Titel: Molecular mechanisms of hypoxia tolerance in the phocid seal brain
Sonstige Titel: Molekulare Mechanismen der Hypoxietoleranz im Gehirn von Hundsrobben
Sprache: Englisch
Autor*in: Martens, Gerrit Alexander
Schlagwörter: Adaptation; Transkriptomik; Lipidomik; Antioxidantien; Neurotransmission; Energiemetabolismus
GND-Schlagwörter: ZoologieGND
TierphysiologieGND
MolekularbiologieGND
MeeressäugetiereGND
KlappmützeGND
HypoxieGND
Erscheinungsdatum: 2023
Tag der mündlichen Prüfung: 2023-06-12
Zusammenfassung: 
Meeressäuger haben einen faszinierenden Übergang vom Land zurück in eine aquatische Umgebung durchlaufen. Verschiedene physiologische Anpassungen haben sich entwickelt, um ein Leben in der Tiefe zu ermöglichen, wie z. B. erhöhte Sauerstoffspeicher und eine tiefgreifende Tauchreaktion mit reduziertem Herzschlag (Bradykardie) und einer Einschränkung des Blutflusses zu lebenswichtigen Organen (periphere Vasokonstriktion) wie Gehirn und Herz. Dennoch werden ihre zentralen Sauerstoffvorräte bei ausgedehnten Tauchgängen erschöpft, was zu einem niedrigen Sauerstoffgehalt im Gewebe (Hypoxie) führen kann. Bemerkenswerterweise überstehen isolierte Hirnschnitte der Klappmützenrobbe (Cystophora cristata) im Vergleich zu anderen Säugetieren längere Perioden starker Hypoxie. Diese intrinsische Hypoxietoleranz des Gehirns der Klappmützenrobbe ist jedoch nicht gut untersucht. In dieser Studie wurden daher verschiedene molekulare Ziele und Signalwege analysiert wie Gehirnlipide und polare Metabolite (Kapitel I), die neuroprotektiven Gene Clusterin (CLU) und S100B (Kapitel II) sowie die Expression und Aktivität von Antioxidantien (Kapitel III), welche möglicherweise an der intrinsischen Hypoxietoleranz des Klappmützengehirns mitwirken.
In einem ungezielten Lipidomik-Ansatz wurde die Lipidzusammensetzung von tieftauchenden Flossenfüßern, der Klappmützenrobbe und der Sattelrobbe (Pagophilus groenlandicus) mit terrestrischen Verwandten verglichen, dem Frettchen (Mustela putorius furo) und der Maus (Mus musculus) (Kapitel I). Eine allgemeine Zunahme von Sphingomyelin-Spezies bei adulten, jedoch nicht bei juvenilen Flossenfüßern wurde beobachtet. Die Aufrechterhaltung der axonumhüllenden Myelinscheide könnte für eine effiziente Signalübertragung im Flossenfüßergehirn erforderlich sein, entwickelt sich möglicherweise jedoch erst mit der Tauchfähigkeit. Bei der Analyse des Lipidoms von Gehirnproben der Klappmützenrobbe, die bei Hypoxie und oxidativem Stress in vitro inkubiert wurden, konnten jedoch keine Veränderungen des Lipidgehalts festgestellt werden. Erhöhte Sphingomyelinspiegel könnten daher eine konstitutive Anpassung an wiederkehrende hypoxische Zustände widerspiegeln. In Substratassays wurden geringe Konzentrationen des Neurotransmitters Glutamat festgestellt, welche bei Hypoxie sogar noch weiter abnehmen könnten. Eine reduzierte Fähigkeit zur glutamatergen Neurotransmission deckt sich mit früheren Studien und kann den Energieverbrauch und den Sauerstoffverbrauch reduzieren, wenn die Sauerstoffversorgung knapp wird. Erhöhte Glukose- und Laktatspiegel könnten auf eine erhöhte glykolytische Kapazität hinweisen und einen reduzierten oxidativen Stoffwechsel im Gehirn der Klappmützenrobbe unterstützen.
Frühere Transkriptomik-Studien ergaben gegenläufige Tendenzen bezüglich der aeroben Kapazität, zeigten jedoch eine hohe Expression der Gene CLU und S100B im Gehirn der Klappmützenrobbe auf. Beide sind mit verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen assoziiert, ihre Funktionen und molekularen Mechanismen bleiben jedoch weitgehend unklar. Daher wruden die Transkriptome von Nervenzellen analysiert, die separat mit zwei Isoformen von CLU (nCLU, sCLU) und S100B transfiziert wurden und unterschiedlichen Sauerstoffregimen ausgesetzt wurden (Kapitel II). Interessanterweise beeinflusste die Überexpression von sCLU und S100B bereits die Genexpression der neuronalen Zellen unter normoxischen Bedingungen. Beide Gene könnten einen erhöhten glykolytischen Metabolismus und eine verringerte mitochondriale aerobe Atmung bewirken. Darüber hinaus könnte S100B die Neurotransmission durch den Opioid-Signalweg reduzieren, während sCLU die Proteinhomöostase (Proteostase) und die mitochondriale Autophagie (Mitophagie) fördern könnte. Während diese Prozesse unter normoxischen Bedingungen verstärkt wurden, war die Genexpression nicht merklich anders, wenn neuronale Zellen oxidativem Stress ausgesetzt waren. Die Zellen zeigten jedoch eine erhöhte Lebensfähigkeit unter dieser Bedingung. Somit könnten die beobachteten Veränderungen in der Genexpression das Gehirn der Klappmützenrobbe auf bevorstehende Stressbedingungen vorbereiten.
Eine bekannte Anpassung von Meeressäugern sind ihre konstitutiv erhöhten Gehalte an Antioxidantien zur Entgiftung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), was insbesondere beim Auftauchen nach ausgedehnten Tauchgängen eine wichtige Rolle spielt. Die antioxidative Abwehr im Gehirn tauchender Säugetiere stand bisher jedoch nicht im Fokus von Studien. Daher wurde die Expression und Aktivität ausgewählter Antioxidantien in verschiedenen Hirnregionen, d. h. dem visuellen Kortex, Kleinhirn und Hippocampus, von Klappmützenrobbe und Sattelrobbe im Vergleich zu Mäusen bestimmt (Kapitel III). Besonders Antioxidantien, die am Glutathionsystem beteiligt sind, zeigten eine erhöhte Expression und Aktivität im Gehirn der Flossenfüßer. Im Gegensatz zu Glutathion, zeigte das Thioredoxin- und Glutaredoxinsystem keine vergleichbare Hochregulierung und ist daher möglicherweise nicht so wichtig für die antioxidative Abwehr im Flossenfüßergehirn oder reagiert erst in akuten Stresssituationen.
Die vorliegende Arbeit beschreibt molekulare Signalwege, die im Gehirn von Flossenfüßern verändert sein könnten und liefert die Grundlage für weitere Studien zur Hypoxietoleranz im Gehirn von Klappmützenrobben. Das Verständnis der Anpassung von Meeressäugern an ihre aquatische Umgebung kann bei Naturschutzprojekten hilfreich sein und Erkenntnisse für die Humanmedizin liefern.

Marine mammals have undergone a fascinating transition from a life on land, back to an aquatic environment. Various physiological adaptations have evolved to facilitate their diving lifestyle such as enhanced oxygen stores and a profound diving response, including a reduced heart beat (bradycardia) and restriction of blood flow to vital organs (peripheral vasoconstriction), i.e., the brain and heart. Nevertheless, central oxygen stores may be depleted during extensive diving bouts, resulting in low tissue oxygen levels (hypoxia). Remarkably, isolated brain slices of the hooded seal (Cystophora cristata) survive extended periods of severe hypoxia in comparison to other mammals. However, this intrinsic hypoxia tolerance of the hooded seal brain is not well understood. In this study, different molecular targets and pathways were therefore analyzed, i.e., brain lipids and polar metabolites (Chapter I), the neuroprotective genes Clusterin (CLU) and S100B (Chapter II) and antioxidant expression and activity (Chapter III) that may contribute to the intrinsic hypoxia tolerance of the hooded seal brain.
In an untargeted lipidomics approach the lipid composition of deep-diving pinnipeds, the hooded seal and the harp seal (Pagophilus groenlandicus), was compared to terrestrial relatives, the ferret (Mustela putorius furo) and the mouse (Mus musculus) (Chapter I). A general increase of sphingomyelin species was observed in adult, but not juvenile, pinnipeds. Maintenance of the axon enwrapping myelin sheath may be necessary for efficient signal transduction in the pinniped brain, but may develop with diving ability. However, when analyzing the lipidome of hooded seal brain samples, incubated at hypoxia and oxidative stress in vitro, no changes in lipid content could be determined. Increased sphingomyelin levels may therefore reflect a constitutive adaptation to recurrent hypoxic conditions. In substrate assays, low levels of the neurotransmitter glutamate were determined, which may decrease even further during hypoxia. A reduced capacity for glutamatergic neurotransmission coincides with previous studies and may reduce the energy expenditure and oxygen consumption, when oxygen supply becomes scarce. Elevated levels of glucose and lactate may indicate an enhanced glycolytic capacity and may support reduced oxidative metabolism in the hooded seal brain.
Previous transcriptomics studies determined opposing trends regarding aerobic capacity in the hooded seal brain, but observed high expression of the genes CLU and S100B. Both are associated with various neurodegenerative diseases, but their functions and molecular mechanisms remain ambiguous. Thus, the transcriptomes of neuronal cells were analyzed, which were separately transfected with two isoforms of CLU (nCLU, sCLU) and S100B and exposed to different oxygen regimes (Chapter II). Interestingly, overexpression of sCLU and S100B already influenced gene expression of the neuronal cells at normoxic conditions. Both genes may confer increased glycolytic metabolism and reduced mitochondrial aerobic respiration. Furthermore, S100B may reduce neurotransmission through the opioid signaling pathway, while sCLU may promote protein homeostasis (proteostasis) and mitochondrial autophagy (mitophagy). These processes were enhanced at normoxic conditions, but gene expression was not markedly different when neuronal cells were exposed to oxidative stress. However, the cells demonstrated elevated viability at this condition. Thus, the observed changes in gene expression may prepare the hooded seal brain for upcoming stress conditions.
A known adaptation of marine mammals are their constitutively elevated levels of antioxidants to detoxify reactive oxygen species (ROS), which is especially relevant when surfacing after extensive diving bouts. However, the antioxidant defence in the brain of diving mammals has not been the focus of studies so far. Therefore, the expression and activity of selected antioxidants in different brain regions were determined, i.e., the visual cortex, cerebellum and hippocampus, of the hooded seal and harp seal compared to mice (Chapter III). Especially antioxidants involved in the glutathione system were highly expressed and active in the pinniped brain. In constrast to glutathione, the thioredoxin and glutaredoxin system were not similarly upregulated and may thus not be as important in the antioxidant defence of the pinniped brain or only react once facing acute stress situations.
The present work describes molecular alterations in the pinniped brain and provides the basis for additional studies on the hypoxia tolerance of the hooded seal brain. Understanding the adaptation of marine mammals to their aquatic environment may aid in conservation projects as well as provide insights for human medicine.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/10339
URN: urn:nbn:de:gbv:18-ediss-110287
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Geßner, Cornelia
Fabrizius, Andrej
Dobler, Susanne
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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