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Titel: Bad Governance als systemische Korruption in Politik-Netzwerken - Eine systemtheoretische Analyse am Beispiel der Bergbaupolitik in Peru
Sprache: Deutsch
Autor*in: Ristow, Kathrein
Schlagwörter: Uwe Schimank; Akteurzentrierte Differenzierungstheorie; La Oroya; Yanacocha
GND-Schlagwörter: Systemtheorie
Peru
Bergbau
Good Governance
Netzwerkanalyse
Umweltschutz
Korruption
Politisches Netzwerk
Luhmann
Erscheinungsdatum: 2009
Tag der mündlichen Prüfung: 2010-12-01
Zusammenfassung: 
Hohe Armutsraten, extreme Ungleichheit und eine zunehmende Zerstörung der Umwelt kennzeichnen nicht nur in Peru eine Entwicklungsproblematik, die auch unter wechselnden Akteuren und institutionellen Rahmenbedingungen stabil bleibt.
Als direkte Ursache hierfür gelten schwere politische Korruption, mangelnde Rechtsstaatlichkeit und schwache, staatliche Institutionen, weshalb Good Governance und Korruptionsbekämpfung als Schlüsselbegriffe für die Erklärung von Entwicklung angesehen werden. Obwohl die Korruptionsproblematik in Entwicklungsländern immer mit Netzwerken in Verbindung gebracht wird, findet die Analyse der Korruption innerhalb der Politiknetzwerke in den Untersuchungen zu Good Governance bisher nicht genügend Berücksichtigung. Doch gerade Bad Governance-Praktiken in Form von stabiler, andauernder, also systemimmanenter Netzwerk-Korruption erfordern zusätzlich eine umfassende Analyse der Funktionalität gesellschaftlicher Systeme.
In dieser Arbeit werden Netzwerke zu politischen Entscheidungen des boomenden Bergbau-Sektors in Peru untersucht, an denen diese Problematik beobachtet wird. Speziell die Handhabung der als mangelhaft empfundenen Umweltschutzauflagen in Verbindung mit Steuervergünstigungen führt immer wieder zu massiven Protesten in der Bevölkerung, denn die erhebliche Zerstörung der Umwelt behindert die nachhaltige soziale Entwicklung. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche Störungen im Zusammenwirken der Funktionssysteme es den Akteuren in Netzwerken ermöglichen, dauerhaft Bad-Governance-Entscheidungen zu fällen und damit die institutionelle Ordnung im eigenen Sinn zu prägen und für die vorliegenden Entwicklungsprobleme in hohem Maße mitverantwortlich zu sein.
Dieser Arbeit liegt die Hypothese zugrunde, dass Bad Governance durch eine korrupte Sinnverschiebung politischer Akteure in Politik-Netzwerken erfolgt, die durch die feindliche Übernahme des relevanten politischen Teilfunktionssystems und starke Zugangsbeschränkungen stabilisiert wird. Inklusionskriterien sind die Befolgung der Netzwerkcodierung, die Verfügungsgewalt über relevante Ressourcen und die Bereitschaft zum Tausch. Ergebnisse sind sozial nicht verantwortbare politische Entscheidungen, die als Handeln beobachtbar werden. Zu den notwendigen Bedingungen gehört die Möglichkeit der Verselbständigung des politischen Teilsystems und der parasitären Nutzung der Ressourcen. Der Übernahmeprozess erfolgt durch Aufdrängen und Einverleiben von Programmen und Code.
Es wird gezeigt, dass die Übernahme eines Teilfunktionssystems des politischen Systems durch Teilsysteme des Wirtschaftssystems stattgefunden hat, wofür eine extreme Ressourcenabhängigkeit von ausländischem Kapital Voraussetzung war. Kollektiv verbindliche Entscheidungen werden in Politik- Netzwerken zwischen Organisationen des übernommenen politischen Teilsystems und Wirtschafts-Unternehmen getroffen, die den Interessen der Unternehmen dienen und Repräsentanten anderer gesellschaftlicher Systeme exkludieren. Von den negativen Auswirkungen der Systemübernahme besonders betroffene Bevölkerungsgruppen werden nicht berücksichtigt.
Durch die Übernahme findet eine korrupte Sinnverschiebung innerhalb der politischen Organisationen statt, die in den Netzwerken zu Bad Governance-Entscheidungen mit erheblichen negativen Folgen für die peruanische Gesellschaft führen, insbesondere zu Umweltverschmutzung und mangelnden Steuereinnahmen. Unterstützende, hochkomplexe und schwer durchschaubare Systemprogramme wurden im Sinne der systemeigenen Autopoiesis aufgedrängt bzw. explizit geschaffen, um die Interessen des Wirtschaftssystems zu bedienen. Umverteilung wird durch eine Kombination von spezieller Gesetzgebung, formeller und informeller Regelwerke sowie der Art und Weise der Durchführung verhindert. Dabei wird das Handeln der Akteure durch das Zusammenwirken verschiedener Ebenen gesellschaftlicher Differenzierung bestimmt. Nach Uwe Schimank wird das handelnde Zusammenwirken gleichermaßen durch die Funktionssystemcodierung, die institutionellen Bedingungen und die individuellen Interessen bestimmt. Die substantiellen Eigeninteressen der Akteure sind dabei der Generalschlüssel für gesellschaftliche Differenzierung und somit auch Entdifferenzierung. Da unter Demokratie im systemtheoretischen Sinne die vollendete Ausdifferenzierung des Funktionssystems Politik verstanden wird, wird somit auch die weitere demokratische Konsolidierung blockiert. Da Wohlfahrt nur durch Sozialintegration aller Bevölkerungsteile erreicht werden kann, wird der gesamtgesellschaftliche Sinn, die Erreichung von Gemeinwohl, verhindert.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/3091
URN: urn:nbn:de:gbv:18-49245
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Hein, Wolfgang (Prof. Dr.)
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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