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Titel: Wiederbeleibung : Neue Pornographie und die Formen ihrer medialen Repräsentation
Sprache: Deutsch
Autor*in: McEwen, Isabelle
Schlagwörter: Ich-Form; Intermedialität; Inszenierung; Nelly Arcan *1973-2009*; Catherine Breillat *1948- *
Erscheinungsdatum: 2014
Tag der mündlichen Prüfung: 2011-08-11
Zusammenfassung: 
Mitte der 1990er Jahre erschienen in Frankreich Romane, in denen auf eine neue, für viele als provozierend empfundene Weise über den Körper geredet wurde. Man kann in dieser Zeit, in der die politische Weltordnung ins Wanken geriet, generell einen Rückzug ins Private und eine neue Aufmerksamkeit für den Körper beobachten, bei der, vor allem in Frankreich, die Pornographie einen bedeutenden Platz einnahm. Was ich in der Arbeit als „Neue Pornographie“ bezeichne und als neues Genre beschreibe, ist nicht der einzige neue pornographische Diskurs, der in dieser Zeit entstand. Auch Post Porn ist hier zu nennen, dessen Strategien die Neue Pornographie manchmal übernimmt. Neue Pornographie ist ein französischer, weiblicher, im Sinne von Serge Doubrovskys Definition autofiktiver Diskurs, für den eine – mit Gérard Genettes intertextueller Theorie verstandene – parodistische Strategie typisch ist, die den Autorinnen dazu dient, einen Körper sichtbar zu machen, der als Objekt des Blickes und als Projektionsfläche für ein fremdes, männliches beziehungsweise als männlich angenommenes Begehren der Frau traditionell ‚geraubt‘ wird. Vor dem Hintergrund eines Abrisses der Geschichte der Pornographie und der literaturhistorischen Rückbeziehung der Neuen Pornographie auf den libertinen Roman des 18. Jahrhunderts wird als erster Strang der Arbeit die Strategie der Neuen Pornographie am Roman "Putain" von Nelly Arcan analysiert.

Zum „Abenteuer der Sprache“, das Doubrovsky als kreativen Abschied vom Authentizitätsdiktat der Autofiktion bezeichnet, gehört im Falle der Neuen Pornographie eine grenzüberschreitende Bewegung von der Literatur und vom Sprachkörper, den sie hervorbringt, in andere Medien (Film, Theater), wo der Sprachkörper zu einem Bildkörper wird. Die Untersuchung der intermedialen Bezüge, die zustande kommen, bildet den zweiten Strang der Arbeit. In einer Analyse des cinéma du corps von Catherine Breillat wird der Diskurs über diesen Bildkörper im Film untersucht. Hier ist der Körper, der sichtbar wird, der einer Schauspielerin, die mit den Worten der Autorin spricht, wodurch sich Körper und Stimme trennen und der Körper eine eigene Geschichte erzählt. Man kann von einem hybriden Körper sprechen, der performativ hervorgebracht wird.

Im Zentrum der Untersuchung meiner Theaterperformance "HURE" nach Nelly Arcans Roman Putain steht die Beziehung zwischen den realen Körpern der Schauspielerinnen und ihren digitalen Abbildern in den Videoprojektionen auf der Bühne. Durch den Einsatz von Bildschirmen und Projektionswänden verschwinden in der Aufführung die Grenzen des Körpers, der als der Körper der Protagonistin eine allgegenwärtige und doch nirgendwo zweifelsfrei zu verortende Präsenz entfaltet. Die Protagonistin spricht mit einer Stimme, es ist aber eine polyfone Stimme, die von einer Schauspielerin zur anderen wandert und damit außerhalb referenzieller Reichweite bleibt.

Zwischen der Dekonstruktion eines Körpers, der seine Entkörperlichung feiert, und der Wiederbeleibung dieses Körpers, die die Werke erwirken wollen, geht es den Autorinnen der Neuen Pornographie in performativen Akten, die immer eine palimpsestische Schichtung von Bildern und Bedeutungen – Catherine Breillat spricht von „Ideogrammen“ – beinhalten, darum, dass die Sexualität einer Frau – einer bestimmten Frau – dargestellt wird. Im Film und im Theater ist diese Schichtung eine mehrfach-mediale, deren performative Hervorbringung im Hinblick auf die Strategien der Neuen Pornographie und auf die Verwandlung der Wahrnehmung, die diese verfolgt, die Diskussion über den Diskurs erweitert.

In the middle of the 1990s, novels were published in France, in which the authors talked about the body in a way that many found provocative. In that time, when a new world order was established, one can observe a general retreat into private life and a new interest in the world of the bodies. Above all, this included pornography. What I call “New Pornography” and define as a new genre is not the only pornographic discourse that appeared at the time. Post Porn is another one. The processes are different but New Pornography sometimes borrows the strategies of Post Porn. New Pornography is a French, feminine, and (in the sense Serge Doubrovsky gives to the term) autofictional discourse, which uses a (according to Gérard Genette's theory of intertextuality) parodistic strategy to reveal, and at the same time reclaim, a body that, in traditional pornography, is an object of the gaze and a projection surface for male desire. Against the background of the story of pornography, and the discovery of similarities between New Pornography and the libertine novel of the 18th Century, the project analyses the discourse of New Pornography in Nelly Arcan's novel, "Putain".

In the following chapters of the work, the emphasis is on what Doubrovsky calls the „adventure of language“ of Autofiction, through which the discourse of New Pornography crosses the boundaries of literature, and the body of words transforms into a body of images. In the analysis of Catherine Breillat's Cinéma du Corps, the manifestations of this body of images in film, and the construction of the speaking subject in the works of the author and filmmaker, are at stake. In my performance, "HURE", after Nelly Arcan's novel, "Putain", I address the relationship between real presence and live speech, and the body of images in video projections, onstage.

Between the disembodiment typical of traditional pornography, and the re-embodiment which the works strive for, New Pornography always aims at depicting the sexuality of a woman who is not a fantasy but a real woman. The discourse always involves a palimpsestic layering of images and meaning – Catherine Breillat uses the word “Ideogram” – which, in film and in theatre, is a plurimedial one. The analysis of the performative strategies of its production, broadens the discussion with regard to the basic strategy of the discourse, and the changes in perception that it wants to achieve.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/5576
URN: urn:nbn:de:gbv:18-69511
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Hans, Jan (Dr.)
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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