Abstract

In Deutschland und anderen westlichen Industrienationen stellen arteriosklerotische Gefäßerkrankungen eine häufige Todesursache dar. Die Arteriosklerose ist ein an der Arterienwand sich abspielender Prozeß, der schon frühzeitig das Gefäßendothel schädigt und in dessen Verlauf es zu einem Elastizitätsverlust und zur Stenosierung der betroffenen Arterie kommt. Mögliche Folgen davon sind die koronare Herzkrankheit (KHK), eine cerebrovaskuläre Insuffizienz oder die periphere arterielle Verschlußkrankheit. Durch Autopsie-Studien weiß man, daß erste arteriosklerotische Veränderungen bereits im Kindes- bzw. Jugendalter in Form der sogenannten "fatty streaks" erkennbar sind [ PDAY-Study 1990, Bogalusa-Heart-Study 1986]. Es ist heute unumstritten, daß die Hauptrisikofaktoren für die Entstehung der Arteriosklerose erhöhte LDL-Cholesterinwerte, arterieller Hypertonus, Nikotinabusus und Diabetes mellitus sind. Weitere Risikofaktoren werden in erhöhten Triglyceridspiegeln, erniedrigtem HDL-Cholesterin, Übergewicht, Bewegungsmangel, erhöhtem Lipoprotein (a), Homocysteinämie, Hyperfibrinogenämie, im männlichem Geschlecht und in einer familiären Häufung von koronaren Herzerkrankungen gesehen.

Im Hinblick auf die epidemiologische Bedeutung der Arteriogenese, kommt der Primärprophylaxe, also dem Eliminieren bzw. Minimieren von Risikofaktoren eine immer wichtigere Rolle zu. Zudem zeigten Untersuchungen, daß eine Senkung des Cholesterinspiegels das kardiovaskuläre Risiko reduziert.

Pathologisch erhöhte Cholesterinwerte können durch fett- und cholesterinreiche Ernährung, andere Erkrankungen, Medikamente oder durch eine genetische Fettstoffwechselstörung (Hyperlipoproteinämie) verursacht sein. Die meisten primären (genetischen) Hyperlipoproteinämien können bereits im Kindesalter diagnostiziert und behandelt werden. Der erste Schritt in der Therapie von Hyperlipoproteinämien besteht in einer cholesterin- und fettärmeren Ernährungsweise. Das National Cholesterol Education Program gab dazu Richtlinien heraus. Erst nach Ausschöpfen der diätetischen Maßnahmen ist eine medikamentöse Therapie angezeigt. Hierzu stehen im Kindesalter im wesentlichen die Gallensäureaustauscherharze (Colestyramin, Colestipol) und b -Sitosterin zur Verfügung. Obwohl die Gallensäureaustauscherharze eine nachweisliche cholesterinsenkende Wirkung besitzen, wird diese oft durch die im Verlauf der Behandlung abnehmende Patientencompliance abgeschwächt.

In dieser Arbeit wird die Effektivität diätetischer und medikamentöser Maßnahmen bei Hyperlipidämien im Patientenkollektiv der Kinderlipidambulanz des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf näher untersucht.

Ziel dieser Studie war die Effektivität von diätetischen Maßnahmen und medikamentöser Therapie bei Kindern mit Hyperlipidämie, die sich in dem Zeitraum von 1997 und 2000 in der Lipidambulanz des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf vorstellten, zu untersuchen. Es wurden insgesamt 74 Hypercholesterinämie Patienten, 14 Jugendliche mit gemischter Hyperlipidämie und 5 Kinder mit Hypertriglyceridämie erfaßt. Von den 74 Hypercholesterinämie Patienten wurden 30 Kinder zusätzlich mit Gallensäureaustauscherharze behandelt. Die Diagnose der jeweiligen Fettstoffwechselstörung basierte neben den erhöhten Gesamt-, LDL-Cholesterin- bzw. Triglyceridwerten über die alters- und geschlechtsspezifische 95er Percentile auch auf der Familienanamnese. Zunächst wurde bei allen Patienten eine Ernährungsumstellung gemäß den Richtlinien des National Cholesterol Education Program eingeleitet. Danach sollten weniger als 30% des täglichen Kalorienbedarfs in Form von Fett, 55% durch Kohlenhydrate und 15% als Proteine zugeführt werden. Der Anteil der langkettigen ungesättigten Fettsäuren wird hierbei zu Gunsten der einfach und mehrfach ungesättigten Fette reduziert, bis sie jeweils 10% der täglichen Energiezufuhr decken. Der Cholesteringehalt der Nahrung sollte 300mg pro Tag nicht übersteigen. Auf eine altersgemäße Nährstoff- und Energiezufuhr, die reich an Vitaminen und Ballaststoffe ist, wurde geachtet. Konnte unter solch einer Diät über einen Zeitraum von 6 Monaten keine LDL-Cholesterinsenkung unter 190mg/dl erreicht werden bzw. überstieg beim Vorhandensein von weiteren KHK-Risikofaktoren (familiäre KHK-Belastung, erhöhtes Lipoprotein (a)) das LDL-Cholesterin den Wert von 160mg/dl, dann wurde eine zusätzliche medikamentöse Therapie in der Regel mit Gallensäureaustauscherharzen eingeleitet.

Signifikante Lipidwertveränderungen ergaben sich nur in der Gruppe der Kinder mit einer Hypercholesterinämie. Die alleinige diätetische Behandlung senkte die Gesamt- und LDL-Cholesterinkonzentrationen innerhalb von etwa 8 Monaten um 10% bzw. 9,8% (p<0,001). Das HDL-Cholesterin und die Triglyceride blieben unverändert. Eindeutige Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen wurden nicht festgestellt. Die zusätzliche Therapie mit Ionenaustauschern führte zu einer weiteren signifikanten (p<0,001) Reduzierung der Gesamt- und LDL-Cholesterinwerte auf 26,1% (nach 9 Monaten) bzw. 31,2% (nach 3,8 Monaten). Die Triglyceride stiegen nicht signifikant leicht an, der HDL-Cholesterinspiegel blieb unverändert. Gastrointestinale Nebenwirkungen (Obstipation und Völlegefühl) verzeichneten 4 Kinder und über den Geschmack und den Einnahmemodus der Gallensäureaustauscherharze beklagten sich 11 Patienten. 23 Kinder (71,8%) zeigten eine gute medikamentöse Compliance. In der Gesamtstichprobe glich die Häufigkeit der einzelnen Apolipoprotein E Allele (e 3 72%, e 4 23,6%, e 2 4,3%) den Allelfrequenzen der finnischen Bevölkerung, insbesondere hinsichtlich der erhöhten Allelfrequenz von e 4.

Ein signifikanter Unterschied zwischen den Lipidwerten der Kinder mit bzw. ohne ein familiäres KHK-Risiko war nicht zu verzeichnen. Die Lipoprotein (a)-Konzentrationen korrelierten nicht mit den Gesamt- und LDL-Cholesterinwerten.

Mit dieser Studie konnte gezeigt werden, daß durch diätetische Maßnahmen bei allen Kindern des Patientenkollektivs der Kinderlipidambulanz des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die durchschnittlichen Gesamt- und LDL-Cholesterinwerte bzw. die Triglyceridwerte gesenkt werden konnten. Bei den Hypercholesterinämie Patienten wurde sowohl unter Diät als auch unter der zusätzlichen medikamentösen Therapie mit Gallensäureaustauscherharzen eine signifikante Senkung der Gesamt- und LDL-Cholesterinkonzentration erreicht. Dieser Erfolg ist Ergebnis einer intensiven Patientenbetreuung, die insbesondere zu einer recht hohen Akzeptanz der Ionenaustauscher führte. Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse den Stellenwert der Gallensäureaustauscherharze in der Primärprophylaxe der koronaren Herzkrankheit.