Biosynthese der Sesquiterpene
(+)-Germacren D, (-)-Germacren D und (-)-alpha-Gurjunen in
Solidago canadensis

 

Enzymisolierungen und Aufklärung der Bildungsmechanismen

 

 

Vorgelegt von: Claus Oliver Schmidt

Gutachter: Prof. Dr. W.A. König

Mitgutachter: Prof. Dr. J. Thiem

Tag der letzten Prüfung: 17. Dezember 1998

 

 

Zusammenfassung

 

Die Aufklärung der Terpen-Biosynthese hat in den letzten zehn Jahren eine große Weiterentwicklung erfahren. Zunächst wurden nur relativ einfach zu isolierende Terpen-Synthasen aus Schimmelpilzen analysiert. Mittlerweile ist es durch den Einsatz moderner Enzym-Separationstechniken sogar möglich, Terpen-Synthasen aus höheren Pflanzen zu isolieren. Neben der Isolierung von Synthasen spielt auch die Analyse ihrer Funktionsweise eine entscheidende Rolle.

Die vorliegende Dissertation beschäftigte sich mit der Isolierung und Charakterisierung von drei neuen Sesquiterpen-Synthasen aus der höheren Pflanze Solidago canadensis. Zusätzlich wurden die Mechanismen der Produktbildung aufgeklärt.

 

Isolierung von (+)- und (-)-Germacren-D-Synthase

Da bislang die Biosynthese von Sesquiterpen-Enantiomeren nicht untersucht wurde, sollte nun die Biogenese beider Germacren D-Antipoden analysiert werden. Für die Untersuchungen wurde die höhere Pflanze S. canadensis ausgewählt, da in ihrem ätherischen Öl (+)- und (-)-Germacren D in vergleichbaren Verhältnissen gefunden wird. Dies ist eine seltene Ausnahme, da normalerweise von lebenden Organismen nur eines der möglichen Enantiomere einer chiralen Verbindung synthetisiert wird.

Es gelang zwei unterschiedliche Sesquiterpen-Synthasen aus der Pflanze zu isolieren:

 

- (+)-Germacren-D-Synthase, die enntiomerenreines (+)-Germacren D synthetisiert und

- (-)-Germacren-D-Synthase, die enantioselektiv (-)-Germacren D produziert.

 

Beide Synthasen wurden biochemisch charakterisiert. Die Analyse ihrer Molmasse, pH-Optimum und kinetischer Parameter zeigten, daß es sich um ähnliche Synthasen handelt, die dennoch in der Lage sind, die Biosynthese von verschiedenen Produkten zu katalysieren.

 

Mechanistische Studien mit (+)- und (-)-Germacren-D-Synthase

Substrat der beiden Synthasen ist (E,E)-Farnesyldiphosphat (FDP). Für mechanistische Studien wurden Deuterium-markierte FDP-Analoge synthetisiert. Im einzelnen wurden folgende Substrate hergestellt:

 

- (E,E)-[1,1-2H2]-Farnesyldiphosphat

- (E,E)-(1R)-[1-2H]-Farnesyldiphosphat

- (E,E)-(1S)-[1-2H]-Farnesyldiphosphat

- (E,E)-[10-2H]-Farnesyldiphosphat

 

Für die Synthesen waren teilweise enantioselektive Reaktionen nötig, die HLADH (Horse-Liver-Alcohol-Dehydrogenase) als chiralen Katalysator verwendeten.

Anschließende Inkubationen der isolierten (+)- und (-)-Germacren-D-Synthasen mit den deuterierten Substraten lieferte als Produkt deuterierte Germacren D-Enantiomere. Durch Bestimmung der Deuterium-Positionen in den Produkten war es möglich, für beide Synthasen einen Cyclisierungsmechanismus zu etablieren. Die Produkt-Analyse erfolgte unter Einsatz von GC-MS und Linked Scan-Massenspektrometrie.

Als Ergebnis wurde für (+)-Germacren-D-Synthase ein Mechanismus gefunden, der unter zweimaligem 1,2-Hydrid-Shift zum Produkt führt. (-)-Germacren-D-Synthase synthetisiert ihr Produkt via einem 1,3-Hydrid-Shift.

Es wurde erstmals bewiesen, daß eine Pflanze zwei unterschiedliche Enzyme besitzt, die für die Biosynthese von Sesquiterpen-Enantiomeren verantwortlich sind.

 

(-)-alpha-Gurjunen-Synthase

Das Sesquiterpenketon Cyclocolorenon wird ebenfalls in größeren Mengen im ätherischen Öl von S. canadensis gefunden. Seine Biosynthese verläuft vermutlich im ersten Schritt über die Bildung von (-)-alpha-Gurjunen. Die entsprechende Sesquiterpen-Synthase {(-)-alpha-Gurjunen-Synthase} wurde ebenfalls aus der Pflanze isoliert und ihre biochemischen Parameter ermittelt.

Zudem wurde bewiesen, daß es sich bei der Synthase um eine "Multi-Produkt-Synthase" handelt, die neben (-)-alpha-Gurjunen zu 9% (+)-gamma-Gurjunen synthetisiert. Diese Eigenschaft liegt vermutlich in der Art des Cyclisierungsmechanismus begründet.

Da höhere Pflanzen Sesquiterpen-Synthasen nur in geringen Konzentration besitzen, ist die Synthese von größeren Produktmengen ausgeschlossen. Somit ist die Möglichkeit der Mechanismus-Aufklärung unter Einsatz von NMR-Techniken erschwert. Inkubationen mit den oben genannten deuterierten Substraten ermöglichten es dennoch, einen Cyclisierungsmechanismus für die Synthase mit Hilfe von massenspektrometrischen Analysen zu postulieren. Der Mechanismus macht die Bildung von (+)-gamma-Gurjunen als Nebenprodukt plausibel. Da es sich um einen komplexen Prozess handelt, ist ein endgültiger Beweis dafür auf Grundlage von Massenspektren nicht möglich.

Die zukünftige Forschung im Bereich der Terpen-Biosynthese wird sich daher verstärkt dem Problem stellen müssen, Systeme zu erarbeiten, mit denen größere Mengen an Synthasen produziert werden können. An vielversprechender Ansatz scheint die Isolierung von Synthasen-cDNA und deren Expression in E. coli zu sein.