Titel: Navigating External and Existential Threats: National-level Policy Responses to Climate Security
Sprache: Englisch
Autor*in: Vogler, Anselm
Schlagwörter: Klimawandel; Klimasicherheit; Nationale Sicherheitsstrategie
GND-Schlagwörter: Anthropogene KlimaänderungGND
SicherheitspolitikGND
Menschliche SicherheitGND
MilitärGND
StrategieGND
Erscheinungsdatum: 2023-11-21
Tag der mündlichen Prüfung: 2024-05-06
Zusammenfassung: 
Der Klimawandel verursacht dramatische Unsicherheiten. Sowohl allmählich als auch plötzlich verlaufende Katastrophen („slow and sudden-onset disasters“) schädigen sowohl Bevölkerungsgruppen als auch Ökosysteme. Diese direkten Effekte können darüber hinaus zeitlich und räumlich versetzt weitere Schäden verursachen. Der Klimawandel ist zudem eine höchst ungewöhnliche Quelle von Unsicherheit. Die Dimensionen dieser Unsicherheit sind tatsächlich planetar, weil sie sich über die urbanen Zentren der Welt hinaus erstrecken. Mehr noch, sie werden nicht durch einen luziden Gegner verursacht, sondern erwachsen, stattdessen, entlang einer langen Kausalkette aus anthropogenen Aktivitäten. Dies verwischt die klaren Grenzen zwischen jenen, die Unsicherheit erzeugen und jenen, die sie erleiden. Obendrein sind Prozesse klimaspezifischer Unsicherheit überaus komplex, weil sie aus einem Zusammenspiel gesellschaftlicher und biophysikalischer Prozesse erwachsen.
Andererseits ist das Zustandekommen klimaspezifischer Unsicherheiten keine Zwangsläufigkeit. Vielmehr haben wissenschaftliche Studien politische Maßnahmen („policies“) als essenziellen, intervenierenden Faktor identifiziert. Politische Maßnahmen haben eine bedeutende Rolle, weil sie verhindern können, dass die Exposition gegenüber direkten Klimafolgen in Vulnerabilität resultiert. Zudem helfen gut funktionierende, inklusive Institutionen und der nachhaltige, transparente Umgang mit Ressourcen dabei, die Risiken für Ressourcenkonflikte und andere indirekte Konsequenzen zu senken. Allerdings können politische Maßnahmen auch kontraproduktiv sein, wenn diese zu stark auf konventionellen sicherheitspolitischen Instrumenten basieren oder enggeführt Symptome statt Ursachen klimaspezifischer Unsicherheit fokussieren.
Allerdings sind diese politischen Maßnahmen nicht ausreichend erforscht. Insbesondere gibt es bislang kaum systematische Taxonomien oder Typologien, die eine systematische Analyse von Klimasicherheitspolitiken auf nationaler Ebene ermöglichen oder diese gar in ihren breiteren Kontext von Beiträgen der selben Institutionen zu klimaspezifischer Unsicherheit einordnen. Die vorliegende kumulative Dissertation trägt zur Schließung dieser Lücken bei. Sie geht dazu der Frage nach: „Wie adressieren zivile und militärische Institutionen Klimasicherheit auf nationaler Ebene? Und mit welchen Folgen? („How are national-level civil and defense institutions approaching climate security and with what effects?”) Die Dissertation definiert dazu Klimasicherheitspolitik als politische Maßnahmen nationaler Institutionen die diese explizit mit einem Verweis auf Klimasicherheit rechtfertigen. Wohlgemerkt schließt dies nicht nur umgesetzte politische Maßnahmen („policies“) ein, sondern bezieht die politischen Begleitprozesse der Gewahrwerdung, Bewertung, Planung, Implementierung und Evaluation als fünf Modi von Klimasicherheitspolitik ein. Um diese verschiedenen Aspekte zu untersuchen, entwickelt die vorliegende Dissertation mehrere Analyserahmen die zu unterschiedlichem Maße entweder auf große Stichproben oder tiefergehende Fallstudien genutzt werden können.
Kapitel 2 entwickelt dazu zunächst ein Konzept zur Studie der klimasicherheitspolitischen Modi der Gewahrwerdung und Bewertung. Das Konzept differenziert diese gemäß ihrem Fokus auf direkte und indirekte Klimafolgen. Anschließend wird das Konzept angewendet, um zu prüfen, inwiefern nationale Regierungen Klimawandel als sicherheitsrelevantes Thema framen. Dafür präsentiert das Kapitel einen neuartigen Datensatz mit Nationalen Sicherheitsstrategiedokumenten aus 93 Ländern. Die Analyse zeigt, dass eine große Mehrheit, der nach 2007 veröffentlichten Dokumente Klimasicherheit thematisiert. Diese Bezugnahmen stellen jedoch direkte Klimafolgen oft in zu großer Engführung dar, charakterisieren potenzielle indirekte Klimafolgen – etwa Ressourcenkonflikte und klimaspezifische Migration – bisweilen auf wissenschaftlich nicht haltbare Weise und werden zumeist dem größeren Kontext des globalen Umweltwandels („global environmental change“) nicht gerecht, in welchen der Klimawandel eingebettet ist.
Anschließend erweitert Kapitel 3 die Untersuchung der klimasicherheitspolitischen Modi der Gewahrwerdung und Bewertung um eine Studie regierungsinterner Differenzen im Umgang mit klimaspezifischer Unsicherheit. Das Kapitel vergleicht die Framings sicherheitsrelevanter Klimafolgen durch Verteidigungsministerien und Ministerien mit zivilen Ressorts der selben Länder miteinander und identifiziert dadurch unterschiedliche Ausmaße klimasicherheitspolitischer Gewahrwerdung und Bewertung. Dazu entwickelt das Kapitel ein Konzept welches Klimasicherheitsframings entlang von vier Aspekten untersucht. Es bewertet diese dahingehend, ob sie auf anthropogene Ursachen Bezug nehmen, welchen Fokus sie setzen und mit welcher Gewissheit sowie für welchen Zeitraum sie die Manifestation klimasicherheitsrelevanter Folgen formulieren. Der Vergleich deckt erhebliche Unterschiede in den Frames von Ministerien mit militärischem und zivilem Ressort auf. Insbesondere zeigt die Untersuchung, dass Verteidigungsministerien den Klimawandel eher als ein langfristiges Problem identifizieren und sich überwiegend auf dessen indirekte Konsequenzen konzentrieren.
Diese Beobachtungen geben Anlass für eine nähere Untersuchung militärischer Klimasicherheitspolitiken im sich anschließenden Kapitel 4. Das Kapitel entwickelt eine Taxonomie welche klimasicherheitspolitischen Maßnahmen nach ihrem Interventionspunkt differenziert, also ob sie auf Mitigation, Adaption an direkte Klimafolgen oder Adaption an indirekte Klimafolgen abzielen. Im Rahmen dieser Taxonomie werden die jeweiligen Maßnahmen dann gemäß der involvierten fünf klimasicherheitspolitischen Modi weiter differenziert. Die Taxonomie wird anschließend in einer Mixed-Method-Studie angewendet um die klimasicherheitspolitischen Maßnahmen von Streitkräften des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (NATO) vergleichend zu untersuchen. Dabei werden die ersten drei Modi – Gewahrwerdung, Bewertung und Planung – mit Hilfe einer Dokumentenanalyse für alle NATO-Streitkräfte bewertet, welche solche Dokumente veröffentlicht haben. Anschließend werden die Implementierung und Evaluation klimasicherheitspolitischer Maßnahmen im Rahmen von fünf Fallstudien ausgewählter Streitkräfte näher untersucht. Das Kapitel zeigt, dass NATO-Streitkräfte Klimafolgen in ihren Strategien häufig nennen und bewerten, allerdings seltener spezifische Reaktionen ankündigen. Mit Blick auf Implementierung und Evaluation ergänzen die Fallstudien drei Befunde: Streitkräfte priorisieren den Erhalt von Kapazitäten gegenüber der Senkung von Emissionen, sie haben Schwierigkeiten, die von ihnen angekündigten Beiträge zum Katastrophenschutz umzusetzen und Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat verschiedene Auswirkungen auf die klimasicherheitspolitischen Aktivitäten der untersuchten NATO-Streitkräfte.
Kapitel 5 erweitert den Fokus und untersucht den Kontext in dem Streitkräfte ihre klimasicherheitspolitischen Maßnahmen durchführen. Das Kapitel leitet dazu eine Typologie ökologisch relevanter militärischer Aktivitäten aus den wesentlichen Strömungen der umweltbezogenen Friedens- und Konfliktforschung ab. Diese Typologie ermöglicht eine vollständige Erfassung ökologisch relevanter militärischer Aktivitäten. Sie differenziert diese danach, ob sie primär auf die Streitkraft selbst oder externe Akteure ausgerichtet sind und inwiefern neuartige Mittel verwendet und, respektive, Ziele verfolgt werden. Anschließend wird der erste umfassende Literaturüberblick akademischer Studien zu ökologisch relevanten militärischen Aktivitäten präsentiert und die identifizierten Aktivitäten entsprechend der Typologie eingeordnet. Dieser Literaturüberblick organisiert die bislang erforschten militärischen Aktivitäten in vier verschiedene Rollen: Streitkräfte sind in die Durchführung klimasicherheitspolitischer Maßnahmen beteiligt, haben allerdings auch eine Komplizenschaft durch ihren Anteil an Umweltzerstörung, sind involviert in geopolitischen Unternehmungen des Anthropozäns und, bisweilen, der Obstruktion von konventioneller Klimapolitik.
Das anschließende Kapitel stellt den verschiedenen Bemühungen um klimasicherheitspolitische Maßnahmen eine Betrachtung der Entstehung von klimaspezifischer menschlicher Unsicherheit („climate-related human insecurity“) gegenüber. Kapitel 6 präsentiert dazu Einsichten von zwei interviewgestützten Fallstudien, welche den Inselstaat Vanuatu und Guam, ein nicht inkorporiertes Territorium der USA im Pazifik, untersuchen. Das Kapitel identifiziert, auf welche Weise menschliche Unsicherheit aus dem Zusammenspiel lokaler Folgen des Klima- und Umweltwandels mit lokalen Manifestationen ökonomischer Ungleichheiten und (post-)kolonialer Abhängigkeiten resultiert. Das Kapitel entwickelt kein eigenes Rahmenwerk für die Untersuchung von Klimasicherheitspolitik, sondern ordnet diese durch zwei Momentaufnahmen von Pfaden zu klimaspezifischer menschlicher Unsicherheit in einen Problemkontext ein. Diese Kontexte illustrieren die Schwierigkeiten, welche sich bei der Konzeption und Umsetzung klimasicherheitspolitischer Maßnahmen stellen.
Kapitel 7 rekapituliert die Befunde der vorangegangenen Kapitel. Mit Bezug auf die Forschungsfrage präsentiert das Kapitel ein dreiteiliges Argument: (1) Klimasicherheitspolitiken sind weithin in nationalem Regierungshandeln etabliert aber (2) werden in ihrer Umsetzung oft ihren eigenen Zielen nicht gerecht und (3) adressieren häufig nicht ausreichend die sicherheitsspezifischen Herausforderungen des Klimawandels und des ihn einbettenden globalen Umweltwandels („global environmental change“). Diese Befunde werden diskutiert und anschließend in die umweltspezifische Friedens- und Konfliktforschung eingeordnet. In einem abschließenden Abschnitt werden die Implikationen der Befunde für die Forschungsfelder der Policy-Studien, der (kritischen) Sicherheitsstudien sowie der Außenpolitikanalyse und der Internationalen Beziehungen diskutiert.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/11043
URN: urn:nbn:de:gbv:18-ediss-119626
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Schröder, Ursula
Ide, Tobias
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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