3.3. Zusammenfassung
In erster Linie werden die in diesem Abschnitt zusammengefaßten Kulturen durch die in den Tumulusgräber niedergelegten Beigaben charakterisiert: Bronzearbeiten, Elfenbein und Schmuck sind mit Figuren und Ornamenten verziert, wie sie für das Fundmaterial aus der Levante, Ägypten und den assyrischen Palästen belegt sind. Die Provenienz dieser Vorbilder, die meist nur unvollkommen im Westen kopiert und kombiniert wurden, gab dem Fundhorizont in Südspanien, Etrurien und auf Zypern den Namen orientalisierend.
Die Hintergründe dieses Waren- und Motivtransfers von Ost nach West sind noch immer zu wenig bekannt. Besonders der Zusammenhang von auswertigen Handwerkern, Importen und lokaler Produktion wird heftig diskutiert. Doch unabhängig, ob sich Handwerker vor der assyrischen Expansion in den Westen in Sicherheit brachten oder Metallschmiede in Etrurien die neuen Muster und Formen übernahmen und variierten - wahrscheinlich gibt es für sämtliche möglichen Denkmodelle Belege - setzt die Verbreitung von Luxusgütern im westlichen Mittelmeerraum einen Bedarf der Oberschichten voraus, sich durch Prestigegüter vom gemeinen Volk bzw. ähnlich gestellten Konkurrenten abzugrenzen.
Fragt man nach den Ursachen für diesen Bedarf, so muß man sich die Situation dieser Eliten vor Augen führen. Etrurien hatte im 8. Jahrhundert den Übergang von einer präurbanen zu einer urbanen Kultur mit umfangreichem Außenhandel vollzogen. Die bäuerlich geprägte Stammeskultur Südspaniens hingegen war zu diesem Zeitpunkt noch wenig entwickelt. Ein geringer Warenaustausch und kleine Siedlungen zeichnen sich im Befund ab. Ganz anders Zypern. Direkt vor der Küste der Levante gelegen, bezogen die assyrischen Könige diese strategisch wichtige Insel in ihr Reich ein und unterwarfen die zyprischen Stadtkönige gegen Ende des 8. Jahrhunderts.
Erschlossen und verbunden wurden all diese Regionen durch Handel und Kolonisationstätigkeit von Griechen und Orientalen, besonders Phöniziern. Während Spanien und Italien noch freien Siedlungsraum aufwiesen, in dem sich griechische und phönizische Siedler niederließen, lag das Hauptinteresse an Zypern auf dem Handel mit den orientalischen Königreichen. Diese verlangten neben Luxuswaren vor allem Metall und andere kostbare Rohstoffe. Und gerade Etrurien und Südspanien hatten reiche Erzlagerstätten, die im 7. Jahrhundert ausgebeutet wurden.
Anders als die Tartessier vermochten die Etrusker jedoch ihre Rohstoffe und ihr Siedlungsgebiet gegen fremden Zugriff zu schützen, man besaß eine eigene Flotte, verteidigte das Land gegen griechische Kolonisten und besorgte den Metallhandel selbst. Der Reichtum der etruskischen Gräber des 7. Jahrhunderts spricht für diese Interpretation.
Sehr viel weniger eindrucksvoll sind die Zeugnisse in Tartessos. Das südspanische Königreich, das seit dem späten 8. Jahrhundert v. Chr. Handel mit den Phöniziern trieb, scheint weit weniger gut organisiert gewesen zu sein. An den Küsten befanden sich die Siedlungen von Griechen und Phöniziern und die Siedlungsplätze im Landesinneren belegen nur einen bescheidenen materiellen Reichtum, aus dem an der einen oder anderen Stelle ein kurioser Einzelfund herausragt. Zu denken ist hier an den Wagenfund in La Joya, dessen Bronzen an die Wagenbestattungen in den zyprischen Gräbern von Salamis erinnern und korinthische Helme aus Andalusien.[1]
All diesen so unterschiedlich anmutenden Gesellschaften ist jedoch eines gemein: In jeder der drei Regionen wurden monumentale Tumulusgräber errichtet. Während diese Grabform in ausgereifter Form am Fundort Salamis erst am Ende der orientalisierenden Epoche erscheint, markiert sie in Etrurien und Spanien ihren Höhepunkt und überwölbt die reichsten Gräber.
Analysiert man den gesellschaftlichen Hintergrund der Gräber, so erscheinen sie an einem Wendepunkt und müssen als Ventil betrachtet werden für soziale Spannungen. Für alle drei Fundregionen konnte wahrscheinlich gemacht werden, daß die gewohnten gesellschaftlichen Strukturen durch äußere Einflüsse erschüttert wurden. Zypern befindet sich nach dem Zusammenbruch des Assyrischen Reichs in einem Machtvakuum, Südspanien und Etrurien sehen sich Kaufleuten und landhungrigen Siedlern gegenüber, die sich besonders für die Metallvorkommen interessieren und bereit sind, für Waren und Durchzugsrechte mit fremdartigen Luxusgegenständen zu bezahlen.
Der neu entfachte Wettbewerb um Ansehen und gesellschaftliche Stellung wurde offenbar auch auf einer symbolischen Ebene ausgetragen, indem das Grab Auskunft über die Leistungsfähigkeit des Verstorbenen und seiner Familie ablegte. Die Inventare stützen diese Deutung: Grundsätzlich wurde die verstorbene Person als reich gekennzeichnet. Waffenbeigaben charakterisierten ihn darüber hinaus als in militärischen Dingen beschlagen, Trinkgeschirr als großzügig und die Feinheit und Seltenheit der Einzelstücke wiesen auf Geschmack und weitreichende Verbindungen hin.
Für den antiken Betrachter, der ein potentieller Gefolgsmann war, bot sich so eine Orientierungshilfe bei der Einordnung der Situation. Je deutlicher das Grab darüber Auskunft gab, wie groß die Ressourcen seines Auftraggebers waren, desto sicherer konnte man sich der eigenen Anhängerschaft sein. Das monumentale Tumulusgrab war für diese Funktion besonders geeignet. Für seinen Bau war manpower ausschlaggebend und das geschaffene Monument war dauerhaft und konnte nötigenfalls noch erweitert werden.
[1] Das gesamte griechische Fundmaterial ist bei P. Rouillard, Les Grecs et la Péninsule Ibérique du VIIIe au IVe siècle avant Jésus-Christ (1991) gesammelt. Zu den Bronzehelmen a.O. 28.