1. Einführung
Im Zentrum dieser Untersuchung steht das Repräsentationsverhalten der mittelmeerischen Eliten vom 8. bis zum 6. Jahrhundert v. Chr., das anhand der von ihnen bevorzugten Grabform, dem Tumulus, untersucht werden soll.
Grabhügel bestehen oberirdisch aus einem meist runden Erd- oder Steinhaufen, und in ihrer einfachsten Ausprägung erfüllen sie zwei Funktionen: Zum einen sollen sie die Grabstelle markieren, zum anderen die unter ihnen liegende Bestattung vor Aasfressern und Raub schützen.
Das Hauptinteresse dieser Arbeit liegt hingegen auf monumentalen Tumuli[1]. Obwohl sie nur selten eine äußere architektonische Fassung hatten oder bewahrt haben, müssen sie als eigenständiges Bauwerk angesprochen werden.[2] Eine Höhe von mehreren Metern sowie die sorgfältige Ausführung belegen eine der oberidischen Kennzeichnung zugedachte Bedeutung, die das Grabmal über die bloße Funktion einer Markierung des Bestattungsortes (engl. grave marker) hinaushebt. Es wird durch den logistischen Aufwand zu einem Monument für den Status einer Einzelperson bzw. einer Familie oder Gruppe.
Das monumentale Hügelgrab ist keine Entwicklung des 8. Jahrhunderts v. Chr., sondern kann als weltweites, viele Zeiten betreffendes Phänomen angesprochen werden. Die Beispiele sind über Europa, Nordamerika und Asien verteilt.[3] Im Alten Orient kannte man monumentale Gräber in Form der ägyptischen Pyramiden schon im 3. Jahrtausend v. Chr. Später waren während der Bronzezeit überall in Europa Tumulusbestattungen üblich, ein Beispiel dafür sind im weiteren Sinne auch die mykenischen Tholosgräber.
Grabhügel weisen dieser kurzen Skizze zufolge eine weite zeitliche und topographische Streuung auf, die sogar bis in die jüngste Vergangenheit reicht.[4] Für diese Arbeit wird der obere zeitliche Schnitt im mittleren 8. Jahrhundert v. Chr. angesetzt, da nun bis auf wenige Vorläufer eine regelrechte Blütezeit dieser Grabform im Mittelmeergebiet zu verzeichnen ist mit Gräbern, die von landschaftsbeherrschender Größe sind. Der oberen Begrenzung um 750 v. Chr. ist ein Einschnitt um 500 v. Chr. gegenüberzustellen, der durch eine Phase der Neuorientierung in bezug auf das Elitegrab zu begründen ist. Der monumentale Tumulus wird von neuen Grabformen abgelöst oder als archaisches/traditionelles Monument rezipiert.
Der ursprüngliche Impuls dieser Arbeit entzündete sich an der Frage, welche Eigenschaften das Tumulusgrab auszeichnen, daß es vom 8. bis zum 6. Jahrhundert v. Chr. in vielen unterschiedlich strukturierten Kulturen der Mittelmeerwelt zur häufigsten Elitegrabform werden konnte? Ziel der Arbeit ist es, monumentale Tumuli in ihrer Funktion als Repräsentationsforum von Eliten zu beschreiben und die zugrundeliegenden politischen, ökonomischen und kulturellen Faktoren zu analysieren.
Die häufig in diesem Zusammenhang gewählten Bezeichnungen Fürsten- oder Prinzengrab nehmen bereits im Vorfeld eine gesellschaftliche Wertung vor. Daher werden im folgenden die hier behandelten Elitegräber nach ihrem hervorstechendsten Charakteristikum, ihrer in jeder Hinsicht herausragenden Ausstattung und Größe, als Prunkgräber im Sinne Kossacks bezeichnet.[5] Dieser Begriff soll verhindern, daß die bestattete Person voreilig einer politischen Spitzenstellung zugeordnet wird.
[1] Als unteren Schnitt habe ich eine Höhe von zwei Metern angesetzt, da der Arbeitsaufwand hier das Bedürfnis nach einer bloßen Grabkennzeichnung deutlich überschreitet. Die Bezeichnung monumental wird hier daher in ihrer primären Bedeutung als denkmalartig benutzt. Doch einige Beispiele sind natürlich auch durch ihre Größe monumental. - Zusätzlich werden einige Tumulusnekropolen des griechischen Kulturraums mitaufgenommen, obwohl die Abmessungen der Gräber dem geforderten Kriterium nicht entsprechen. Ausschlaggebend war für diese Entscheidung zum einen die Bedeutung des Materials für die Forschungsdiskussion, zum anderen wird für Griechenland ein möglichst vollständiger Überblick über das Phänomen Grabhügel angestrebt.
[2] Mir erscheint der logistische Aufwand und verschiedentlich auch die Sorgfalt bei der Anlage von Tumulusgräbern, etwa in Phrygien oder Skythien, vergleichbar zu sein mit Bauprojekten aus Werkstein. S. hierzu die Ergebnisse der Untersuchung des Tschertomlyk-Kurgans (Æ: ca. 100 m, H: ca. 20m) bei R. Rolle-V.Ju. Murzin, in: R. Rolle u. a. (Hgg.), Gold der Steppe. Archäologie der Ukraine, Ausstellungskatalog Schleswig (1991) 171 ff. bes. 174 Es ist wahrscheinlich, daß einen solchen Bau nur Spezialisten bzw. Grabhügel-Architekten mit hinreichender Erfahrung und entsprechenden Fertigkeiten leiten konnten...; dagegen F. Seiler, Die Tholos (1986) 5 A 19 Der Tumulus hingegen wird als Grabform beibehalten [...]. In der Frühzeit meist ein einfacher Erdhügel, wird man dem Tumulus jedoch keine architektonische Qualität beilegen dürfen, so daß er im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben kann.
[3] E. Fuhrmann, Der Grabbau (1923); G. Daniel (Hrsg.), Enzyklopädie der Archäologie (1986) s.v. Rundhügelgrab.
[4] Eine vollständige Liste moderner Tumulusbauten kann hier nicht gegeben werden. Es handelt sich meist um Bauwerke, die eine enge historische Kontinuität nachzeichnen sollen und - wenn überhaupt gebaut - niemals die Monumentalität der antiken Vorbilder erreichen. Als Beispiele seien hier der Wettbewerbsentwurf für das Pantheon der Helden des Krieges, Moskau 1942/43 in Form eines Kurgans von G. Sacharow und S. Tschernyschewa (Abb. in: I. Antonowa-J. Merkert (Hgg.), Berlin-Moskau/Moskau-Berlin 1900-1950, Ausstellungskatalog Berlin (1995) 491= Kat.Nr. V/38) und der Tymbos für die griechischen Freiheitskämpfer von Missolonghi genannt, der dem Grab der Marathonomachoi nachempfunden ist. Doch auch tatsächliche Bestattungen kommen vor. So enthält in Branitz eine in einem See gelegene Erdpyramide das Grab des Fürsten von Pückler-Muskau und seiner Frau Lucie (s. H. Ohff, Der grüne Fürst 2(1991) 294 ff.). Weniger das äußerliche Erscheinungsbild als vielmehr die Kammerarchitektur der auf der Krim gelegenen Königsgräber reizten Schinkel zum Entwurf seines Taurischen Museums. Hierzu M. Kühn (Hrsg.), F. Schinkels Taurisches Museum und Schloß Orianda, Ausland, Bauten und Entwürfe (1989) 94 ff.
[5] Andere Formen von Prunkgräbern sind Felsgräber/rock-cut tombs (Phrygien, Lykien), Gruftanlagen (Assyrien) und Fassadengräber (Zypern); G. Kossack, Prunkgräber in: G. Kossack u.a. (Hgg.), FS J. Werner (1974) 14; Kossack a. O. 4 definiert die Charakteristika eines Prunkgrabes wie folgt: 1.) besondere Ausschmückung des Grabraums mit Wandbehängen, Malereien; 2.) die Bettung des Toten ist ungewöhnlich: eine Lade, ein Sarkophag, ein Wagen, ein Schiff; 3.) oft wird die gängige Grabsitte umgekehrt: wo sonst verbrannt wird, legt man jetzt den Leichnam unversehrt nieder und vice versa; 4.) das Grab erhält die Requisiten gehobenen Lebensstandards: Importe, kunstgewerbliche Glanzstücke; 5.) häufig: Prunkwaffen, Reitzeug, Pferde, Brettspiel, Musikinstrument, 6.) prächtige Kleidung, Schmuck, Reinigungsgerät; 7.) Nahrung und Getränk, oft in ganzen Gefäßsets; 8.) selten: Herrschaftszeichen, Gegenstände magischer Bestimmung; zur Übertragbarkeit von Bezeichnungen wie Fürstengrab vgl. hierzu auch M.K.H. Eggert, BJb 183, 1983, bes. 745-747.