Titel: | Peerbeziehungen und die sprachlichen Fähigkeiten lebensweltlich mehrsprachiger Jugendlicher: Inter- und Intraethnische Freundschaften als Spracherwerbs- und Sprachgebrauchskontexte für die Majoritäts- und Herkunftssprache | Sonstige Titel: | Peer relationships and the language skills of multilingual adolescents: Inter- and intra-ethnic friendships as contexts for learning and using the majority and heritage languages | Sprache: | mehrsprachig | Autor*in: | Dünkel, Nora | Schlagwörter: | Mehrsprachigkeit; Peers; Leseverständnis; Kompetenzprofile; Bildungserfolg; Akkulturation | GND-Schlagwörter: | MehrsprachigkeitGND SprachkompetenzGND AkkulturationGND Informelles LernenGND Egozentriertes NetzwerkGND |
Erscheinungsdatum: | 2024 | Tag der mündlichen Prüfung: | 2024-09-30 | Zusammenfassung: | Die kumulative Dissertation setzt sich theoretisch und empirisch mit der Rolle von Freundschaften als Sprachgebrauchs- und Spracherwerbskontexte und deren Bedeutung für die sprachlichen Fähigkeiten lebensweltlich mehrsprachiger Jugendlicher auseinander. Ausgehend von allgemeinen Modellen der Sprachaneignung sowie sozialökologischen, netzwerkanalytischen, sozialkapital- und akkulturationstheoretischen Zugängen betrachtet die Arbeit sprachliche Fähigkeiten in der Majoritäts- und Herkunftssprache als Ergebnis der durch alltägliche soziale Interaktionen angestoßene Lern- und Entwicklungsprozesse. Bisherige Forschung zur Mehrsprachigkeitsentwicklung ist stark auf die Untersuchung und Beschreibung der Sprachentwicklung im Kindesalter und die Rolle der familialen sprachlichen Sozialisation ausgerichtet (Bredel et al., 2008; De Houwer, 2022; Lengyel, 2017). An Befunden zur Bedeutung von Peerkontexten im Jugendalter mangelt es hingegen. Insbesondere Freundschaften bieten im Jugendalter bedeutsame Erfahrungs- und Lernkontexte (z.B. Baier & Nauck, 2006; Brake & Büchner, 2013). Die für Freundschaften charakteristischen Merkmale der Statusgleichheit, hohen Kontaktdichte und kooperativen Interaktionsformen (vgl. Zander et al., 2017) werden auch als effiziente Bedingungen für sprachliches Lernen beschrieben (z.B. Esser, 2006). Im Kontext von Migration können mit interethnischen Freundschaften wichtige Anwendungsgelegenheiten für die Majoritätssprache verbunden sein, während intraethnischen Beziehungen außerhalb der Familie als zusätzliche Nutzungsgelegenheiten für die Herkunftssprache eine wichtige Funktion für deren Erhalt beigemessen wird (z.B. Pearson, 2007; Unsworth, 2016). Inwiefern die Eingebundenheit in solche Freundschaften insbesondere für die herkunftssprachlichen Fähigkeiten Jugendlicher sowie für die Ausprägung ihrer individuellen Mehrsprachigkeit von Bedeutung ist und welche Rolle die Qualität des sprachlichen Inputs dabei spielt, sind bislang empirisch wenig beachtete Fragen. Im Zentrum der Dissertation stehen drei Teilstudien, die auf Basis von Daten des Forschungsprojekts Mehrsprachigkeitsentwicklung im Zeitverlauf (MEZ) anhand einer Stichprobe von Jugendlichen mit deutsch-russischem und deutsch-türkischem Sprachhintergrund drei Komplexen von Forschungsfragen nachgehen und damit zur Schließung der identifizierten Forschungslücken beitragen sollen. Teilstudie I (Dünkel et al., 2020) eruiert die Möglichkeit, die Qualität des sprachlichen Inputs durch Peers im Rahmen egozentrierter Netzwerkabfragen mittels Fremdeinschätzungen sprachlicher Fähigkeiten im Deutschen sowie den Herkunftssprachen Russisch und Türkisch zu erfassen. Mit Hilfe kreuzklassifizierter Mehrebenenmodelle wird analysiert, welchen Einflussfaktoren die Fremdeinschätzungen unterliegen, wie akkurat diese ausfallen und unter welchen Bedingungen akkuratere Einschätzungen gelingen. In allen untersuchten Sprachen ergeben sich signifikante, aber moderate Zusammenhänge zwischen den Fremdeinschätzungen und objektiven Leistungsmaßen, wobei die Urteilsakkuratheit insbesondere von Merkmalen auf der Beziehungsebene zur eigeschätzten Person (gemeinsamer Unterricht, geteilter Sprachhintergrund, Beziehungsqualität) positiv moderiert wird. Im Deutschen erhalten Schüler:innen mit russischem und türkischen Sprachhintergrund bei gleicher Testleitung allerdings signifikant geringere Fähigkeitsurteile als ihre monolingual deutschen Peers. Die Ergebnisse deuten auf Möglichkeiten der Nutzung von Fremdeinschätzungen als grobe Proxys für die Qualität des sprachlichen Inputs durch enge Freund:innen hin, verweisen aber auch auf Einschränkungen aufgrund der Ungenauigkeit der Maße. Teilstudie II (Dünkel, 2022) untersucht, die sprachlich-ethnische Zusammensetzung der Freundeskreise der mehrsprachigen Jugendlichen und deren Zusammenhang mit ihren Leseverständnisleistungen im Deutschen und der Herkunftssprache Russisch bzw. Türkisch. Mit Hilfe von Clusteranalysen werden drei Typen von Freundeskreisen identifiziert, die sich als 1.) herkunftssprachlich orientiert, 2.) herkunftssprachlich heterogen und 3.) monolingual deutsch orientiert beschreiben lassen. Regressionsanalysen zeigen, dass das Ausmaß des Zugangs zur Majoritätssprache im Freundeskreis positiv mit den Leseleistungen der Jugendlichen im Deutschen zusammenhängt und zur Erklärung von Leistungsdisparitäten zwischen lebensweltlich mehrsprachigen und monolingual deutschsprachigen Jugendlichen beiträgt. In Bezug auf die Leseleistungen in der Herkunftssprache ergeben sich marginale Effekte, die nahelegen, dass insbesondere Jugendliche mit türkischem Sprachhintergrund vom Zugang zur Herkunftssprache in Peerkontexten profitieren. Teilstudie III (Dünkel et al., 2024) vertieft die Erkenntnisse aus den ersten beiden Teilstudien: Untersucht wird, inwiefern intra- und interethnische Freundschaften, die sprachlichen Fähigkeiten der besten Freund:innen sowie der Sprachgebrauch mit den Eltern zur Erklärung der individuellen Mehrsprachigkeit beitragen. Auf Basis jahrgangsspezifischer Mediansplits der Leseleistungen der lebensweltlich mehrsprachigen Jugendlichen im Deutschen und der Herkunftssprache Russisch bzw. Türkisch wurden vier Kompetenzprofile gebildet: 1.) fortgeschrittene bilinguale Leser:innen, 2.) fortgeschrittene Leser:innen im Deutschen, 3.) fortgeschrittene Leser:innen in der Herkunftssprache und 4.) unterdurchschnittliche bilinguale Leser:innen. Multinomiale logistische Regressionsanalysen zeigen, dass die duale Integration in Freundschaften mit sowohl monolingual deutschen als auch herkunftssprachlichen Peers ein günstigstes Muster enger Freundschaften ist, das sowohl mit höheren Leseleistungen im Deutschen als auch höheren bilingualen Kompetenzen einhergeht. Überdies deutet sich an, dass fortgeschrittene bilinguale Leser:innen von Freundschaften zu herkunftssprachlich als kompetent eingeschätzten Peers profitieren. Der Herkunftssprachgebrauch mit den Eltern erweist sich als bedeutendster Faktor für die Erklärung herkunftssprachlicher Leseleistungen und stellt kein Hindernis für die Entwicklung hoher Lesefähigkeiten im Deutschen dar. |
URL: | https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/11341 | URN: | urn:nbn:de:gbv:18-ediss-123750 | Dokumenttyp: | Dissertation | Betreuer*in: | Knigge, Michel Gogolin, Ingrid Lengyel, Drorit |
Enthalten in den Sammlungen: | Elektronische Dissertationen und Habilitationen |
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