Titel: Design und Untersuchungen zur Synthese von trivalenten Inhibitoren des Hämagglutinins von Influenzaviren
Sonstige Titel: Design and Studies on the Synthesis of Trivalent Inhibitors of Influenza Virus Hemagglutinin
Sprache: Deutsch
Autor*in: Giertz, Anna-Lena
Erscheinungsdatum: 2021
Tag der mündlichen Prüfung: 2022-03-04
Zusammenfassung: 
Die COVID-19 Pandemie ist der momentane Höhepunkt einer Reihe von Pandemien unter Menschen, die durch hoch infektiöse Virenstämme verursacht werden. In der jüngeren Geschichte war hauptsächlich das hochansteckende Influenzavirus, das Infektionskrankheiten des humanen Respirationstraktes auslöst, für vier große Pandemien verantwortlich, von denen die Spanische Grippe (1918 - 1920) mit 20 bis 50 Millionen Toten als die bisher verheerendste durch Viren ausgelöste Pandemie gilt. Die aviäre Influenza wiederum ist seit vielen Jahren vor allem in afrikanischen und asiatischen Ländern für epidemische Ausbrüche der Vogelgrippe unter Nutzgeflügel verantwortlich. Auch in Deutschland sind seit 2006 immer wieder Fälle von infizierten Tieren zu verzeichnen, die auf eine Übertragung durch Wildvögel während des saisonalen Vogelzugs zurückzuführen sind. Bei infizierten Tieren verursacht die hochpathogene Form der Viren (HPAI) eine spontan einsetzende schwere Erkrankung, die nach kurzer Dauer eine Mortalitätsrate von fast 100 % besitzt. Seit 1997 sind zudem wiederholt Fälle einer Übertragung des Virus auf Menschen verzeichnet worden, in denen das Virus eine Mortalitätsrate von mehr als 50 % aufweist. Die Infektion beginnt mit dem Hämagglutinin H5, welches für den Primärkontakt zwischen Virus und Wirtszelle verantwortlich ist und die Bindung an α2,3-glycosidisch verknüpfte Sialinsäurereste auf der Oberfläche der Epithelzellen im oberen Bereich des respiratorischen Traktes präferiert. Diese Präferenz ist der Hauptgrund einer bisher ausbleibenden humanen Pandemie, da menschliche Epithelzellen des oberen Respirationstraktes hauptsächlich α2,6-verknüpfte Sialinsäurereste präsentieren, wodurch Infektionen nur bei einer sehr hohen Viruskonzentration beobachtet wurden. Eine Mutation dieses hoch pathogenen Virus oder ein genetisches Reassortment mit anderen hoch infektiösen Virenstämmen könnten jedoch eine Adaption an menschliche Zellen und somit auch eine Mensch-zu-Mensch Übertragung ermöglichen.
Bei der Bekämpfung von Influenza gibt es unterschiedliche Ansätze. Zum einen die Vakzinierung gegen Influenzaviren zur Vermeidung einer Infektion und zum anderen verschiedene antivirale Medikamente zur Therapie bei einer bereits erfolgten Ansteckung. Bei der Behandlung mit antiviralen Wirkstoffen ist, neben der Hemmung der Endonuklease, des Matrixproteins M2 oder der Neuraminidase, die Inhibition des Hämagglutinins ein äußerst vielversprechender Ansatzpunkt, um den Replikationszyklus der Viren zu unterbrechen. Dabei wird durch hochaffine Liganden die Rezeptorbindungsdomäne (RBD) des Proteins besetzt und so bereits das initiale Binden des Virus an die Wirtszelle verhindert. Da das Hämagglutinin H5 ein homotrimeres Lektin ist, besteht neben der Entwicklung von modifizierten Analoga des natürlichen Bindungsepitops die Möglichkeit, verschiedene multivalente Konzepte zur Affinitätssteigerung zu nutzen.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde versucht, neue Konzepte für die Herstellung von trivalenten Liganden mit einfachen biokompatiblen Oligoethylenglykolresten als Spacer zu entwickeln. Basierend auf den Kristallstrukturen eines monomeren Hämagglutinins H5, welches mit dem nativen Bindungsepitop des Proteins cokristallisiert vorlag, und eines trimeren Hämagglutinins H5, wurden in silico Liganden entwickelt, die das Potential haben als entry-Inhibitoren den Infektionszyklus von aviären Influenzaviren zu blockieren. Aufgrund der C3-Symmetrie des homotrimeren Hämagglutinins wurden zunächst trivalente Liganden mit Sialinsäuren als terminale antigene Bausteine und Oligoethylenglycolfragmenten als Spacer zum Binden aller drei Bindungstaschen erstellt. In silico wurde der Bindungsmodus des trivalenten Liganden 1 analysiert und in einer Moleküldynamik-Simulation (MD) validiert. Es konnte gezeigt werden, dass in dem der Simulation zugrundeliegende Modell das Binden aller Kohlenhydratbindungs-stellen (carbohydrate recognition domains, CRD) gleichzeitig möglich ist und nicht durch negative Effekte gestört wird. Es zeigte sich allerdings auch, dass der Ligand aufgrund seiner ungewöhnlich langen Linkerstrukturen eine hohe Flexibilität besitzt, wodurch sich teilweise unspezifische Wechselwirkungen entlang der Proteinoberfläche ausbildeten. Auf Basis dieses trimeren Liganden wurden anschließend in silico die Liganden 3 und 4 entwickelt, welche sich andere multivalente Effekte zur Steigerung der Bindungsaffinität zu Nutzen machen sollten. Für diese Liganden wurden ebenfalls MD-Simulationen durchgeführt und ausgewertet. Die Ergebnisse der Computersimulationen dienten als Grundlage für die Entwicklung von Synthesestrategien zur Darstellung C3-symmetrischer Liganden auf Basis der Bausteine core, Linker und Bindungsepitop.
Es konnten alle wichtigen Fragmente in meist guten Ausbeuten synthetisiert und zuverlässige Syntheserouten für die Linkerstrukturen in verschiedenen Längen etabliert werden. Die Realisierung der Synthese des Liganden 1 gelang dabei wegen Ausbeute- und Reinigungsproblemen allerdings nicht in reiner Substanz. Sowohl die erfolgreich durchgeführten Synthesen als auch die Reinigung und Charakterisierung der Fragmente wurde für eine Anwendung des Konzeptes auf vergleichbare Systeme angepasst. Die Liganden 3 und 4 konnten als Vertreter der C3-symmetrischen Liganden zudem erfolgreich in ihrer geschützten Variante dargestellt werden.

The COVID-19 pandemic is the current pinnacle in a series of human pandemics caused by highly contagious viruses. In recent history they were mostly due to highly contagious influenza viruses that cause infections of the upper human respiratory tract. Four major pandemics occurred with the Spanish Flu (1918 - 1920) being the most devastating, causing 20 to 50 million deaths. Avian influenza has been known for number of years in African and Asian countries to cause epidemics of bird flu among poultry. In Germany returned cases of infected birds have been observed most of them caused by wild birds during the seasonal migration. Animals infected with the highly pathogenic form of the virus (HPAI) developed a severe disease that leads to a mortality of about
100 %. Since 1997 many cases of human infection with the mortality rate of well over 50 % have been observed. The infection starts with the hemagglutinin H5 of the virus binding to the α2,3-linked sialic acid residues on the surface of epithelial cells in the upper respiratory tract. In contrast to birds, α2,6-linked sialic acid residues are found in the respiratory tract of humans. This difference has probably prevented the outbreak of a human pandemic. Mutations of the highly pathogenic viruses or a genetic reassortment with other highly infectious viruses could easily lead to an adaption to the epitopes on human cells and facilitate human to human transmission.
There are different approaches to controlling influenza. On the one hand, vaccination against influenza viruses to prevent infection and, on the other hand, various antiviral drugs for therapy of already infected individuals. In addition to inhibition of the endonuclease, the matrix protein M2 and the neuraminidase, inhibition of the hemagglutinin is an extremely promising approach to interrupt the replication cycle of the viruses. High-affinity ligands occupy the receptor-binding domain (RBD), thus preventing already the initial binding of the virus to the host cell. Hemagglutinin H5 as a homotrimeric lectin allows development of modified analogues of the natural binding epitope as well as testing of various multivalent concepts for affinity enhancement.
Goal of the present dissertation has been the development of new concepts for trivalent ligands based on biocompatible oligoethyleneglycol residues as a spacer. Based on the crystal structures of a monomeric hemagglutinin H5, which was co-crystallized with the native binding epitope of the protein, and of a trimeric hemagglutinin H5, potential ligands were developed that have the potential to block as entry inhibitors the avian influenza virus infection cycle. Because of the C3-symmetry of homotrimeric hemagglutinin, trivalent ligands were designed that terminate in sialic acid residues and have oligoethyleneglycol spacers to reach all three binding pockets. In silico, the binding mode of ligand 1 was analyzed and validated in a molecular dynamics (MD) simulation. It was shown that in the model underlying the simulation, binding of all carbohydrate recognition domains (CRD) simultaneously is possible and is not disturbed by negative effects. However, the ligand was also found to have high flexibility due to its unusually long linker structures, resulting in the partial formation of nonspecific interactions along the protein surface. Based on this trimeric ligand, ligands 3 and 4 were subsequently designed in silico to take advantage of further multivalent effects to increase binding affinity. MD simulations were also performed and evaluated for these ligands. The results of the simulations served as a basis for the development of synthesis strategies for the preparation of C3-symmetric ligands based on the building blocks core, linker, and binding epitope.
All relevant fragments could be synthesized in mostly good yields and reliable synthesis routes for the linker structures in different lengths could be established. However, the final syntheses of ligand 1 as a pure molecule was not successful because of problems in yields and purification. The successful syntheses as well as the purification and characterization of the fragments were adapted for a broader application of the concept to comparable systems. Moreover, ligands 3 and 4, as representatives of the C3-symmetric ligands, could be successfully synthesized in their protected variant.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/9533
URN: urn:nbn:de:gbv:18-ediss-99534
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Meyer, Bernd
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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