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dc.contributor.advisorKoch, Hans-Joachim-
dc.contributor.advisorAppel, Ivo-
dc.contributor.authorWelss, Daniel-
dc.date.accessioned2024-08-02T14:19:49Z-
dc.date.available2024-08-02T14:19:49Z-
dc.date.issued2020-
dc.identifier.urihttps://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/11058-
dc.description.abstractLärmschutzrecht und Umgebungslärm-Richtlinie Die Belastungen durch Lärm stellen in Deutschland und Europa ein wesentliches Umweltproblem dar, das massive gesellschaftliche Folgen hat. Verkehrslärm – insbesondere der Straßenverkehrslärm – gehört zu den größten Belastungsträgern. Die gesundheitlichen Auswirkungen und volkswirtschaftlichen Kosten sind erheblich. Dem Umfang dieser Problematik wird das geltende Lärmschutzrecht insofern nicht gerecht, als dass es keine hinreichenden Lösungsoptionen bietet. Das Lärmschutzrecht ist defizitär. Lärmbelastungen werden durch Messungen und Berechnungen dargestellt. Trotz der Schwierigkeiten, die insbesondere bei der Erfassung von unterschiedlichen Lärmarten – etwa Einzelgeräusche oder Dauerschall – bestehen, wurden durch die Lärmwirkungsforschung die erheblichen Auswirkungen von Lärm auf den Menschen hinreichend belegt. Diese Risiken sollten im Lärmschutzrecht angemessen berücksichtigt werden, was aktuell jedoch nicht der Fall ist. Die in den Regelungswerken enthaltenen Grenz- oder Orientierungswerte sind grundsätzlich zu hoch. Absolute Grenzwerte gibt es nicht. Auch eine Gesamtbetrachtung verschiedener Lärmarten erfolgt nicht. Dieser Mangel beruht auf der historischen Substanz des Lärmschutzrechts: der Einzelquellenbetrachtung. Während der Gewerbelärm über das BImSchG ausreichend bewältigt werden kann, ist der Verkehrslärmschutz hochgradig unterreglementiert. Etwa unterliegen nur Neubaustrecken bzw. wesentlich geänderte Streckenabschnitte von Schienen- und Straßenverkehrswegen einer lärmschutzrechtlichen Betrachtung. Auch der Schutz vor Fluglärm ist begrenzt. Es mangelt quellenübergreifend an effektiven Eingriffsregelungen, die zugunsten Betroffener einen angemessenen Lärmschutz durchsetzbar machen. Solche Instrumente sollten auch ermöglichen, auf gesteigerte Lärmbelastungen reagieren zu können, die sich etwa durch temporär zunehmende Verkehrsbewegungen und Mobilitätsinteressen in der Bevölkerung erst (lange) nach der Errichtung von Verkehrswegen ergeben. Ein grundsätzlich passendes Instrumentarium wurde auf europäischer Ebene durch die Umgebungslärm-Richtlinie geschaffen. Sie verfolgt einen ganzheitlichen Managementansatz, indem es den Umgebungslärm als Ganzes in den Fokus nimmt und nicht bloß separierte Lärmquellen. Diese Gesamtbetrachtung liefert grundsätzlich die Basis für eine effektive Lärmbekämpfung. Eine wesentliche Perspektive dieser Planung ist die Betrachtung von Ballungsräumen. Diese Planungsgebiete sind häufig einer Mehrzahl von Lärmquellen ausgesetzt. Besonders hier zeigt sich der progressive Ansatz der Umgebungslärm-Richtlinie in Form des Gesamtmanagements von Lärmproblemen im Vergleich zu der unzeitgemäßen Einzelquellenbetrachtung des deutschen Lärmschutzrechts. Um dem Grundsatz der Subsidiarität gerecht zu werden, ist die Umsetzung wesentlicher Teile der materiellen Inhalte der Umgebungslärm-Richtlinie den Mitgliedsstaaten überlassen. In der Kon-sequenz liegt es in der Hand der Mitgliedsstaaten, wie effektiv der Lärmschutz festgeschrieben wird. Dies liegt auch daran, dass die Umgebungslärm-Richtlinie keine Lärmgrenzwerte vorgibt. Das Destillat der Umgebungslärmrichtlinie ist die Lärmminderungsplanung, aufgeteilt in die Arbeitsschritte Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung. Während auf deutscher Ebene die Umset-zung der Lärmkartierung grundsätzlich gelungen ist, offenbart die Lärmaktionsplanung bundesweit erhebliche Mängel. Die Umsetzung erfolgte im Sechsten Teil des BImSchG als 1:1 Umsetzung des europäischen Rechts. Der Spielraum, der auf europäischer Ebene bewusst zur Ausgestaltung belassen wurde, ist dabei jedoch nicht ausgefüllt worden. Mittels der Lärmkarten werden die Lärmbelastungen in den erfassten Gebieten dargestellt. Zwar sind Quellen wie Freizeit- und Sportlärm nicht erfasst, jedoch liefern die Karten erstmals umfassende Angaben über die großflächigen Lärmbelastungen in der Bundesrepublik. Insbesondere bei dem Institut der Lärmaktionsplanung hat der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten in Deutschland zu einer negativen Entwicklung im Rahmen der Umsetzung geführt. Das BImSchG ist insgesamt unpräzise und gibt lediglich einen groben Rahmen für die Planung vor. Bei diesem zweiten Arbeitsschritt der Lärmminderungsplanung soll in Form eines Aktionsplans zu einer Reduzierung der Lärmbelastungen beigetragen werden. Dazu sind Maßnahmen zu beschreiben, die unter Heranziehung einer entsprechenden Rechtsgrundlage festgesetzt werden können. Ab welcher Belastung eine Lärmaktionsplanung ausgelöst wird und wann etwa konkrete Maßnahmen zur Lärmbekämpfung festgesetzt werden müssen, wird bundesweit unterschiedlich gehandhabt und differenziert interpretiert. Entsprechend schwankt auch das Lärmschutzniveau und ist davon abhängig, wie die jeweilige Gemeinde, als Handlungsträger der Planung, die Umsetzung konkret gestaltet. Zudem wurde den Lärmaktionsplänen in Rechtsprechung und Literatur lange die Bindungswirkung der jeweils beschriebenen Maßnahmen abgesprochen, insbesondere dann, wenn für die Durchsetzung andere Behörden, als die die Lärmminderung planende Behörden, zuständig waren. Die Lärmaktionsplanung läuft grundsätzlich in abgestuften Phasen ab. Prioritär sind besonders belastete Gebiete zu überplanen. Sofern an die Kommission gemeldete Grenzwerte überschritten sind, müssen zusätzlich konkrete Maßnahmen festgesetzt werden. Nach langer Diskussion in Schrifttum und Rechtsprechung ist die Bindungswirkung der in den Lärmaktionsplänen festgesetzten Maßnahmen durch den VGH Mannheim gestärkt worden: Sofern in den Plänen auf der Basis der Ermächtigungsgrundlagen des Straßenverkehrsrechts „Lärmaktionen“ gegen Straßenverkehrslärm festgesetzt werden, können diese auch eine Bindungswirkung für andere Behörden entfalten. Das – in Rechtsprechung und Literatur lange angenommene – Bindungsdefizit der Lärmaktionsplanung nach dem BImSchG ist damit obsolet. Das bereits beschriebene Defizit an entsprechenden Rechtsgrundlagen für die Lärmquellen Schienen- und Flugverkehr besteht jedoch weiterhin, so dass insbesondere kurzfristige Maßnahmen in diesen Sektoren praktisch unmöglich sind. Hier offenbart sich wiederum das grundsätzliche Defizit des Lärmschutzrechts. Auch das Instrument der Lärmaktionsplanung ist ohne konkrete Ermächtigungsgrundlagen praktisch wirkungslos. Der ganzheitliche Ansatz der Lärmminderungsplanung kann auf Ebene der Lärmaktionsplanung vor allem dann umfassend genutzt werden, wenn ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung steht, dass die Erfassung aller Lärmarten über kurzfristige und langfristige Aktionen ermöglicht. Akute Lärmlagen werden über unmittelbar angeordnete Maßnahmen überplant, während für langfristige Strategien die Koordinationswirkung der Lärmaktionsplanung im Zusammenhang mit weiteren zur Verfügung stehenden Planungsinstrumenten zur Geltung kommen kann. Im letzteren Fall kann die Koordinierung der unterschiedlichen Planungsszenarien sowie der dafür jeweils zuständigen Behörden genutzt werden, um ganzheitliche Ansätze zu verfolgen und Fachbehörden effektiv einzubinden. Fernab von allen wissenschaftlichen Erwägungen der Lärmberechnung oder -erfassung bietet die Lärmaktionsplanung zudem beste Voraussetzungen, um Lärm lokal effektiv zu bekämpfen. Die Bevölkerung vor Ort kann ausdifferenziert und klar die Lärmwirkungen benennen. Dafür sieht die Umgebungslärm-Richtlinie eine besondere Öffentlichkeitsbeteiligung vor, mittels der dies auch dezidiert eingebracht werden kann. An einer Umsetzung bzw. rechtlichen Ausgestaltung für eine derartige Öffentlichkeitsbeteiligung mangelt es im deutschen Immissionsschutzrecht jedoch. Nur bei einer tatsächlichen Mitwirkung der Betroffenen arbeitet die Politik unter größtmöglicher Akzeptanz. Die derartige Ermittlung der lokalen Situation gebietet ein hohes Maß an Sicherheit der korrekten Einschätzung der örtlichen Lärmsituation. Der wissenschaftliche Streit, wie Lärm zu berechnen bzw. zu messen ist, relativiert sich, weil die betroffene Bevölkerung die subjektiv vorhandenen Empfindungen äußern kann. Die Erfassung über Rechen- oder Messmodelle erfolgt parallel. Das BImSchG enthält praktisch keine Normen zu „ruhigen Gebieten“ i.S.d. Umgebungslärm-Richtlinie. Dies mag zwar auf der Angst der Handlungsträger beruhen, dass man durch die Ausweisung derartiger Gebiete „Fakten schafft“ und so etwa für bauliche Aktivitäten mutmaßlich notwendiges Land aus der Hand gibt, ein derartiges Verhalten widerspricht jedoch massiv den Vorgaben der Richtlinie. Der Vorsorgeansatz der Umgebungslärm-Richtlinie zielt gerade darauf, dass nicht verlärmte Rückzugsgebiete geschaffen und erhalten werden. Diese Sicherung nimmt einen zentralen Bestandteil des Gesamtansatzes ein. Die Nichtumsetzung stellt ein massives Umsetzungsdefizit dar. Insgesamt mangelt es der gesetzlichen Umsetzung an Konkretisierungen. Auf der Grundlage des § 47f BImSchG wurde lediglich die 34. BImSchV verabschiedet. Weitere Ausdifferenzierungen fehlen. Dies steht exemplarisch für die Lärmschutzanstrengungen der Legislative und wie über Instandsetzungsprozesse Regelungsideen abgeschwächt werden können. Aufgrund der nunmehr langen Erprobungszeit der Lärmminderungsplanung auf der Grundlage der Umgebungslärm-Richtlinie müsste allen Beteiligten der Konkretisierungsbedarf apodiktisch sein. Die Lärmaktionsplanung im Zuständigkeitsbereich des Eisenbahn-Bundesamtes für den Bereich des Eisenbahnlärms findet nicht statt. Der aufgestellte Lärmaktionsplan des Eisenbahn-Bundesamtes enthält keinerlei Maßnahmen. Diese Planung ist grob rechtswidrig. Die Lärmaktionsplanung ist ein Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung. Dies gilt nicht für die Lärmkartierung. Dahingehend ist die Umsetzung aufgrund ihrer Form bzw. der Zuständigkeit der Gemeinden verfassungswidrig. Dass sich die Länder diesbezüglich nicht rühren, ist aufgrund der derzeit – aus deren Sicht – angenehmen Kostenfrage nachvollziehbar. Die Gemeinden haben die Kosten zu tragen. Gerade die Praxis zeigt jedoch, dass hier auf überörtlichen Ebenen koordiniert und zusammengearbeitet wird. Angesichts der Finanzlage der meisten Gemeinden und Kommunen orientieren diese sich allerdings häufig an minimalsten Standards oder versuchen sich über Zuständigkeitserwägungen hinsichtlich des Fachrechts gänzlich der Lärmminderungsplanung zu entziehen bzw. derartige Umsetzungsprobleme für das Scheitern der Planung anzuführen. Das der Sechste Teil zur Lärmminderungsplanung keine besondere Finanzierungsregelung vorsieht, ist ebenfalls als Regelungslücke zu sehen. Die Lärmminderungsplanung unter Heranziehung des BImSchG ist in ihrer aktuellen Ausgestaltung schwer in der Lage, die Ziele und Anforderungen der Umgebungslärm-Richtlinie zu erfüllen. Es ist ein weiterer Regelungskomplex neben den bisherigen Lärmschutzregelungen entstanden, ohne die Chance für eine Integration zu nutzen oder die Überarbeitung des bestehenden Regelungskomplexes voranzutreiben. Insgesamt muss man die Umsetzung der Umgebungslärm-Richtlinie als einen Prozess verpasster Chancen bezeichnen, der teilweise Fragen bezüglich seiner Europarechtskonformität aufwirft. Der Anspruch einer ambitionierten und zielführenden Umsetzung der Regelungsmaterie der Umgebungslärm-Richtlinie wurde offensichtlich nicht verfolgt, ebenso wenig wie der Wille zu einer ganzheitlichen Lärmschutzregelung. Dies ist insofern bedauerlich, als in der Lärmaktionsplanung ein Instrument des Lärmschutzes zu sehen ist, das bisher im deutschen Recht fehlte: der ganzheitliche Ansatz. Die Lärmaktionsplanung ist auch als Aktionsmittel zur schnellen Problemlösung zu verstehen und nicht allein als planerischer langfristiger Gesamtansatz. Die Kombination macht diese Rechtskonstruktion so progressiv und kraftvoll. Die Praxis zeigt, dass der Straßenverkehr das Hauptproblem ist. Sie zeigt aber auch, dass das Mittel der Wahl im Rahmen der Lärmaktionsplanung die Tempo-30-Anordnung ist. Diese ist günstig, schnell umsetzbar und effektiv. In diesem Zusammenhang sollte man in gut mit ÖPNV erschlossenen Ballungsräumen und dortigen Lärmextremlagen darüber nachdenken, umfassende Verkehrsverbote festzulegen. Die rechtlichen Grundlagen wären gegeben. Die Praxis der Lärmaktionsplanung in Deutschland Die Praxis der Lärmaktionsplanung ist uneinheitlich. Teilweise bemühen sich die Handlungsträger im Rahmen ihrer objektiven Möglichkeiten die Anforderungen zu erfüllen. Andererseits finden sich auch „Null- bzw. Nicht-Planungen“, bei denen schlicht angezeigt wird, dass eine Planung – etwa aufgrund von fehlender Maßnahmenzuständigkeit – nicht durch- bzw. fortgeführt wird. Die Zersplitterung des Lärmschutzrechts spiegelt sich demnach auch im Instrument der Lärmaktionsplanung wider. Dennoch zeigt sich mancherorts eine ambitionierte Lärmschutzpolitik oder wenigstens der Wille dazu. Andernorts ist eine gewisse Resignation festzustellen, bei der sich die Lethargie oft aufgrund von finanziellen Grenzen, die neben den juristischen ebenfalls bestehen, offenbart. Der Schwerpunkt der bisher aufgestellten Lärmaktionspläne liegt beim Straßenverkehr. Aus ihm resultiert der Großteil der Lärmbelastungen und zudem lassen sich für diesen Verkehrsbereich effizient und ortsnah Maßnahmen entwickeln, wenn auch die Zuständigkeiten bzw. das rechtliche Verständnis der Lärmminderungsplanung mancherorts zu Umsetzungsproblemen führen. Eine weitere wesentliche Lärmbelastungsquelle stellt der Eisenbahnverkehr dar. Während für den Bereich der lokalen Straßenbahnen Strategien entwickelt und Maßnahmenfestsetzungen erfolgen, offenbaren sich für die Schienenstrecken des Bundes unter der Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes massive Mängel. Zwar führt auch der Personen- sowie Güterverkehr auf den Eisenbahnstrecken des Bundes zu erheblichen Lärmbelastungsszenarien, aber die Praxisauswertung hat aufgezeigt, dass für diesen Bereich praktisch keine Lärmaktionsplanung erfolgt. Die in den Bundesländern angewendeten Auslösewerte sind insgesamt zu hoch. Eine progressive Lärmschutzpolitik wird so nicht verfolgt. Die unterschiedliche Berechnung der Lärmwerte und die daraus resultierende mangelnde Vergleichbarkeit führen zu erheblichen Bearbeitungs- und Vergleichsproblemen, die den Lärmschutz ebenso torpedieren. Bundesländer, die eine Lärmaktionsplanung von Auslösewerten abhängig machen, verkennen, dass für die kartierten Bereiche immer auch eine Lärmaktionsplanung durchzuführen ist. Lediglich die Ausgestaltung liegt dann in der Hand der Planungsträger. Die konkreten Strategien und daraus entwickelten Maßnahmenpakete zeichnen sich durch wiederkehrende Muster aus. Aus den konzeptionellen Lärmbekämpfungsansätzen „Vermeidung, Verlagerung und Verminderung“ lässt sich ein Fundament von Basismaßnahmen schöpfen, das punktuell von kreativen Akteuren erweitert wird. Effizient sind diese Maßnahmenbündel selten oder erst auf einen langen Zeitraum gesehen. Das aktuell anwendbare Lärmschutzrecht stellt in Kombination mit den genannten bzw. identifizierten Maßnahmen zumeist keine vielversprechende Symbiose dar. Oftmals beinhalten die Aktionspläne lediglich Empfehlungen und geben keine konkreten Maßnahmen vor. Ein weiteres Problem stellt die Maßnahmenumsetzung dar, die weitgehend auf einem Missverständnis der Bindungswirkung der Lärmaktionspläne basiert. Dennoch werden auf dieser Fehlinterpretation beruhende Zuständigkeitsprobleme oftmals als Hinderungsgrund zur Umsetzung von Maßnahmen angegeben. Zudem formulieren viele Handlungsträger Empfehlungen statt Maßnahmen, weil sie Zurückhaltung gegenüber den Fachbehörden wahren. Breitflächig identifizieren die Planer zunächst Lärmbrennpunkte mittels verschiedener Verfahren. Hier zeigt sich ein Bewusstsein für eine rasche Feststellung von Lärm-Hotspots. In einem zweiten Schritt wird dann aber oftmals zunächst nur ein Konzept für diese Hochbelastungsgebiete entwickelt. Weniger schwer belastete Orte, die aber dennoch oberhalb der Auslösewerte liegen, werden nicht lärmplanerisch bearbeitet bzw. die Bearbeitung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Die Umgebungslärm-Richtlinie sieht eine Priorisierung von Maßnahmen vor, allerdings nicht eine derartige Abstufung bezüglich schwerster und schwerer Lärmlagen, die eine teilweise Nichtbearbeitung zur Folge hat. Den vorhandenen Konzepten mangelt es häufig zudem an einer ausgewogenen Differenzierung zwischen einer langfristigen Strategie und kurzfristigen „Aktionen“ bzw. Maßnahmen zur Lärmbekämpfung. Dies gipfelt teilweise sogar darin, dass mancherorts jene kurzfristigen Maßnahmen, die in dem vorgesehenen Zeitkorridor nicht umzusetzen waren, zur langfristigen Strategie umdeklariert werden. Auch der planerische Umgang mit der Festsetzung von „ruhigen Gebieten“ zeigt, dass die Brisanz des Themas Lärm in der Gesellschaft noch nicht angekommen ist. Die Schaffung von Ruheoasen als erholsame Rückzugsorte inmitten des Lärms der Ballungsräume stellt einen Eckpfeiler des Schutzes der menschlichen Gesundheit als Zielvorstellung des europäischen Rechts dar. Diverse Ballungsräume in Deutschland sind weiter im Wachstum begriffen. Sofern man den städtischen Raum als lebenswert erhalten und erweitern will, sind lärmfreie bzw. lärmreduzierte Bereiche zu schaffen. Das Mittel der Wahl ist die Festsetzung von „ruhigen Gebieten“ im Sinne der Umgebungslärm-Richtlinie. Die Öffentlichkeitsbeteiligung wird weitgehend zweistufig und in Anlehnung an das Verfahren zur Aufstellung von Bauleitplänen durchgeführt. Die Mitwirkung der Öffentlichkeit im Sinne der Umgebungslärm-Richtlinie ist jedoch als neues Instrument des europäischen Umweltrechts zu identifizieren. Workshops, in deren Rahmen die Bevölkerung eingeladen wird, Lärmbrennpunkte zu benennen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln, stellen eine geeignete Umsetzung dieser europarechtlichen Vorgaben dar. Die alleinige Möglichkeit, über das Internet Eingaben zu machen, entspricht nicht der Mitwirkung im Sinne der Umgebungslärm-Richtlinie. Für die untersuchten Lärmaktionspläne lässt sich zusammenfassen, dass die tatsächlichen Beteiligungszahlen sehr gering sind. Auch zeigt die Praxis der Handlungsträger, dass die Fehlinterpretation des gesetzlichen Mitwirkungsprozesses im Grunde die „herrschende Meinung“ darstellt. Die gesetzlichen Fristen der Lärmaktionsplanung werden überwiegend ignoriert. Dieses Verhalten ist rechtswidrig und hat letztlich auch zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens geführt. Die Praxis zeigt, dass zwar durchaus Skepsis für die Zukunft des deutschen Lärmschutzrechts angezeigt ist, im Gegensatz dazu positiv zu stimmen vermag jedoch, welche innovativen Kräfte optimistische und engagierte Verwaltungsträger zu entfalten vermögen, um gegenwärtige Lärmprobleme mittels der Lärmaktionsplanung einzudämmen. Diese Lichtblicke offenbaren zudem, dass die fortschrittliche Lärmminderungsplanung und ihr Gesamtansatz zur Umgebungslärmbekämpfung die geeigneten Grundlagen und Instrumente zur Herstellung von lebenswerten Ballungsräumen, zur Bekämpfung von Lärmbrennpunkten und zum Schutz der menschlichen Gesundheit bieten. Die Lärmaktionsplanung an den Eisenbahnstrecken ist hochgradig defizitär. Das Eisenbahn-Bundesamtes hat keine konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung der Lärmprobleme erlassen und in den Ballungsräumen selbst ebenso wie an den Orten außerhalb der Ballungsräume sehen die örtlichen Akteure aufgrund der Zuständigkeitskonstellationen bzw. der mangelnden Zugriffsmög-lichkeiten keine Optionen, selbst Maßnahmen festzusetzen. Die Lärmaktionsplanung im Schienenverkehr liegt gänzlich brach. Schwierige Zuständigkeitskonstellationen und bestehende Finanzierungsprobleme für kostenintensiven Lärmschutz dürfen nicht regelmäßig zur Beendigung von Planungen führen. Ein wesentlicher Fortschritt des Umweltrechts durch das Institut der Lärmminderungsplanung ist in der effektiven Verknüpfung der vielfältigen fachlichen Planungen zu sehen. Auch wenn die Lärmaktionsplanung nicht allein als Hinweisgeber dienen soll, sondern auch Instrument des Lärmschutzes zu sein hat, kann die Hinweisfunktion auf andere Planungsträger einen maßgeblichen Anstoß für eine innovative und zukunftsfähige Umweltpolitik geben. Sofern Lärmaktionspläne jedoch allenfalls Empfehlungen und Lärmdaten enthalten, handelt es sich bei den Dokumenten lediglich um nicht verwertbare Ansammlungen von Fakten und Theorien. Derartige Lärmaktionspläne entsprechen jedenfalls nicht den rechtlichen Anforderungen der Lärmminderungsplanung nach der Umgebungslärm-Richtlinie. Dies spitzt sich insbesondere vor dem Hintergrund zu, dass die Auslösewerte ohnehin bereits sehr hoch angesetzt sind. Die Kombination „hohe Auslösewerte“ und „Maßnahmenempfehlungen für die Fachbehörden“ – statt einer konkreten Vorgabe – läuft ebenfalls auf eine faktische „Nullplanung“ hinaus.de
dc.language.isodede_DE
dc.publisherStaats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzkyde
dc.rightshttp://purl.org/coar/access_right/c_abf2de_DE
dc.subjectLärmaktionsplanungde
dc.subjectUmgebungslärm-Richtliniede
dc.subjectImmissionsschutzrechtde
dc.subjectUmweltrechtde
dc.subjectLärmminderungsplanungde
dc.subject.ddc340: Rechtde_DE
dc.titleBewältigungsprozesse des Lärmschutzrechts im Lichte der Lärmaktionsplanungde
dc.typedoctoralThesisen
dcterms.dateAccepted2024-05-08-
dc.rights.cchttps://creativecommons.org/licenses/by/4.0/de_DE
dc.rights.rshttp://rightsstatements.org/vocab/InC/1.0/-
dc.subject.bcl86.62: Naturschutzrecht, Landschaftsschutzrecht, Umweltrechtde_DE
dc.subject.gndImmissionsschutzde_DE
dc.subject.gndUmweltrechtde_DE
dc.subject.gndVerkehrslärmde_DE
dc.type.casraiDissertation-
dc.type.dinidoctoralThesis-
dc.type.driverdoctoralThesis-
dc.type.statusinfo:eu-repo/semantics/publishedVersionde_DE
dc.type.thesisdoctoralThesisde_DE
tuhh.type.opusDissertation-
thesis.grantor.departmentRechtswissenschaftde_DE
thesis.grantor.placeHamburg-
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item.advisorGNDKoch, Hans-Joachim-
item.advisorGNDAppel, Ivo-
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item.creatorGNDWelss, Daniel-
item.fulltextWith Fulltext-
item.languageiso639-1other-
item.creatorOrcidWelss, Daniel-
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen
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