3.1.2. Lydien
3.1.2.1. Einführung
Nach dem Zusammenbruch des phrygischen Königreiches wurde das politische Gleichgewicht Kleinasiens einige Jahrzehnte von den nomadischen Reiterstämmen der Kimmerier und Skythen bestimmt.[1] Erst dem an der Westküste gelegenen lydischen Reich gelang unter der Königsdynastie der Mermnaden die Abwehr dieser Gefahr um das Jahr 600 v. Chr. Die Lyder fassten - in der Nachfolge der Hethiter - Kleinasien zu einem einheitlichen Herrschaftsgebiet zusammen, das sie kurz nach der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. an die Perser verloren.
Lydien war eine Landmacht. Das zentrale Siedlungsgebiet wurde von den fruchtbaren Flußtälern des Kayster und Hermos in westöstlicher Richtung durchschnitten. Die Nordgrenze bildete der Caicus, die Südgrenze der Maeander.[2] Im Osten reichte das Land bis zu einer Linie Bagis (mod. Güre) - Kydara (mod. Sarayköy). An beiden Orten ließ Kroisos einen Grenzstein errichten.[3]
Ebenso wie die Phryger bestatteten die Lyder ihre hochrangigen Toten in monumentalen Tumulusgräbern. So errichteten sie nahe der lydischen Hauptstadt Sardis den größten künstlichen Hügel Kleinasiens, der auch heute noch 61, 5 m in der Höhe mißt. Während es für den phrygischen Befund keine literarischen Quellen gibt, werden zwei lydische Grabhügel jedoch von dem kleinasiatischen Griechen Herodot erwähnt und beschrieben.[4]
Die archäologische Erforschung der lydischen Tumuli setzte um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein, als Spiegelthal, der preußische Generalkonsul zu Smyrna, zusammen mit Baron v. Behr-Negendank im Jahre 1853 eine Expedition ausrüstete, die dem mutmaßlichen Grabhügel des Alyattes galt.[5] Wie bisher alle Tumuli der bei Sardis liegenden Bin Tepe-Nekropole war auch dieser Hügel bereits beraubt. Weitere Gräber untersuchten der französische Forscher Choisy und George Dennis, der britische Konsul in Smyrna.[6] Es folgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine amerikanische Grabungsexpedition unter der Leitung von H.C. Butler, die insgesamt 1154 Gräber untersuchte und davon etwa ein Prozent publizierte.[7] Die letzten diesbezüglichen Grabungen unternahm die Harvard-Cornell Expedition zwischen 1962 und 1979, deren vorrangiges Ziel die Aufnahme von in jüngster Zeit beraubten Tumuli war.[8] Neben solchen Notgrabungen, die auch weiterhin durchgeführt werden mußten, wird in jüngster Zeit auch wieder die Suche nach der Grabkammer im Karniyarik Tepe, dem Gygesgrab vorangetrieben.[9] Eine zusammenfassende Arbeit zur Topographie der lydischen Tumuli entstand auf der Grundlage eines Survey 1971; ein Überblick über lydische Gräber und Bestattungssitten wurde 1985 publiziert.[10] Insgesamt betrachtet muß die Forschungssituation zu den lydischen Tumuli jedoch immer noch als lückenhaft bezeichnet werden.
[1] R. Busch (Hrsg.), Gold der Skythen, Ausstellungskatalog Hamburg (1993) 15 ff.
[2] Hdt. 7, 30; Strab. 12, 8, 15.
[3] Hdt. 7, 30.
[4] Hdt. 1, 45; 1, 93; Strab. 13, 4, 7 hält sich an die Vorgaben von Herodot.
[5] Die Ergebnisse dieser Expedition sind durch von Olfers, AbhBerlin 1858 (1859) 539 ff. veröffentlicht worden.
[6] A. Choisy, RA 1876, 73 ff.; Dennis publizierte seine Funde nicht. Eine Zusammenfassung seiner Ergebnisse nach Korrespondenz bei H.C. Butler, Sardis I (1922) 10.
[7] H.C. Butler, Sardis I (1922); C.H. Greenewalt Jr., CalifStClAnt 5, 1972, 115 und A 5; die Forschungsgeschichte zu den sardischen Tumuli fassen Russin in: G.M.A. Hanfmann, Sardis From Prehistoric to Roman Times (1983) 53 ff. und B.K. McLauchlin, Lydian Graves and Burial Customs, Diss. Berkeley (1985) 8 f. zusammen.
[8] Die Publikation fand im BASOR 1963 ff. statt. Hinderlich für eine Gesamtschau der lydischen Tumuli in der Nähe von Sardis ist das Fehlen einer ausführlichen Karte der Nekopole. Das veröffentlichte Kartenmaterial der Harvard-Cornell Expedition (Ostteil der Bin Tepe-Nekropole von Karniyarik Tepe bis Alyattesgrab: G.M.A. Hanfmann (Hrsg.), Sardis from Prehistoric to Roman Times (1983) Abb. 96; Umgebung Alyattesgrab: Hanfmann 1983 a. O. Abb. 99; Umgebung Kirmutat Tepe: BASOR 191 Abb. 1; Paktolustal: Hanfmann 1983 a. O. Abb. 129) vermischt eine leider nicht durchgängige Nummerierung einzelner Gräber, die sich aus einem Kürzel für den Fundort (BT = Bin Tepe oder BK=Baslioglu Köy), der Jahreszahl und einer fortlaufenden Nummerierung (BT 63, 1 = Karniyarik Tepe = Gygesgrab) zusammensetzt, mit wechselnden türkischen und archäologischen nick names.
Die Lage der Tumuli der älteren Grabungen von Choisy, Dennis und Butler ist nicht mehr zu identifizieren; eine Karte der lydischen Tumulusbestattungen außerhalb von Sardis legten Andrew und Nancy Hirschland Ramage in: D.G. Mitten u.a. (Hgg.), FS G.M.A. Hanfmann (1971) 143 ff. vor. Ihre Materialgrundlage von insgesamt 132 Einzelmonumenten erarbeiteten sich die beiden Forscher im Rahmen eines Surveyprojektes.
[9] AJA 98, 1994, 271.
[10] N. Ramage-A. Ramage, The Siting of Lydian Burial Mounds, in: D.G. Mitten u.a. (Hgg.), FS G.M.A. Hanfmann (1971) 143-160. Die beiden Wissenschaftler schlossen dabei absichtlich Ionien, Karien und die Aeolis aus, obwohl diese Gegenden zeitweise zum lydischen Herrschaftsbereich gehörten. Die Hügel wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt: 1.) symmetrische konische Form; 2.) der Hügel muß sich als artifiziell von der umliegenden Landschaft unterscheiden; 3.) auf dem Gipfel darf keine natürliche Steinformation zutage treten; 4.) Kalksteinabschläge oder Erdfarbe weisen die Erhebung als künstlich aus; 5.) Spuren von Grabräubern. Ramage und Ramage glauben, daß hinter der Positionierung der lydischen Tumuli strategische und verwaltungstechnische Überlegungen gestanden haben könnten. In der Verteilung dieser aufwendigen Gräber lasse sich möglicherweise die militärische und zivile Verwaltung durch begüterte Familien ablesen. B.K. McLauchlin, Lydian Graves and Burial Customs, Diss. Berkeley (1985).