Titel: Zu Gast bei den Polyoxometallaten: Entwicklung und katalytische Anwendung
Sprache: mehrsprachig
Autor*in: Raabe, Jan-Christian
Erscheinungsdatum: 2024
Tag der mündlichen Prüfung: 2024-09-06
Zusammenfassung: 
Bei den Polyoxometallaten (POMs) handelt es sich um anorganische, polyanionische Clusterverbindungen, die aus ecken- und kantenverknüpften Oktaedern bestehen. In der Koordinationschemie nehmen POMs eine zentrale Stellung ein, da es sich um sogenannte Oxometallkomplexe handelt, die eine hohe Stabilität bzw. Löslichkeit im wässrigen Medium aufweisen und in sauren Medien synthetisiert werden. In dieser Eigenschaft sind die POMs den klassischen metallorganischen Koordinationsverbindungen überlegen, die sich unter Einfluss von Wasser zersetzen würden. Daher können POMs als Katalysatoren in wässrigen Reaktionsmedien eingesetzt werden, wodurch auf schädliche, organische Lösungsmittel verzichtet werden kann. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass POMs leicht aus den entsprechenden Metallatprecursoren der fünften (Vanadium) und sechsten Gruppe (Molybdän und Wolfram) aus dem Periodensystem (PSE) synthetisiert werden können. Somit stellen POMs ideale Kandidaten für die Entwicklung und die Zukunft grüner und nachhaltiger Prozesse dar. Bevor jedoch mit einem POM eine katalytische Anwendung geplant werden kann, muss erstmal ein robustes und repro-duzierbares Synthesekonzept erarbeitet werden, mit dem der POM-Katalysator von Interesse synthetisiert werden kann. Hierfür wurden im Rahmen dieser Arbeit verschiedene Fragestellungen untersucht, die für ein Verständnis der POM-Chemie und für eine gezielte Syntheseplanung von zentraler Bedeutung sind. Generell sind für die POM-Synthesen das Lacunary- und das self-assembly-Konzept von zentraler Bedeutung, auf denen die Synthesen und Untersuchungen dieser Arbeit basieren.
In der POM-Chemie ist es üblich, die Elemente, die in einer POM-Struktur verschiedene Positionen einnehmen können, durch Fremdelemente zu substituieren. Das Ziel besteht darin, sich die Eigenschaften des Substitutionselementes zu Nutzen zu machen, so zum Beispiel in der homogenen RedOx-Katalyse. Dabei werden Hauptgruppenelemente zur Substitution des Heteroelementes in Heteropolyanion (HPA)-Strukturen verwendet und Übergangselemente zur Substitution der Gerüstelemente. Auch wenn das Lacunary-Konzept bereits erforscht wurde, ist es weitestgehend unbekannt in Bezug auf die Synthese verschiedener Phosphormolybdate. Dies lässt sich durch die weitverbreitete Annahme erklären, dass das [PMo9O34]9- Anion zu instabil wäre und nur durch organische Kationen in organischen Medien stabilisiert werden könne. Das Lacunary-Konzept mit dem Anion [PMo9O34]9- konnte jedoch im Rahmen dieser Arbeit erfolgreich auf die wässrige Synthesechemie erweitert werden. Hierfür wurde das Lacunary-Anion in-situ generiert und durch Zugabe von Precursoren eines Fremdelementes zum transition-metal-substituted polyoxometalate (TMSPOM) umgesetzt. So konnten zahlreiche TMSPOMs, die mit verschiedenen Übergangselementen substituiert wurden und die auf Basis vom Phosphormolybdat beruhen, synthetisiert werden. Limitierungen ergaben sich unter Verwendung der späten Übergangselemente Kupfer-(II) und Zink-(II) und den Hauptgruppenelementen Indium (III) und Zinn-(IV).
Mit dem self-assembly Ansatz konnten die Elemente V(V), Mn(II) und Co(II) in die Phosphormolybdatstruktur eingebaut werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass der maximale Substitutionsgrad stark abhängig von der Oxidationsstufe des entsprechenden Übergangselementes ist. Das self-assembly Synthesekonzept konnte auch angewendet werden, um V(V) substituierte Anderson-Evans-POMs auf Basis der Molybdo- und Wolframatotellurate zu synthetisieren. Auch wenn die Übergangsmetallsubstitution in Anderson-Evans-Strukturen nach dem Stand der Literatur noch keine signifikante Rolle spielt, konnten mit der vorliegenden Arbeit die ersten Methoden entwickelt werden, um in Zukunft weitere übergangsmetallsubstituierte TMSPOMs auf Basis des Anderson-Evans Strukturtyps zu synthetisieren. Diese Erkenntnisse sind insbesondere für die homogene RedOx-Katalyse interessant, da somit neuartige Strukturmotive für die Katalyse bereitstehen.
Wenn entsprechende, alkalimetallhaltige Precursoren für die POM-Synthese eingesetzt werden, bilden sich Alkalihalogenide als Nebenprodukte. Hierfür wurde ein effizientes downstream Dialyseverfahren basierend auf einer Nanofiltration an einer nanoporösen Membran etabliert. Mit diesem Konzept konnte der POM effizient unter Wahrung einer hohen Ausbeute nach vier Zyklen der Diafiltration entsalzt werden. Somit kann auf die weniger effizienten Reinigungsverfahren, wie die Kristallisation oder die Etherat-Methode verzichtet werden, die mit einem hohen Ausbeuteverlust und einem teilweise niedrigen Reinigungserfolg einhergehen.
Alle TMSPOMs wurden mit diversen spektroskopischen, elektrochemischen und kristallographischen Methoden charakterisiert, wobei gezeigt werden konnte, dass die jeweiligen Substitu-tionselemente einen signifikanten Einfluss auf die spektroskopischen und insbesondere elektrochemischen Eigenschaften der TMSPOMs nahmen. Durch den Einbau verschiedener RedOx-aktiver Elemente konnte gezeigt werden, dass eine gezielte Beeinflussung der RedOx-Potentiale möglich ist, was ein erster Schritt in Richtung der Synthese maßgeschneiderter TMSPOMs für eine konkrete katalytische Anwendung darstellt. Durch die detaillierte Charakterisierung der TMSPOM-Materialien wurden vertiefte Einblicke in die Festkörper- und Lösungsanalytik der Materialien erlangt, die die Grundlagen für eine Anwendung der TMSPOMs in der homogenen RedOx-Katalyse darstellen.
In der POM-Chemie ist es ebenfalls gängige Praxis, verschiedene Heteroelemente für die Synthese unterschiedlicher HPA-Strukturen einzusetzen. Es ist bekannt, dass verschiedene Heteroelemente an der Bildung verschiedener HPA-Strukturmotive beteiligt sind, jedoch fehlt eine systematische Untersuchung in Bezug auf diese Beobachtung. In dieser Arbeit wurde der Einfluss verschiedener Gruppe 15 Elemente auf die POM-Bildung bei zwei pH-Werten (1 und 5) analysiert. Unter Zuhilfenahme von computergestützten Simulationen mittels Dichtefunktionaltheorie (DFT) und Kristallographie konnte der Einfluss des jeweiligen Heteroelementes auf die sich ausbildenden Strukturtypen analysiert werden. Alle DFT-Simulationen wurden dabei in der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Matthias Stein am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme (MPI) von Froze Jameel und Matthias Stein durchgeführt. Mittels DFT wurde die Thermodynamik der Bildung verschiedener Koordinationsgeometrien mit den verschiedenen Heteroelementen in Bezug auf die Keggin- (tetraedrisch) und Anderson-Evans-Struktur (oktaedrisch) simuliert. Es wurde der Trend gefunden, dass leichte Elemente, wie das Phosphor (P), die Ausbildung von Keggin-Strukturen fördern, während schwerere Ele-mente, wie das Antimon (Sb), die Bildung einer Anderson-Evans-Struktur begünstigen. Auch der Einfluss der weniger erforschten Periode vier Elemente, wie der vom Arsen (As), konnte analysiert werden. Es zeigte sich, dass bedingt durch die Größe des As-Atoms die Ausbildung einer Keggin-Struktur erschwert wurde und die Bildung einer Anderson-Evans-Struktur nicht möglich war. Stattdessen wurden mit As offene Strukturmotive auf Basis des [AsW9O34]9- Anions gebildet, um die erhöhte, strukturelle Spannung, die durch den AsO43- Tetraeder resultiert, auszugleichen. Die so gesammelten Erkenntnisse tragen dazu bei, die POM-Strukturtypbildung in Abhängigkeit des jeweiligen Heteroelementes besser zu verstehen.
Einige der hergestellten TMSPOMs konnten erfolgreich in verschiedenen katalytischen Anwendungen eingesetzt werden. So zeigte sich, dass eine Hydroformylierung (HyFo) von 1-Hexen unter Verwendung Co(II) substituierter Phosphormolybdate möglich war. Die so erzielten Ergebnisse sind daher von besonderer Bedeutung, da in der Literatur TMSPOMs für die HyFo bislang keine Rolle spielen, insbesondere solche nicht, in denen das katalytisch aktive Element in der Gerüstmetallposition des POMs integriert wurde. Damit eröffnet sich für die HyFo-Katalysatoren eine neue Substanzklasse, deren katalytischer Einfluss es noch zu erforschen gilt. Der katalytische Einfluss der V(V) substituierten Anderson-Evans-POMs konnte anhand der Oxidation von Monofuranderivaten untersucht werden. Es zeigte sich, dass eine Oxidation der Monofuranderivate zu Plattformchemikalien wie Ameisensäure (formic acid, FA) und Maleinsäure (MS) an den C1-funktionalisierten Derivaten (wie Furfural) möglich ist. Die katalytische Umsetzung weniger funktionalisierter Derivate (Furanon und 2-Methylfuran) war erschwert, da dem POM-Katalysator keine funktionellen Gruppen zum Angriff zur Verfügung stehen. Diese sogenannten „Struktur-Eigenschaftsbeziehungen“ erweitern das Verständnis in Bezug auf die oxidative Umsetzung komplexerer Biopolymere (wie den Huminen), deren Zusammensetzung auf Basis von Monofuranderivaten beruhen.
Mit denen im Rahmen dieser Arbeit gesammelten Erkenntnissen über die POM-Bildung und die Entwicklung neuartiger Synthese- und Reinigungskonzepte für TMSPOMs, wurde ein Fundament aufgebaut, mit denen zahlreiche, neuartige TMSPOMs erfolgreich und reproduzierbar synthetisiert und hinterher gereinigt werden können. Die hier gesammelten Ergebnisse stellen auch die Grundlage für spätere katalytische Anwendungen dar. Insbesondere durch den Einbau verschiedener Übergangselemente in verschiedene POM-Strukturen bekommt der resultierende TMSPOMs neuartige Eigenschaften, die sich insbesondere auf die RedOx-Potentiale auswirken, sodass in Zukunft maßgeschneiderte TMSPOMs für eine konkrete katalytische Anwen-dung hergestellt werden können. Somit sind die hier gesammelten Ergebnisse nicht nur vom akademischen Interesse her nützlich, sondern helfen auch dabei katalytische Probleme und damit die Herausforderungen im 21. Jahrhundert effizient anzugehen.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/11147
URN: urn:nbn:de:gbv:18-ediss-121126
Dokumenttyp: Dissertation
Bemerkung: Es handelt sich um eine kumulative Dissertationsschrift mit insgesamt sechs Publikationen. OrcID des Autors: 0000-0002-8240-1355
Betreuer*in: Albert, Jakob
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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