der Türkischen Republik) durchgesetzt. In den Sprechakten sind so diese unterschiedliche konkret/abstrakte Territorien und Herrschaftsgebilde miteinander auf spezifische Weise verknüpft. Bestimmte Jugendliche sind als "Ausländer" in der Bundesrepublik exterritorialisiert und ausgeschlossen aus dem »Nationalstaat«. Als »Türken« werden sie wiederum territorialisiert und sind eingeschlossen in einen anderen »Nationalstaat«. Während alle untersuchten Jugendlichen konkret unter den gleichen gesellschaftlichen Verhältnissen leben, sind kein Teil der abstrakten Idee des zugehörigen Nationalstaates. Der konkrete Ort steht dem abstrakten Staat gegenüber. Diese spezifische Verhältnis von konkreter Lebenswelt und abstrakten Staat bringt eine spezifische Sprechpraxis unter den Jugendlichen hervor, nämlich eine

Form der Gruppenbildung und Solidarisierung über ethnische Grenzen hinweg, und zwar gegen die Erwachsenenwelt285,

die das »Stigma« des "Türkischsprechens" in das »Prestige« des "Türkischsprechens" verwandelt. Goffman gibt weitere Beispiele dieser Verwandlung aus seinen Untersuchungen.

Prestigesymbole können im Gegensatz zu Stigmasymbolen stehen, Zeichen nämlich, die besonders wirksam darin sind, Aufmerksamkeit auf eine prestigemindernde Identitätsdiskrepanz zu lenken, und die ein andernfalls kohärentes Gesamtbild durch konsequente Reduktion unserer Bewertung des Individuums zerbrechen lassen. Der geschorene Kopf von weiblichen Kollaborateuren im zweiten Weltkrieg ist ein Beispiel, desgleichen ein habitueller Verstoss gegen die Sprache, der jemanden, der sich der Manieren und der Kleidung eines Mittelklassenangehörigen befleissigt, wiederholt ein Wort inkorrekt gebrauchen oder falsch betonen lässt.286

Es ist zu vermuten, dass dem Erlernens des »Türkischen« in den untersuchten »Stadtlandschaften« durch Jugendliche aus einem nicht-türkisch-sprachigen Hintergrund eine gemeinsame Erfahrung von Stigmatisierung zugrundeliegt und eine gemeinsames Management des Stigmas erfordert. Eine Strategie wäre dann die Umkehrung des »Stigmas« in »Prestige«. Ben Rampton kommt aufgrund seiner soziolinguistischen Untersuchungen in London zu folgendem Schluss:

crossing emerges as a practice closely tied to the shared norms, values and activities of a particular cultural collectivity287

und begreift dies als »praktisches Bewusstsein« (practical conscousness) der Jugendlichen. Im Sinne von Victor Turner ist diese »Pragmatik« zu verstehen als:

Die Beziehung der Zeichen und Symbole zu ihren Verwendern288

5.9. Verfestigungen

RaumZeit

Die Dauer der Anwesenheit sozialer Gruppen an einem Ort, so haben wir herausgearbeitet, scheint eng mit der Frage der Machtposition zusammenzuhängen. Auch das Zeit und Raum keine unabhängigen Tatsachen sind, sondern unauflöslich miteinander verknüpft sind, ist nicht nur in der Physik seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ein allgemein anerkannter Wissensbestand. Das Prinzip des modernen (National)Staats, welches Herrschaft über ein genau definiertes Territorium mitsamt seiner Bevölkerung ausübt, scheint zur Herstellung von Isotopien zu tendieren, indem sie die Heterotopien in die Peripherie vertreibt289. Die Gegenwart der untersuchten Jugendlichen ist "hier" verortet und gleicht einer Isotopie, während die Vergangenheit und Zukunft für bestimmte Jugendliche an einem "anderen Ort" verortet sind und Heterotopien darstellen. Schauen wir uns dieses Verhältnis von Raum, Zeit und gesellschaftlichen Strukturen aus der soziologischen Perspektive genauer an. Bei Simmel finden wir einen Verweis auf den Zusammenhang von Territorium, Individuum und Staat.

Die Verbindungsart zwischen den Individuen, die der Staat schafft oder die ihn schafft, ist mit dem Territorium derartig verbunden, dass ein zweiter gleichzeitiger Staat auf eben demselben kein vollziehbarer Gedanke ist.290

Verschiedene "soziologischen Gebilde" können nebeneinander auf einem Territorium existieren. Allein der Staat beansprucht ein bestimmtes Territorium total. Dazwischen

schieben sich mittlere Erscheinungen, von denen ich einige andeutete; auf das formale Wesen von vielerlei sozialen Gebilden mag deshalb ein besonderes Licht von ihrer Stufe auf der Skala her fallen, die von der völligen territorialen Festgelegtheit und daraus folgende Ausschliesslichkeit zu der völligen Überräumlichkeit und der daraus folgenden Möglichkeit eines Kondominiums vieler gleichartiger über denselben Raumabschnitt führt. So ist die Nähe oder die Entfernung, die Ausschliesslichkeit oder die Vielfachheit, die das Verhältnis der Gruppe zu ihrem Grund und Boden aufweist, vielfach die Wurzel und das Symbol ihrer Struktur.291

Während das Prinzip des Staates mit dem des Raumes zusammenhängt, ist steht das Prinzip der Kirche mit dem der Zeit in Beziehung. In der modernen bürgerlichen Gesellschaft werden der Staat/Raum und die Kirche/Zeit als getrennt gedacht. In unserer Untersuchung fanden wir die Vorstellung einer Zukunft, die zu einer statischen, unbewegten Gegenwart zusammengeschmolzen war. Diese "ewige Gegenwart" vereinte Sprache und Nationalität in einer einheitlichen, harmonischen Gruppe und die existierenden Nationalsprachen wurden für die Zukunft fortgeschrieben.

Das Prinzip der Kirche ist unräumlich und deshalb, obgleich über jeden Raum sich erstreckend, von keinem ein gleich geformtes Gebilde ausschliessend. Es gibt innerhalb des Räumlichen ein Seitenstück zu dem zeitlichen Gegensatz des Ewigen und des Zeitlosen: das letztere seinem Wesen nach überhaupt nicht von der Frage des Jetzt oder Früher oder Später berührt und deshalb freilich jedem Zeitmoment zugängig oder gegenwärtig, das erstere gerade ein Begriff von Zeit, nämlich von endloser und ununterbrochener.292

Es scheint fast so, als ob die Nationalsprache jene Verbindung zwischen Raum und Zeit schliesst, die durch die Trennung von Staat und Kirche aufgebrochen ist, in dem sich sich als ewig setzt. Wenn aber die Zeit zu einer "ewigen Gegenwart" schrumpft und der Raum an ihre Stelle tritt, wie ist das Entwicklung, Veränderung und die Produktion von "Neuem", wie es das »Gemischte Sprechen« darstellt, möglich? Victor Turner gibt uns eine ersten Hinweise, in dem er uns zurückführt zum Ende der "liminalen Phase".

Die Schwellenphase stellt eine zeitliche Nahtstelle dar, deren Kennzeichen teilweise eine Umkehrung der Merkmale der bereits gefestigten, jeden kulturellen »Kosmos« konstituierenden Ordnung sind.293

Der Schwellenphase als "zeitliche Nahtstelle" scheint eine besondere Rolle zuzukommen,

...in der Liminalität »spielen« die Menschen mit den Elementen des Vertrauten und verfremden sie. Und aus den unvorhergesehenen Kombinationen vertrauter Elemente entsteht Neues.294

Lässt sich dies als einen Umbau von Isotopien (nahen Ordnungen) zu Heterotopien (fernen Ordnungen) beschreiben, welche dann in der Utopie vereinigt werden? Karl Marx ordnete, so Victor Turner, Ideenprodukte einem Bereich zu, den er »Überbau« (superstructural) nannte. Turner spricht dagegen von "Anti-, Meta- oder Protostruktur295.

Die normative Struktur stellt das Arbeitsgleichgewicht, die »Antistruktur« das latente System potentieller Alternativen dar, aus dem, wenn die Bedingungen des normativen Systems es erfordern, Neues hervorgeht. Dieses zweite System sollten wir vielleicht richtiger als protostrukturelles System bezeichnen, da es der Vorläufer innovativer normativer Formen, der Ursprung neuer Kultur ist.296

So lässt sich die Abweichung von der Norm mit Ernst Cassirer auch als produktiver Prozess in der Ausarbeitung neuer Strukturen einer Ordnung beschreiben.

Was im Kreise des täglichen Ausdrucks blosse Abweichung war, das wird hier zur Neugestaltung, die so weit gehen kann, dass sie schliesslich fast den gesamten Sprachkörper, dass sie Wortschatz, Grammatik, Stilistik umzuschaffen scheint.297

Es scheint fast so, als ob es den Jugendlichen unserer Untersuchung gelingt, die durch die bürgerliche Gesellschaft ruhig gestellte Zeit wieder in Bewegung zu setzen. Die Rückeroberung der »Strasse«, das war unser Ausgangspunkt, als privilegierter Ort der Öffentlichkeit, scheint eine Rückkehr des utopischen Moments zu ermöglichen, ohne das eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung blockiert ist. Wir sind an einem Punkt angekommen, der

nach Marx, die Anforderung an eine Gesellschaftswissenschaft formuliert, die kohärent sein soll, dank einer soliden gemeinsamen theoretischen Grundlage, zugleich total - also in der Lage, kein fruchtbares Untersuchungsfeld ausserhalb ihres Kompetenzbereiches unberücksichtig zu lassen - und schliesslich dynamisch, denn da keine Stabilität ewig währt, gibt es "nichts Nützlicheres zu entdecken als das Prinzip des Wandels".298

Raumzeitliche Reichweiten

In der "Dialektik der Aufklärung" wird beschrieben, wie in der griechischen Antike "Himmel und Hölle" miteinander verknüpft waren299. Mit dem Auseinandertreten von Himmel als jenseitig und Hölle als diesseitig wird eine Vermittlungsinstanz notwendig. Dieser Vermittlungsinstanz wollen wir uns in diesem Abschnitt zuwenden. Der Begriff der »Vermittlung«, des »Vermittlers«, des »Dolmetschers300« wird von Benedikt Anderson in seiner Arbeit301 beleuchtet. Bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts, konnte man davon ausgehen, dass Latein die Sprache einer "pan-europäischen Intelligenzia" ist, die diese Vermittlungsaufgabe zwischen der Wahrheitssprache (der Sprache, in der die "heiligen Bücher" geschrieben sind) und der gesprochenen Varietät302 übernahm. Anderson verknüpft die Erfindung des Buchdrucks mit der Verbreitung der lutherischen Bibelübersetzung und des Protestantismus. Sukzessive wurde die "Wahrheitssprache" zugunsten der neu geschaffenen lokalen Schriftsprachen und damit auch der neu entstehenden grösseren Schriftgemeinschaften verdrängt. Dantes, Luther und Shakespeare stehen für den Beginn neuer nationaler Schriftgemeinschaften.

Die bürgerliche Intelligenz entwickelte damals auch schon durchaus moderne sprachpolitische Konzeptionen, so vor allem Dantes klare Einsicht, dass die bürgerliche Verkehrssprache eine künstlich herzustellende sei - keine Frage eines Konkurrenzkampfes der empirisch vorfindbaren natürlichen Dialekte. (...) Damit antizipiert Dante ein Kernmoment dessen, was oben als bürgerliche Sprachpolitik expliziert wurde: die grundsätzliche Indifferenz tradierten sozialen Formen gegenüber.303

Diese mehrsprachige Intelligentsia, die zwischen lokalen, zeitlich und räumlich begrenzten Varietäten und der universalen, ewigen und enträumlichten Wahrheitssprache vermittelte, macht mit dem Beginn der "Neuzeit" anderen sprachlichen Verhältnissen Platz. Eine neue Beziehung zwischen Schrift und Sprache entsteht. Die »Priester« als Vermittler zwischen Wahrheitssprache und lokaler Varietät wurden durch die »Wissenschaftler« ergänzt. Whorf hebt zum Beispiel

die Weltsicht der modernen Naturwissenschaft aus der höher spezialisierten Anwendung der grundlegenden Grammatik der westlichen indoeuropäischen Sprachen hervor. (...) Sie entstand im Bereich dieser Sprachgruppe, das heisst, sie entstand im Zuge von historischen Ereignissen, die Handel, Messung, Industrie und technische Erfindungen in einem Teil der Welt anregten, in dem diese Sprachen herrschten.304

Die Wahrheitssprache der Kirche verlor historisch im mehr an Bedeutung, während sich eine neue, moderne Universalsprache herausentwickelte, die Mathematik.

Die logische Analyse der Sprache wurde vervollkommnet, einem 'Einheitssystem der wissenschaftlichen Erkenntnis' vorgearbeitet, einer Universalsprache, wie sie schon Leibniz anstrebte, in die alle wissenschaftlichen Teilsprachen übersetzbar sein sollen. Durch eine enge Zusammenarbeit mit der modernen Mathematik und Physik wurde eine Lücke im philosophischen Denken unserer Zeit geschlossen.305

Die Klassifikation in europäische und aussereuropäische Sprachen, durch die untersuchten Jugendlichen, entlang phonetischer und ästhetischer Merkmale, ähnelt denen mancher Sprachwissenschaftler. Die Vorstellung von »Weltsprachen«, durch die unbegrenzte Kommunikation mit potentiell jeder Person antizipiert wird, verweist auf ein "emazipatorisches Interesse", im Sinne Paul Ricoeurs, der die Aufgabe einer "Hermeneutik der Tradition"306 darin sieht,

der Ideologiekritik in Erinnerung zu rufen, dass der Mensch auf der Grundlage der kreativen Interpretation kultureller Erbschaften seinen Emanzipationsentwurf vollziehen und eine ungehinderte und schrankenlose Kommunikation antizipieren kann.307

Für viele der Jugendlichen gehört es zu ihrem Alltag, immer wieder in verschiedenen Sprachen zu interagieren und sich der Schwierigkeit einer "ungehinderten und schrankenlosen Kommunikation" in ihrer vielsprachigen Lebenswelt mit neuen Entwürfen zu stellen. Ihre lebensweltlichen Varietäten, die wir analytische als als »Herkunftssprache«, »Gruppensprache«, »Normsprache« und »Lingua franca« gefasst haben, beschreiben Sprachen unterschiedlicher Reichweite. Durch die lebensweltliche Notwendigkeit308 in diesen vielfältigen Varietäten Sprechakte mit Personen zu vollziehen, die ihnen räumlich, zeitlich und sozial in je unterschiedlicher Nähe oder Distanz entgegentreten, dürften sich Erfahrungen über die Gestaltung solcher sprachlichen Interaktionssituationen sedimentiert haben. Diese verfestigte Erfahrungen führen uns wieder zum Bild des »Magmatischen« und des »Verfestigten«. Mit dem Begriff des »Erlebnisses« verweist Victor Turner auf Grundbegriffe Diltheys.

Kant hatte argumentiert, die Daten der Erfahrung seien "formlos". Dilthey widersprach. Er ging davon aus, dass jede wahrnehmbare "Vielheit", sei dies ein natürliches Gebilde oder ein Organismus, eine kulturelle Institution oder ein geistiges Ereignis, bestimmte formale, der Analyse zugängliche Beziehungen aufweist, die er "formale Kategorien" nannte: Einheit und Vielheit, Ähnlichkeit und Unterschiede, Ganzes und Teil, Grad und ähnliche Elementarbegriffe.309

Für Victor Turner ergibt die Wahrnehmung dieser "Vielheit" ein "»geschichtetes« semantisches System", welches in unterschiedlicher Weise verfestigt ist und bei den Jugendlichen rezeptive und expressive Fähigkeiten hervorbringt. Als magmatisch könnte man Sprechakte bezeichnen, in denen Personen aus einer Situation heraus eine soziale Sprache erschaffen, indem sie das unterschiedliche personale Sprechen zu dieser sozialen Sprache verschmelzen. Dies führt zu magmatischen Formen der »Gruppensprache« oder »Herkunftssprache« gegenüber einer verfestigten Form der »Normsprache«. Dagegen ist wiederum die »Normsprache« gegenüber der »Schriftsprache« hochgradig magmatisch, während die »mathematische Formelsprache« gegenüber der »Schriftsprache« wiederum als magmatischer erscheint. Extrem verfestigte Formen, wie sie die »mathematische Formelsprache« darstellt, haben allerdings den Vorteil, dass sie zeitlich und räumlich nicht gebunden sind und daher im Gegensatz zu extrem magmatischen Gruppensprachen eine relativ grosse zeitliche und räumliche Reichweite haben. Schon Al-Biruni, eine arabischer Gelehrter, wusste im 12. Jahrhundert um die Reichweite unterschiedlicher Varietäten.

Ihre Aufgabe (der Sprache, A.H.) besteht nämlich darin, dass jedes Seiende und seine Wirkung innerhalb einer Gruppe übereinstimmend mit einem Namen belegt wird, wodurch der eine vom anderen versteht, was er will, wenn er das betreffende Wort in seiner Rede hervorbringt. Wenn aber ein und dieselbe Bezeichnung für mehrere Gegenstände angewendet wird, ist das ein Hinweis auf die Beschränktheit einer Sprache und nötigt den Zuhörenden, den Sprecher zu fragen, was er mit seinem Ausdruck meint. Wenn aber ein und dieselbe Sache viele Namen hat und die Ursache dafür nicht darin liegt, dass einzelne Stämme oder Klassen jeweils einen davon für sich mit Beschlag belegt haben, und wenn ein einziger Name genügen würde, so muss man die übrigen als Weitschweifigkeit und sinnloses Gerede und Geschwätz kennzeichnen.310

Mit der Frage der Eindeutigkeit von Zeichen beschäftigt sich die Mathematik. Während die Mathematik die Semantik,

die Beziehung der Zeichen und Symbole zu den aussersprachlichen Erscheinungen, ihre Bedeutung also311

zugunsten der Syntax

(die formale Beziehungen der Zeichen und Symbole untereinander ungeachtet ihrer aussersprachlichen Referenz; die Anordnung und Beziehung zwischen Zeichengruppen, Wortverbindungen, Satzteilen, Sätzen und der Sprachstruktur)312

ausschliesst, kann die sie Formsprachen entwickeln, die zum Beispiel den anschaulichen dreidimensionalen Raum oder die euklidische Geometrie verlässt und sie als Spezialfälle eines n-dimensionalen Raumes fasst. Diese Formsprache bietet die Möglichkeit die Reichweite von Sprache zu expandieren. Eine weitere Eigenschaft der Zeichen ist hier wichtig. Das

Zeichen ist wahrnehmbar, gerichtet in eine Richtung, also nicht umkehrbar. Zeichen ist allgemein, intersubjektiver Vermittler313

In diesem Sinne schreitet der Erkenntnisprozess vom "Konkreten" zum "Abstrakten" voran, kann aber nicht mehr zum gleichen "Konkreten" zurückführen314. In den modernen Sprachwissenschaften wird auch die Beziehung von Sozial-und Sprachstruktur, als gerichtet gefasst.

Es ist zu beobachten, dass primitive Gesellschaften mit einfacher sozialer Struktur oft eine komplexe Sprachstruktur besitzen, und dass eine differenzierte Sozialstruktur eine tendenzielle Nivellierung der Sprachstruktur zur Folgen hat.315

»Magmatisierung« und »Verfestigung« könnte wir nun auch als eine gerichtete Bewegung vom Konkreten (»Magmatisierung«) zum Abstrakten (»Verfestigung«) begreifen.

Von der Sprechgemeinschaft zur Schriftgemeinschaft

Die Verfestigung und Standardisierung des Sprechens zur »Normsprache« eines Nationalstaates verweist uns auf Herrschaftsverhältnisse, in denen bestimmte Verfestigungen als legitim befunden, andere dagegen unterdrückt werden.

Standardisierung ist die Etablierung einer dominanten Sprache über einer Menge von subordinierten Sprachen, wobei diese Sprache aus der Menge der subordinierten Sprachen ausgewählt sein kann (»language planning«).316

Das Wissen um die Herrschaftsverhältnisse, wie sie sich auch durch den Besitz oder Nicht-Besitz bestimmter Staatsangehörigkeiten manifestieren, hilft den Jugendlichen bei der Wahl der entsprechenden Varietät. Die Gleichsetzung von Sprache und Territorium (Staat) bildet so eine unhinterfragte "Wirklichkeit" und Orientierung, wobei bestimmte Sprachen sich jedoch diesem Zusammenhang von Sprache und (National)Staat entziehen. Nationalstaat und Sprache können zu einer »Verfestigung«, die Ingrid Gogolin317 in Anlehnung an Bourdieu als »monolingualen Habitus318« bezeichnet, amalgamieren.

Der Strategien im Umgang mit vielsprachigen Lebenswelten erscheinen dagegen als "flüssiger". "Neue" Sprachen werden in gleicher Weise hergestellt wie neue territorialen Einheiten. Die Zerfallsprodukte "alter" Sprachen werden gereinigt und neu konstruiert. Verschiedene Sprachen auf dem gleichen Territorium können eine Vordergrund/Hintergrund-Differenz bilden. Verdrehungen sprachlicher Verhältnisse ist durch das Umspringen von Vordergrund und Hintergrund möglich. Auch ein transitorischer Prozess des Vergessens der »Herkunftssprache« und dem annehmen der »Normsprache« als »Herkunftssprache« in kommenden Generationen ist möglich. Verwandtschaftliche Verhältnisse können sich über unterschiedliche Territorien erstrecken, sind transnationalisiert. »Herkunftssprache« und »Normsprache« können ineinanderfallen, wie es im »Deutschen« der Fall ist, wenn man zum Beispiel »Dialekte« in die Betrachtung mit einbezieht. Auch da zeigen sich Herrschaftsverhältnisse.

Hochsprache bedeutet so im Sinne einer standardisierten Sprache soziale Kontrolle über einen grossen Bereich, Dialekt dagegen Kontrolle über einen kleinen Bereich, wobei wir die Grösse quantitativ im Sinne von Reichweite verstehen.319

In der vorliegenden Untersuchung wurden unterschiedliche Varietäten (Herkunftssprache, Normsprache, Lingua franca, ...) und Strategien im Umgang mit diesen Herrschaftsverhältnissen (Unterwerfung, Ein-und Ausgrenzung, Erlernen von Varietäten, Gestaltung neuer Varietäten, ...) herausgearbeitet. Diese stellen nur einen Ausschnitt dar und müssten unter einer soziolinguistischen Perspektive weiter erforscht werden.

Auf Grund von ethnologischen Untersuchungen an primitiven Gesellschaften ist man zu dem Schluss gekommen, dass die prälinguistischen Vorgesellschaften die Sprache zur spezifischen Identifikation und Abgrenzung von sozialen Kontexten eingeführt hat. Dies, in einer Hypothese formuliert, bedeutet, dass sich die Gesellschaft die Verbindlichkeit ihrer selbst durch die Verbindlichkeit der Sprache erzeugt hat.320

Wenn aber die "Verbindlichkeit der Sprache", "postmodernistisch" gesprochen, fragmentiert ist, stellt sich die Frage, wie unter diesen Bedingungen Gesellschaft möglich ist. Der von Hartig und Kurz 1971 prognostizierte Trend ist, so zeigt die vorliegende Untersuchung, ist längst soziale Wirklichkeit geworden.

Es wäre also möglicherweise der Trend zu prognostizieren, dass eine zunehmende Differenzierung der Gesellschaft zu einer Zergliederung des einstmals homogenen Bereichs Sprache führt, und damit zu einer Ersetzung der Sprache durch eine Vielzahl von Idiolekten, so dass eine nivellierte, allgemeine Verständigungssprache über den Idiolekten etabliert werden müsste.321

In der Gestalt des »Mehrweltlers« geben uns die Jugendlichen selbst Anhaltspunkte für die Lösung dieses Problems. Für sie ergibt sich zunächst kein Problem damit, dass sie »Deutsch«, »Türkisch« und »gemischt« sprechen. Das Problem scheint eher darin zu liegen, eine der jeweiligen gesellschaftlichen Situation angemessene Interaktionsform zu finden. Joshua Fishman322 fasst unter dem Begriff der »Domäne«, die jeder gesellschaftlichen Situation jeweils eigene Form der Interaktion. Die Kluft zwischen dem »personalen Sprechen« des Einzelnen und der »sozialer Sprache« der jeweiligen Situation, muss immer wieder neu, in adäquater Form, überbrückt werden.

Die Schule, in der unsere Untersuchung ihren Ausgang nahm, ist ein hierarchisch geordnetes Gebilde, eng verbunden mit dem Nationalstaat und seiner Sprachpolitik. In den Schulen niederer und höherer Bildung werden nur dem »Deutschen« differente Sprachen problematisiert. Das »Deutsche« selbst bleibt als »weisser Fleck« unthematisiert. Im Alltag von Schulen haben wir eine pragmatische Gleichsetzung von Sprache und Staatsangehörigkeit beobachtet. Warum die Fragestellung unseres Forschungsprojektes in Schulen höherer Bildung im Gegensatz zu Schulen niedriger Bildung, unverstanden blieb, lässt nun besser verstehen. Die rein quantitativen Verhältnisse der SprecherInnen der einzelnen Varietäten verringern sich zugunsten des »Deutschen« je höher man in der Bildungshierarchie geht. Die »Herkunftssprachen« der Jugendlichen haben dort genausowenig einen legitimen Status wie das »gemischte Sprechen«. Die Schule ist damit beschäftigt, ein ein bestimmtes sprachliche "Niveau" zu halten. Die Strategien, sich der herrschenden Disziplin zu unterwerfen, die Pflicht zu erfüllen, unauffällig zu sein und andere Bemühungen um Anpassung, reichen für eine Anerkennung nicht aus. Der Autorität des Lehrers wird sich untergeordnet und wird damit affirmiert. Dieses Machtverhältnis ähnelt der Beziehung von Kolonialherr und Kolonisierten, von dem Frantz Fanon sagt:

Er (der Kolonialherr, AH) ist es, der den Kolonisierten geschaffen hat und noch fortfährt, ihn zu schaffen.323

So gilt auch für das Verhältnis von Lehrer und SchülerIn, die von Karl Mannheim herausgearbeitete Feststellung.

Für eine bestimmte Klassenlage gibt sich (in stets sich wiederholender Erfahrung) die Gesellschaft in einem bestimmten Aspekt, aber auch die den gesellschaftlich-geistigen Raum ausfüllenden Erlebnis-, Denk- und Gefühlsgehalte sind nicht "überhaupt" da, sondern sie sind für jede Klassenlage nur in einem bestimmten "Aspekt" vorhanden.324

Schule ist diejenige Institution des Nationalstaates, die das "Magmatische" ausgrenzt und "Ordnungen", also historische "Verfestigungen" vermittelt. Diese Verfestigung, die über Strukturbildung Ordnung erzeugt, sieht Zygmunt Baumann aus einer postmodernen Sicht.

Der Traum von der Ordnung und die Praxis des Ordnens konstituieren die Welt -ihr Objekt - als Chaos.

Die Schule, die wir durch das Gegensatzpaar »harmonisch« und »chaotisch« beschrieben haben, schafft ihr Chaos selbst. Die Verdrängung der Heterotopie in die Nischen und das Vordringen der Isotopie ins Zentrum, spiegelt so die urbane Entwicklung in der Schule wider. Schule soll »Sprechgemeinschaften« in »Schriftgemeinschaften« transformieren. Neben der Schriftgemeinschaft »Deutsch«, erlangen die SchülerInnen die Fähigkeit in Fremdsprachen Teil anderer Sprech- und Schriftgemeinschaften zu werden. Der grosse Vorteil der Schrift gegenüber der mündlichen Sprache lag, zumindest bis zum Beginn der modernen elektronischen Kommunikationsformen, in ihrer grösseren Reichweite. Dies war auch schon Al-Biruni, jenem fernen Gelehrten aus dem 12. Jahrhundert, bekannt.

Hinsichtlich des Raumes gibt es eine Dimension in die Breite, und daraus ergibt sich in bezug auf die Quantität, dass zur gleichen Zeit viele Erkenntnisse von einem zum anderen durch die Zungen und die schreibenden Finger weitergegeben werden, und die letzteren reichen weiter als die mündliche Erklärung.325

Hier sind noch die Produktionsbedingungen der Sprache und der Schrift erkennbar. Das Auge und die Hand für die Schrift, das Ohr und der Mund für die Sprache. Die Erweiterung der Reichweite durch Schrift war wohl, neben der durch Reisen, bis zur Massenkommunikation die einzige Möglichkeit, seinen eigenen Horizont zu überschreiten.

Schrift und Gesellschaft

Sprachunterricht in manchen der »Herkunftsvarietäten« sind inzwischen in einigen Schulen fest etabliert worden. Schule, Konsulate oder religiöse Einrichtung übernehmen die Vermittlung von Schrift und Struktur der »Herkunftsvarietät« als nationalstaatliche »Normvarietät«, eingebunden in eine institutionelle Hierarchie der Sprachen. Diese dort gelehrten nationalstaatlichen »Normvarietäten« haben lebensweltlich relativ wenig Relevanz, und ein

Grossteil des Lernens (... dürfte, AH) ein direktes Befolgen von Bezeichnungen oder ein allmähliches Uebernehmen der Form und Technik anderer ohne eigene Schlussfolgerungen (sein).326

Mit der Loslösung von der lokalen Varietät der jugendlichen Lebenswelten und ihrer Transformation in eine kodifizierte »Schriftsprache« wird zwar die Reichweite dieser zur »Sprache« gewordenen Varietät vergrössert, aber diese »Schriftsprache« hat, durch ihre nationalstaatliche Verknüpfung, kaum mehr etwas gemein mit der lokalen »Herkunftsvarietät«. Aus dieser Perspektive die Sprechweise der Jugendlichen als defizitär wahrgenommen und die Rede von der "doppelseitigen Halbsprachigkeit" ist prominent. Diese Vorstellung, dass die Jugendlichen keine der Sprachen "richtig" könnten, verweist auf die tiefverwurzelten Sprachvorstellungen des Lehrpersonals: verfestigte, in sich geschlossene Sprachsysteme, die zwar nebeneinander existieren, sich aber letztlich nicht beeinflussen. Eng damit verbunden ist die Diskussion der sogenannten "Bernstein-Hypothese" in den siebziger Jahre. Auch Bernstein stützt sich auf die Unterscheidung von Sprache und Sprechen und geht von einem eindeutig gerichteten Verhältnis von Sozialstruktur und Sprache aus. Ausgangspunkt ist eine monolinguale Vorstellung in der Konstruktion einer Hochsprache,

die eine unendliche Anzahl von Codes erzeugen kann.327

Er denkt in der Dichotomie von »restringiertem Code« und »elaborierten Code«. Mit dieser implizierten Wertung, so die Kritik an ihm, weist er der

Mittelschicht in seinem sprachbezogenen Gesellschaftsbild ein von der Unterschicht differentes Organisationsprinzip zu, deren Sprachcode sich als ausbaufähig (elaborated) ausweist und das Kriterium des »achievement«, der persönlichen Leistung entwickelt. Hier werden Selbstrepräsentation und Individuation möglich, welche Verbalisierung der Situation und damit Wandel freisetzen. (...) In der Unterschicht hat die Sprache lediglich die Funktion des Mediums, das heisst, sie dient nur zur Übermittlung von kommunikablen Informationen, während sie in der Mittelschicht zusätzlich zur Mediumfunktion die individuelle Selbstrepräsentation als Statusleistung ermöglicht.328

Hartig und Kurz stellen für die siebziger Jahre fest: der Ansatz von Bernstein erfreue sich

nicht zuletzt wegen der einfachen Theoriekonstruktion, gerade in der deutschen Wissenschaft immer grösserer Beliebtheit, die nur dann zu rechtfertigen wäre, wenn sie den Startpunkt für eine adäquate Theorie bildet.329

Dabei ist es bis heute grösstenteils geblieben. Die Vorannahmen blieben unhinterfragt. Heute, vor dem Hintergrund einer veränderten Sozialstruktur ist dies unbedingt notwendig. Hartig und Kurz weisen auf frühere Arbeiten von Bernstein hin. Dort

hiessen beide Codes noch »formal« und »public«, d.h. es wird noch mit der einfachen Unterscheidung zwischen Hoch- und Umgangssprache gearbeitet. (...)Uns scheint allerdings, dass die von ihm beschriebenen Codes nur verschiedene Typen der Umgangssprache darstellen, d.h. er beschreibt die unterschiedlichen Organisationsmerkmale der Umgangssprache (und nicht der Hochsprache) der Unter- und Mittelschicht.330

Diese Unterscheidung knüpft an die Wittgensteinsche Trennung von »öffentlicher« und »privater« Sprache an331. Vor diesem Hintergrund wird das Erlernen der »Muttersprache«, oder besser gesagt der »Herkunftssprache«, zum strategischen Schritt für das "bessere Deutsch". Aufgabe der Schule ist es, in einer mulitlingualen Perspektive, die Scheidung der Sprachsysteme voranzutreiben. Die "Verunreinigungen" müssen sozusagen entfernt werden. Das Lernen zielt auf die "reinen" »Normsprachen« Deutsch und Türkisch. Am Prinzip der (nationalstaatlichen) Territorialität von Sprache wird festgehalten. Fasst man, wie in unserem Fall, die »Muttersprache« aus einer multilingualen Perspektive als »lokale Varietät«, also als Varietät, welche im »Haus«, aber auch auf der »Strasse« gesprochen wird, so dürfte man sie eigentlich nicht ohne weiteres mit der standardisierten »Normsprache« eines anderen Staates verwechseln. Aus einer monolingualen Perspektive entspricht dies dem Ausschluss von »Unterschichtssprache« aus dem »Normsprachen«-Unterricht. Der Unterschichtscode selbst wird dabei als ausbaufähig gedacht, während die »Mittelschichtssprache« das Ziel des Ausbaus ist. Probleme, die im Feld der »sozialen Sprache« auftreten, werden als Defekte des »personalen Sprechens« verhandelt. Die Individualisierung einer sozialen Beziehung einerseits und die unterschiedlichen Zugriffsmöglichkeiten auf sozialen und bürgerlichen Rechte andererseits gehen einher mit Integration als »Gleiche« in die monolinguale Bildungsinstitution Schule. Dabei bleiben dann letztlich personale Eigenschaften aussen vor.

5.10. Sprachentwicklung

Die Vorstellungen der untersuchten Jugendlichen von der Zukunft und der weiteren Entwicklung von Sprachen ähneln im Sinne Lefebvres einer "doppelten Utopie"332. In den vorherigen Abschnitten haben wir die in die Vergangenheit projezierte "absolute Natur"erörtert. Die Zukunft dagegen wird zur Vorstellung "reiner Künstlichkeit", die als losgelöst von der Erde beschrieben wird. Es ist eine technisierte Welt, in der die Menschen von Arbeit befreit sind und die Maschinen die Arbeit erledigen. Die Zukunft ist eine durch Technik verbesserte Gegenwart. Durch Technisierung lassen sich auch körperlich-gesundheitlichen Grenzen überschreiten. Dagegen steht eine Vorstellung von Zukunft, in der die Grundlagen und Natur zerstört sind, in der Krieg herrscht und die Erde überbevölkert ist. Die Formulierung einer Utopie, in der die Arbeit nicht abgeschafft ist, sondern der "Arbeiter" durch die Maschine ersetzt ist, und die Technik das Überschreiten von menschlichen Grenzen ermöglicht, ist die Projektion einer Gegenwart, in der der Mensch Anhängsel der Maschine ist. Erik Erikson schreibt in Bezug zur Kindheit folgendes:

In unserer Welt dagegen sind die Maschinen keineswegs mehr nur Fortsetzungen des menschlichen Körpers; vielmehr macht die Maschine ganze Gruppen von Menschen zu ihrem Bedienungspersonal; die Magie dient nur als Zwischenverbindung, und die Kindheit bildet einen getrennten Lebensabschnitt mit eigener Folklore.333

Die Schwierigkeiten der Verständigung in einer vielsprachigen Welt der Zukunft lösten die Jugendliche durch die Verlagerung in eine Zukunft, in der es durch Technologie gelöst werden kann. Das Problem der Kommunikation wird zu einer Frage des "technologischen Fortschritts".

"Die Expansionstendenzen unserer Zivilisation zusammen mit ihrer Schichtenbildung und Spezialisierung zwingt das Kind, sein Ich-Modell auf wechselnde, nur einen Ausschnitt der Welt repräsentierende und noch dazu widerspruchsvolle Prototypen zu gründen.334

Die Differenzerfahrung zwischen dem »personalen Sprechen« und der »sozialen Sprache«, wurde durch die heranreifenden Kinder (die untersuchten Jugendlichen) verschieden überbrückt. Die Überbrückungen dieser "widerspruchsvollen Prototypen" könnten man mit einem Bild von Fritz Morgenthaler mit einer »Plombe« vergleichen, die eine in früher Kindheit erworbene Lücke der Selbstregulation füllt335. Erik Erikson gibt uns einen weiteren Hinweis zum zeitlichen Verhältnis von Lebensweisen:

Der besiegte Stamm verhielt sich so, als folgte er einem Lebensplan, in dem sich passiver Widerstand gegen eine die Identitätsreste ihrer vergangenen Lebensweise nicht integrierender Gegenwart mit Träumen von der Wiederkehr des alten Zustandes verband; die Zukunft sollte also in die Vergangenheit zurückführen, die Zeit wieder geschichtslos, der Raum grenzenlos, die Tätigkeit schrankenlos zentrifugal und die Büffelherden unerschöpflich werden. Ihre amtlich bestallten Erzieher dagegen predigten ihnen einen Lebensplan mit zentripedalen und ortsgebundenen Zielen: Haus, Herd und Bankkonto, was alles seinen Sinn von einem Lebensplan her empfängt, in welchem die Vergangenheit überwunden und das volle Mass der Wunscherfüllung in der Gegenwart einem immer höhern Lebensstandard in der (immer weiter zurückweichenden) Zukunft geopfert wird.336

Trotz technologischem Fortschritt und seinen Folgen, der Zerstörungen wird auch dem Aspekt einer Zukunft als offener Prozess Raum eingeräumt. Es ist beides, die Kontinuität und die Veränderung, die eine Voraussage nicht möglich macht. Aber eine Richtung des Prozesses der Sprachentwicklung lässt sich angeben. Die Vorstellung einer sprachlichen Vereinheitlichung in Richtung Weltsprache, oder anders ausgedrückt, einer »Lingua franca« zeichnet sich durch Rezeptivität und Expressivität für alle aus. Sie knüpft an "alte" Sprachen an, hat eine einfache Struktur und soll einfach erlernbar sein. Man könnte auch in anderen Worten sagen, in dieser »Lingua franca« sollen allgemeine Gleichberechtigung und Ausdrucksfähigkeit gewährleistet sein. Eine Zukunft, die der Gegenwart der Jugendlichen widerspricht. Den Verfestigungen der Gegenwart steht die Offenheit der Zukunft, aber auch die Unbestimmtheit des Ortes der Zukunft gegenüber. Zukunft ist zugleich verfestigt in der Teilhabe an nationalen Pflichten, dem Dienst am räumlichen Prinzip. Zum anderen verkörpert die Zukunft Freiheit und Konsum, also Reichtum. Ob es aber letztlich zum Aufstieg reicht, oder ob es nicht zu einem Abstieg kommt, dafür wird das Individuum, der Einzelne verantwortlich gemacht. Das Einzelne wird für das Ganze verantwortlich gemacht, das Ganze zeigt sich aber wenig verantwortlich für das Einzelne. In dieser Verdrehung zeigt sich eine, wie George H. Mead mit Verweis auf Erik Erikson es ausdrückt, »soziale Natur des Geistes«.

Was ich mit dieser Betonung der sozialen Natur des Geistes und der Ich-Identität zeigen möchte, ist, dass der Assimilation der Erfahrung anderer an unsere eigene dieselbe Unmittelbarkeit zukommen kann.337

Die Aufgabe, welche die gegenwärtige Generation von Jugendlichen zu vollbringen haben heisst nicht Integration in eine bestehende Struktur, sondern Wege zu finden wie sich die Erfahrungen des »personale Sprechens« der Einzelnen in den »sozialen Sprachen« der Gesellschaft ihren Ausdruck verschafft. Die in der Stadt gesprochene Sprache und die Sprache der Stadt müssen eine neue Verbindung aufnehmen. Erik Erikson beschreibt im Kapitel über "Gruppenidentität und Ich-Identität" diese Beziehung.

Aus der Wahrnehmung, dass seine (dem Kind, AH) individuelle Weise, Erfahrungen zu verarbeiten (seine Ich-Synthese), eine erfolgreiche Variante einer Gruppenidentität ist und im Einklang mit der Raum-Zeit und dem Lebensplan der Gruppe steht, muss das heranwachsende Kind ein belebendes Realitätsgefühl ableiten können.(...) Dieses Selbstgefühl ist keineswegs nur eine narzisstische Bestätigung der infantilen Omnipotenz (die wäre billiger zu haben); es erstarkt vielmehr zu der Ueberzeugung, dass das Ich wesentliche Schritte in Richtung auf eine greifbare kollektive Zukunft zu machen lernt und sich zu einem definierten Ich innerhalb einer sozialen Realität entwickelt. Dieses Gefühl möchte ich "Ich-Identität" nennen.338

Zum Schluss dieser Untersuchung noch ein Ausblick zu den Entwicklungmöglichkeiten des »gemischten Sprechens«. Zwei wesentliche Entwicklungsrichtungen sind denkbar. Zum einen, dass mit der Abschluss der liminoiden Jugendphase und des Inkooperationsprozesses auch diese Form des Sprechens aufhört und sich letztlich die jeweiligen Normsprachen durchsetzen. Im Extremfall würde zum Beispiel das Türkische mit der dritten oder vierten Generation verschwinden und allein das Deutsche würde sich durchsetzen. Zum anderen ist es aber auch denkbar, dass sich das »gemischte Sprechen« neben dem Türkischen und dem Deutschen als Sprechgemeinschaft etabliert und sich so eine spezifisch multilinguale Sprachkonstellation herausentwickelt. Dazu müsste sich das »gemischte Sprechen« von seinem magmatischen Zustand in die Richtung einer Verfestigung verändern. Das »gemischt Sprechen« müsste mit seinen SprecherInnen aus der liminoiden Phase herauswachsen. Im Sinne von Gramsci wären diese Personen "organische Intellektuelle", die zu GestalterInnen der Sprache dieser Sprechgemeinschaften würden. Letztlich hinge dies von den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und den zukünftigen Kräfteverhältnissen ab, welche Richtung das »gemischte Sprechen« einschlägt. Die Perspektive einer multilinguale Gestaltung der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, ist aus meiner Sicht verknüpft mit der gesellschaftlichen Legitimierung des »gemischten Sprechens«. Dieses »gemischte Sprechen« sollte neben dem Sprechen des Deutschen, des Türkischen und anderer Sprachen stehen. Die Förderung des Englischen, sie ist de facto Weltsprache, von frühester Kindheit an erscheint mir als wichtig. Die Leitfigur könnte dabei der Mehrweltler sein, denn seine Gegenfigur, der Einweltler, hat sich bei näherer Betrachtung als reine Kunstfigur herausgestellt, den jede/r ist in gewissem Sinne Mehrweltler. Das heisst Stärkung expressiver und rezeptiver Fähigkeiten, in dem Sinne, dass neben den Fähigkeiten des Sprechens und des Ausdrückens auch die Fähigkeiten des Verstehens und des Zuhörens gefördert werden. Das Problem der Expressivität, des Ausdrucks, kann nicht losgelöst werden vom Problem der Rezeptivität, des Aufnehmens, des Hören, des Verstehen. Als absurd erscheinen allerdings die Auseinandersetzungen, wie sie sich um die deutsche Rechtschreibung oder die Reinheit der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit abspielen. Einem "Verein zur Wahrung der deutschen Sprache"339, der sich gegen englische Wörter im Deutschen wendet, ist genausowenig zu zustimmen, wie dem literarischen Unternehmen "Kanak Sprak"340 von Feridun Zaimoglu, der in seinen Büchern versucht, die türkisch-deutschprachigen biographischen Erzählungen von Männern und Frauen in Deutsch nachzudichten. Spätestens die Aufführung dieser biographischen "Männererzählungen" als Theaterstück, verweist auf die Schwierigkeit einer reinen Übersetzung oder Nachdichtung, in einer Sprache die für den Ausdruck bestimmter Sachverhalte nicht geeignet scheint341.

274 Heitmeyer, Müller & Schröder (1997): Verlockender Fundamentalismus

275 Ebd.: 11

276 Ebd.: 24

277 Ebd.: 24/25

278 Elias & Scotson: Etablierte und Aussenseiter. (1993: 257/258)

279 Ebd.:273-278

280 Ebd.:242

281 Ebd.:249/250

282 Lefebvre, Henri (1990: 139)

283 Ebd.: 138

284 Ebd.: 140

285 Auer, Peter: Türkisch in gemischt-kulturellen Gruppen von Jugendlichen im schulischen und ausserschulischen Kontext. (1995: 6)

286 Goffman, Erving: Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. (1996: 59)

287 Rampton, Ben: Crossing. Language and ethnicity among adolescents. (1995)

288 Turner, Victor: Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels. (1995: 29)

289 Lefebvre, Henri (1990: 139)

290 Simmel, George: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Gesamtausgabe Band II. (1995: 691)

291 Ebd.: 693

292 Ebd.

293 Turner, Victor: Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels. (1995: 63)

294 Ebd.: 40

295 Ebd.: 49

296 Ebd.: 41

297 Cassirer, Ernst: Geist und Leben. Schriften. (1993: 123)

298 Guy Bois in: Middell & Sammler: Alles Gewordene hat Geschichte. Die Schule der ANNALES in ihren Texten 1929-1992. (1994: 315)

299 Horkheimer & Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. (1989: 27)

300 Nach Mackensen, Lutz: Ursprung der Wörter. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. (1985: 103) stamme das mittelhochdeutsche tolmetsche aus dem Magyarischen (Ungarischen) tomács, das über das Türkische ins Ungarische gelang,aus einer kleinasiatischen Sprache (Mitanni). Es bezeichnet die »Fürsprache«. Der kleine Duden: Fremdwörterbuch. 3. Auflage. (1991: 104)

301 Anderson, Benedict (1992): Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism.

302 Ebd.: 18. Andere Wahrheitssprachen wären zum Beispiel auch das Hebräische, das Arabische, Kirchenslawisch und andere.

303 Maas, Utz: Sprachpolitik und politische Sprachwissenschaft. (1989: 49)

304 Hartig & Kurz: Sprache als soziale Kontrolle. Neue Ansätze zur Soziolinguistik. (1971: 57)

305 Bachmann, Ingeborg: Ingeborg Bachmann Werke. Band 4. Essays, Reden, vermischte Schriften, Anhang. (1978: 21/22)

306 Kleining sieht die Hermeneutik als brauchbar an, wenn es um die "Wiederherstellung eines verfälschten oder zur Interpretation eines zunächst unverständlichen Textes, der einer Exegese bedarf" Kleining, Gerhard: Qualitativ-heuristische Sozialforschung. Schriften zur Theorie und Praxis. (1994: 18)

307 Waldenfels, Broekman & Pazanin: Phänomenologie und Marxismus 1. Konzepte und Methoden. (1977: 227)

308 Diese "Notwendigkeiten" beschreibt auch Ingrid Gogolin in: Gogolin, Ingrid: Erziehungsziel zweisprachigkeit. Konturen eines sprachpädgogischen Konzepts für die multikulturelle Schule, Hamburg (1988: 43)

309 Turner, Victor: Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels. (1995: 16)

310 Al-Biruni: In den Gärten der Wissenschaft. (1991. 200)

311 Turner, Victor: Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels. (1995: 29)

312: Ebd.

313 Bühler, Karl: Die Axiomatik der Sprachwissenschaften. (1969: 27/28)

314 Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Von meinem Schreibtisch aus, schaue ich aus dem Fenster und visuell nehme ich etwas konkretes wahr, was ich als »Baum« bezeichne. Die Gerichtetheit der Zeichen meint, dass ich dem Begriff des »Baumes« nicht mehr seine konkreten Qualitäten entnehmen kann. Ich komme also vom Abstraktum »Baum« nicht mehr zum konkreten Baum vor meinem Fenster zurück, sondern nur noch zu einer Vielzahl von Bäumen. In der mathematischen Fassung der »Baumes« ist die Semantik vollständig ausgeschlossen und bezeichnet so zum Beispiel in der Graphentheorie, etwas, was schwerlich mit der Wahrnehmung am Fenster zu tun hat. Der so von der Semantik abgelöste Begriff des »Baumes« lässt sich dann für sehr unterschiedliche Sachverhalte verwenden, wie zum Bespiel die Analyse von Netzwerkstrukturen.

315 Hartig & Kurz: Sprache als soziale Kontrolle. Neue Ansätze zur Soziolinguistik. (1971: 54)

316 Ebd.: 215

317 Gogolin, Ingrid: Der monolinguale Habitus der mulitlingualen Schule. (1994)

318 Duranti (Duranti, Allessandro: Linguistic anthropology. 1997: 44) verweist auf einen frühen Gebrauch des Begriffs »Habitus« durch Marcel Mauss. Er gebraucht es im Sinne von sozial vererbten Gewohnheiten. Durch Bourdieu ist er bekannt geworden. "The habitus - embodied history, internalized as a second nature and so forgotten as history - is the active presence of the whole past of which it is the poduct. As such, it is waht gives practices their relative autonomy with respect to external determinations of the immediate present." (Er bezieht sich auf Bourdieu 1990: "The logic of Practice", Stanford University Press)

319 Hartig & Kurz: Sprache als soziale Kontrolle. Neue Ansätze zur Soziolinguistik. (1971: 207)

320 Ebd.: 54

321 Ebd.: 55

322 Fishman, Joshua A.: Soziologie der Sprache. Eine interdisziplinäre sozialwissenschaftliche Betrachtung der Sprache in der Gesellschaft. (1975: 50)

323 Fanon, Frantz: Die Verdammten dieser Erde. (1966: 28)

324 Mannheim, Karl: Das Problem der Generationen. (1928: 174)

325 Al-Biruni: In den Gärten der Wissenschaft. (1991: 36)

326 Mead, George H.: Gesammelte Aufsätze. (1987: 41)

327 Hartig & Kurz: Sprache als soziale Kontrolle. Neue Ansätze zur Soziolinguistik. (1971: 75)

328 Ebd.: 92

329 Ebd.: 93

330 Ebd.: 91

331 Diese Unterscheidung finden wir auch in der Habermasschen »Theorie des kommunikativen Handelns«.

332 Lefebvre, Henri (1990: 142)

333 Erikson, Erik H.: Identität und Lebenszyklus. (1980: 16/17)

334 Ebd.

335 Morgenthaler, Fritz: Homosexualität, Heterosexualität, Perversion. (1985: 189)

336 Erikson, Erik H.: Identität und Lebenszyklus. (1980: 16)

337 Mead, George H.: Gesammelte Aufsätze. (1987: 42)

338 Erikson, Erik H.: Identität und Lebenszyklus. (1980: 17)

339 Hamburger Morgenpost vom 17. April (1998: 44)

340 Zaimolu, Feridun (1995): 24 Misstöne vom Rande der Gesellschaft. Hamburg

341 "Kanak Sprak" wurde auf Kampnagel in Hamburg von Brigitta Linde inszeniert und im Oktober 1997 dort aufgeführt.