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Titel: Die Rolle der evangelischen Religionspädagogik in den religiösen Konflikten Südkoreas : die Einführung des dialogisch-interreligiösen Lernes in Südkorea
Sonstige Titel: The Role of the Protestant Religious Education in the religious Conflicts of South Korea : the introduction of the dialogical-interreligious learning in South Korea
Sprache: Deutsch
Autor*in: Kim, Kwang Chul
Schlagwörter: Religious Education
GND-Schlagwörter: Religionspädagogik
Erscheinungsdatum: 2015
Tag der mündlichen Prüfung: 2015-07-09
Zusammenfassung: 
Im Kontext des religiösen Konflikts in Südkorea entstand die Idee zu dieser Untersuchung. Meine Vision ist, einen Beitrag zu leisten, wie man diesen Konflikt mit religionspädagogischen Erkenntnissen minimieren kann. Ferner geht es um die Frage, wie die Religionspädagogik angesichts der religiösen Pluralität funktionieren kann. In dieser Arbeit wurde davon ausgegangen, dass die aktuelle Problematik des religiösen Konflikts in der Rolle der Religionspädagogik im Kontext der religiösen Pluralität adaptiert werden kann. Im Rahmen der christlichen Schulreligionspädagogik habe ich untersucht, mit welchem Ziel, mit welchem Inhalt und mit welchen Methoden der Religionsunterricht an den Schulen erteilt werden soll.
Die südkoreanische religiöse Situation kann durch die Koexistenz der vererbten traditionellen Religionen (z.B. Konfuzianismus, Buddhismus sowie Cheondogyo) und der überlieferten Religionen (z.B. evangelisches Christentum, Katholizismus und Islam) als pluralistisch charakterisiert werden. Hinzu kommen erhebliche Anteile Konfessionsloser und Atheisten. Religiöse Vielfalt ist Teil heutiger Lebenswirklichkeit in Südkorea. Sie erscheint meines Erachtens mit einem doppelten Gesicht. In der Außenperspektive sieht sie harmonisch aus, so als ob sich die verschiedenen Religionen respektvoll und friedlich zueinander verhalten. Aus der inneren Sicht jedoch lassen sich vielschichtige Spannungen zwischen den Religionen erkennen. Dies hängt damit zusammen, wie die Religionen sich zueinander verhalten. In der Geschichte Koreas haben die Religionen in sozialen Aufgaben (z.B. Unabhängigkeitsbewegung gegen Japan, Demokratisierungsbewegung gegen Diktatur, Umweltschutz, sowie die Wiedervereinigung Koreas) zusammengearbeitet und sich gegenseitig positiv beeinflusst. Im Gegensatz dazu sind die religiösen Konflikte sowohl in der politisch geprägten als auch in der privaten Gesellschaft seit Ende des 20. Jahrhunderts entstanden. Diese Konflikte haben sich zwar nicht intensiviert, aber sie wurden im Lauf der Zeit vielfältig und haben sich verschärft. In dieser Studie untersuchte ich den wesentlichen Grund für den religiösen Konflikt zwischen Buddhismus und evangelischem Christentum unter religionssozialwissenschaftlichen und theologischen Aspekten. Die Gründe der religiösen Konflikte wurden aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Aus der Perspektive des evangelischen Christentums liegt der Hauptgrund dafür in der fundamentalistischen Theologie bzw. in einer extrem konservativen Tendenz der Kirchen. Im evangelischen Christentum wird aus meiner Sicht die religiöse Pluralität eher als ein Hindernis der Missionierung denn als eine Bereicherung wahrgenommen. Wie Kyoung-Jae Kim erläutert, befindet sich das evangelische Christentum auf dem Weg der dogmatischen Verhärtung. Dieser Überblick über die religiöse Situation Südkoreas zeigt deutlich, dass die religiöse Toleranz, Aufgeschlossenheit und Anerkennung gegenüber anderen Religionen für das Zusammenleben unabdingbar ist. Darüber hinaus habe ich die pädagogische Notwendigkeit des Religionsunterrichts in der Schulbildung festgestellt. Wie Folkert Doedens und Jürgen Lott konstatierten, ist Religion eine konstitutive Komponente umfassender allgemeiner Bildung und das Fach Religion ein unaufgebbarer Bestandteil des Fächerkanons in den öffentlichen Schulen.
Aus diesem Verständnis ergeben sich zwei wichtige Aufgaben: zum einen ist die aktuelle Situation des Schulreligionsunterrichts in Südkorea kritisch zu analysieren, zum anderen sind die neuen religionspädagogischen Impulse außerhalb Südkoreas vergleichend heranzuziehen. In der ersten Aufgabe geht es um die Frage, wie und mit welcher strukturellen Form der Religionsunterricht sich angesichts der religiösen Pluralität bis heute entwickelt hat. Hinter der zweiten Aufgabe steckt das Problem: die Schulen stehen in Südkorea vor der Herausforderung, eine mögliche Reform und die zukünftige Gestalt des Religionsunterrichts bzw. alternative Konzepte des Religionsunterrichts zu prüfen und zu realisieren. Diese Studie hat beide Richtungen bearbeitet.
Hinsichtlich der ersten Aufgabe wurde im zweiten Teil dieser Arbeit aufgezeigt, wie die staatlichen Lehrpläne des Religionsunterrichts und deren Inhalte von dem ersten bis zum siebten Lehrplan verändert wurden. Tatsächlich wurde und wird der Religionsunterricht konfessionell nur in den Missionsschulen erteilt. Die Diskussionen verliefen in den zurückliegenden Jahren zwischen einem konfessionellen und einem religionskundlichen Konzept. Hier werden die Konfessionaltiät und die Neutralität des Religionsunterichts als wesentliche Komponenten angesehen. Diese beiden Punkte beziehen sich auf die Asymmetrie der Zielsetzung für den Religionsunterricht zwischen den Missionsschulen und dem Bildungsministerium. Es lohnt sich in diesem Kontext für Südkorea, einen neuen Weg zu finden. Es ist klar, dass es im Schulreligionsunterricht in Südkorea nicht mehr so sehr darum gehen kann, eine bestimmte religiöse Botschaft zu vermitteln, sondern vielmehr darum, die Suchprozesse der Schülerinnen und Schüler im Kontext der religiösen Pluralität hilfreich zu begleiten. Dies bedeutet, dass die religiöse Pluralität im Religionsunterricht ernst genommen wird und sie im Sinne einer Aufgabe und Herausforderung des Religionsunterrichts fokussiert wird. Darüber hinaus erfordert die religiöse Pluralität ein Einübungsfeld, in dem die Schüler die religiöse Vielfalt selber mit Toleranz voreinander erleben. Denn die Erziehung zur Toleranz beginnt schon mit dem Schulbeginn. In der Zukunft soll für die Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher religiös-kultureller Prägung ein integrierender Schulreligionsunterricht genau so obligatorisch sein wie für andere Schulfächer.
Für einen religiösen, pluralitätsfähigen Religionsunterricht spielt das Kennenlernen und das Verstehen von anderen Mitschülern eine große Rolle. Die grundlegenden Informationen über andere Religionen, die tolerante Offenheit und die Dialogfähigkeit werden als wesentlich angesehen. Sie wurden durch den Vergleich mit den bundesrepublikanischen drei Ansätzen, LER, KRU, Hamburger Modell aus dem religionspädagogischen Aspekt ausführlich erläutert. Als alternatives Konzept wird das interreligiöse Lernen beschrieben. Die kontextuellen Hintergründe für die Notwendigkeit des interreligiösen Lernens sind wie folgt: (1) die Schüler sollen von den anderen Schülern durch eine intensive Verständigung miteinander lernen. Denn die Schule ist zu verstehen als ein Bildungsort für Kinder und Jugendliche unterschiedlicher sozialer, kultureller, weltanschaulicher und religiöser Herkunft. (2) die veränderte gesellschaftliche Situation bzw. der Zuwachs der Migration machen das interreligiöse Lernen unerlässlich. (3) als gesellschaftliche Aufgabe sollte der Religionsunterricht zu einem möglichst konfliktfreien Zusammenleben beitragen. In diesem Sinne ist Religionspädagogik eine Praxistheorie.
Um die neuen religionspädagogischen Impulse aufzuzeigen, wird Deutschland als Beispiel herangezogen. Zwar ist die religiöse Situation in Deutschland etwas anders als in Südkorea. Aber die religiöse Pluralität und Modernisierung sind identische Komponenten. Wie oben erläutert wurde, geht es in der koreanischen religiösen Situation um die friedliche Koexistenz zwischen herkömmlichen Religionen - und damit einer kulturellen Tradition von ca. 2000 Jahren - und der christlichen Religion. Im Gegenzug geht es in der religiösen Situation in Deutschland darum, wie man in einem traditionell christlichen Land mit einer wachsenden Anzahl von nicht christlichen Mitbürgern und insbesondere von Muslimen umgehen soll. Auffällig ist, dass die religiöse Kluft zwischen West- und Ostdeutschland als ein zukünftiges mögliches Vorbild für ein wiedervereinigtes Land Korea gelten kann. In beiden Ländern ist und bleibt Religion eine wichtige Dimension menschlichen Lebens und gesellschaftlichen Zusammenlebens. Daneben wird klar, dass das Christentum in Deutschland sich mehr als in Südkorea auf dem Säkuralisierungsprozess befindet. In der Zeitung Welt wurde konstatiert: „In 20 Jahren werden weniger als 50 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen einer der beiden großen Kirchen angehören. Derzeit sind es rund 60 Prozent, nämlich 23 Millionen Protestanten und 24 Millionen Katholiken, deren Gesamtzahl alljährlich um rund 500.000 sinkt, und zwar hauptsächlich durch Todesfälle.“
Maria Jepsen hat dieses so formuliert: „Je stärker sich die Religion - dann auch die Religiösität oder als Spiritualität bezeichnet - individualisiert und pluralisiert, desto weniger kann ein didaktischer Zugang zu Kindern und Jugendlichen von der geprägten Sprache kirchlicher und dogmatischer Tradition ausgehen.“ Damit hängt eng zusammen, dass die Bedeutung der religiösen Erziehung sowohl in der Famile als auch in den Religionsgemeinschaften abnimmt. Dementsprechend wächst die Bedeutung des Religionsunterrichts an den Schulen. Dies ist ein gemeinsames Phänomen in beiden Ländern. Von daher kann und soll der Schulreligionsunterricht insbesondere für Kinder und Jugendliche bedeutsam sein. Trotz dieses kontextuellen Unterschiedes haben sich die religionspädagogischen Bemühungen angesichts der multikulturellen und multireligiösen Lebenszusammenhänge nach einer entsprechenden einleuchtenden Didaktik in beiden Ländern entwickelt. In Südkorea koexistieren das konfessionelle und das religionskundliche Konzept. Dem gegenüber gibt es in Deutschland dazu die didaktischen Bemühungen für das ökumenische, interkulturelle und interreligöse Lernen. In der Tat wurden sie in Deutschland ausführlicher diskutiert.
In den meisten Bundesländern findet Religionsunterricht in seiner grundgesetzlich abgesicherten Form als konfessionell ausgerichteter christlicher Religionsunterrricht statt. Es gibt noch andere Ansätze, wie der Religionsunterricht anders erteilt werden kann. In dieser Arbeit wurden die drei repräsentativen Ansätze in Deutschland dargestellt, LER, KRU, das Hamburger Modell.
Das Charakteristikum von LER ist der Anspruch der Neutralität. Konfessionalität erweist sich dagegen als Kernpunkt des konfessionell-kooperativen Ansatzes in Baden-Württemberg. Demgegenüber ist die dialogische Schülerorientierung ein wesentliches Element im Hamburger Modell. Durch den Vergleich ist ersichtlich, dass eine konzeptionelle Gemeinsamkeit zwischen dem koreanischen Lehrplan des Religionsunterrichts und LER besteht. Die beiden Modellversuche sind charakterisiert durch die Neutraltiät des Religionsunterrichts und weisen keine Verbindung mit den Religionsgemeinschaften auf. Tatsächlich wurde über ökumenische und interreligiöse Ansätze für den Schulreligionsunterricht in Südkorea noch nicht ernsthaft diskutiert.
Trotz der großen Unterschiede zwischen beiden Ländern hinsichtlich des Religionsunterrichts und seines juristischen Hintergrundes des Schulwesens, der religiös-gesellschaftlichen Situation sowie der Schülerschaft wurde der Grundgegensatz - die Konfessionaltiät und die Neutralität - auch in Deutschland diskutiert. Darüber hinaus wurden die Themen „Identität und Verständigung“ und „Dialog und Toleranz“ in die Diskussion eingebracht. Diese Diskussionen um das interreligiöse Lernen - „Identitätsbildung durch Beheimatung oder durch Begegnung“ und „wie man das Andere verstehen kann bzw. wie man das Andere in seiner Andersheit anerkennen kann“ - sind auch für die koreanischen Missionsschulen notwendig.
Von den dargestellten Ansätzen werden drei religionspädagogische Merkmale unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Buddhismus und evangelischem Christentum präsentiert: (1) Lebensweltlich- und schülerorientierter Religionsunterricht, (2) Dialog und Perspektivenwechsel, (3) Lehrkraftwechsel, Team Teaching in Übereinstimmung mit dem Lehrplan. In LER wird der erste und der zweite Aspekt unterstrichen. Daneben wird der dritte Aspekt in KRU besonders hervorgehoben. Im Hamburger Modell wird der zweite Aspekt einschließlich mit den beiden anderen akzentuiert. Die drei Aspekte müssen im konkreten Kontext in Südkorea durch die Auseinandersetzung mit Lehrerschaft, Theoretikern und Schülern übertragen werden.
Heute wird religiöse Bildung in der Schule immer wichtiger - für die eigene Verwurzelung und Identität der Kinder und Jugendlichen, für religiöse Urteilsfähigkeit, für Sinnfindung und Orientierung in der Welt sowie für Verständigungsfähigkeit und Toleranz. Daher soll die christliche Religionspädagogik bzw. das religiöse Lernen in der Situation der religiösen Konflikte bzw. angesichts der religiösen Pluralität grundsätzlich zu einem besseren Verständnis des eigenen Glaubens beitragen und zu mehr Respekt gegenüber Menschen anderen Glaubens. Ich betone die Notwendigkeit, in der Schule ein Wissen über die Religionen mit ihren vielfältigen Erscheinungs- und Ideenwelten als kulturell maßgebliche sowie identitäs-und gemeinschaftsstiftende Bestimmungsfaktoren in unserer Gesellschaft zu vermitteln. Aufgrund dieser Einsichten erscheint es mir notwendig, das Ziel des Religionsunterrichts und die Rolle der Schulreligionspädagogik als Friedenserziehung angesichts der religiösen Konflikte in Südkorea neu wahrzunehmen.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/6432
URN: urn:nbn:de:gbv:18-74608
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Dehn, Ulrich (Prof. Dr.)
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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