Phạm Đình Hổ und seine Werke ‚Vũ Trung Tùy But‘ und ‚Tang Thương Ngẫu Lục‘ als Paradigmen des literarischen Genres Pinselaufzeichnungen (bút ký)

Abstract

Das 17. und 18. Jahrhundert stellt eine besonders spannende und turbulente Epoche in der Geschichte Vietnams dar. Ab dem 17. Jahrhundert vollzog sich die Teilung des Landes in zwei Herrschaftsgebiete: Während sich im Süden (Cochinchina) allmählich ein unabhängiges Reich unter den Nguyễn-Fürsten (1558–1777) bildete, stand der Norden (Tonkin) weiterhin unter der Oberherrschaft der Lê-Kaiser. Im Norden entwickelte sich zudem eine einzigartige Regierungsform: Die Kaiser der wiederhergestellten Lê-Dynastie (1533–1789) behielten zwar offiziell die Macht, wurden jedoch von den Trịnh-Fürsten (1545–1787) kontrolliert und überwacht. Diese, mit umfassenden Vollmachten ausgestatteten Fürsten, bauten einen eigenen Hofstaat mit Verwaltungsapparat auf, wodurch der kaiserliche Hofstaat der Lê allmählich seine Funktion als politisches Zentrum Vietnams verlor. Diese politischen und gesellschaftlichen Umbrüche spiegeln sich in einer Reihe literarischer Werke wider, die bis heute wertvolle Einblicke in die Epoche gewähren. Im Fokus dieser Dissertation stehen die vietnamesischen Pinselaufzeichnungen (vietn.: bút ký oder tùy bút) und ihre exemplarische Ausprägung in den Werken Vũ Trung Tùy Bút („Begleitnotizen an Regentagen“) von Phạm Đình Hổ (1768-1839) sowie Tang Thương Ngẫu Lục („Zufällige Notizen über die Wechselfälle des Lebens“), gemeinsam verfasst von Nguyễn Án (1770-1815) und Phạm Đình Hổ. Die Werke Vũ Trung Tùy Bút und Tang Thương Ngẫu Lục bestehen aus kurzen Notizen, die biografische Anekdoten, Beschreibungen malerischer Landschaften, politische Analysen, wissenschaftliche Erörterungen und sogar Geistergeschichten umfassen. Dabei üben sie scharfe Kritik an der Dekadenz und Verschwendungssucht der Trịnh-Fürsten, deren exzessiver Lebensstil den Staat finanziell belastete und das Volk ausbeutete. Phạm Đình Hổ, eine der herausragenden Persönlichkeiten seiner Epoche, zeichnete sich durch außergewöhnliche Gelehrsamkeit in den Bereichen Literatur, Geschichte und Wissenschaften aus. Die literarische Form der Pinselaufzeichnungen nutzte er, um ein facettenreiches Bild der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Verhältnisse seiner Zeit zu entwerfen. Dabei verband er persönliche Beobachtungen mit historischen Reflexionen und schuf Werke von sowohl literarischem als auch dokumentarischem Wert. Seine Pinselaufzeichnungen bieten eine vielschichtige Darstellung der damaligen Umbrüche und eröffnen zugleich Einblicke in die individuellen Erfahrungen und Perspektiven eines Gelehrten, der Zeuge tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen war. Als flexibles Genre ermöglichten die Pinselaufzeichnungen den Autoren, ihre Beobachtungen, Reflexionen und ihr Wissen in einer lockeren und kreativen Form zu präsentieren. Im Gegensatz zu strengeren literarischen Formen zeichnet sich dieses Genre durch eine offene Struktur aus, die subjektive und vielfältige Perspektiven zulässt. Die Dissertation untersucht, wie die Werke von Phạm Đình Hổ gesellschaftliche und politische Missstände reflektieren und welche Rolle das Tùy-Bút-Genre bei der Vermittlung dieser Inhalte spielt. Ein besonderes Augenmerk gilt der Frage, inwiefern die Darstellungen der Trịnh-Fürsten durch die politischen Perspektiven der Nguyễn-Dynastie geprägt sind, unter deren Herrschaft die Autoren später dienten. Darüber hinaus wird das vietnamesische Tùy-Bút-Genre mit seinem chinesischen Pendant, dem Biji-Genre, verglichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen. Diese Dissertation leistet einen Beitrag zur Erforschung der vietnamesischen Literaturgeschichte, indem sie die Bedeutung des Tùy-Bút-Genres als Spiegel gesellschaftlicher und kultureller Umbrüche herausarbeitet und gleichzeitig die Rolle der Trịnh-Fürsten im Kontext der vietnamesischen Gesellschaft kritisch beleuchtet.

The 17th and 18th centuries represent a particularly exciting and turbulent period in Vietnamese history. Beginning in the 17th century, the country was divided into two realms: While an independent kingdom gradually formed in the south (Cochinchina) under the Nguyễn Lords (1558–1777), the north (Tonkin) remained under the sovereignty of the Lê emperors. In the north, a unique form of government also developed: The emperors of the restored Lê Dynasty (1533–1789) officially retained power, but were controlled and supervised by the Trịnh Lords (1545–1787). These lords, endowed with extensive powers, built their own court and administrative apparatus, causing the Lê imperial court to gradually lose its role as the political center of Vietnam. These political and social upheavals are reflected in a series of literary works that continue to offer valuable insights into the era. This dissertation focuses on the Vietnamese genre of bút ký (brush notes) and its exemplary manifestations in the works Vũ Trung Tùy Bút ("Following the Brush Amid the Rains") by Phạm Đình Hổ (1768–1839) and Tang Thương Ngẫu Lục ("Writings Born Out of the Vicissitudes of This World"), jointly authored by Nguyễn Án (1770–1815) and Phạm Đình Hổ. The works Vũ Trung Tùy Bút and Tang Thương Ngẫu Lục consist of short notes that include biographical anecdotes, descriptions of picturesque landscapes, political analyses, scholarly discussions, and even ghost stories. They sharply criticize the decadence and profligacy of the Trịnh Lords, whose excessive lifestyle burdened the state financially and exploited the people. Phạm Đình Hổ, one of the outstanding personalities of his time, distinguished himself through his extraordinary scholarship in literature, history, and the sciences. He used the literary form of brush notes to paint a multifaceted picture of the social, cultural, and political conditions of his era. In doing so, he combined personal observations with historical reflections, creating works of both literary and documentary value. His brush notes provide a layered portrayal of the upheavals of the time, while also offering insights into the individual experiences and perspectives of a scholar who witnessed profound social changes. As a flexible genre, the brush notes allowed authors to present their observations, reflections, and knowledge in a loose and creative form. In contrast to stricter literary forms, this genre is characterized by an open structure that permits subjective and diverse perspectives. This dissertation examines how the works of Phạm Đình Hổ reflect social and political grievances and the role of the Tùy-Bút genre in conveying these themes. Special attention is given to the question of how the portrayals of the Trịnh Lords are shaped by the political perspectives of the Nguyễn Dynasty, under whose rule the authors later served. Furthermore, the Vietnamese Tùy-Bút genre is compared with its Chinese counterpart, the Biji genre, to highlight similarities and differences. This dissertation contributes to the study of Vietnamese literary history by exploring the significance of the Tùy-Bút genre as a mirror of social and cultural upheavals while critically examining the role of the Trịnh Lords in the context of Vietnamese society.