Titel: Unverändert und doch anders? Das Publikationsverhalten in der Volkswirtschaftslehre im Kontext von Open Access und Rankings
Sonstige Titel: Unchanged but different? Publication behaviour in economics in the context of open access and rankings
Sprache: Deutsch
Autor*in: Biesenbender, Kristin
Schlagwörter: Publikationsverhalten; Volkswirtschaftslehre; Open Access; Ranking; Wissenschaftliches Kommunikationssystem
GND-Schlagwörter: VolkswirtschaftslehreGND
Open AccessGND
RankingGND
PrestigeGND
VeröffentlichungGND
WissenschaftsforschungGND
Erscheinungsdatum: 2025-04-21
Tag der mündlichen Prüfung: 2024-12-16
Zusammenfassung: 
Die Kontexte wissenschaftlichen Publizierens unterliegen einem beständigen Wandel. In den vergangenen 20 Jahren hat die Open-Access-Bewegung, die ihren Ausgangspunkt mit der Deklaration der Budapest Open Access Initiative im Jahr 2002 nahm und im Herbst 2023 zuletzt in die UNESCO Recommendation on Open Science mündete, eine Transformation des wissenschaftlichen Publikationssystems in Gang gesetzt. Die Forderung nach dem freien Zugang zu wissenschaftlichen Forschungsergebnissen hat in Deutschland ihren Ausdruck in der Berliner Erklärung von 2003 gefunden. Ziel der Bewegung ist es, wissenschaftliche Forschung aus allen Bereichen zum Nutzen der Forschenden und der Gesellschaft als Ganzes für alle zugänglich zu machen.
Dieser Anspruch trifft auf Praktiken der Forschungsbewertung, die sich auf die Messung von Zitationen, Journal-Impact-Faktoren und Rankings stützen. Auf dieser Basis werden etwa die wissenschaftlichen Leistungen von Forschenden bewertet, obwohl die zugrundeliegenden Metriken vielmehr Aussagen über die Zahl der Zitationen einzelner Publikationen erlauben. Eine angemessene Interpretation oder gar Abschaffung dieser quantitativen Indikatoren, z.B. für Berufungsverfahren, wurde 2012 in der Declaration on Research Assessment (DORA) und 2022 von der CoARA – Coalition for Advancing Research Assessment und vielen anderen wiederholt gefordert.
In der wissenschaftlichen Disziplin Volkswirtschaftslehre ist die Orientierung an einer Reputationshierarchie, die Forschenden auf Grundlage von Veröffentlichungen in hochrangigen internationalen Journals Reputation verleiht, stark ausgeprägt. Für eine wissenschaftliche Karriere sind diese Veröffentlichungen maßgeblich, werden doch im Rahmen von Stellenbesetzungs- respektive Berufungsverfahren Forschungsleistungen basierend auf Journal-Impact-Faktoren und Rankings bewertet. In der Volkswirtschaftslehre in Deutschland ist mit der regelmäßigen Veröffentlichung des Handelsblatt-Rankings seit 2005 ein entscheidender Faktor hinzugekommen, der die Bewertung von Forschungsleistungen determiniert. Somit bestehen Anreize für Forschende in der Volkswirtschaftslehre, ihr Publikationsverhalten auf Rankings auszurichten.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich das Publikationsverhalten von Forschenden in der Volkswirtschaftslehre im Kontext von Open Access und Rankings verändert hat. Zur Beantwortung der Frage fokussiert sich die Untersuchung auf in der Volkswirtschaftslehre zentrale Publikationsformate wie Journal-Artikel und Working Papers. Dabei gilt es zu beachten, dass einerseits Artikel in hochrangigen wissenschaftlichen Zeitschriften in der Volkswirtschaftslehre eine zentrale Rolle für den Erwerb von Reputation spielen, und andererseits die existierende Working-Paper-Kultur genutzt wird, um wissenschaftliche Erkenntnisse frühzeitig zirkulieren und diskutieren zu lassen. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Funktionen von wissenschaftlichen Publikationen wird diesbezüglich analysiert. Verschiedene Ausprägungen des Publikationsverhaltens der Forschenden werden zudem mit Blick auf den Stand der Karriere, den institutionellen Hintergrund sowie die Ausrichtung auf unterschiedliche Paradigmen innerhalb der Volkswirtschaftslehre untersucht. Identifizierte allgemeine Trends im wissenschaftlichen Publikationssystem, wie das Größenwachstum nach Anzahl der Publikationen, eine Internationalisierung, ein Anstieg der Co-Autorenschaft, die Zunahme von Open Access und die Relevanz von Forschungsdaten, wer-den dahingehend analysiert, ob sie sich auch für die Volkswirtschaftslehre zeigen lassen. Darauf baut die empirische Untersuchung auf, die in einem Mixed-Methods-Ansatz eine quantitative Analyse mit einem qualitativen Verfahren verbindet. Zum einen werden Publikationslisten von Volkswirt:innen in Deutschland analysiert, zum anderen werden Experteninterviews mit Forschenden aus der Volkswirtschaftslehre zu ihrem Publikationsverhalten geführt und ausgewertet.
Die Ergebnisse bestätigen, dass im wissenschaftlichen Publikationssystem bestehende Reputationshierarchien in der deutschsprachigen Volkswirtschaftslehre fest verankert sind. Die Relevanz von hochrangigen internationalen Journals als zentrale Publikationsorte für den Reputationserwerb und damit verbundene Chancen für den akademischen Aufstieg zeigen sich in einem ausgeprägt strategischen Publikationsverhalten. Starke Anreize, die von Impact-Faktoren und Rankings für die Bewertung von Forschungsleistungen ausgehen, tragen zu der Erklärung bei, warum Forschende in der Volkswirtschaftslehre sich bei der Wahl von Journals an deren Impact-Faktoren orientieren und weniger daran, ob die Zeitschriften im Open Access erscheinen. Zudem erklärt die in der Volkswirtschaftslehre etablierte Working-Paper-Kultur, warum die Potenziale von Open-Access-Journals, wie die freie Verfügbarkeit der Forschungsergebnisse und damit häufig einhergehende höhere Zitationsraten, weder erkannt noch ausgeschöpft werden. Working Paper ermöglichen den freien Zugang zu Forschungsergebnissen in der Volkswirtschaftslehre und damit auch eine frühzeitige Priorisierung der Erkenntnisse für die Forschenden.
Im Hinblick auf die wissenschaftliche Karriere ist es insbesondere für Nachwuchsforschende wichtig, in hochrangigen internationalen Zeitschriften zu publizieren, um mit einem Job-Market-Paper Signale in Richtung des akademischen Arbeitsmarkts zu senden. Auch der institutionelle Hintergrund beeinflusst, wie hoch der Publikationsdruck auf die Forschenden ist. Dabei sind insbesondere Wissenschaftler:innen an außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Universitäten mit Blick auf Evaluierungen und die Vergabe von Forschungsmitteln gefordert, ihre Publikationspraxis auf hochrangige referierte Journals auszurichten. Der Blick auf die ökonomische Ausrichtung zeigt, dass es für Forschende abseits des Mainstream Hürden gibt, in hochrangigen Zeitschriften zu publizieren.
Ein Größenwachstum nach Anzahl der Publikationen lässt sich in dieser Untersuchung nicht bestätigen. Zwar besteht eine gängige Praxis, das veröffentlichte Working Paper anschließend auch in Journals publiziert werden. Allerdings trifft das nur für einen Teil der Working Paper zu, denn diese sind in der Volkswirtschaftslehre auch als eigenständige qualitativ hochwertige Publikationen anerkannt. Für den Grad der Internationalisierung lässt sich zeigen, dass es zwar eine starke Ausrichtung auf internationale Journals gibt, aber Forschende in der Volkswirtschaftslehre daneben auch nach wie vor häufig in deutschsprachigen Zeitschriften publizieren. Nachwuchsforschende veröffentlichen in größeren Gruppen von Autor:innen. Relevante Kontexte stellen zum einen das Signaling von Alleinautorenschaft für die Karriere und zum anderen gemeinsame Veröffentlichungen mit (reputierlichen) Co-Autor:innen dar.
Für Open Access lässt sich eine Zunahme von frei verfügbaren Journal-Artikeln zeigen. Allerdings stellt die freie Verfügbarkeit von Artikeln in Zeitschriften kein relevantes Kriterium für die Publikationsentscheidungen der Forschenden dar. Eine Open-Access-Transformation findet hier auf Ebene der Trägerorganisationen der Publikationsinfrastruktur statt, wenn Bibliotheken Lizenzgebühren, Transformationsverträge (DEAL), Publikationsgebühren und Diamond Open Access finanzieren und Wissenschaftsverlage Publikationen im Gegenzug frei zur Verfügung stellen. Der Stellenwert von empirischer Forschung und damit die Nutzung von Daten und die Anwendung statistischer Verfahren nimmt weiter zu. Das lenkt den Blick auf die zukünftige Rolle von Open Data in der Volkswirtschaftslehre.
Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass das Publikationsverhalten in der Volkswirtschaftslehre im Kontext von Open Access und Rankings aufgrund der starken Orientierung an einer Reputationshierarchie unverändert scheint und doch je nach institutioneller Anbindung und Karrierestufe der Forschenden anders ist. Ein umfassender Blick auf das Publikationsverhalten zeigt, wie vielfältig in der VWL publiziert wird – dass also je nach Kontext neben den hochrangigen internationalen Journals auch viele weitere Zeitschriften und auch Working Paper zentrale Publikationsmedien für die Forschenden darstellen.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/11622
URN: urn:nbn:de:gbv:18-ediss-127556
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Rödder, Simone
Peters, Isabella
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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