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Titel: Infektionskrankheiten römischer Kaiser
Sprache: Deutsch
Autor*in: Cordruwisch, Beke
Erscheinungsdatum: 2012
Tag der mündlichen Prüfung: 2013-02-18
Zusammenfassung: 
Keine Epoche hat die abendländische Kultur mehr geprägt als die römische Geschichte mit ihren vielfältigen Auswirkungen auf Sprache, Religion, Philosophie, Politik und Wissenschaft. Mit ihren, nach heutiger Sicht eher beschränkten diagnostischen Möglichkeiten schufen die Gelehrten der Römerzeit mit ihren Beobachtungen, Zuordnungen und schriftlich überlieferten Beschreibungen der Krankheiten die Grundlage für unser heutiges medizinisches Wissen.
Um etwas über Infektionskrankheiten im antiken Europa in Erfahrung zu bringen, bot sich eine Recherche der römischen Kaiserliteratur an, da sich über die Regenten in historischen Quellen mehr Krankheitsbeschreibungen finden lassen als über andere Personengruppen. In der vorliegenden Arbeit habe ich diese in der Literatur überlieferten Darstellungen bei römischen Herrschern von 100 v. Chr. bis 565 n. Chr. analysiert. Dabei habe ich die gefundenen Passagen textkritisch auf verschiedene Wahrscheinlichkeiten für vorliegende Infektionskrankheiten untersucht und diskutiert. Ich sichtete sowohl Primär- wie auch Sekundärliteratur zu allen Regenten dieser Zeit. Hierbei stellte ich fest, dass es für die Interpretation antiker Quellen von wesentlicher Bedeutung ist, die Autoren in ihrer Zeit zu sehen und dabei Intentionen, Lebensumstände, Philosophie und Wissensstand zu berücksichtigen.
Für meine Arbeit unterzog ich Werke von annährend 50 historischen Schriftstellern des ersten Jahrhunderts vor Christus bis zum 5./6. Jahrhundert nach Christus und mit gesonderter Betrachtung sogar Literatur bis ins 15. Jahrhundert hinein einer textkritischen Analyse. Die am meisten zitierten Quellen habe ich am Anfang meiner Arbeit kurz erläutert. Um den medizinischen Wissenstand der von mir verwendeten antiken Schriftsteller besser beurteilen und die von ihnen beschriebenen Erkrankungen besser einordnen zu können, habe ich verschiedene medizinische Schriften aus den ersten zwei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung hinzugezogen.
Ein weiterer und wesentlicher Aspekt meiner Arbeit ist die kritische Bewertung des zeitbezogenen Wandels des hinter medizinischen Termini und Beschreibungen stehenden Verständnisses im Hinblick auf das Vorliegen von Krankheiten. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Veränderung der Bedeutung des Begriffs Pest´.
Anhand der von mir studierten Literatur ergibt sich der begründete Verdacht auf Infektionskrankheiten bei insgesamt 44 der 88 Augusti, die in den Jahren 100 v. Chr. bis 565 n. Chr. das römische Reich regierten. Bei 12 dieser 44 Regenten erhalten wir Informationen über mehr als eine Infektionskrankheit. Gezählt habe ich nur diejenigen Infektionen, die mit einem Evidenzgrad von 1 - 4 in meiner Arbeit bewertet wurden. Die häufigsten Krankheiten sind Enteritiden (15 Fälle), septische Infektionen (6 Fälle), Pocken/Windpocken (5 Fälle), Malaria (4 Fälle), Ulcus ventriculi/duodeni (4 Fälle) und Tuberkulose (3 - 4 Fälle, wenn man eine mögliche Urogenitaltuberkulose bei Galerius hinzurechnet). Das mögliche Vorliegen einer Syphilis habe ich bei 5 Herrschern diskutiert. Bei insgesamt 6 der von mir betrachteten römischen Kaiser gibt es in der Literatur Hinweise, dass sie an einer im Reich grassierenden Seuche, als Pest´ bezeichnet, erkrankt waren. Jedoch ist hierbei lediglich bei Justinian I., der als einziger seine Krankheit überstand, von einer durch Yersinia pestis verursachten Bubonenpest auszugehen.
Durchfallerkrankungen stellen eine sehr evidente retrospektive Diagnose dar, da sie als solche in historischen Werken beschrieben wurden. Eine weitergehende Differenzierung aus heutiger Sicht ist in diesem Zusammenhang anhand der Symptom- und Verlaufsbeschreibung nur teilweise möglich gewesen. Als weiterer sehr evidenter Befund ergibt sich z. B. auch ein Bartlausbefall Julians, von dem er selbst berichtete. Auch eine Malariainfektion Caesars, ein Kariesbefall bei Augustus, eine superinfizierte Warze Domitians, sowie letztendlich die bereits erwähnte Bubonenpesterkrankung Justinias I. können aufgrund der eindeutigen Quellenangaben als äußerst wahrscheinlich angesehen werden.
Medizingeschichtlich bedeutsam ist die von mir mit der vorliegenden Arbeit angestoßene Diskussion über die Möglichkeit einer Syphiliserkrankung bei einigen Kaisern. Neuere Forschungsergebnisse der Paläopathologie haben ergeben, dass kongenital übertragene Treponematosen, und damit wahrscheinlich venerische Syphilisformen, durchaus schon lange vor Columbus im antiken Europa vorkamen. Dies wurde eindeutig an antiken Knochenfunden belegt. Anders die Tuberkulose, von der schon länger belegt ist, dass sie in der alten Welt endemisch war. So wurden tuberkulöse Veränderungen beispielsweise in Wirbelkörpern und im Rippenfellbereich ägyptischer Mumien gefunden. Die Krankengeschichte der römischen Herrscher wurde bislang kaum auf Tuberkuloseinfektionen hin untersucht. In meiner Arbeit berücksichtige ich die Möglichkeit sowohl einer Tuberkulose-, wie auch einer Syphiliserkrankung. Darüber hinaus ergeben sich in der Literatur auch Hinweise auf bislang noch nicht beschriebene Infektionen im Altertum, wie z.B. ein durch Helicobacter pylori hervorgerufenes Ulcusleiden (bei Augustus, Claudius, Nerva und Mark Aurel). Die bei all diesen Erkrankungen beschriebenen Symptome sind nicht immer so einfach zu deuten wie die einer Enteritis. Dies ist der Grund dafür, dass bei manchen Herrschern letztendlich verschiedene Differentialdiagnosen übrig bleiben, die keine abschließende Klärung im Sinne einer endgültigen Diagnose zulassen.
Das Ziel meiner Arbeit war es, die in der Literatur verfügbaren beschriebenen Symptome, Krankheitsumstände und Persönlichkeitsentwicklungen der römischen Kaiser aus infektiologischem Blickwinkel (neu) zu bewerten.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/4829
URN: urn:nbn:de:gbv:18-60843
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Sobottka, Ingo (Prof. Dr.)
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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