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Titel: Kriminalistische Serendipity – Ermittlungserfolge im Spannungsfeld zwischen Berufserfahrung, Gefühlsarbeit und Zufallsentdeckungen. Über die Bedeutung von Serendipity im Rahmen (kriminal)polizeilicher Ermittlungstätigkeit.
Sprache: Deutsch
Autor*in: Holzhauer, Hedda
Schlagwörter: Abduktion; Gefühlsarbeit; Kunstlehre; Operative Fallanalyse; retrospektive Prophezeiung; by-product; investigator; know-how; profiling; teamwork
GND-Schlagwörter: Serendipity
Zufall
Glück
Scharfsinn
Experte
Erfahrungswissen
Ermessen
Geistesblitz
Zufallsfund
Detail
Sherlock Holmes
Vernehmung
Erscheinungsdatum: 2016
Tag der mündlichen Prüfung: 2016-04-29
Zusammenfassung: 
Im Sinne einer Kriminalistik als praktizierte Kriminologie versucht diese Arbeit den Brückenschlag zwischen beiden Disziplinen zu vollziehen. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht hat sich der amerikanische Soziologe Robert K. Merton mit der Nutzbarmachung des Zufalls beschäftigt. In Anlehnung an sein Konzept des serendipity pattern befasst sich diese Untersuchung mit der Rolle von Serendipity im (kriminal)polizeilichen Ermittlungsprozess bzw. der Fähigkeit des Ermittlers, vermeintlich zufällige Ermittlungserfolge zu erzielen, die oftmals mit Begriffen wie „Kommissar Zufall“ umschrieben bzw. auf den „kriminalistischen Spürsinn“ oder das „Bauchgefühl“ zurückgeführt werden.

Basierend auf der Hypothese, dass es ein Kriminalistische Serendipity genanntes Element im Rahmen der (kriminal)polizeilichen Ermittlungstätigkeit gibt, setzt sich diese Arbeit mit dem kriminalistischen Denken auseinander und geht u. a. der Frage nach, was einen erfolgreichen Ermittler auszeichnet. In diesem Zusammenhang werden Konzepte der Heuristik, Abduktion und Logik genauso behandelt wie die Bedeutung von Zufall, Intuition, unvorhergesehenen Nebenfolgen, Wissen und Nicht-Wissen.

Ausgehend von der Annahme, dass nicht nur in wissenschaftlichen Artikeln, sondern auch in Ermittlungsberichten das Geschehen retrospektiv in eine (chrono)logische Protokollform gebracht wird, lässt sich weder der tatsächliche (gedankliche) Ablauf noch Serendipity in den schriftlichen Ermittlungsunterlagen finden. Zur Wissensgenerierung wurden deshalb Experteninterviews mit 23 pensionierten Kriminalbeamtinnen und Kriminalbeamten geführt, zudem ergänzend eine Operative Fallanalyse eines versuchten Tötungsdeliktes teilnehmend beobachtet. Dabei kann die Operative Fallanalyse als Paradebeispiel für institutionalized serendipity bezeichnet werden. Die Befunde zeigen, dass polizeiliche Ermittlungsarbeit sowohl im Umgang mit Menschen als auch mit Spuren weniger der viel beschworenen formalen Logik als vielmehr einer individuell-erfahrungsbasierten kriminalistischen Logik folgt.

Die Nähe zwischen wissenschaftlicher Forschung und kriminalistischer Ermittlung lässt sich über den im Englischen gemeinsam geteilten Begriff investigator zum Ausdruck bringen. Was für den Forscher der Forschungsprozess ist, ist für den Ermittler das kriminalistische Denken. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass sich Fine und Deegans (1996) ethnografische Serendipity-Unterteilung in temporal serendipity, serendipity relations und analytic(al) serendipity auch als Grundlage einer Kategorisierung Kriminalistischer Serendipity angeboten hat.

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass weder Forschung noch (kriminal)polizeiliche Ermittlungen komplett planbar sind. Diesem Grundsatz folgend empfiehlt es sich, das Unerwartete zuzulassen und darauf vorbereitet zu sein. Vermeintlich zufällige oder glückliche Erfolge sind grundsätzlich erarbeitet und somit das Produkt der von den Ermittlern gewählten Handlungsstrategie. Während die Bezeichnung „Kommissar Zufall“ häufig einen die polizeiliche Leistung abwertenden Eindruck suggeriert, lässt sich Kriminalistische Serendipity als die Fähigkeit bezeichnen, Ermittlungserfolge im Spannungsfeld zwischen Berufserfahrung, Gefühlsarbeit und erarbeiteten Zufällen zu erzielen.

Wie banal die Dinge – zumindest in der Retrospektive – manchmal sein können, zeigt sich daran, dass die Antworten auf die Forschungsfragen in der Experteneigenschaft der Interviewpartner lagen.

„Der Zufall begünstigt nur den vorbereiteten Geist.“ (Louis Pasteur)
URL: https://ediss.sub.uni-hamburg.de/handle/ediss/6960
URN: urn:nbn:de:gbv:18-81830
Dokumenttyp: Dissertation
Betreuer*in: Krasmann, Susanne (Prof. Dr.)
Enthalten in den Sammlungen:Elektronische Dissertationen und Habilitationen

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