Titel: Smarter Routes to “Smart” Polymers: Application of Experimental Design in Polymer Chemistry
Sprache: Englisch
Autor*in: Eckert, Tilman
Erscheinungsdatum: 2022
Tag der mündlichen Prüfung: 2022-07-01
Zusammenfassung: 
Polymere mit upper critical solution temperature (UCST) weisen einzigartige Eigenschaften und großes Potenzial für die Entwicklung von sogenannten "smar-ten" Polymermaterialien auf. Nichtsdestotrotz sind UCST-Polymere bis zum heu-tigen Tage noch relativ wenig erforscht – vermutlich aufgrund ihrer ausgespro-chenen Empfindlichkeit gegenüber ionischen Verunreinigungen und äußerst teu-rer Monomere. Im ersten Teil dieser Arbeit wird deshalb eine umweltfreundliche und einfache Synthese des kostengünstigen UCST-Polymers Po-ly(methacrylamid) (PMAAm) mittels photoiniferter reversible addition-fragmentation chain transfer (RAFT)-Polymerisation entwickelt. Die hochgradig gut kontrollierte Polymerisation ergibt eng verteiltes PMAAm (Đ < 1.1), welches scharfe und ausgeprägte thermoreversible UCST-Phasenübergänge in Was-ser/Ethanol-Gemischen aufweist, die durch temperaturabhängige Messungen mittels dynamischer Lichtstreuung (DLS) gründlich untersucht werden. Die Pha-senübergangstemperatur (engl. phase transition temperature, PTT) nimmt mit wachsender Kettenlänge sowie steigenden Gewichtsanteilen von Ethanol (Nicht-lösungsmittel) und PMAAm stark zu und liegt zwischen 10 °C und 80 °C. Es wurde außerdem festgestellt, dass die PTT kontinuierlich abnimmt, wenn die Lösung über mehrere Stunden auf Temperaturen von 70 °C oder höher erhitzt wird. Aufgrund der extremen Empfindlichkeit der UCST-Phasenübergänge kön-nen selbst stöchiometrisch vernachlässigbare Mengen an irreversibel hydrolysier-ten Amidseitengruppen die PTT innerhalb von Stunden deutlich reduzieren. Bei niedrigeren Temperaturen von 40 °C bleiben die PTTs der PMAAm-Lösungen allerdings mindestens drei Tage lang stabil, was darauf hindeutet, dass bei nied-rigeren Temperaturen keine irreversible Hydrolyse stattfindet. Diese generelle Neigung von nichtionischen, zumeist aus Acrylamideinheiten aufgebauten UCST-Polymeren zur Amidhydrolyse der Seitengruppen stellt eine Herausforde-rung für potenzielle Anwendungen von "smarten" UCST-Materialien dar, da hierdurch das UCST-Lösungsverhalten instabil wird. Trotz alldem ist diese Emp-findlichkeit gegenüber der Amidhydrolyse eine einzigartige Eigenschaft der UCST-Polymere, die sich beispielweise in biomedizinischen Anwendungen als vorteilhaft erweisen könnte, da eine kontinuierliche Hydrolyse von aggregierten Partikeln die Nierensekretion stetig erleichtern kann.
Obwohl die RAFT-Technik in der Polymerchemie gut etabliert ist, ist die Op-timierung der Polymerisation im Hinblick auf Parameter wie Molekulargewicht, Dispersität oder sogar „Lebendigkeit“ der Kettenenden mit konventionellen Ver-suchsverfahren kaum möglich. Eine Methode zur zuverlässigen und präzisen Identifizierung von „Sweetspots“ der Polymerisation ist die sogenannte statisti-sche Versuchsplanung (engl. Design of Experiments, DoE). Richtig angewandt, ist DoE effizienter, planbarer und reproduzierbarer als herkömmliche Versuchs-reihen. Darüber hinaus kann DoE einen größeren Wissenszuwachs ermöglichen, da es auch Faktorwechselwirkungen erkennt, weshalb DoE in industriellen For-schungseinrichtungen längst fest etabliert ist. In der akademischen Forschung hingegen ist die DoE-Methode noch weitgehend unbekannt. Der zweite Schwer-punkt dieser Arbeit besteht daher darin, das Potenzial von DoE in der akademi-schen Forschung zu demonstrieren und zu zeigen, dass die Methode auch für komplexere Reaktionssysteme wie die RAFT Polymerisation eingesetzt werden kann. Diese Arbeit bietet hierbei eine umfassende Anleitung, wie RAFT Poly-merisationen mittels DoE optimiert werden können. Dies wird exemplarisch für die thermisch initiierte RAFT Lösungspolymerisation von Methacrylamid (MAAm) gezeigt. Der in der Anleitung Schritt-für-Schritt aufgearbeitete Arbeits-ablauf ermöglicht die Adaptierung für praktisch jede andere Polymerisation. Die Optimierung der RAFT Polymerisation von MAAm erfolgte mittels response surface methodology (RSM) unter Verwendung eines flächenzentrierten central composite design (FC CCD). Hiermit wurden durch polynomiale Regression der experimentellen Daten hochpräzise Vorhersagemodelle für die Zielgrößen Mo-nomerumsatz, Dispersität sowie theoretische und experimentelle zahlenmittlere Molmassen generiert. Diese Modelle ermöglichen ein umfassendes Systemver-ständnis, da jeder Term der Gleichungen einzeln interpretiert werden kann und Faktorinteraktionen identifiziert werden, welche mit herkömmlichen experimen-tellen Ansätzen normalerweise unentdeckt bleiben. Darüber hinaus ermöglichen die Vorhersagegleichungen eine echte Polymerisationsoptimierung, da für alle möglichen synthetischen Ziele die optimale Kombination der Faktoreinstellun-gen berechnet werden kann. Dieser Teil der Arbeit zeigt das große Potential von DoE im Bereich der akademischen Forschung. Kolleginnen und Kollegen (auch aus anderen Fachgebieten) werden so ermutigt, DoE in ihren täglichen Arbeitsab-lauf einzubauen.
Im letzten Teil dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt auf der Kettenverlänge-rung von PMAAm, um "smarte" Diblockcopolymere mit UCST-Löslichkeitsverhalten herzustellen. Poly(methacrylamid-b-methylmethacrylat) (PMAAm-b-PMMA) wird erfolgreich durch tensidfreie photoiniferter RAFT Dis-persionspolymerisation synthetisiert. Methylmethacrylat (MMA) kann hierbei in weniger als 150 min zu ca. 98 % umgesetzt werden. Temperaturabhängige DLS-Messungen der PMAAm b PMMA-Dispersionen zeigen ein bemerkenswertes thermosensitives und -reversibles UCST-Löslichkeitsverhalten der stabilisieren-den PMAAm-Schale in Wasser/Ethanol-Gemischen. Die selbstangeordneten Par-tikel zeigen einen allmählichen, UCST-artigen Quellprozess der PMAAm-Hülle beim Erhitzen und scheinen beim Abkühlen von etwa 30 °C auf 10 °C kleine Aggregate zu bilden. Im Gegensatz zum PMAAm-Homopolymer wird jedoch kein makroskopischer Phasenübergang beobachtet, was vermutlich durch die stark repulsiven Kräfte der Carboxylgruppen an den PMAAm-Kettenenden be-dingt ist. Änderungen der Dispersionskonzentration, der PMMA-Blocklänge und sogar der Partikelgröße haben keinen signifikanten Einfluss auf das beobachtete UCST-Löslichkeitsverhalten, welches augenscheinlich unter den richtigen Um-ständen recht robust sein kann. UCST-Löslichkeitsverhalten bleibt somit ein vielversprechendes Attribut für künftige Anwendungen in "intelligenten" Polymermaterialien.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/9740
URN: urn:nbn:de:gbv:18-ediss-102195
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Abetz, Volker
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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