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Titel: Individual versus Collective Creditor Rights in Sovereign Bond Restructurings: An Economic Analysis
Sonstige Titel: Individuelle und kollektive Gläubigerrechte in Umschuldungsverfahren von Staatsanleihen: Eine ökonomische Analyse
Sprache: Englisch
Autor*in: Häseler, Sönke
Schlagwörter: Staatsanleihen; Moral Hazard; Gläubigerrechte; Treuhänder; Ausfallwahrscheinlichkeit; collective action clauses; sovereign bonds; default risk; fiscal agent; trustee
Erscheinungsdatum: 2011
Tag der mündlichen Prüfung: 2011-08-16
Zusammenfassung: 
Die vorliegende Dissertation besteht aus drei Artikeln, von denen zwei bereits veröffentlich sind, während sich einer derzeit im Review-Prozess befindet. Sie behandelt die Frage, ob Anleihegläubiger ihre Rechte gegenüber einem staatlichen Schuldner im Falle eines Zahlungsverzugs einzeln oder kollektiv wahrnehmen sollten. Motiviert ist die Arbeit durch die Reihe von Schuldenkrisen seit den 90er Jahren. Die aktuelle europäische Krise unterstreicht die Relevanz solcher Forschung.
Es ist allgemein bekannt, dass staatliche Insolvenz die Finanzmärkte und Rechtssystem vor große Probleme stellt. Verfahren existieren für die Umschuldung von Forderungen anderer Staaten und internationaler Organisationen („Paris Club“) und von Banken („London Club), aber diese sind undurchsichtig, beileibe nicht immer effizient, und sie nehmen keine Rücksicht auf eine Klasse von Gläubigern, die immer mehr an Bedeutung gewinnt: Anleiheeigner.
Der erste Artikel („Collective Action Clauses in International Sovereign Bonds – Whence the Opposition?“, erschienen im Journal of Economic Surveys) stellt dieses Defizit zunächst dar und geht dann auf bisher bestehende Möglichkeiten der Umschuldung von Staatsanleihen ein. Da die Zahlungs¬bestimmungen solcher Wertpapiere traditionell nicht geändert werden können, musste bisher ein Tausch von alten gegen neue Papiere mit laxeren Zins- und Tilgungsbedingungen geschehen. Die Teilnahme an solch einem Tausch ist freiwillig, was eine Reihe von kollektiven Handlungsproblemen aufwirft. Sogenannte Mehrheitsklauseln („collective action clauses“, CACs) werden seit einigen Jahren als Lösung gehandelt, weil sie es einer qualifizierten Mehrheit der Gläubiger ermöglichen, einen Schuldenerlass zu gewähren, an denen alle Eigentümer der entsprechenden Tranche von Anleihen gebunden sind. Weder die Idee noch die Klauseln sind neu. Sie wurden jedoch erst Ende der 90er Jahre „wiederentdeckt“. Seit 2003 werden sie vermehrt in neuen Anleihen verwendet. Der Artikel befasst sich mit der Frage, warum der Markt diese Vertragsinnovation nicht früher und nicht vollständiger angenommen hat. Es werden verschiedene mögliche Gründe dafür diskutiert – Unvollkommenheit der Klauseln, Angst vor höheren Kapitalkosten, Bedenken wegen „moral hazard“-Problemen, usw. Jedoch scheint keiner diese Gründe geeignet, die späte und zögerliche Annahme der Klauseln durch die Marktteilnehmer zu erklären. Deshalb schließt der Artikel mit der Vermutung, es sei die Aussicht auf Hilfe von dritter Seite („bail-out“), die dem Markt jeglichen Anreiz nimmt, in solch eine wohlfahrtssteigernde Innovation zu investieren. Aus dieser Feststellung entsteht die abschließende Empfehlung an die Politik: Man muss glaubhaft versichern, in staatliche Schuldenkrisen nicht mehr einzugreifen, um die Verbreitung der Klauseln voranzubringen, die solches Eingreifen letztendlich dann auch überflüssig machen sollen.
Der zweite Artikel („Individual versus Collective Enforcement Rights in International Sovereign Bonds“ – eingereicht beim European Journal of Law and Economics) gründete sich auf der Einsicht, dass die Umschuldung von Anleihen nicht der einzige Anlass ist, bei dem individuelles Handeln der Forderungseigner Probleme aufwerfen kann. Auch bei der Durchsetzung der Forderungen, nachdem ein Zahlungsverzug eingetreten ist, bringt ein abgestimmtes, gemeinsames Vorgehen Vorteile für die Gläubiger, für den Schuldnerstaat und für Dritte. Der Artikel stellt die relevanten Rechtsnormen und Vertragsstrukturen in den beiden wichtigsten Jurisdiktionen (New York und England) dar und diskutiert dann die Abschreckungs¬wirkung gegen den Schuldner, die Anreizstrukturen der Gläubiger, Handlungskonsequenzen und Wohlfahrtswirkungen bei individueller und kollektiver Forderungs¬durchsetzung. Vor allem aber wird empirisch getestet, ob der Markt tatsächlich die vermeintlich besseren Chancen der Durchsetzung bei individuellen Rechten honoriert. Ansatzpunkt für einen solchen Test ist der Vergleich in einem vielbeachteten Rechtsstreit zwischen dem Schuldnerland Peru und dem Investmentfonds Elliott Associates aus dem Jahr 2000. Der Vergleich wurde in Literatur und Fachpresse als starke Aufwertung individueller Rechte gewertet. Ich stelle fest, dass es keine messbare Marktreaktion darauf gab, weder für Peru noch für andere potentiell betroffene Länder, und schließe daraus, dass die viel diskutierten verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten von Durchsetzungsrechten letztlich wenig Beachtung bei den Marktteilnehmern finden. Diese Erkenntnis ist wichtig, denn sie sagt, dass die Politik vertragliche Änderungen im Sinne der Wohlfahrtsmaximierung durchsetzen kann, ohne höhere Zinsen und einen Rückgang des Kreditvolumens befürchten zu müssen. Wie im ersten Artikel spreche ich mich hier entschieden für kollektive Durchsetzungsrechte als die aus sozialer Sicht effizientere Variante aus.
Der dritte Artikel („Trustees versus Fiscal Agents and Default Risk in International Sovereign Bonds“ – erscheint im European Journal of Law and Economics) ähnelt in Bezug auf die Fragestellung und den Gegenstand dem zweiten, doch die empirische Methodik ist eine andere. Während ich die Marktreaktion auf den Vergleich anhand einer Zeitreihenstudie untersuchte, wird hier eine Querschnittsanalyse einer großen Menge von Staats¬anleihen durchgeführt, um wiederum quantitativ beurteilen zu können, wie der Markt kollektive gegenüber individuellen Gläubigerrechten beurteilt. Die Idee dazu stammt aus der Forschung zum ersten Artikel: Es gibt zahlreiche Querschnittsstudien, die die Sicht des Markts auf collective action clauses untersuchen. Die Struktur von Durchsetzungs¬rechten wurde hingegen noch keiner solchen Analyse unterzogen. Also übertrage ich die Methodik der umfangreichen empirischen Literatur zu CACs auf den bisher von Querschnittstudien unbehelligten Gegenstand der Durchsetzungsrechte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Renditen sich nicht systematisch unterscheiden zwischen Anleihen mit individuellen und kollektiven Rechten. Dieses Resultat deckt sich mit den im Artikel vorangestellten theoretischen Überlegungen, denen zufolge die vermeintlich bessere Stellung der Anleger bei individuellen Rechten praktisch keinen Wert hat. Die Schlussfolgerung deckt sich fast zwangsläufig wieder mit der des zweiten Artikels: Gesetzgeber in den relevanten Jurisdiktionen sollten alles daran setzen, dass neu ausgegebene Anleihen ausschließlich die kollektive Wahrnehmung von Durchsetzungsrechten über einen Treuhänder („trustee“) vorsehen. Nur so können ineffektive Verhaltensweisen einzelner („race to the court house“) vermieden werden.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/4313
URN: urn:nbn:de:gbv:18-54789
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Schäfer, Hans-Bernd (Prof. Dr.)
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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