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Titel: Die Rolle von Emotionsregulation in der Entstehung psychotischer Störungen
Sonstige Titel: The role of emotion regulation in psychotic disorders
Sprache: Deutsch
Autor*in: Ludwig-Eli, Lea
Schlagwörter: Emotionsregulation; Psychosen; Schizophrenie; negativer Affekt; Paranoia; emotion regulation; psychosis; paranoia; schizophrenia; negative affect
Erscheinungsdatum: 2020
Tag der mündlichen Prüfung: 2020-05-14
Zusammenfassung: 
Psychotische Störungen gehen mit erheblichem Leidensdruck einher und bisherige medikamentöse wie auch psychotherapeutische Behandlungen erzielten kleine bis moderate Effekte. Zur notwendigen Optimierung psychosespezifischer Interventionen durch Ableitung wesentlicher Foki der Behandlung ist die Untersuchung zugrundeliegender Entstehungs- und Aufrechterhaltungsmechanismen höchst relevant. Zahlreiche Studien belegen die zentrale Rolle von negativem Affekt in der Entstehung und Aufrechterhaltung von Wahn und legen damit die Frage nahe, inwiefern Menschen mit psychotischen Störungen Schwierigkeiten in der Emotions¬regulation aufweisen. Bisherige Befunde deuten in der Tat darauf hin, dass diese im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden häufiger maladaptive (z.B. Suppression) und seltener adaptive Emotionsregulationsstrategien (z.B. kognitives Umbewerten) habituell, d.h. gewohnheitsmäßig, einsetzen. Andere Forschungsmethoden aber, wie experimentelle Untersuchungen zum Erfolg der eingesetzten Strategien im Labor und Experience Sampling Studien zur Untersuchung von Emotionsregulation im Alltag lieferten bislang konzeptuell schwer zu vereinende Ergebnisse. So ist weiterhin zu klären, wo die konkreten emotions-regulativen Defizite von Menschen mit Psychosen liegen (Studie I), ob diese sich auch im Alltag zeigen und ob sie anhand einer reduzierten Effektivität charakterisiert sind (Studie II), und inwiefern sie tatsächlich den Zusammenhang zwischen negativem Affekt und Paranoia moderieren (Studie III).
Für einen detailgenauen Einblick in die Rolle von Emotionsregulation bei psychotischen Störungen wurden in Studie I zunächst Fragebogenstudien zur habituellen Emotionsregulation und experimentelle Studien meta-analytisch zusammengefasst. Der situative Einsatz einer Bandbreite von Emotionsregulationsstrategien sowie der bewussten Wahrnehmung von Emotionen im Alltag von Probanden mit akutem Wahn (PSY, n=71) im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden (KG, n=42) wurde in Studie II anhand der Experience Sampling Methode beleuchtet. Darüber hinaus wurde die Effektivität der situativ eingesetzten Strategien anhand der Analyse sukzessiver Differenzen zwischen zwei konsekutiven Zeitpunkten im Alltag der Probanden geprüft. In Studie III wurde anhand derselben klinischen Stichprobe der prospektive Zusammenhang zwischen negativem Affekt und Paranoia und der moderierende Einfluss verschiedener Emotionsregulationsstrategien sowie der bewussten Wahrnehmung von Emotionen auf diese Assoziation im Alltag von PSY untersucht.
Insgesamt stellen die Ergebnisse der drei Studien die Sinnhaftigkeit einer singulären Perspektive auf Emotionsregulation für die Ableitung belastbarer klinischer Implikationen für psychotische Störungen infrage. Dies zeigte sich in zum Teil großen Effekten für die übermäßige habituelle Nutzung maladaptiver und der weniger häufigen Nutzung adaptiver Strategien bei PSY im Vergleich zu KG (Studie I und II), während experimentelle Studien auf weniger eindeutige Unterschiede in der Effektivität von Emotionsregulationsstrategien im Labor hinwiesen (Studie I). Im Alltag zeigte sich entgegen der Befunde aus Fragebogenstudien ein gänzlich anderes Muster, im Sinne einer entweder ebenso intensiven wenn nicht sogar vermehrten Nutzung durch PSY im Vergleich zur KG, unabhängig von der bislang angenommenen (Mal)Adaptivität der einzelnen Strategien (Studie II). Darüber hinaus zeigte Studie II, dass solche Strategien, welche sich für die KG als effektiv in der Hoch- bzw. Herunterregulierung von positivem bzw. negativem Affekt erwiesen, auch von PSY effektiv eingesetzt wurden. In Studie III bestätigte sich der bereits vielfach gezeigte längsschnittliche Zusammenhang zwischen negativem Affekt und Paranoia bei Probanden mit akutem Wahn. Während Rumination exazerbierend auf diesen Pfad wirkte, war das bewusste Wahrnehmen der Emotionen protektiv. Damit konnte ein wesentlicher Beitrag zur Erforschung der Relevanz von Emotionsregulation in der Entstehung psychotischer Störungen und zur Überwindung einer isolierten Betrachtung des Konstrukts geleistet werden. Die Dissertation liefert neben einer empirischen Grundlage, auf der integrative Ansätze zur Erforschung von Emotionsregulation aufbauen können, Impulse für zukünftige Forschung sowie klinische Implikationen.

Psychotic disorders are associated with marked distress. Treatments with both drugs and psychological interventions achieve, at most, only moderate effects. Studying the underlying mechanisms of psychotic disorders in order to develop more tailored interventions may offer new approaches. Numerous studies suggest that negative affect may be a pivotal factor for delusion formation and maintenance. We can therefore hypothesise that patients with psychosis will have particular difficulties in regulating negative affect. Supporting this idea, cross-sectional questionnaire-based studies found psychosis to be associated with a decreased use of adaptive strategies (e.g. cognitive reappraisal) and an increased use of maladaptive strategies (e.g. suppression). However, experimental designs aiming to assess the effectiveness of instructed strategies and experience sampling studies of emotion regulation in the daily life, demonstrate contradictory findings. Particular gaps in the knowledge include, whether patients with psychotic disorders have specific patterns of emotional regulation deficits as reported in questionnaire-based and experimental studies (study I), whether these deficits are also present in the daily life of patients and whether they are characterised by a reduced effectivity (study II), and whether emotion regulation strategies moderate the path between negative affect and paranoia (study III).
For a fine-grained understanding of the role of emotion regulation in psychotic disorders, cross-sectional questionnaire-based data as well as experimental data were meta-analysed (study I). In an experience sampling study, the momentary deployment of a range of emotion regulation strategies and the ability to be aware of one’s emotions by patients with acute delusions (PSY, n=71) compared to non-clinical controls (NC, n=42) was analysed (study II). In addition, the effectiveness of the strategy use was analysed and operationalised by examining successive differences in positive and negative affect. The prospective association between negative affect and paranoia, and the moderating effect of emotion regulation strategies and of the ability to be aware of one’s emotions were analysed in study III.
Overall, the findings from the three studies challenge a singular perspective on the construct of emotion regulation. The results from questionnaires indicated an increased use of maladaptive and a decreased use of adaptive strategies (study I and II), whereas experimental studies pointed to less pronounced group differences (study I). Analysing the daily life of participants showed a different pattern, characterised by a more frequent use of maladaptive but, either no differences in individual adaptive strategies, or an unexpected more frequent use (cognitive reappraisal) in PSY compared to controls. The strategies which were effective in NC were equally effective in the psychosis group. In study III, the data confirmed the well- established time-lagged association between negative affect and paranoia in PSY. Multilevel regression analysis revealed that higher awareness at one timepoint reduced the time-lagged association between negative affect and paranoia, whereas rumination had an opposite, amplifying moderation effect.
Despite limitations, which are discussed critically, this dissertation contributes to the understanding of the relevance of emotion regulation in the development of psychotic disorders and provides important clinical implications as well as a stimulus for future research.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/8390
URN: urn:nbn:de:gbv:18-104401
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Lincoln, Tania (Prof. Dr.)
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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