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Einleitung

Die Arteriosklerose ist in den westlichen Industrienationen eine Krankheit von großer klinischer Relevanz. Etwa 35% aller Todesfälle sind Folge der koronaren Herzkrankheit (KHK), der Arteriosklerose der Herzkranzgefäße. In den Vereinigten Staaten von Amerika werden pro Jahr 260 Todesfälle pro 100 000 Einwohnern durch die KHK verursacht. Damit ist die KHK, wie in allen Ländern der westlichen Welt, die häufigste Todesursache (4). Für die Entwicklung der KHK sind eine Reihe von Risikofaktoren gut belegt: die Erhöhung des Cholesterins im Blut (Hypercholesterinämie), erhöhter Blutdruck, Diabetes und Rauchen. Der Hypercholesterinämie kommt hier eine besondere Bedeutung zu.

Cholesterin wird im Blut in Form von Lipoproteinen transportiert. Dabei handelt es sich um amphiphile, aus unterschiedlichen Anteilen von Lipiden und Proteinen zusammengesetzte Partikel. Die Lipoproteine werden nach der Dichte in verschiedene Klassen eingeteilt: very low density lipoprotein (VLDL), low density lipoprotein (LDL) und high density lipoprotein (HDL). Die Erhöhung des LDL-Spiegels im Blut ist der entscheidende Risikofaktor für die Entwicklung von Arteriosklerose und KHK. Erhöhte HDL-Spiegel hingegen sind kardioprotektiv, d.h. mit einem verminderten Risiko für KHK verbunden.

Apolipoprotein B (Apo B) ist das wesentliche Strukturprotein aller Lipoproteine mit Ausnahme der HDL, die die Strukturproteine Apo A I oder Apo A II enthalten. Die in der Leber gebildeten VLDL enthalten als Strukturprotein das Volle-Länge-Protein Apo B-100. Nach Sekretion ins Blut werden die Triglyzeride der VLDL durch Lipasen hydrolysiert. Die entstehenden VLDL-Remnants werden zu einem erheblichen Teil rasch von der Leber aus dem Blut geklärt. Ein Teil der VLDL-Remnants wird - vermittelt durch hepatische Lipasen - weitermetabolisiert in LDL, die im wesentlichen aus Cholesterin und Apo B-100 bestehen. Sie transportieren 70% des Cholesterins im menschlichen Blut (16, 35). Die im Dünndarm gebildeten Chylomikronen enthalten eine andere Apo B-Fonn, Apo B-48, die nur aus den aminoterminalen 48% von Apo B-100 besteht. Nach Übertritt ins Blut werden die Triglyzeride der Chylomikronen durch Lipasen hydrolysiert. Die entstehenden Chylomikronen-Remnants werden innerhalb weniger Minuten von der Leber komplett aus dem Blut entfernt. Eine Umwandlung in lang metabolisierte Lipoproteine erfolgt hier nicht (35).

Apo B48 wird durch eine spezifische posttranskriptionelle Basenveränderung in der Apo B mRNA gebildet, das sogenannte Apo B mRNA Editing. Durch Deaminierung eines Cytidins an Position 2152 der Aminosäuresequenz zu Uracil entsteht im Leserahmen ein vorzeitiges Stopcodon. Die Translation wird an dieser Stelle abgebrochen und das kürzere Apo B48-Protein synthetisiert. Auf diesen Entstehungsmechanismus wurden Chen et al. und Powell et al. 1987 durch Sequenzvergleich verschiedener Apo B cDNS-Klone mit der genomischen Sequenz aufmerksam (6, 54). Sie zeigten, daß sich die mRNAs von Apo B-100 und Apo B-48 lediglich in einem einzigen Nukleotid (Cytidin 2152) unterscheiden. Später gelang es, die editierte Base direkt nachzuweisen (6).

Beim Menschen und den meisten Säugetieren wird Apo B mRNA vorwiegend im Dünndarm editiert, nicht aber in der Leber (1, 71). Einige Spezies, zum Beispiel Ratte, Maus, Hund und Pferd, editieren jedoch auch hepatische Apo B mRNA. Interessanterweise haben diese Tiere im Vergleich zu Tieren ohne hepatisches Editing niedrigere LDL-Spiegel. Die Auswirkungen auf das spezifische Arterioskleroserisiko einer Tierart können durch einen Quotienten aus VLDL + LDL (den atherogenen Lipoproteinen) und HDL (das mit einem verminderten Arterioskleroserisiko einhergeht) abgeschätzt werden, wobei ein hoher Wert einem hohen Arterioskleroserisiko entspricht. In einer Interspeziesuntersuchung des Lipoproteinprofils an zwölf Säugetierarten wies der Mensch den höchsten Quotienten aller untersuchten Arten auf, während die niedrigsten Quotienten bei Tieren gefunden wurden, in deren Lebern Apo B mRNA Editing nachgewiesen werden kann (17). Hepatisches mRNA Editing scheint also mit einem geringeren Arterioskleroserisiko assoziiert zu sein.

Außer in Dünndarm und Leber kann Editing noch in vielen anderen Geweben nachgewiesen werden, u.a. in Kolon, Magen und Niere des Menschen (71), sowie in Milz, Niere, Lunge, Skelett- und Herzmuskel von Ratten und Mäusen (48, 68). Diese Gewebe exprimieren physiologischerweise kein Apo B und weisen eine im Vergleich zu Dünndarm oder Leber deutlich niedrigere Editing-Aktivität auf. Welche physiologische Bedeutung dem Apo B mRNA Editing in diesem Rahmen zukommt, ist noch unklar.

Apo B mRNA Editing wird bei Ratten durch entwicklungsspezifische, alimentäre und hormonelle Einflüsse reguliert. Während der Ontogenese tritt Editing-Aktivität in einem Organ jeweils zum Zeitpunkt der Differenzierung auf (15, 54), beispielsweise im Intestinum kurz vor der Geburt (13, 25, 54, 74). Im menschlichen Dünndarm steigt die Editing-Aktivität allmählich während des späten ersten und frühen zweiten Trimesters an (1 5). Die Leber erwirbt erst drei Wochen nach der Geburt einer Ratte die Fähigkeit zu editieren. Zu diesem Zeitpunkt erlebt das Organ tiefgreifende biochemische Umstellungen (Entwöhnung von der Muttermilch, Anstieg des freien Plasma-Thyroxins und -Cortisols, Reifung der Gallebildung) (54). Durch Fasten kann der Anteil editierter hepatischer Apo B mRNA bei Ratten gesenkt werden, während er durch Fütterung mit kohlehydratreicher Nahrung oder Ethanol auf das zwei- bis dreifache steigt (5, 23, 37, 41). Im Gegensatz dazu lä.ßt sich bei Menschen das intestinale Editing durch Fasten und fettreiche Nahrung nicht beeinflussen (43). Auch honnonelle Einflüsse regulieren das hepatische Editing bei Ratten. Supraphysiologische Dosen 17-alpha-ethinyl-Östradiol vermindern den Anteil editierter mRNA (64). Im Gegensatz dazu wird Editing durch eine Reihe von Hormonen, deren Einfluß auf den Fettstoffwechsel ebenfalls gut dokumentiert ist, induziert. In vivo läßt sich der Anteil editierter mRNA durch Behandlung mit Dexamethason (44), Triiodthyronin (an hypothyreoten Tieren, 9, 44), Wachstumshormon (an hypophysektomierten Tieren, 65) und Insulin (72, 73) steigern. An menschlichen Dünndarmzellen konnte ein Insulineffekt nicht gezeigt werden (2). Ob Zink- oder Kupfermangel Auswirkungen auf Editing und Apobec-1-Expression (s.u.) haben, ist umstritten (49, 5 0, 5 8, 5 9).

mRNA Editing wird durch einen hochspezifischen Enzymkomplex katalysiert, das Apo B mRNA Editing Enzym, das die mRNA während des mRNA Processing im Zellkern editiert (6, 7, 14, 21, 29, 34, 38, 52). Dazu sind bestimmte Sequenzvoraussetzungen notwendig: ein AU-reicher Kontext (24), eine 11 Nukleotide lange Ankersequenz ("mooring sequence") 3' der editierten Base (2, 3, 10, 64), ein Abstand ("Spacer") von 4 Nukleotiden zwischen der Ankersequenz und dem zu editierenden Cytidin (3, 10), sowie ein 5' gelegenes Regulatorelement ("Efficiency", "Regulator") (3, 10, 58).

Als erster Bestandteil des Editing-Enzyms wurde 1993 die katalytische Untereinheit kloniert (68). Sie erhielt den Namen Apo B mRNA editing catalytic subunit 1 (Apobec- 1). Apobec-1 ist eine zinkabhängige Deaminase (52) mit hochgradig konservierten funktionellen Domänen, die als Homodimer aktiv ist (22, 25, 39, 45, 48, 78). Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit mit der E. coli Cytidin-Deaminase konnten Modelle zur Substraterkennung, RNA-Bindung, Ausrichtung der aktiven Bereiche und Deaminierung erstellt werden (51, 60, 62, 70). Als isoliertes Protein hat Apobec-1 keine Editing-Aktivität. Erst durch Zugabe von zytosolischem S100-Extrakt, der für sich allein genommen ebenfalls keine Aktivität aufweist, erwirbt Apobec-1 die Fähigkeit, Apo B mRNA zu editieren (68). Die katalytische Untereinheit ist also auf die Gegenwart auxiliärer Komponenten angewiesen. Diese Proteine finden sich auch in Extrakten von Geweben und Zellinien, die in vivo weder Apo B mRNA produzieren noch editieren (1 1, 68, 78). In Anwesenheit von Apo B mRNA assoziieren sie zu einem mit 27 S sedimentierenden Editing-Komplex (20, 40, 61, 80).

Das Apobec-1 -Gen der Ratte wurde 1997 kloniert und sequenziert (18, 27, 57). Es ist 16 kb lang und weist 6 Exons auf, von denen das erste nicht translatiert wird. Zwei Promoterregionen wurden identifiziert: Der 5' des ersten Exons gelegene, proximale Promoter enthält etwa 25 Nukleotide 5' der Transkriptionsstartstelle eine TATA-Box; ein Sequenzelement, das der großen Mehrheit aller eukaryontischen Promoter als Bindungsbereich für die RNA-Polymerase II dient (8). Zusätzlich findet sich eine CATBox (18). Dieses Sequenzelement liegt in vielen eukaryontischen Promotern etwa 80 Nukleotide proximal der Transkriptionsstartstelle und spielt vermutlich eine Rolle bei der Stabilisierung der RNA-Polymerase II-Bindung (8). Die Aktivität des proximalen Promoters ist relativ gewebeunspezifisch und kann in Leber, Niere, Gehirn, Fettgewebe, Muskel, Herzmuskel, Milz und Lunge nachgewiesen werden (1 8, 57). Der innerhalb des Introns vor Exon 2 gelegene, distale Promoter enthält keine TATA-Box. Er ist Mitglied einer kürzlich entdeckten Familie von Promotem, die ein MED-1-Motif aufweisen. MED-1-Promoter können an multiplen Stellen die Transkription durch RNA-Polymerase II initiieren (31). Der distale Apobec-1-Promoter zeigt eine hohe Transkriptionsaktivität im Dünndarm (57, 18). Neben dem Apobec-1-Gen der Ratte wurden auch die Gene von Mensch (5, 22, 26, 39), Maus (28, 48) und Kaninchen (78) kloniert. Die kodierten Proteine sind 229 (Ratte, Maus) bzw. 236 (Mensch, Kaninchen) Aminosäuren lang. Das humane Apobec-1-Gen weist im Gegensatz zu Maus und Ratte keinen proximalen, wenig gewebespezifischen Promoter auf. Wie der distale Rattenpromoter enthält der menschliche Promoter weder TATA- noch CAT-Box (12).

Überraschenderweise sind Apobec-1-Knockout-Mäuse gesund und fortpflanzungsfähig. Sie weisen einen fast normalen Plasma-Lipidphänotyp auf (28, 46, 49, 53). In homozygoten Knockout-Mäusen sind weder Editing noch Apo B-48 nachweisbar. Die Plasma-Apo B-100 Spiegel sind etwa doppelt so hoch wie bei normalen Tieren, was auf einen erhöhten Anteil Apo B-100 in den VLDL und LDL zurückzuführen ist. Der LDL-Cholesterin-Spiegel ist erhöht und der HDL-Cholesterin-Spiegel erniedrigt (46, 47). Mausmodelle, bei denen zusätzlich zur Abwesendenheit von Apo B mRNA-Editing noch das LDL-Rezeptor-Gen inaktiviert ist (LDLR-/-) zeigen dagegen einen Phänotyp, der dem der menschlichen familiären Hypercholesterinämie sehr nahe kommt. Diese Tiere haben deutlich erhöhte LDL-Cholesterin- und Apo B-100 Spiegel und entwickelten trotz fettarmer Ernährung frühzeitig eine ausgeprägte Arteriosklerose (56).

Spezies mit hepatischem Editing haben niedrigere Spiegel atherogener Lipoproteine (1 7). Dieser Befund warf die Frage auf, ob es durch Induktion von Editing in der Leber möglich sein könnte, atherogene Lipoproteine zu senken. Damit wäre man in der Lage, diesen wichtigen Risikofaktor für Arteriosklerose durch Erhöhung des Anteils editierter Apo B mRNA und Apo B-48 bzw. Senkung des Apo B-100-Anteils direkt zu beeinflussen. Ein Modell für die Absenkung des Serwn-Cholesterins in Abwesenheit von Apo B-100 findet sich in den familiären Hypobetalipoproteinämien. Ursache dieser seltenen Krankheit sind Mutationen im Apo B-Gen, die die Translation des Proteins vorzeitig beenden. So wird nicht Apo B-100 synthetisiert, sondern die trunkierten Varianten Apo B-54.8, Apo B-89 und Apo B-40 (33). In Abwesenheit von Apo B-100 kommt es nicht zur Bildung lang metabolisierter Lipoproteine, und betroffene Personen haben eine Hypocholesterinämie.

Kaninchen exprimieren kein Apobec-1 in der Leber und weisen kein hepatisches Editing auf. Mit Hilfe Apobec-1-rekombinanter Adenoviren konnte das Apobec-1-Gen in Kaninchenlebern exprimiert und so hepatisches Editing induziert werden (19, 30, 36, 67, 75). Dies hat niedrigere Spiegel atherogener Lipoproteine zur Folge. Die VLDL der Tiere enthalten Apo B-48, während LDL im Serum vollkommen abwesend sind (19, 36). In VMHL-Kaninchen, die eine erbliche Hyperlipidämie aufweisen, kann das Plasma-LDL durch Gentransfer von Apobec-1 um 65% gesenkt werden (19). Auch der Serum-Cholesterin-Spiegel wird gesenkt. Durch Induktion hepatischen Editings bei neugeborenen Kaninchen konnte der physiologische Anstieg des Serum-Cholesterins während der Säugeperiode um ein Drittel reduziert werden (75). Bei hypercholesterinämischen Kaninchen mit einem Defekt des LDL-Rezeptors wird das Serum-Cholesterin ebenfalls etwas gesenkt (36). An transgenen Mäusen konnten durch Behandlung mit Apobec-lrekombinanten Adenoviren ebenfalls Cholesterin- und Lipoproteinspiegel gesenkt werden (1 9). Bei Apo (a)/Apo B transgenen Tieren konnten die Plasmaspiegel von Apo B-100 und Apo (a) reduziert werden. Allerdings waren die LDL-Spiegel infolge der Adenovirusinjektion erhöht (30). In LDL-Rezeptor-Knockout-Mäusen konnten die Apo B-Plasmaspiegel um 60% gesenkt werden. Apo B-100 war stark reduziert, Apo B-48 erhöht und LDL fast gänzlich eliminiert (69).

Nach Gentransfer durch Adenoviren wird die Expression mit der Zeit schwächer. Bei Apobec-1-transgenen Tieren tritt diese Abschwächung nicht auf. Transgene Mäuse und Kaninchen, die Apobec-1 in der Leber überexprimieren, editieren einen höheren Anteil der Apo B mRNA und haben niedrigere Apo B-100- und LDL-Spiegel. Unerwarteterweise entwickelten jedoch fast alle transgenen Tiere mit der Zeit Leberzelldysplasien und hepatozelluläre Karzinome (76). Auf der Suche nach einer Erklärung für diese karzinogene Wirkung zeigte sich, daß bei starker Überexpression von Apobec-1 nicht nur das in der Apo B mRNS normalerweise editierte Cytidin editiert wird, sondern auch weitere Cytidine, die die normalerweise für Editing notwendigen Sequenzvoraussetzungen ("mooring-Sequenz") nicht erfüllen (67, 79). Dieses "Hyperediting" betrifft auch mRNA, deren Proteine bei der Tumorigenese eine Rolle spielen könnten. Nachweislich Ziel von Hyperediting sind die mRNA der Tyrosinkinase (78) und von novel Apobec target 1 (NAT-1). NAT-1 ist ein ubiquitär exprimiertes, zwischen unterschiedlichen Spezies konserviertes Protein, das Homologien zu eIF 4G, einem eukaryontischen TranslationsInitiationsfaktor, aufweist (77). Es inhibiert die cap-abhängige und -unabhängige Translation. Bei der Tyrosinkinase wie bei NAT-1 handelt es sich um Proteine mit wichtigen Funktionen in Zellwachstum und -regulation. Funktionsstörungen dieser Faktoren bieten eine mögliche Erklärung für die Entstehung von Tumoren in den Lebern Apobec-1-transgener Tiere.

Bei Ratten und anderen Tieren, die Apobec-1 in der Leber exprimieren, sind Tumoren nicht häufiger als bei Tieren ohne hepatisches Editing. Die physiologische Expression von Apobec-1 unter Kontrolle seiner eigenen Promoter hat also keine kanzerogene Wirkung. Zum Zeitpunkt der vorliegenden Untersuchung war nicht bekannt, wie das Apobec-1-Gen der Ratte reguliert wird. In vorausgehenden Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe wurde das Apobec-1-Gen der Ratte kloniert und sequenziert. Die beiden Promoterregionen, LP und IP, wurden identifiziert und ihre Gewebespezifizität durch Primer-Extensions-Analyse nachgewiesen. In der vorliegenden Arbeit wurde eine funktionelle Charakterisierung der beiden Apobec-1-Promoter der Ratte durchgeführt, um die molekulare Basis der gewebespezifischen Apobec-1-Expression zu untersuchen.


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