Titel: Eine arealtypologische Untersuchung verbaler Evidentialität und evidentieller Strategien in Sprachen des Jenissej-Ob-Areals
Sprache: Deutsch
Autor*in: Hagel, Marie Christin
Schlagwörter: Evidentialität; evidentielle Strategien; Uralistik; sibirische Sprachen; Korpuslinguistik
Erscheinungsdatum: 2022
Tag der mündlichen Prüfung: 2023-01-19
Zusammenfassung: 
In dieser Arbeit wurden vier Sprachen, die auf dem Jenissej-Ob-Areal gesprochen werden bzw. wurden und der uralischen Sprachfamilie zuzuordnen sind, hinsichtlich des Vorkommens und der Form von grammatikalisierten Evidentialen und evidentiellen Strategien untersucht. Die Kernbedeutung von Evidentialität ist die Informationsquelle. Mithilfe von Evidentialität wird angegeben, auf welche Weise der Sprecher die Informationen erlangt hat, über die er spricht. Die Untersuchung erfolgte korpusbasiert. Die Erkenntnisse aus den Korpusanalysen wurden mit den Angaben in der Literatur diskutiert.
Für das Nganasanische wurden vier Evidentiale ermittelt, die zur Kennzeichnung inferentieller, reportativer und auditiver Evidentialität dienen. Daneben gibt es sieben Partikeln und zwei Verben, die als evidentielle Strategien genutzt werden können. Außerdem gibt es einen Metaerzähler namens ŋalaa ˈMundˈ.
Für das Chantische wird ein Evidential, das Nicht-erste-Hand-Evidentialität (Reportativ, Inferential) markiert, beschrieben. Es gibt des Weiteren vier Partikeln und eine evidentielle Strategie, die auf der Kombination eines Partizips mit nachfolgendem Nominalisierer basiert. Es fällt auf, dass die Verwendung vom grammatikalisierten Evidential ebenso wie der evidentiellen Strategien stark dialektal- und genreabhängig ist.
Auch der Einsatz von Evidentialen und evidentiellen Strategien im Selkupischen ist genre- und dialektspezifisch. In dieser Sprache ließen sich anhand der vorliegenden Korpusdaten drei Evidentiale ermitteln. Diese kennzeichnen Nicht-erste-Hand-Evidentialität (Reportativ, Inferential), den Vergangenheitsreportativ und den Futur-Inferential. Während der Auditiv in der Literatur gut beschrieben wird, konnte er in den Korpusdaten nicht gefunden werden. Für das Suffix -mpɨ/-mbɨ, das in der Literatur meist als Narrativ beschrieben wird, konnte nachgewiesen werden, dass es sich um ein Perfektsuffix handelt.
Während für das Kamassische noch keine Evidentialität in den Grammatiken beschrieben wurde, konnte mithilfe der Korpusanalyse ein Evidential zur Kennzeichnung aus der Vergangenheit berichteter Informationen (Vergangenheitsreportativ) festgestellt werden. Das dafür genutzte Suffix wurde bislang als Vergangenheitssuffix beschrieben.
Im Vergleich lassen sich Gemeinsamkeiten zwischen dem kamassischen Vergangenheitsreportativ und der chakassischen evidentiellen Vergangenheitsform sowie dem waldenzischen Perfekt mit inferentiellen Konnotationen feststellen. Parallelen lassen sich auch zwischen dem chantischen und dem mansischen Evidentialitätssystem finden, die mit der engen Verwandtschaft und räumlichen Nähe zu erklären sind. Auch das selkupische Nicht-Erste-Hand-Evidential weist Ähnlichkeiten zum chantischen Nicht-Erste-Hand-Evidential auf. Das nganasanische Auditivsuffix geht allem Anschein nach wie in den anderen nordsamojedischen Sprachen Enzisch und Nenzisch auf die gleichen Wurzeln des imperfektiven Verbalnomens zurück (Gusev 2017:142f).
Es wurden weniger Gemeinsamkeiten als erwartet gefunden. Anstatt gesamtarealtypologische Merkmale aufzudecken, wurden vielzählige Unterschiede zwischen den Sprachen, zwischen den Dialekten des Chantischen bzw. des Selkupischen sowie innerhalb der einzelnen Sprachen genreabhängig festgestellt. Die starke dialektale Varianz der Verwendung von Evidentialität zwischen den chantischen und den selkupischen Dialekten verdeutlicht, wie groß die Unterschiede zwischen den (miteinander verwandten) Sprachen auf diesem weitläufigen Gebiet hinsichtlich der evidentiellen Strukturen sind.

In this study, four languages belonging to the Uralic language family that are or were spoken in the Yenisei Ob area, were investigated with regard to the occurrence and form of grammaticalised evidentials and evidential strategies. The core meaning of evidentiality is the source of information. Evidentiality is used to indicate how the speaker acquired the information he or she is talking about. The study is corpus-based. The findings from the corpus analyses were discussed with the information in the literature.
Four evidentials were identified for Nganasan, which serve to mark inferential, reportative and auditory evidentiality. In addition, there are seven particles and two verbs that can be used as evidential strategies. There is also a meta-narrative called ŋalaa ˈmouthˈ.
An evidential marking non-firsthand evidentiality (reportative, inferential) is described for Khanty. There are also four particles and an evidential strategy based on the combination of a participle followed by a nominaliser. It is noticeable that the use of the grammaticalised evidential as well as the evidentiary strategies is heavily dialect and genre dependent.
The use of evidentials and evidential strategies in Selkup is also genre- and dialect-specific. In this language, three evidentials could be identified on the basis of the available corpus data. These mark non-firsthand evidentiality (reportative, inferential), the past reportative and the future inferential. While the auditive is well described in the literature, it could not be found in the corpus data. For the suffix -mpɨ/-mbɨ, which is mostly described as a narrative in the literature, it could be proved that it is a perfective suffix.
While no evidentiality has yet been described for Kamass, an evidential to mark information reported from the past (past reportative) could be detected with the help of the corpus analysis. The suffix used for this purpose was previously described as a past suffix.
Similarities can be found between the Kamass past participle and the Khakass evident past tense as well as the Forest Enets perfect with inferential connotations. Parallels can also be found between the Khanty and Mansi evidentials, which can be explained by their close relationship and spatial proximity. The Selkup non-firsthand evidential also shows similarities to the Khanty non-firsthand evidential. The Nganasan auditive suffix seems to go back to the same roots of the imperfective verbal noun, as in the other Northern Samoyedic languages Enets and Nenets (Gusev 2017:142f).
Generally, fewer similarities than expected were found. Instead of finding overall typological features, many differences were found between languages, between dialects of Khanty and Selkup respectively, and within each language depending on genre. The strong dialectal variance in the use of evidentiality between the Khanty and Selkup dialects illustrates how great the differences are between the (interrelated) languages in this vast area in terms of evidential structures.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/10572
URN: urn:nbn:de:gbv:18-ediss-113389
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Wagner-Nagy, Beáta
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

Dateien zu dieser Ressource:
Datei Beschreibung Prüfsumme GrößeFormat  
Hagel 2022 Eine arealtypologische Untersuchung verbaler Evidentialität und evidentieller Strategien im Jenissej-Ob-Areal.pdfDissertation Hagel, Maried8fc6b5fd6b06de7ba87a712fd40ca233.09 MBAdobe PDFÖffnen/Anzeigen
Zur Langanzeige

Info

Seitenansichten

Letzte Woche
Letzten Monat
geprüft am null

Download(s)

Letzte Woche
Letzten Monat
geprüft am null
Werkzeuge

Google ScholarTM

Prüfe