Titel: Somatoforme Störungen im hausärztlichen Setting - Untersuchung von Einflussfaktoren auf die Diagnostik
Sprache: Deutsch
Autor*in: Schicke, Katharina
Schlagwörter: Somatoforme Störung; Hausärztliches Setting; Häufigkeiten; Einflussfaktoren; Komorbiditäten
GND-Schlagwörter: Funktionelle StörungGND
HausarztGND
DiagnostikGND
EinflussgrößeGND
Erscheinungsdatum: 2022
Tag der mündlichen Prüfung: 2023-10-05
Zusammenfassung: 
Ziel der Arbeit war es, die Häufigkeiten somatoformer Störungen im hausärztlichen Setting zu bestimmen sowie mögliche Einflussfaktoren auf die Diagnostik einer somatoformen Störung durch den Hausarzt zu identifizieren. Hierzu wurden im Speziellen der Einfluss einer gleichzeitig vorliegenden weiteren psychischen Störung (depressive Störung, Angststörung), sowie weitere Charakteristika auf Arzt- und Patientenseite untersucht. Mit einem Screening Fragebogen wurden in Hamburger Hausarztpraxen, die am Gesundheitsnetzwerk Sofu-Net teilnehmen, Patienten mit einem hohen Risiko für das Vorliegen einer somatoformen Störung identifiziert und im Folgenden in einem CIDI Interview ergänzend telefonisch befragt. Die im CIDI Interview ermittelten ICD-10 Diagnosen wurde als Referenz verwendet und die diagnostische Übereinstimmung mit der hausärztlich gestellten Diagnose untersucht.

Im Screening ergab sich bei 269 (14,7%) der insgesamt 1826 untersuchten Patienten, die die Einschlusskriterien für die Studienteilnahme erfüllten, ein hohes Risiko für das Vorliegen einer somatoformen Störung. Aus diesem vorselektierten Patientenkollektiv konnten 120 CIDI-Interviews vollständig realisiert werden und davon bei 71 Patienten (59,2%) eine aktuell vorliegende somatoforme Störung (innerhalb der letzten 6 Monate) nach den Kriterien des ICD-10 diagnostiziert werden. Davon erfüllten 46 Patienten (64,8%) die Kriterien für eine weitere psychiatrische Diagnose, am häufigsten waren dies kombiniert sowohl eine depressive Störung als auch eine Angststörung (32,4%). Der Vergleich mit den Diagnosen des Hausarztes ergab, dass die Diagnose einer somatoformen Störung in nur knapp einem Drittel der Fälle (32,3%) von diesem ebenfalls gestellt wurde. Insgesamt ergab sich eine relative diagnostische Übereinstimmung von 53,6% zwischen der CIDI Diagnose und der hausärztlich gestellten Diagnose bezüglich des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens einer somatoformen Störung. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Angststörung oder einer depressiven Störung konnte eine leicht höhere diagnostische Übereinstimmung von 57,1% bzw. 59,6% gezeigt werden, bei parallelem Auftreten beider untersuchter Komorbiditäten lag diese bei 62,5%. Auf der Patientenseite konnte gezeigt werden, dass ein höherer Schweregrad der somatoformen Symptome das Diagnostizieren einer somatoformen Störung durch den Hausarzt erleichtert, leichte Ausprägungsformen aber häufiger vorkommen. Seitens der Hausärzte fand sich eine höhere diagnostische Übereinstimmung bei einer Facharztweiterbildung in Innerer Medizin, Niederlassung in einer Einzelpraxis sowie ein jüngeres Alter des Arztes.

Die hier vorliegende Arbeit konnte also zeigen, dass Hausärzte eine somatoforme Störung bei gleichzeitigem Vorliegen psychiatrischer Komorbiditäten besser erkennen und diagnostizieren, bei einer insgesamt aber eher geringen diagnostischen Übereinstimmung. Besonders schwer ausgeprägte somatoforme Symptome erleichtern die Diagnostik zwar, leichtere Ausprägungsformen kommen aber vor allem im hausärztlichen Setting häufiger vor. Es gilt in Zukunft, die Hausärzte auch für leichtere Ausprägungsformen bzw. isoliert auftretende somatoforme Symptome durch geeignete Weiterbildungsmaßnahmen und eine verbesserte Arzt-Patienten-Kommunikation zu sensibilisieren. Denn das frühzeitige Stellen einer korrekten Diagnose ist Voraussetzung für eine adäquate therapeutische Behandlung und trägt somit zu einer verbesserten Versorgung von Patienten mit somatoformen Störungen bei. Inwiefern die diagnostische Einordnung auch durch die geänderten Kriterien in den Neuauflagen der Klassifikationssysteme ICD-11 und DSM-5 erleichtert sein wird, bleibt weiterhin zu beobachten und zu untersuchen.

The study’s aim was to determine the frequency of somatic symptom disorders in the GP setting as well as to identify the factors influencing the diagnosis of a somatic symptom disorder by the GP. In particular, the influence of the presence of another mental disorder (depression disorder, anxiety disorder), as well as further characteristics, were investigated at the physician and patient level. A screening questionnaire among GP offices in Hamburg that participate in the Sofu-Net health network was used to identify patients with a high risk for the presence of a somatic symptom disorder, who were then additionally surveyed in a CIDI telephone interview. The ICD-10 diagnoses determined through the CIDI interview were used as the reference and the concordance with the GP’s diagnosis was investigated.

The screening yielded 269 (14.7%) of a total of 1826 investigated patients who satisfied the inclusion criteria for the study who had an increased risk for the presence of a somatic symptom disorder. From this pre-selected patient collective, 120 CIDI interviews could be concluded in full, and 71 patients (59.2%) were diagnosed with a current somatic symptom disorder (within the past 6 months) according to the criteria of the ICD-10. Of these, 46 patients (64.8%) satisfied the criteria for a further psychiatric diagnosis, most frequently a combination of depressive and anxiety disorder (32.4%). The comparison with the GPs’ diagnoses showed that these only made a diagnosis of somatic symptom disorder in about one third of cases (32.3%). Overall, there was a relative concordance of diagnoses of 53.6% between the CIDI diagnosis and the GP diagnosis with regard to the presence or absence of a somatic symptom disorder. With the simultaneous presence of an anxiety disorder or depressive disorder, a slightly higher diagnosis concordance of 57.1% and 59.6%, respectively, was found; when both investigated co-morbidities were present this figure reached 62.5%. On the patient level it could be shown that a higher severity of the somatic symptoms facilitated the diagnosis of a somatic symptom disorder by the GP, but that mild symptoms are more prevalent. On the GP level the diagnosis concordance was higher for internal medicine specialisations, sole practices and younger GPs.

This present study could therefore show that GPs are better at identifying and diagnosing a somatic symptom disorder in the presence of psychiatric co-morbidities, but with a rather low level of diagnosis concordance overall. Particularly severe somatic symptoms facilitate the diagnosis, but milder symptoms are more common, especially in the GP setting. In future, GPs’ awareness of milder or isolated somatic symptoms should be increased through appropriate further training measures and improved doctor-patient communication. Early diagnosis is a precondition for adequate treatment and thus contributes to improved care of patients with somatic symptom disorder. The extent to which diagnostic classification will be facilitated by the modified criteria in the new editions of the classification systems ICD-11 and DSM-5 remains to be observed and investigated.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/10626
URN: urn:nbn:de:gbv:18-ediss-114079
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Löwe, Bernd
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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