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Titel: Ein neues Zuhause schaffen. Zwischen Raumverlust und Raumaneignung: der Wohnraumprozess der Zufluchtsuchenden im Nachkriegsdeutschland – dargestellt am Landkreis Harburg
Sonstige Titel: To establish a new home. Between loss and occupancy of living space: the process of living space for the refugees after the Second World War – shown for the district of Harburg
Sprache: Deutsch
Autor*in: Löhning, Corinna
Schlagwörter: Nachkriegsdeutschland; Raumverlust; Raumaneignung; Wohnraumprozess; Second World War; space; refugees; living space; Harburg
GND-Schlagwörter: Nachkriegszeit
Wohnen
Flüchtling
Vertriebener
Raum
Wohnraum
Landkreis Harburg
Erscheinungsdatum: 2018
Tag der mündlichen Prüfung: 2019-05-20
Zusammenfassung: 
Keine andere Bevölkerungsgruppe hat den Landkreis Harburg sozialräumlich so stark geprägt wie die Zufluchtsuchenden, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg in den Landkreis kamen. Dort trafen die Geflüchteten auf bereits beanspruchten Raum, den es neu aufzuteilen galt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Mit- und Nebeneinanderwohnen aufgrund der hohen Anzahl der Zufluchtsuchenden sowie der angespannten Wohnraumsituation infolge der Kriegszerstörungen keine einfache Aufgabe.
In der vorliegenden Arbeit wurde der Landkreis Harburg als Untersuchungsraum gewählt, der sich südlich von Hamburg erstreckt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr dieses Gebiet einen immensen Bevölkerungsanstieg. Da bereits während des Krieges viele ausgebombte Hamburger im Landkreisgebiet untergebracht werden mussten, verschärften die zusätzlich ankommenden Zufluchtsuchenden aus den ehemaligen deutschen Ostprovinzen die Wohnraumknappheit. Öffentlicher wie privater Raum musste neu aufgeteilt und Ressourcen umverteilt werden, was die Gemeinden und die einheimische Bevölkerung und nicht zuletzt die zufluchtsuchenden Menschen vor neue Herausforderungen stellte. In diesem Zusammenhang wird der Eintritt sowie das Problem der Unterbringung der zufluchtsuchenden Menschen in einen für sie fremden Raum untersucht, der ein Verhandeln von Wohn- und Lebensraum mit zwei unterschiedlichen Akteursgruppen mit sich führte: mit der einheimischen Bevölkerung sowie der administrativen Ebene. Es wird ergründet, wie sich ein anfängliches notdürftig „Untergebrachtwerden“ zum „Wohnen“ entwickelte und wie die unterschiedlichen Akteure mit ihren unterschiedlichen Wahrnehmungen im sozialen Raum handelten.
Es wird dargestellt, wie zwischen den unterschiedlichen Akteursgruppen der Wohnraum verhandelt und vereinnahmt wurde, wie sich die Akteure räumlich und sozial ausgrenzten bzw. wie sie ausgegrenzt wurden und schließlich wie Zufluchtsuchende den neuen Lebensraum wieder zu ihrem eigenen Raum machten. Eine wichtige Komponente bei der Neustrukturierung des Raumes Landkreis Harburg war zunächst die Kategorie der Bewegung.
Der Wohnraumverlust und die Tatsache, dass der eigene Wohnraum zu einer Gefahrenzone geworden war, gaben den Akteuren den Antrieb zur Mobilität, wodurch sie Übergangsräume schafften, die mit einem anderen Bedeutungsgehalt durch ihre Nutzer belegt waren. Mit der Ankunft der Flüchtlinge in den Sozialraum der einheimischen Bevölkerung setzte schließlich ein sozialer Prozess des Übergangs ein, der durch die Zwangseinquartierung bei der einheimischen Bevölkerung administriert wurde und geprägt war durch Ausgrenzung und Fremdzuschreibungen einerseits und Versuche, ein Teil dieser neuen Gesellschaft zu werden, andererseits.
Der liminale Zustand ergab sich für alle Beteiligten folglich aus einer Schnittstelle unterschiedlicher Raumauffassungen, durch die sich ein neuer Raum ‒ ein Übergangsraum ‒ herausbildete, in dem ein neu gedachtes Raumkonzept auf einen subjektbezogenen Lebensraum mit komplexen gesellschaftlichen Beziehungen traf. Mit der Errichtung der Siedlungen erhielten die Zufluchtsuchenden schließlich ihren Ort und es entstand eine neue Raumordnung und Alltagswelt, die den Austritt aus der liminalen Phase in einen stabilen Zustand markierte und die Siedlungen und ihre Siedlungshäuser zu Räumen des Ankommens werden ließen. Dabei sind die Siedlungshäuser vielmehr als ein architektonisches Zeugnis für eine geglückte Integration. Sie sind eine Versinnbildlichung einer neuen Lebensphase, welche die Phase des Übergangs ablöste und die des Ankommens markierte.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde auf unterschiedliche empirische Methoden zurückgegriffen, um eine große Bandbreite an Informationen zu erhalten, da unterschiedliche Zugänge zu den Quellen auch unterschiedliche Einblicke in das alltägliche Leben der Zeitzeugen ermöglichen. Die Darstellung dieser Arbeit erfolgt daher sehr nahe an den Quellen, die aus unterschiedlichen Gattungen erhoben werden: Archivalische Quellen, autobiographische Texte und Bildmaterial.
Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit stützt sich jedoch auf teilstandardisierten Interviews mit Zufluchtsuchenden aus den ehemaligen Ostgebieten sowie ausgebombten Hamburgern und Einheimischen, die im Untersuchungszeitraum im Landkreis Harburg gelebt haben und das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven reflektierten. Insgesamt wurden 40 Interviews für diese Arbeit geführt und ausgewertet sowie 30 von ihnen transkribiert. Darüber hinaus wurden für diese Arbeit sechs Archive im Landkreis sowie das Niedersächsische Landesarchiv Hannover besucht und die dort vorhandenen Akten und Dokumente gesichtet.

No other population group has influenced the district of Harburg sociospatially as significantly as the refugees, who arrived at the district during and after the Second World War. There the refugees met already occupied space, which had to be redistributed newly. After the Second World War, living together and living side by side was not an easy task due to the high number of refugees and the stressed housing situation owing to the bomb damages. In this thesis, the district of Harburg is the zone chosen for the analysis. The district is located south of Hamburg. After the Second World War, the district experienced an immense increase of population. Since already during the Second World War many bombed-out inhabitant of Hamburg, had been accommodated in the district of Harburg, the additionally arriving refugees from the former German eastern provinces tightened the housing shortage. Both, public and private space had to be redistributed and resources had to be reallocated, posing new challenges for communities and locals, and not least the refugees. In this context, the arrival and the problem of accommodating people seeking refuge in an unfamiliar space, which result in negotiations of living space and habitat with two different groups of actors: the local population and the administration. It is explored how an initial makeshift accommodation has developed into living and how the different actors have handled their different perceptions in the social space. It is presented how the different groups of actors have negotiated and received housing, how the actors have applied othering spatially and socially and how they have experienced othering themselves and how the refugees have made the new habitat to their own space again. An important component in the restructuring of the district of Harburg has initially been the category of movement. The loss of housing and the fact that their own living space has become a danger zone, gave the actors the impetus for mobility, thereby creating transition spaces with a different meaning for their users. Finally, with the arrival of the refugees into the social space of the local population, a social process of transition has begun, which has been administered by compulsory accommodation at the local population and has been characterized by exclusion and othering on the one hand and attempts to become part of this new society on the other hand. The liminal state thus has resulted for all participants from an interface of different spatial conceptions, through which a new space ‒ a transitional space ‒ developed, in which a newly conceived spatial concept met a subject-related living space with complex social relationships. With the establishment of the settlements, the refugees finally have gotten their place and there has been a new spatial structure and everyday world, which has marked the exit from the liminal phase in a stable state and has transformed the settlements and the corresponding houses to space of arrival. Thereby the houses within the settlements have been much more than an architectural witness to a successful integration. These have been a symbol of a new phase of life, which has replaced the phase of transition and marked the arrival.
Within this thesis, different empirical methods have been used to obtain a wide range of information, since different approaches to the sources also allow for different insights into the everyday life of contemporary witnesses. The content of this thesis is therefore connected very closely to the sources, which are collected from different categories: archival sources, autobiographical texts and graphical material. However, the main part of this work is based on semi-standardized interviews with refugees from the former eastern regions of Germany as well as bombed-out inhabitant of Hamburg and locals, who lived in the district of Harburg during the period covered in this study. All these interviewees reflect on the events from different perspectives. A total of 40 interviews have been conducted and evaluated for this work and 30 of them have been transcribed. In addition, six archives in the district of Harburg as well as the Lower Saxony State Archives have been visited for this work and the available files and documents have been inspected.
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/6250
URN: urn:nbn:de:gbv:18-103806
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Kienitz, Sabine (Prof. Dr.)
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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