Die gesetzliche Regelung der Non-Governmental Organization (NGO) als Indikator für das Verhältnis zwischen Staat und Zivilgesellschaft in Lateinamerika - Eine Fallstudie zu Argentinien und Brasilien

Abstract

NGOs besitzen eine besonders interessante Rolle im gesellschaftlichen Gefüge: Sie gehören zwar gerade nicht dem Staat, sondern der Zivilgesellschaft an, agieren jedoch in ihrer Tätigkeit stets im Bereich öffentlicher Interessen. Dabei übernehmen NGOs oft Funktionen, die eigentlich vom Staat zu erfüllen wären, andererseits vertreten sie auch häufig die Interessen von Minderheiten in Konflikten mit staatlichen Stellen. Insofern ist es lohnenswert zu erforschen, wie der Staat diesen zivilgesell­schaftlichen Initiativen gegenüber steht. Dies insbesondere bei den latein­amerikanischen Staaten, deren Großteil, darunter auch Brasilien und Argentinien, in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts von Militärregierungen beherrscht wurde. Diese autoritären Regierungen standen naturgemäß engagierten Vereinigungen aus der Zivilgesellschaft sehr kritisch gegenüber. Nun befinden sich Argentinien und Brasilien in den letzten Jahrzehnten in einem Redemokratisierungs­prozess.

Die Dissertation untersucht, welche Rückschlüsse die Art und Weise der gesetzlichen Regelung der NGOs auf die aktuelle Haltung dieser Staaten zur Zivilgesellschaft erlaubt. Dabei werden die rechtlichen Regelungen für NGOs rechtsvergleichend in drei Rechtsordnungen (Argentinien, Brasilien und Deutschland) auf fünf verschiedenen Rechtsgebieten (Verfassungs-, Verwaltungs-, Zivil- und Steuerrecht sowie internationales Privatrecht) betrachtet und bewertet. Des Weiteren werden auch historische, sozial- und politikwissenschaftliche Aspekte berücksichtigt und vor Ort geführte Interviews mit argentinischen und brasilianischen Juristen, NGO-Vertretern und Mitarbeitern staatlicher Organe miteinbezogen.

Im ersten Teil der Arbeit werden zunächst Begriff, historische Entwicklung und völkerrechtliche Bedeutung von NGOs weltweit beleuchtet. Anschließend folgt eine Schilderung über die Entwicklung der argentinischen und brasilianischen NGOs vor dem jeweiligen landesspezifischen geschicht­lichen Hintergrund.

Im mittleren Teil der Arbeit werden deskriptiv-analytisch die konkreten juristischen Regelungen für NGOs in Brasilien oder Argentinien erforscht und dabei auch ermittelt, welches Recht auf deutsche NGOs anzuwenden ist, wenn sie in diesen beiden Ländern tätig werden. Als Vergleichsbasis werden weiterhin die deutschen gesetzlichen Regelungen für NGOs dargestellt. Beim Vergleich der drei nationalen Regelungen wird Stellung dazu genommen, welche der verschiedenen Lösungsansätze für bestimmte Probleme am zweckmäßigsten erscheinen, und wo Verbesserungs- und Reformbedarf herrscht.

Abschließend wird der Fragestellung nachgegangen, welche Schluss­folgerungen aus den aktuellen rechtlichen Statusregelungen der NGOs bezüglich der Haltung dieser beiden lateinamerikanischen Staaten gegenüber der Zivilgesellschaft gezogen werden können.

Anmerkung: Diese Dissertation wurde zum Stand Januar 2015 erstellt. Spätere Gesetzesänderungen, insbesondere durch den am 01.08.2015 in Argentinien in Kraft getretenen Codigo Civil y Comercial de la Nación, sind nicht erfasst.

NGOs play a particularly interesting role in society: they do not belong to the state but to civil society, nevertheless, they constantly act in areas of public interest. NGOs often assume roles that should usually be fulfilled by the state. On the other hand, they often represent the rights of minorities in conflicts against public authorities.Therefore, it is worth to evaluate the state’s attitude towards such civil society initiatives – especially in case of the Latin American countries whose majority, amongst them Brazil and Argentina, have been ruled by military governments during the ‘70s and ‘80s. These authoritarian regimes obviously had a very critical attitude towards active civil society organizations. Nowadays, during the last couple of decades, Argentina and Brazil are going through a process of re-democratization.

This doctoral thesis investigates the conclusions to be drawn from the legal framework for NGOs about these states’ current attitude towards civil society. The thesis examines and evaluates the legal framework for NGOs comparing three legal systems (Argentina, Brazil and Germany) in five different areas of law (constitutional, administrative, civil, tax and privat international law). Additionally, historical as well as social and political sciences aspects are included, together with interviews conducted with Argentine and Brazilian lawyers, NGO representatives and employees of governmental agencies.

The first part of the thesis initially expands on the definition of NGOs as well as their historical development and their role in public international law worldwide. Subsequently, the development of Argentine and Brazilian NGOs is examined against the backdrop of each nation’s specific history.

The central part of the thesis investigates the specific legal framework for NGOs in Argentina and Brazil and also answers the question which law is applicable for German NGOs working in these countries. Furthermore, the German legal framework for NGOs is depicted as a basis for comparison. While comparing the three national frameworks, the thesis evaluates different solutions for specific problems regarding their effectiveness and suitability and points out where improvement is needed.

In the final part of the thesis, conclusions are drawn from the current legal framework for NGOs about the attitude of these two Latin American states towards civil society.

Note: This dissertation was created as of January 2015. Later changes to the law, in particular the Codigo Civil y Comercial de la Nación, which came into force in Argentina on August 1, 2015, are not covered.