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Titel: Der Gynäkologe Carl Clauberg (1898-1957) zwischen verachteter Normalität und bagatellisierten Extremen : Frauenkörper als Objekte der Liebe, der Profession und der Täterschaft
Sprache: Deutsch
Autor*in: Wilking, Silvia
Schlagwörter: Medizingeschichte; Konzentrationslager Ravensbrück; Geschichte des 20. Jahrhunderts; Geschlechtergeschichte; Rassismus
GND-Schlagwörter: Biografie
Sozialgeschichte
Nationalsozialismus
Konzentrationslager Auschwitz/Birkenau
Antisemitismus
Erscheinungsdatum: 2016
Tag der mündlichen Prüfung: 2018-07-13
Zusammenfassung: 
Carl Clauberg wächst in einer Atmosphäre dominanter Männlichkeit auf. Familie, Schule, Krieg, Verbindungsleben und Studium vermitteln die Überlegenheitsansprüche männlichen Daseins und die Option auf Führungspositionen. Gleichzeitig wird von seinen Sozialisationsagenturen und durch seine Profession eine ungebändigte Fortschrittsgläubigkeit durch Experimente gefördert. Während Claubergs Schulzeit als eine positive Abweichung von der Normalität gewertet werden kann, verdichten sich nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg die negativen Vorzeichen bei seinem Verhalten, die Clauberg letztlich bis nach Auschwitz und Ravensbrück führen, um dort an internierten Jüdinnen und so genannten ’Zigeunerinnen’ eine neue unblutige Sterilisationsmethode zur Massenanwendung zu testen. Carl Clauberg kann sich in der Hormonforschung einen anerkannten Namen mit einem Hormontest für Gestagene erarbeiten, wobei er allerdings den Urheber unterschlägt. Nachdem seine Universitätskarriere scheitert, überlässt er sich einem Forschungsfanatismus, durch den ihm die Frauen aus den Konzentrationslagern zwangsweise zugeführt werden.
Als Gegengewicht zu seinen Sterilisationsexperimenten schafft Carl Clauberg die ‚Stadt der Mütter’. Claubergs Idealtypus – ein Forschungsinstitut mit landwirtschaftlichem Versuchsgut - in dem nach rassenhygienischer Lesart ‚wertvolle’ Mütter ihre Kinder bekommen können und die durch Rassenfanatismus selektierten und von ihm sterilisierten Frauen weiterhin als Versuchsobjekte sowie als willfährige Hilfsarbeiterinnen zur Verfügung stehen sollen, realisiert sich nur zum Teil.
In seinem Privatleben richtet Carl Clauberg für sich und seinen Wunsch nach leiblichen Kindern eine ‚Dreiecksehe’ ein, da seine Ehefrau steril ist. Diese unter Zwang zusammengehaltene Dreierbeziehung bricht bei seiner Rückkehr aus russischer Gefangenschaft auseinander. Carl Clauberg verfolgt ‚seine’ beiden Frauen dermaßen mit krankhafter Eifersucht, dass diese Hilfe beim Gesundheitsamt suchen und an seinem Geisteszustand zweifeln. Noch aus der Psychiatrie und der anschließenden Untersuchungshaft heraus überzieht Carl Clauberg seine Ehefrau und seine ‚Zweitfrau’ mit Drohbriefen und extremen Forderungen für seine Lebensplanung, doch die Frauen ziehen sich von ihm zurück. Sowohl beruflich wie privat steht er vor einem selbstverursachten Scherbenhaufen.
Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn komplettiert den Zusammenbruch seiner Pläne von Anerkennung und Ruhm. Claubergs Sterilisationsopfer aus den Konzentrationslagern berichten von dessen Eingriffen und den daraus resultierenden gesundheitlichen Problemen. Doch Clauberg will in den Lagern lediglich ein ‚Lebensrettungsinstitut’ betrieben haben, um den Preis der Fruchtbarkeit. Der Tod ereilt Carl Clauberg vor der Eröffnung des Gerichtsverfahrens. Seine Opfer müssen ihren Wunsch nach öffentlicher Gerechtigkeit begraben.

Carl Clauberg grows up in an environment of dominating masculinity. Family, school, militarism, academic education and fraternity life created a setting, which supports an entitlement to male superiority and a claim to leading positions. This claim of superiority combined with his socialisation agencies and profession fuel an untamed conviction that experiments advance progress, are the conditions, that ultimately lead Clauberg to Auschwitz. Women surround Carl Clauberg not only in his private life – where he establishes an unusual family unit, which he dominated and held together by all means necessary – but also in his experiments on the female bodies, which he learned to do through his specialist medical training and which furthered his career and fuelled his ambitions.
After he has to abandon a university career, he commits to a research fanatism with the result, that women from the concentrations camps Auschwitz und Ravensbrück are forcibly supplied to him. Clauberg‘s “ideal type” – a research institute with farm style research methods – in which women considered ‘valuable’ according to Nazi eugenics can give birth to their children and the women he has already sterilised based upon their race can continue to serve as test subjects and submissive assistants, only materialised in part. After the war and his time in a soviet P.O.W.-camp, he showed no demonstrable signs of self-criticism or understanding. However, he was confronted with the self-induced shattered remains of both his professional and private lives, in which ‘his’ women expressed their regained self-determination
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/6120
URN: urn:nbn:de:gbv:18-101820
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Kopitzsch, Franklin (Prof. Dr.)
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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